Die
Linkskräfte außerhalb der Sozialdemokratie wurden durch den
massiven Trend zum "Sarkozy-Verhindern" mittels der Wahl Royals
oder Bayrous relativ stark dezimiert. Der Rückgang betrifft
einerseits die Regierungspartner der Sozialisten aus der
Vergangenheit, die KP (mit 1,9 Prozent für ihre ehemalige
Jugend- und Sportministerin und Parteichefin Marie-George
Buffet, gegenüber 3,35 Prozent für ihren Kandidaten Robert Hue
vor fünf Jahren) und die Grünen mit 1,5 Prozent für
Ex-Umweltministerin Dominique Voynet (zu vergleichen mit den 5,3
Prozent für ihren damaligen Kandidaten Noël Mamère im Jahr
2002). Er betrifft andererseits auch die marxistische radikale
Linke. Unter letzterer erlebte die Alttrotzkistin Arlette
Laguiller, mit 1,3 Prozent (gegenüber 5,7 Prozent im Jahr 2002)
den stärksten Rückgang. Bei ihrer sechsten und letzten
Präsidentschaftskandidatur hat sie den Preis dafür bezahlt, dass
ihre Partei Lutte Ouvrière (LO) sich sowohl aus den
Mobilisierungen gegen Le Pen zwischen den bei-den Wahlgängen
2002, als auch aus dem Abstimmungskampf der Linken gegen den
EU-Verfassungsvertrag von 2005 weitgehend herausgehalten hat.
Die revolutionäre Linke
Die
radikale, marxistisch geprägte Linke, die in den achtziger und
neunziger Jahren bei Wahlen vorwiegend durch Arlette Laguiller
vertreten wurde, hat eine Umgruppierung erfahren. Denn mit
Olivier Besancenot von der undogmatischen Ligue Communiste
Révolutionnaire (LCR), die aus der Revolte des Mai 1968 heraus
entstand, hat sich nur ein Kandidat links von Ségolène Royal
relativ erfolgreich halten können. Er erhielt mit 4,1 Prozent,
prozentual fast dasselbe Resultat wie 2002 (4,3 Prozent), aber
in absoluten Zahlen rund 300.000 Stimmen mehr: 1,5 gegenüber
damals 1,2 Millionen . Dagegen konnte der parteilose
Linkspopulist, Globalisierungskritiker und frü-here
"Bauernrebell" José Bové offenkundig nicht überzeugen. Nach
einem von vielen als orientierungslos und konfus erlebten
Wahlkampf erhielt er nur 1,3 Prozent.
Neu ist,
dass alle wichtigen Linkskandidaten sehr schnell Stimmabgabe im
zweiten Wahlgang aufriefen. Ungewohnt ist dies bei Arlette
Laguiller, da ihre Partei LO seit 1988 (unter François
Mitterrand) aufgehört hatte, Wahlempfehlungen zugunsten der
etablierten Linksparteien für die Stichwahl abzugeben. Die LCR
Olivier Besancenots hatte dies hingegen noch bis 2001 regelmäbig
getan, war aber dann unter der Jospin-Regierung von dieser
Praxis abgerückt. Aber am ersten Wahlsonntag (22. April) abends
verkündete Arlette Laguiller ihren Aufruf für die zweite Runde
-– zugunsten von Ségolèje Royal -- gegen 20.40 Uhr und damit
noch vor ihrem undogmatischeren Pendant Olivier Besancenot.
Dessen Ansprache war zwar schon für 20.15 Uhr angesetzt, fand
aber erst kurz vor 21 Uhr statt. Wohl, weil hinter den Kulissen
die Fetzen flogen, einen Wahlaufruf für die Tony Blair nahe
stehende sozialdemokratische Kandidatin betreffend. Manche der
Anhänger des linksradikalen Kandidaten favorisierten ähnlich wie
bei früheren Anlässen einen deutlichen Stimmaufruf, andere
dagegen einen Aufforderung an Royal, sich die entsprechenden
Voten durch eine Schärfung der eigenen sozialen Forderungen
„selbst zu verdienen“. Letzlich kam eine Kompromissforderung
heraus: Man rede keinem zustimmenden Votum „für Ségolène Royal“
das Wort, wohl aber einer Stimmabgabe „gegen Nicolas Sarkozy“.
José Bové opportunistisch
Auch Bové, die KP- und die Grünen-Kandidatin riefen zur
Stimmabgabe für Royal in der zweiten Runde auf. Im Gegensatz zu
Laguiller und Besancenot stünden die letzteren im Prinzip für
Gespräche über die Bildung einer neuen Regierung im Falle eines
linken Wahlsiegs auch bei den Parlamentswahlen im Juni zur
Verfügung. José Bové hat inzwischen eine „Mission“ von Ségolène
Royal akzeptiert, und wird für die rechtssozialdemokratische
Kandidatin einen Bericht über „Ernährungssouveränität und
Globalisierung“ verfassen. Am vergangenen Wochenende flogen
deswegen auch bei einem Treffen der „anti-neoliberalen
Kollektive“, bzw. jenes Teils unter ihnen, der die Kandidatur
Bovés unterstützt hatte, vernehmlich die Fetzen. Dass der Mann
dearrt schnell der rechtssozialdemokratischen Kandidatin in die
Arme sinken würde, rief denn doch Enttäuschung hervor.
Post scriptum:
Bewusst ausgeklammert bleiben wurde bislang noch ein weiterer
Kandidat, der durch die bürgerlichen Medien ebenfalls unter die
Rubrik „links“ subsumiert wurden und der 0,3 Prozent der Stimmen
erhielt (und damit immer noch 0,3 Prozent zu viel).
Unter ferner liefen rangiert Gérard Schivardi, der Kandidat
einer gruselig-autoritären Politsekte namens Parti des
travailleurs (PT, Partei der Werktätigen), die zu den Grufties
unter den Marxisten zählt, völlig intransparent ist und in ihren
Wahlparolen faktisch „Früher war alles besser“ verkündet.
Schivardi, der die supranationale Einbindung Frankreichs für
alle sozialen Übel verantwortlich macht, die Rückkehr zur vollen
nationalen Souveränität fordert und den sofortigen Austritt
Frankreichs aus der Europäischen Union propagiert, blieb mit
seinen 0,3 Prozent (gegenüber 0,47 Prozent für den PT-Kandidat
Daniel Gluckstein im April 2002) der bedeutungsloseste unter
allen Kandidaten. Und das war redlich verdient. Aufgrund
demagogischer Formulierungen, die zur Täuschung der Wähler
geeignet schienen, wurden seine Wahlplakate und Wahlzettel im
Übrigen im Vorfeld durch das Verfassungsgericht beanstandet. In
Frankreich zeichnen die Wähler keine Kreuzchen, sondern werfen
eines von mehreren bereit liegenden Bulletins in einem Umschlag
in die Wahlurne, die anderen in einen Papierkorb, der in der
Wahlkabine bereit steht. Alle Kandidaten und Parteien müssen
ihre jeweiligen Wahlscheine selbst drucken, die sie dafür frei
beschriften können, sondern sie keine irreführenden Angaben
beinhalten. Nach der Beanstandung durch das Verfassungsgericht
musste die Politsekte, die den Kandidaten Schivardi unterstützt,
nun über 20 Millionen Zettel neu drucken. Auf den PT-Wahlzetteln
war Gérard Schivardi, der als Bürgermeister eines kleinen Kaffs
in der Nähe von Montpellier amtiert, zunächst als „der Kandidat
der Bürgermeister“ (candidat des maires) präsentiert worden. Was
wiederum der Vereinigung der Bürgermeister Frankreichs
(Association des maires de France) missfiel, deren Mitglieder
überwiegend nicht mit dem Sektenkandidaten in Verbindung
gebracht werden mochten. Daraufhin mussten die Wahlzettel
umgedruckt werden: Schivardi firmierte nun noch als „Kandidat
von Bürgermeistern“ oder „candidat DE maires“ (sic) auf den
Stimmbulletins. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht
zu sorgen...
Editorische Anmerkung
Der Artikel wurde uns vom Autor am 3.5.07 zur
Verfügung gestellt.