Bernard Schmid berichtet aus Frankreich

Nach dem ersten Wahlgang der Präsidentenwahl:
Und die Linke?

05/07

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Die Linkskräfte außerhalb der Sozialdemokratie wurden durch den massiven Trend zum "Sarkozy-Verhindern" mittels der Wahl Royals oder Bayrous relativ stark dezimiert. Der Rückgang betrifft einerseits die Regierungspartner der Sozialisten aus der Vergangenheit, die KP (mit 1,9 Prozent für ihre ehemalige Jugend- und Sportministerin und Parteichefin Marie-George Buffet, gegenüber 3,35 Prozent für ihren Kandidaten Robert Hue vor fünf Jahren) und die Grünen mit 1,5 Prozent für Ex-Umweltministerin Dominique Voynet (zu vergleichen mit den 5,3 Prozent für ihren damaligen Kandidaten Noël Mamère im Jahr 2002). Er betrifft andererseits auch die marxistische radikale Linke. Unter letzterer erlebte die Alttrotzkistin Arlette Laguiller, mit 1,3 Prozent (gegenüber 5,7 Prozent im Jahr 2002) den stärksten Rückgang. Bei ihrer sechsten und letzten Präsidentschaftskandidatur hat sie den Preis dafür bezahlt, dass ihre Partei Lutte Ouvrière (LO) sich sowohl aus den Mobilisierungen gegen Le Pen zwischen den bei-den Wahlgängen 2002, als auch aus dem Abstimmungskampf der Linken gegen den EU-Verfassungsvertrag von 2005 weitgehend herausgehalten hat. 

Die revolutionäre Linke

Die radikale, marxistisch geprägte Linke, die in den achtziger und neunziger Jahren bei Wahlen vorwiegend durch Arlette Laguiller vertreten wurde, hat eine Umgruppierung erfahren. Denn mit Olivier Besancenot von der undogmatischen Ligue Communiste Révolutionnaire (LCR), die aus der Revolte des Mai 1968 heraus entstand, hat sich nur ein Kandidat links von Ségolène Royal relativ erfolgreich halten können. Er erhielt mit 4,1 Prozent, prozentual fast dasselbe Resultat wie 2002 (4,3 Prozent), aber in absoluten Zahlen rund 300.000 Stimmen mehr: 1,5 gegenüber damals 1,2 Millionen . Dagegen konnte der parteilose Linkspopulist, Globalisierungskritiker und frü-here "Bauernrebell" José Bové offenkundig nicht überzeugen. Nach einem von vielen als orientierungslos und konfus erlebten Wahlkampf erhielt er nur 1,3 Prozent.

Neu ist, dass alle wichtigen Linkskandidaten sehr schnell Stimmabgabe im zweiten Wahlgang aufriefen. Ungewohnt ist dies bei Arlette Laguiller, da ihre Partei LO seit 1988 (unter François Mitterrand) aufgehört hatte, Wahlempfehlungen zugunsten der etablierten Linksparteien für die Stichwahl abzugeben. Die LCR Olivier Besancenots hatte dies hingegen noch bis 2001 regelmäbig getan, war aber dann unter der Jospin-Regierung von dieser Praxis abgerückt. Aber am ersten Wahlsonntag (22. April) abends verkündete Arlette Laguiller ihren Aufruf für die zweite Runde -– zugunsten von Ségolèje Royal -- gegen 20.40 Uhr und damit noch vor ihrem undogmatischeren Pendant Olivier Besancenot. Dessen Ansprache war zwar schon für 20.15 Uhr angesetzt, fand aber erst kurz vor 21 Uhr statt. Wohl, weil hinter den Kulissen die Fetzen flogen, einen Wahlaufruf für die Tony Blair nahe stehende sozialdemokratische Kandidatin betreffend. Manche der Anhänger des linksradikalen Kandidaten favorisierten ähnlich wie bei früheren Anlässen einen deutlichen Stimmaufruf, andere dagegen einen Aufforderung an Royal, sich die entsprechenden Voten durch eine Schärfung der eigenen sozialen Forderungen „selbst zu verdienen“. Letzlich kam eine Kompromissforderung heraus: Man rede keinem zustimmenden Votum „für Ségolène Royal“ das Wort, wohl aber einer Stimmabgabe „gegen Nicolas Sarkozy“. 

José Bové opportunistisch

Auch Bové, die KP- und die Grünen-Kandidatin riefen zur Stimmabgabe für Royal in der zweiten Runde auf. Im Gegensatz zu Laguiller und Besancenot stünden die letzteren im Prinzip für Gespräche über die Bildung einer neuen Regierung im Falle eines linken Wahlsiegs auch bei den Parlamentswahlen im Juni zur Verfügung. José Bové hat inzwischen eine „Mission“ von Ségolène Royal akzeptiert, und wird für die rechtssozialdemokratische Kandidatin einen Bericht über „Ernährungssouveränität und Globalisierung“ verfassen. Am vergangenen Wochenende flogen deswegen auch bei einem Treffen der „anti-neoliberalen Kollektive“, bzw. jenes Teils unter ihnen, der die Kandidatur Bovés unterstützt hatte, vernehmlich die Fetzen. Dass der Mann dearrt schnell der rechtssozialdemokratischen Kandidatin in die Arme sinken würde, rief denn doch Enttäuschung hervor.  

Post scriptum: 

Bewusst ausgeklammert bleiben wurde bislang noch ein weiterer Kandidat, der durch die bürgerlichen Medien ebenfalls unter die Rubrik „links“ subsumiert wurden und der 0,3 Prozent der Stimmen erhielt (und damit immer noch 0,3 Prozent zu viel). 

Unter ferner liefen rangiert Gérard Schivardi, der Kandidat einer gruselig-autoritären Politsekte namens Parti des travailleurs (PT, Partei der Werktätigen), die zu den Grufties unter den Marxisten zählt, völlig intransparent ist und in ihren Wahlparolen faktisch „Früher war alles besser“ verkündet. Schivardi, der die supranationale Einbindung Frankreichs für alle sozialen Übel verantwortlich macht, die Rückkehr zur vollen nationalen Souveränität fordert und den sofortigen Austritt Frankreichs aus der Europäischen Union propagiert, blieb mit seinen 0,3 Prozent (gegenüber 0,47 Prozent für den PT-Kandidat Daniel Gluckstein im April 2002) der bedeutungsloseste unter allen Kandidaten. Und das war redlich verdient. Aufgrund demagogischer Formulierungen, die zur Täuschung der Wähler geeignet schienen, wurden seine Wahlplakate und Wahlzettel im Übrigen im Vorfeld durch das Verfassungsgericht beanstandet. In Frankreich zeichnen die Wähler keine Kreuzchen, sondern werfen eines von mehreren bereit liegenden Bulletins in einem Umschlag in die Wahlurne, die anderen in einen Papierkorb, der in der Wahlkabine bereit steht. Alle Kandidaten und Parteien müssen ihre jeweiligen Wahlscheine selbst drucken, die sie dafür frei beschriften können, sondern sie keine irreführenden Angaben beinhalten. Nach der Beanstandung durch das Verfassungsgericht musste die Politsekte, die den Kandidaten Schivardi unterstützt, nun über 20 Millionen Zettel neu drucken. Auf den PT-Wahlzetteln war Gérard Schivardi, der als Bürgermeister eines kleinen Kaffs in der Nähe von Montpellier amtiert, zunächst als „der Kandidat der Bürgermeister“ (candidat des maires) präsentiert worden. Was wiederum der Vereinigung der Bürgermeister Frankreichs (Association des maires de France) missfiel, deren Mitglieder überwiegend nicht mit dem Sektenkandidaten in Verbindung gebracht werden mochten. Daraufhin mussten die Wahlzettel umgedruckt werden: Schivardi firmierte nun noch als „Kandidat von Bürgermeistern“ oder „candidat DE maires“ (sic) auf den Stimmbulletins. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen...

Editorische Anmerkung

Der Artikel wurde uns vom Autor am 3.5.07 zur Verfügung gestellt.