„Armut
ist eine Symptom: Die Knechtschaft ist die Krankheit“, Bertrand
Russel in seinem Essay: -Die Welt, wie sie sein könnte-.
Wir
wissen, dass Du unruhig bist, aber bleib ruhig. Wir wissen,
dass Du unzufrieden bist, aber warte. Wir wissen, dass Du
leidest, aber habe Geduld. (Bleib da unten, damit wir hier
oben bleiben)
Während
des XIX u. XX Jahrhunderts hat die Industrialisierung – dort wo
sie stattfand – den Nationalismus entwickelt und die Staaten
gestärkt. Weniger als ein Jahrhundert später gibt es in Kosova
viel Handel und sehr wenig Industrie. Der Handel ist ein
typisches Merkmal von Feudalsystemen, aus Epochen, in denen
Imperien herrschten. Viel schlimmer noch, die einzige Industrie,
welche in Kosova halbwegs funktioniert, ist das von den Bürgern
meist gehasste Unternehmen, die KEK. Anstelle des Exports,
importiert die KEK elektrische Energie, anstatt den Haushalt
Kosovas zu konsolidieren, nimmt sie den Haushalt aus, anstatt
eine Grundlage für die wirtschaftliche Entwicklung Kosovas
darzustellen, ist die KEK ein Hindernis für eine solche
Entwicklung geworden. Dies alles unter Berücksichtigung der
großen energetischen Ressourcen Kosovas, dieser Reichtum und
dessen Nutzung war sehr stark während der 70er Jahre, nicht nur
in Kosova zu spüren.
Ökonomische Stagnation, welcher die fortdauernde und schnelle
soziale Talfahrt begleitet , hat eine eindeutige und klare
Adresse: die AKM (Treuhandgesellschaft Kosovas). Sie alleine
verfügt über die Reichtümer Kosovas und die jeweiligen
Entwicklungskapazitäten. Aber sie herrschte jahrelang, um
jegliche Entwicklung zu blockieren, während dieser Dauerblockade
fand der Ausverkauf von öffentlichen und gesellschaftlichen
Reichtümern statt. Diese Veräußerung ist grundsätzlich ein
Diebstahl am geflossenem Schweiß und an den geleisteten
Entwicklungsbeiträgen der Bevölkerung. Dieser Diebstahl wurde
innerhalb des Systems von Diebstahl begleitet, es werden viele
Interessen zufriedengestellt zum Nachteil und auf dem Rücken der
Allgemeinheit. Die Interessen der Allgemeinheit werden überhaupt
nicht berücksichtigt..
Um diesen
Prozess zu legitimieren haben sie auch einheimische Experten
involviert, über die gesagt wird, dass sie ihre Schulbildung im
Ausland absolviert haben. Diese Experten haben aus dem Westen,
von dem Wissen, nur den Lebensstil übernommen. Sie sind Agenten
einer Expertise in „Human Resources“, ein bevorzugtes Thema der
internationalen Touristen. Sie vertreten die Vision der
Manager, welche die Menschen nur als Technologiebestandteil
betrachten. Der Zweck besteht darin die Instrumentalisierung
des Menschen durchzusetzen. Parallel dazu, in der
Privatisierungspraxis werden die Profiteure legitimiert.
Politische Führer verbergen sich hinter Verwandtennamen und
nicht wenige Ex-Kommandeure der UCK, haben sich
rehabilitierten Geschäftsmännern angeschlossen , die weiterhin
mit Serbien zusammenarbeiten.
Die
Unterbrechung des Befreiungskrieges führte zu einer reaktionären
Hegemonie, die alte Kaste wurde nicht gestürzt, ihr Reichtum
welcher durch Kollaboration entstand verband sich mit den
Geschäftsmännern aus den Reihen von ehemaligen UCK-Kommandeuren.
Es ist
natürlich, dass der Arbeitsschwerpunkt der internationalen
Bürokraten der AKM genau dort sich entwickelte, wo auch das
große Geld war, in PTK, KEK, Flughafen usw…. Die Größten
ökonomischen Schäden wurden nicht durch „Internationalen Kräfte“
die aus „Dritten Welt“ stammten verursacht, sondern von
denjenigen, die ausgerechnet aus den EU-Staaten kamen. Der
Ahtisaari Plan sieht vor, dass weiterhin die wichtigsten
Aufgaben in diesen EU Händen verbleiben. Nachdem man die
kollektiven Reichtümer, die Jahrelang mühsam aufgebaut wurden,
ausgebeutet und zerstört hat, will man sie nun zum Spottpreis
verkaufen. Sie werden sagen: „der Markt bestimmt die Preise!“
Die
Konzessionierung des Flughafens und die Pläne für das EKW
(Energiekraftwerk) „Kosova C“ sind nur der Anfang, weil
Privatisierung der Kommunikationsdienste und des Energiesektors
essentiell für den Neoliberalismus sind. Die Privatisierung von
Ressourcen und des öffentlichen Sektors sind die Wege zur
gesellschaftlichen Auflösung. Sie wollen ausgerechnet dies
erreichen, weil die Gesellschaft als Konzept für ihre
Herrschaftsweise – die sie ja wünschen – eine
Hauptherausforderung darstellt. Die UNMIK lässt es knallen,
während die Universität Prishtina und die Universitäre Klinik
Kosovas vor dem Kollaps stehen. Es ist alles im Umbruch,der
systematische Absturz der öffentlichen Dienste ist dramatisch.
Letztendlich werden die neoliberalen Kolonialherrscher das Land
und den Staat anerkennen, aber nur dann, wenn sie zuvor alles
verkauft haben. Diesen Kurs wird durch den Plan von Ahtisaari
gestärkt. Die zukünftigen Investitionen der „Internationalen
Zivilen Mission“, die auch bei der Planung des Budgets
tatkräftig „beraten“, erfordert eine rechte und eiserne Hand
der Herrschaft. Dies wird durch die Polizei und Justiz, durch
die Erhöhung ihrer Gehälter und ihres Personalbestandes
abgesichert Die Arbeitsbedingungen für die Repressionsorgane
werden an den Standards der EU-Ländern orientiert.
Das
Bildungs- und Gesundheitswesen wird weiterhin hoffnungslos auf
dem Boden brachliegen, ausgenommen die privaten Schulen und
Arztpraxen, die zu einem Treffpunkt von Familien der politischen
Geschäftsmänner und der Geschäftspolitiker werden. Die Mehrheit
der Bevölkerung wird arm und erwerbslos in dem Teufelskreis der
Armut verbleiben, schwache Bildung, welche nicht konkurrenzfähig
macht, Krankheiten für deren Heilung man keine Arzneien kaufen
kann, Armut und Arbeitslosigkeit werden nur die Tür für
Kriminalität und Delinquenz öffnen.
Das wird
aber den Konsum nicht unterbinden. Das Haupterzeugnis einer
solchen Wirtschaft wird sein, Menschen in die Lage zu
versetzen, unnötige Dinge zu erwerben. Dafür werden auch
ethnische und religiöse Differenzen am Leben erhalten. Das
Kapital, sowie der Neoliberalismus , wünscht und schafft
Differenzen. So werden wir Shampoos für muslimische Jugendliche,
Schulen für albanisch-katholische Mädchen, spezielle Pullis für
orthodoxe Asketen ab 30 Jahren, sowie Sonderhosen für
albanische und serbische Homosexuelle haben. Während dessen wird
die Massenarmut sich verbreiten und als Rechtfertigung für
Fremdkontrolle und –Herrschaft über uns weiter bestehen.
„Wir sind
nicht bereit euch alleine zu lassen! Die volle Freiheit wird
euch schaden!“ Sie werden uns Phrasen sagen, die inhaltlich noch
schwerwiegender sind, aber von der Verpackung eher weicher
erscheinen werden.
Aufgrund
der bitteren Armut werden sie uns nicht erlauben frei zu sein.
In der Tat, weil sie uns nicht frei handeln lassen, können wir
uns nicht von der Armut befreien. Statt das es, eine
Entwicklung ohne Dominanz gibt, werden wir – wie gegenwärtig
bereits – ein Land sein, wo es nur Dominanz und keinerlei
Entwicklung gibt.. Die immer weniger benötigte
Zurechtweisung/Disziplinierung der kosovarischen Politiker wird
weiter eine Instanz der Internationalen Sondergesandten bleiben,
der Sondergesandte ist der Souverän. Deshalb werden die
örtlichen Politiker weiter, wie gehabt flüstern. Das Flüstern
ist ihre Existenz. Von den Bürgern werden sie mit ihrem Parolen,
das absolute Schweigen verlangen.
Wir
wissen, dass Du unruhig bist, aber bleib ruhig. Wir wissen,
dass Du unzufrieden bist, aber warte. Wir wissen, dass Du
leidest, aber habe Geduld. (Bleib da unten, damit wir hier
oben bleiben)
Aber es
wird der Tag kommen, schneller als geglaubt, da niemand länger
schweigen und erdulden wird. Wenn die Ungehorsamkeit der
Menschen/Bürger normal, das normalste überhaupt sein wird. Die
Jahre der UNMIK, AKM und dergleichen werden so beschämend
aussehen! So wie sie wirklich auch sind.
Albin
Kurti
( 20.
April 2007; JVA Prizren, Gebäudeflügel A, Zelle Nr. : 3)
/Übersetzung aus dem Albanischen/
Anmerkung:
Der Artikel erschien am 22 April in der Tageszeitung EPOKA E RE.
Editorische Anmerkung
Albin Kurti schrieb den
Artikel am 20. April 2007; JVA Prizren, Gebäudeflügel A,
Zelle Nr. : 3)
Der Artikel erschien am 22
April in der Tageszeitung EPOKA E RE. Die
Übersetzung aus dem Albanischen besorgte Max
Brym. Er schrieb uns:
Albin Kurti ist der bekannteste Aktivist
der „ Bewegung für Selbstbestimmung“ LPV in Kosova. Seit 10.
Februar sitzt Albin Kurti aus rein politischen Gründen in Kosova
im Gefängnis. Ihm wird vorgeworfen die „ internationale
Sicherheit“ zu bedrohen. Dieser Vorwurf ist ein gefährliches
juristisches Konstrukt, mit dem Ziel jegliche demokratische
Opposition in Kosova zu unterdrücken. Am 10. Februar
demonstrierten in Prishtina knapp 30.000 Menschen für das
Selbstbestimmungsrecht. Gegen die friedliche Demonstration
eröffneten UNMIK-Polizisten das Feuer. Mit international
geächteten Plastikkugelgeschosse wurden zwei Menschen getötet
und über achtzig Personen schwer verletzt. Nach der
Demonstration wurde der zweiundreißigjährige Kurti festgenommen
und befindet sich seitdem in Haft. Der Einsatzleiter der Polizei
der Ire Curtis, trat von seinem Posten zurück und ist wieder in
Irland. Die besonders belasteten rumänischen Spezialpolizisten
wurden ebenfalls ausgeflogen, nur Albin Kurti befindet sich
weiterhin im Gefängnis. Die politischen Positionen Kurtis sind
eindeutig auf sozialen Fortschritt, Demokratie und
Selbstbestimmung ausgerichtet. Bestimmte bundesdeutsche Autoren
wie Jürgen Elsässer, von der „ Jungen Welt“ aber auch ein Herr
Professor Oschlies, sehen das völlig anders. Es ist deshalb
nützlich die Positionen Kurtis im Original auch den deutschen
Leserinnen und Lesern vorzustellen. Im Anhang befindet sich die
Übersetzung eines Artikels von Albin Kurti, gegen den
neoliberalen Kolonialismus in Kosova, geschrieben im Gefängnis
von Prizren.
Max Brym