Peter Trotzig Kommentare zum Zeitgeschehen

Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen!

05/07

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So konnte man es vor gar nicht langer Zeit von einem gewissen Herrn Müntefering, seines Zeichens „Spezialdemokrat“, wieder erfahren.

Auch dem Dümmsten ist bekannt, dass derjenige, der nichts isst, recht bald stirbt! Soll der reaktionäre Spruch uns vielleicht die Botschaft übermittel, wonach derjenige der nicht arbeitet, auch nicht leben, also sterben soll? Die Nazis haben diese Vision umgesetzt unter der schönen Lagerbegrüßungsparole "Arbeit macht frei!"

Die Frankfurter Rundschau berichtet in ihrer Ausgabe vom 19.04.2007 vom Hungertod eines 20jährigen Hartz IV-Empfängers in Speyer.

Armut
Behörde weist Vorwürfe nach Hungertod zurück

Speyer - Nach dem Hungertod eines 20 Jahre alten Hartz-IV-Empfängers in Speyer sieht die zuständige Behörde bei sich keine Versäumnisse. "Wir hätten nichts tun können", sagte Hans Grohe von der Arbeitsgemeinschaft (Arge) für die Betreuung von Hartz-IV-Empfängern am Mittwoch. "Ich kann meinen Mitarbeitern keinen Vorwurf machen." Der verhungerte 20-Jährige war am Sonntagabend in seiner Wohnung gefunden worden, in der er mit seiner ebenfalls arbeitslosen Mutter gelebt hatte. Die stark geschwächte 48-Jährige sagte, sie hätten kein Geld gehabt, um Lebensmittel zu kaufen.

Den beiden war von Oktober 2006 an schrittweise die Unterstützung gestrichen worden, nachdem der Sohn Termine versäumt hatte. Auf die Streichung der Mittel habe die Familie nicht reagiert, sagte Grohe. Die Arge habe nicht den Auftrag, in derartigen Fällen von sich aus aktiv zu werden. Der Speyerer Bürgermeister Hanspeter Brohm betonte, es habe keinen Hilferuf der Familie gegeben, auf den hätte reagiert werden können. Mutter und Sohn, die als Bedarfsgemeinschaft eingestuft worden waren, hatten vor der Kürzung ihrer Unterstützung insgesamt 621 Euro im Monat sowie die Miete für ihre Wohnung erhalten. Laut vorläufigem Obduktionsergebnis starb der 20-Jährige schon in der vergangenen Woche.

Die Familie hat auf die Kürzungen von Seiten des „Arbeitsamtes“ (lassen wir es dabei) nicht reagiert. Da konnte die Behörde nichts machen! Auch die Message ist deutlich: Wer verhungert ist selbst Schuld!

Na klar, der moderne bürgerliche Staat ist selbstverständlich Teil der von manchen Linken immer wieder heraufbeschworenen „Zivilgesellschaft“. Mord und Massenmord sind nicht seine Sache, es sei denn im weit weniger zivilen Ausland, unter den „Barbaren“, und dann geschieht Massenmord auch nur als „Kolateralschaden“ im chirurgisch sauberen Krieg, der wiederum nur dem Frieden dient. Wahrscheinlich fehlt auch dort einfach der Hilferuf, auf den die Strategen bürgerlicher „Befreiung“ warten.

Doch zurück zu Herrn Grohe. Wer schon mal arbeitslos war, der kennt das ja vom „Arbeitsamt“: ein Hilferuf genügt und die Stütze fließt weiter! Man ist dort ganz der Nächstenliebe verpflichtet. Oder? Wahrscheinlich hätte man den 20ig-Jährigen eher zwangsernährt, als ihm das nötige Geld zum Leben zu geben.

Jahrelang läuft eine Kampagne nach der anderen gegen die „Faulpelze“, den Missbrauch sozialer Leistungen, dem man nun endlich Herr werden will! Die Beschnüffelung und Verfolgung von Lohnarbeitslosen nimmt immer krassere Formen an. Immer häufiger wird mit Leistungsentzug gedroht und man schafft sich immer mehr Möglichkeiten, diesen Leistungsentzug auch durchzuführen. Für all diese Maßnahmen gibt es Personal und „Arbeitszeit“. Man ist extrem hellhörig! Der Hilferuf des bürgerlichen Staates wird gehört und man setzt ihn sofort um. Schließlich stehen diesem Hilferuf alle Medien offen, er macht Schlagzeilen!

Die Nachricht vom Tod des 20jährigen Hartz IV-Empfängers war der Frankfurter Rundschau gerade mal eine kleine Nachricht in der Rubrik „Aus aller Welt“ wert. Genau, da hört es ja hin, etwas skuril, weit weg, fremd, eben „aus aller Welt“.

Schlagzeilen ohne Ende dagegen macht der neuerliche Amoklauf eines Menschen in den USA. Er bekommt nicht nur Schlagzeilen, sondern die gebüldete Intelligenz darf seitenlang über Ursachen eines solch erschreckenden Ereignisses, dass man eigentlich ja gar nicht verstehen kann, wo alles so toll bestellt ist, räsonnieren. Wenn Menschen in existentieller Not in dieser besten aller (Business-)Welten sich Gehör für ihre Hilferufe verschaffen wollen, dann müssen sie sich schon was einfallen lassen, damit Medien, Staat und Verwaltungsbürokratie für Armut und Not etwas hören. Normalerweise sind sie ziemlich taub auf diesem Ohr. Wenn sie aufschrecken, dann geschieht das primär nicht aus sozialem Engagement, sondern aus Angst, dass ihre eigene mehr oder minder privilegierte, jedenfalls erträgliche Position vielleicht von solchen Verzweifelungstaten irgend wann auch erreicht werden könnte. Nur dem gilt die Sorge der Schlagzeilen!

Hätten wir eine Presse, die nicht Kapital ist, die nicht darauf achten muss, dass sie gewinnbringende Schlagzeilen liefert, deren Inhalt nicht von Leuten bestimmt wird, die ihrem Privatinteresse verpflichtet sind, dann stünde der Tod des 20jährigen Hartz IV-Empfängers überall als „Superskanal“ auf der 1. Seite! Da das nicht so ist, bleiben die Titelseiten reserviert für die Hartz, Schröder, Clement und Müntefering und für jene, die durch ihre Verzweifelung über das, was ihnen in dieser feinen bürgerlichen Gesellschaft widerfährt, Amok laufen! Warum ein Mensch (zunächst mal einer) in diesen deutschen Landen mit überschießendem Reichtum verhungert, das lässt sich vordergründig schon mal ganz einfach illustrieren:

 

Editorische Anmerkungen

Peter Trotzig schreibt ab der Nr. 1-05 in unregelmäßigen Abständen seine Kommentare zum Zeitgeschehen.