Betrieb & Gewerkschaft
Zwischenstand Betriebsratswahlen

von
B.B..
05/06

trend
onlinezeitung

Die Betriebsratswahlen laufen bis Ende Mai. Dabei werden die meisten klassenkämpferischen GewerkschafterInnen auf offiziellen Gewerkschaftslisten oder über Persönlichkeitswahlen gewählt wie z. B. bei Alstom in Mannheim. Doch nicht überall treten sie auf gemeinsamen Listen an.

Spektakulär sind die Ergebnisse, wo in kämpferischen Belegschaften verschiedene Listen offen gegeneinander antreten. Einen großen Erfolg errang die Gewerkschaftslinke bei DaimlerChrys­ler in Stuttgart-Untertürkheim. Die AktivistInnen der Liste alternative-Klartext hatten im Juli 2004 an der Spitze der Mettinger DC-KollegInnen gegen das Kürzungsprogramm des Automobilkonzerns auf der Autobahn nach Stuttgart demonstriert. Alternative-Klartext führt eine knallharte und sehr fundierte Auseinandersetzung mit der Konzernspitze aber auch mit den Sozialpartnern im Betrieb um Betriebsratschef Helmut Lense. Während für dessen offizielle IGM-Liste 8668 KollegInnen stimmten (59% und 28 Sitze), erreichte Alternative-Klartext 3094 Stimmen (21%) und 10 Sitze. Besonders in ihrer Hochburg Mettingen legte die Gewerkschaftslinke zu. Dort kamen Tom Adler, Michael Clauss u.a. auf 2394 Stimmen und damit 45 Prozent.

Auch bei DaimlerChrysler Kassel konnten Alternative Metaller 6 BR-Mandate von 23 erreichen und damit einen Sitz mehr. Für ihren Spitzenkandidaten stimmten mehr KollegInnen als für den amtierenden Betriebsratsvorsitzenden. Die ersten fünf Ersatzmitglieder sind ebenfalls Alternative Metaller.

Bei Opel Bochum, wo 2004 der große Arbeitskampf stattfand, erlangte die Liste WIR um den alten und neuen Betriebsratsvorsitzenden Einenkel – WASG nahe – 2701Stimmen und 18 der 35 Sitze. Außerdem kandidierte die Liste Klartext, für die 981 Stimmen abgegeben wurden (6 Mandate). Daneben traten zwei klassenkämpferische Listen an: Offensiv/GOG bekam 442 Stimmen (2 Sitze) und die Liste Einheit 440 Stimmen und ebenfalls zwei Sitze.
Auch beim Flugzeug-Caterer Gate Gourmet in Düsseldorf, wo die KollegInnen mit der Gewerkschaft NGG seit dem 7. Oktober 2005 im Streik standen, wurde gewählt. Die Liste Menschenwürde der Streikenden erzielte fünf von sieben Sitzen im Betriebsrat und bekam sogar Stimmen aus dem Drittel der Belegschaft, das Streikbrecherarbeiten leistete (s. Kasten).

Die Betriebsratswahlen zeigen, dass die Gewerkschaftslinke an Überalterung leidet. Viele KandidatInnen sind bereits seit Ende der 70er/Anfang der 80 Jahre aktiv. Andererseits kandidieren kämpferische InteressenvertreterInnen von Belegschaften, die durch die Offensive des Kapitals zum Widerstand gezwungen werden. Ihre aktivsten Elemente gilt es für den Aufbau der Gewerkschaftslinken zu gewinnen.

MLPD: Mythos Verankerung

Bei den Betriebsratswahlen 2006 kandidierten zum ersten Mal spürbar Mitglieder der MLPD. Dabei entpuppte sich der von der Partei gepflegte Ruf der betrieblichen Verankerung als Mythos. Bei DaimlerChrysler in Untertürkheim kandidierten neben der Liste alternative-Klartext die Offensiven Metaller mit Volker Kraft, der zu den Bundestagswahlen für die MLPD/Offene Liste angetreten war. Die Offensiven Metaller bekamen ganze 314 von 14701 Stimmen.

Um bei Opel in Bochum nicht völlig unterzugehen, sprangen die MLPD-nahen KandidatInnen über ihren eigenen politischen Schatten und traten gemeinsam mit der GOG an. Die Liste Offensiv/GOG erhielt 442 Stimmen. Hätte Offensiv getrennt von Gegenwehr ohne Grenzen kandidiert und hätten beide die Hälfte der Stimmen erreicht, dann wäre die MLPD-nahe Offensive auf rechnerisch 221 von 5740 Stimmen gekommen. Es geht nicht darum, die MLPD herabzusetzen, deren aktive MetallerInnen oft von früheren KABD-Mitgliedern und heutigen Obersozialpartnern wie Berthold Huber und Helmut Lense bis hin zum Ausschluss angegangen werden. Aber erstens geht es um die realistische Einschätzung der eigenen „Verankerung“. Und da steht die gesamte Linke in Betrieb & Gewerkschaft noch am Anfang. Und zweitens zeigen auch die Betriebsratswahlen 2006, dass sich die langfristige Aufbauarbeit einer Gewerkschaftslinken, die klassenkämpferisch und pluralistisch ist, mehr auszahlt als die parteibezogene Eigenkandidatur.

 

Editorische Anmerkungen

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