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Gegen den neoliberalen Kolonialismus in Kosova

von Albin Kurti ( JVA Prizren )

05/07

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Armut ist eine Symptom: Die Knechtschaft ist die Krankheit“, Bertrand Russel in seinem Essay: -Die Welt, wie sie sein könnte-. 

Wir wissen, dass Du unruhig bist, aber bleib ruhig. Wir wissen, dass Du unzufrieden bist, aber warte. Wir wissen, dass Du leidest, aber habe Geduld. (Bleib da unten, damit wir hier oben bleiben)

Während des XIX u. XX Jahrhunderts hat die Industrialisierung – dort wo sie stattfand – den Nationalismus entwickelt und die Staaten gestärkt. Weniger als ein Jahrhundert später gibt es in Kosova viel Handel und sehr wenig Industrie. Der Handel ist ein typisches Merkmal von Feudalsystemen,  aus  Epochen, in denen Imperien herrschten. Viel schlimmer noch, die einzige Industrie, welche in Kosova halbwegs funktioniert, ist das von den Bürgern meist gehasste Unternehmen, die KEK. Anstelle des Exports, importiert die  KEK  elektrische Energie, anstatt den Haushalt Kosovas zu konsolidieren, nimmt sie den Haushalt aus, anstatt eine Grundlage für die wirtschaftliche Entwicklung  Kosovas darzustellen, ist die KEK ein Hindernis für eine solche Entwicklung geworden. Dies alles unter Berücksichtigung der großen energetischen Ressourcen Kosovas, dieser Reichtum und dessen Nutzung war sehr stark während der 70er Jahre, nicht nur in Kosova zu spüren.  

Ökonomische Stagnation, welcher  die fortdauernde und schnelle soziale Talfahrt begleitet , hat eine eindeutige und klare Adresse: die AKM (Treuhandgesellschaft Kosovas). Sie alleine verfügt über die Reichtümer Kosovas und die jeweiligen Entwicklungskapazitäten. Aber sie herrschte jahrelang, um jegliche Entwicklung zu blockieren, während dieser Dauerblockade fand der  Ausverkauf von öffentlichen und gesellschaftlichen Reichtümern statt. Diese Veräußerung ist grundsätzlich ein Diebstahl am geflossenem Schweiß und an den  geleisteten Entwicklungsbeiträgen der Bevölkerung.  Dieser  Diebstahl wurde innerhalb des Systems von  Diebstahl begleitet, es werden viele Interessen zufriedengestellt zum Nachteil und auf dem Rücken der Allgemeinheit. Die Interessen der Allgemeinheit werden überhaupt nicht berücksichtigt..

Um diesen Prozess zu legitimieren haben sie auch einheimische Experten involviert, über die  gesagt wird, dass sie ihre Schulbildung im Ausland absolviert haben. Diese Experten haben aus dem Westen, von dem Wissen, nur den Lebensstil übernommen. Sie sind Agenten einer Expertise in „Human Resources“, ein bevorzugtes Thema der internationalen Touristen. Sie vertreten die  Vision der Manager, welche die Menschen nur  als Technologiebestandteil betrachten. Der Zweck  besteht darin die Instrumentalisierung des Menschen durchzusetzen. Parallel dazu, in der  Privatisierungspraxis werden die Profiteure  legitimiert. Politische Führer verbergen sich hinter Verwandtennamen und nicht  wenige Ex-Kommandeure der UCK, haben sich  rehabilitierten Geschäftsmännern angeschlossen , die weiterhin mit Serbien zusammenarbeiten.

Die Unterbrechung des Befreiungskrieges führte zu einer reaktionären Hegemonie, die alte Kaste wurde nicht gestürzt, ihr Reichtum welcher durch  Kollaboration entstand verband sich mit den Geschäftsmännern aus den Reihen von ehemaligen  UCK-Kommandeuren.

Es ist natürlich, dass der Arbeitsschwerpunkt   der internationalen Bürokraten der AKM genau dort sich entwickelte, wo auch das  große Geld war, in PTK, KEK, Flughafen usw…. Die Größten ökonomischen Schäden wurden nicht durch „Internationalen Kräfte“ die aus „Dritten Welt“ stammten verursacht, sondern von denjenigen, die ausgerechnet aus  den EU-Staaten kamen. Der Ahtisaari Plan sieht vor, dass weiterhin die wichtigsten Aufgaben in diesen EU Händen  verbleiben. Nachdem man die kollektiven Reichtümer, die  Jahrelang  mühsam aufgebaut wurden, ausgebeutet und zerstört hat, will man sie nun zum Spottpreis verkaufen. Sie werden sagen: „der Markt bestimmt die Preise!“

Die Konzessionierung des Flughafens und die Pläne für das EKW (Energiekraftwerk) „Kosova C“ sind nur der Anfang, weil Privatisierung der Kommunikationsdienste und des Energiesektors essentiell für den Neoliberalismus sind. Die Privatisierung von Ressourcen und des öffentlichen Sektors sind die  Wege zur gesellschaftlichen Auflösung. Sie wollen ausgerechnet dies erreichen, weil die Gesellschaft als Konzept für ihre Herrschaftsweise – die sie ja wünschen – eine Hauptherausforderung darstellt. Die UNMIK lässt es knallen, während die Universität Prishtina und die Universitäre Klinik Kosovas vor dem  Kollaps stehen. Es ist alles im Umbruch,der systematische Absturz der öffentlichen Dienste ist dramatisch. Letztendlich werden die neoliberalen Kolonialherrscher das Land und den Staat anerkennen, aber nur dann, wenn sie zuvor alles verkauft haben. Diesen Kurs wird durch den  Plan von Ahtisaari gestärkt. Die zukünftigen Investitionen der „Internationalen Zivilen Mission“, die auch bei der Planung des Budgets tatkräftig „beraten“, erfordert eine  rechte und eiserne Hand der Herrschaft. Dies wird durch  die Polizei und Justiz, durch die Erhöhung ihrer Gehälter und ihres Personalbestandes abgesichert Die Arbeitsbedingungen für die Repressionsorgane werden an den Standards der  EU-Ländern orientiert.

Das Bildungs- und Gesundheitswesen wird weiterhin hoffnungslos auf dem Boden brachliegen, ausgenommen die privaten Schulen und Arztpraxen, die zu einem Treffpunkt von Familien der politischen Geschäftsmänner und der  Geschäftspolitiker werden. Die Mehrheit der Bevölkerung wird arm und erwerbslos in dem Teufelskreis der Armut verbleiben, schwache Bildung, welche nicht konkurrenzfähig macht, Krankheiten für deren Heilung man keine Arzneien kaufen kann, Armut und  Arbeitslosigkeit werden nur die Tür für Kriminalität und Delinquenz öffnen.  

Das wird aber den Konsum nicht unterbinden. Das Haupterzeugnis einer solchen Wirtschaft wird  sein, Menschen in die Lage zu versetzen,  unnötige Dinge zu erwerben. Dafür werden auch ethnische und religiöse Differenzen am Leben erhalten. Das Kapital,  sowie der  Neoliberalismus , wünscht und schafft Differenzen. So werden wir Shampoos für muslimische Jugendliche, Schulen für albanisch-katholische Mädchen, spezielle Pullis für orthodoxe Asketen ab  30 Jahren, sowie Sonderhosen für albanische und serbische Homosexuelle haben. Während dessen wird die Massenarmut sich verbreiten und als Rechtfertigung für Fremdkontrolle und –Herrschaft über uns  weiter bestehen.  

„Wir sind nicht bereit euch alleine zu lassen! Die volle Freiheit wird euch schaden!“ Sie werden uns Phrasen sagen, die inhaltlich noch schwerwiegender sind, aber von der Verpackung eher weicher erscheinen werden. 

Aufgrund der bitteren Armut werden sie uns nicht erlauben frei zu sein. In der Tat, weil sie uns nicht frei handeln lassen, können wir uns nicht von der Armut befreien. Statt das es,  eine Entwicklung ohne Dominanz gibt, werden wir – wie gegenwärtig bereits  – ein Land sein, wo es nur Dominanz und keinerlei Entwicklung gibt.. Die immer weniger benötigte Zurechtweisung/Disziplinierung der kosovarischen Politiker wird weiter eine Instanz der Internationalen Sondergesandten bleiben, der Sondergesandte ist der  Souverän. Deshalb werden die örtlichen Politiker weiter, wie gehabt flüstern. Das Flüstern ist ihre Existenz. Von den Bürgern werden sie mit ihrem Parolen, das absolute Schweigen verlangen. 

Wir wissen, dass Du unruhig bist, aber bleib ruhig. Wir wissen, dass Du unzufrieden bist, aber warte. Wir wissen, dass Du leidest, aber habe Geduld. (Bleib da unten, damit wir hier oben bleiben) 

Aber es wird der Tag kommen, schneller als geglaubt, da niemand länger schweigen und erdulden wird. Wenn die Ungehorsamkeit der Menschen/Bürger normal, das normalste überhaupt sein wird. Die Jahre der UNMIK, AKM und dergleichen werden so beschämend aussehen! So wie sie wirklich auch sind.

 

Albin Kurti

( 20. April 2007; JVA Prizren, Gebäudeflügel A, Zelle Nr. : 3)

 

/Übersetzung aus dem Albanischen/

Anmerkung: Der Artikel erschien am 22 April in der Tageszeitung EPOKA E RE.

 

Editorische Anmerkung

Albin Kurti schrieb den Artikel am 20. April 2007; JVA Prizren, Gebäudeflügel A, Zelle Nr. : 3) Der Artikel erschien am 22 April in der Tageszeitung EPOKA E RE. Die Übersetzung aus dem Albanischen besorgte Max Brym. Er schrieb uns:

Albin Kurti ist der bekannteste Aktivist der „ Bewegung für Selbstbestimmung“ LPV in Kosova. Seit 10. Februar sitzt Albin Kurti aus rein politischen Gründen in Kosova im Gefängnis. Ihm wird vorgeworfen die „ internationale Sicherheit“ zu bedrohen. Dieser Vorwurf ist ein gefährliches juristisches Konstrukt, mit dem Ziel jegliche demokratische Opposition in Kosova zu unterdrücken. Am 10. Februar demonstrierten in Prishtina knapp 30.000 Menschen für das Selbstbestimmungsrecht. Gegen die friedliche Demonstration eröffneten UNMIK-Polizisten das Feuer. Mit  international geächteten Plastikkugelgeschosse wurden zwei Menschen getötet und  über achtzig Personen schwer verletzt. Nach der Demonstration wurde der zweiundreißigjährige Kurti festgenommen und befindet sich seitdem in Haft. Der Einsatzleiter der Polizei der Ire Curtis, trat von seinem Posten zurück und ist wieder in Irland. Die besonders belasteten rumänischen Spezialpolizisten wurden ebenfalls ausgeflogen, nur Albin Kurti befindet sich weiterhin im Gefängnis. Die politischen Positionen Kurtis sind eindeutig auf sozialen Fortschritt, Demokratie und Selbstbestimmung ausgerichtet. Bestimmte bundesdeutsche Autoren wie Jürgen Elsässer, von der „ Jungen Welt“ aber auch ein Herr Professor Oschlies, sehen das völlig anders. Es ist deshalb nützlich die Positionen Kurtis im Original auch den deutschen Leserinnen und Lesern vorzustellen. Im Anhang befindet sich die  Übersetzung eines Artikels von Albin Kurti, gegen den neoliberalen Kolonialismus in Kosova, geschrieben im Gefängnis von Prizren.

 Max Brym