Ein symptomatisches Signal für
die kommende Fußballweltmeisterschaft setzte das WM-Maskottchen
"Goleo". Gleich um 20 Prozent oder 40
Millionen wollte der Spielwarenhersteller Nici mit dem blöden
Plüschlöwen seinen Umsatz steigern. Nun musste die
Unternehmensführung Konkurs anmelden. Gleichzeitig läuft gegen
das Unternehmen ein Verfahren wegen Betrugs bzw.
Bilanzfälschung.
Die kommende
Fußballweltmeisterschaft sagt uns Einiges über den aktuellen
Zustand des Kapitalismus. Allerdings hält
sich immer noch hartnäckig die Legende, Fußball sei eine
Arbeitersportart. Richtig ist daran soviel, dass die sportliche
Kooperation einer Fußballmannschaft der Arbeitskooperation einer
kapitalistischen Fabrik nachgebildet ist.
Die Leute, die sich auf dem Spielfeld abrackern, haben
unterschiedliche Aufgaben zu erfüllen. Ihr Erfolg hängt weniger
von kunstvollen Einzelleistungen ab als vom sinnvollen
Zusammenwirken des ganzen Teams. Der Kapitän der Mannschaft ist
der Vorarbeiter. Darüber steht der Trainer als Meister und
Einpeitscher, der vor allem über Disziplin und Leistungswillen
wacht. Darüber steht das Vereinsmanagement, das dem Trainer und
der Mannschaft die Ziele vorgibt. Hinter dem Management stehen
die Eigentümer, die (möglichst) Gewinne einstreichen ohne selber
was von der Sache verstehen zu müssen und ohne sich je schmutzig
machen zu müssen. Jeder Fußballverein ist ein
wirklichkeitsgetreues Abbild einer kapitalistischen Fabrik.
Fußball ist keine proletarische, sondern eine kapitalistische
Sportart. Dass immer mehr Vereine in finanzielle Schieflage
kommen und die Profite nicht so sprudeln wie erhofft, dass
Gewinne auf dem Spielfeld wie in der Vereinskasse zunehmend
durch Schieberei, Betrug und Bestechung erzielt werden, - auch
hier ist der Fußball ein wirklichkeitsgetreues Abbild des
heutigen Kapitalismus.
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag erwartet durch die
WM einen Zuwachs des Bruttoinlandsprodukts von 0,33
Prozentpunkten. Berechnet auf das BIP von 2.244 Mrd. Euro (2005)
wären das ein volkswirtschaftliches Umsatzplus von 7,4 Mrd.
Euro. Bei einer (niedrig angesetzten) Profitrate von 5 Prozent
würden da 400 Mio. Euro Profit für die Kapitalisten
herausspringen.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ist schon
vorsichtig geworden und warnte vor "übertriebenen
Konjunkturhoffnungen" im Zusammenhang mit der Fußball-WM. "Ein
Anstieg des privaten Konsums insgesamt ist nicht zu erwarten",
schreiben sie in ihrer am Mittwoch veröffentlichten Studie. Die
Wirtschaftsforscher verweisen darauf, dass frühere
Sport-Großereignisse in Deutschland ebenfalls keine besondere
Konjunktureffekte auslösten.
Jede Olympiade und jedes andere Sport-Großereignis zeigen
vielmehr, dass die Regierungen solche Veranstaltungen sowohl zum
hemmungslosen Schuldenmachen nutzen als auch als staatliches
Probetraining für Bürgerkrieg und Revolution.
Rund hunderttausend PolizistInnen, zehntausend Leute von
privaten Sicherheitsdiensten, siebentausend Bundeswehrsoldaten
und eine ungenannte Zahl ausländischer "Sicherheitskräfte"
nutzen die WM für ein riesiges Bürgerkriegsmanöver gegen das
Volk. Als Rechtfertigung für diese Demonstration der
Staatsgewalt sind die Verantwortlichen nicht um die dümmsten
Begründungen verlegen. Auf mögliche Terroranschläge wird
verwiesen oder darauf, dass während des Confederations Cups 2005
in Köln bei einer Großveranstaltung 20 Menschen verletzt wurden,
als Bierflaschen durch die Luft flogen. Die Staatsgewalt will
uns vor uns selber schützen oder, wie es Mielke für alle
Staatsschützer klassisch formulierte: "Wir lieben euch doch
alle!"
Die "Arbeitsgemeinschaft WM-Städte" bezifferte ihre bisherigen
öffentlichen Ausgaben mit 1,2 Mrd. Euro. Für ein das einmalige
Monatsereignis WM macht das immerhin 40 Millionen Euro
zusätzliche Staatsausgaben pro Tag. Die Sicherheitskosten sind
da noch nicht berechnet.
Die Profit-Erwartungen an die WM sind riesig, was bis jetzt
erfüllt wurde, ist lachhaft.
Die Eigentümer der WM, die FIFA, hatte vor, aus der Verwendung
von gebräuchlichen Wörtern der deutschen Sprache wie "Fußball WM
2006" Profit zu schlagen - und andernfalls ihre Verwendung zu
verbieten - und ist damit vor dem Bundesgerichtshof gescheitert.
Daran hängen insgesamt 13 Millionen Euro allein von deutschen
Sponsoren-Firmen der WM.
Immerhin bleiben der FIFA noch fünf Klingeltöne von Grönemeyers
"Turnier-Hymne", mit denen soll auf dem 300 Millionen Euro
schweren Handy-Markt den Kids kräftig das Taschengeld abgezapft
werden. "Die WM-Melodie hat das Potenzial, zum weitest
verbreiteten Klingelton aller Zeiten zu werden", schwärmt
Willard Ahdritz, dessen Firma Kobalt Music garantieren soll,
dass weltweit Lizenzgebühren für den Song eingetrieben werden. (FTD)
Die geplante Eröffnungsfeier der WM in Berlin mit
Eintrittspreisen um die 700 Euro musste wegen mangelnder
Nachfrage von der FIFA abgeblasen werden.
Nach Angaben der "Süddeutschen Zeitung wurden für rund 70.000
exklusive WM-Karten, für die 170 Millionen Euro gezahlt werden
sollten (pro Karte also über 2400 Euro!), noch keine Abnehmer
gefunden. Vielleicht werden die Stadien noch mit Schulkindern
gefüllt, wie das in Ländern mit starkem Staat üblich ist.
In Berlin hatte die FIFA 8000 Hotelzimmer für VIPs reserviert
und davon wieder 5000 zurückgegeben. Das Jammern unter den Vier-
und Fünf-Sterne-Hoteliers in Berlin ist groß. Jetzt hoffen die
feinen Herren auf kurzfristige Buchungen. Die mögen ja noch
kommen, aber zu deutlich niedrigeren als den bisher kalkulierten
Preisen. Die feine Berliner Hotelzunft mit rund 84.000
Hotelbetten im Vier- und Fünfsterne-Bereich klagt darüber, dass
der Durchschnittspreis gerade einmal bei schlappen 127 Euro pro
Nacht liege, während vergleichbare Hotels in Mailand, Paris und
London 275 bis 290 pro Nacht herausschlügen.
Ein paar Fußballspiele machen aus Berlin halt keine Glamourstadt
- erst recht nicht, solange in und um Berlin Nazis Jagd auf
"Nigger" machen.
Was die Masse nicht bringt, muss das Luxus-Geschäft bringen: Die
"Präsidentensuiten" im Hotel Adlon für stolze 22.000 Euro pro
Nacht sind jedenfalls während der WM ausgebucht, und "höchsten
Sicherheitsstandard" für Dunkelhäutige haben sie auch.
Die bisherige Liste der WM-Pleiten ist schon lang. Natürlich
machen unsere Medien weiter in Optimismus. Eine schlechte Presse
würde ja die schlechte aktuelle Lage noch beschissener werden
lassen. Die Medien-Macher sind unsere Musiker auf der
Fußball-Titanic. Hört man das Knirschen des Eisbergs, müssen sie
lauter spielen.
Derweil zeigen die Börsenkurse in Richtung Süden. Am gestrigen
Tag verlor der deutsche Dax-Index mit 200 Punkten so stark "wie
seit fast vier Jahren nicht mehr an einem einzigen Tag".
Die Fußballweltmeisterschaft 2006 ist ein großes
Spekulationsunternehmen. Wenn es nicht strafbar wäre, würde ich
sagen, es ist ein großes Schwindelunternehmen. Da ist nicht
einmal ausgeschlossen, dass die DFB-Auswahl das Turnier gewinnt.
Beim letzten Turnier kam ein Gastgeberland, das im
internationalen Fußball noch nie was gerissen hatte, bis ins
Halbfinale.
Richtig, ich hatte bisher versäumt, die Schiedsrichter zu
erwähnen. Sie verkörpern auf dem Fußballfeld die Staatsgewalt.
Schiedsrichter sind Regierung, Richter und Polizist in einer
Person. Wo immer die "unsichtbare Hand des Marktes" - sprich die
Spielstärke einer Mannschaft - nicht ausreicht, da greifen die
Schiedsrichter ein und entscheiden nach ihrem Gutdünken. Darauf
ruhen alle "deutschen Fußballhoffnungen".
Editorische Anmerkungen
Der Text
erschien am 18.5.2006 bei Indymedia.
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