Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“
schrieb vor einiger Zeit über die „Generation Kurti“ in Kosova.
Darunter verstand sie das wachsende Ansehen des 32-jährigen
ehemaligen Studentenführers Albin Kurti und der „Bewegung für
Selbstbestimmung“ unter der Jugend Kosovas. In der Tat, Albin
Kurti sowie die LPV dominieren die jugendpolitische Szene
Kosovas.
Scharf
wendet sich die LPV gegen die Negierung des
Selbstbestimmungsrechtes. Die LPV lehnt den serbischen Staat
genauso ab, wie den „Kolonialismus der UNMIK“. Sie fordert für
Kosova das freie Recht auf Selbstbestimmung in allen nationalen,
politischen, sozialen und kulturellen Fragen. Ihre Parolen gegen
die sogenannten Verhandlungen und den Ahtisaari Plan sind im
ganzen Land an jeder zweiten Hausecke zu sehen . Nach Meinung
der LPV kann und darf nur die Bevölkerung über ihre staatliche
und soziale Zukunft selbst entscheiden. Die LPV fordert statt
den Verhandlungen über Kosovas Schicksal ein Referendum der
Bevölkerung. Die Gespräche über „die Köpfe der Bevölkerung
hinweg“ lehnt sie entschieden ab. Die LPV wird von der UNMIK und
der führenden politischen Kaste Kosovas zunehmend als Bedrohung
empfunden.
Anders ist
die Gewalteskalation anläßlich der LPV Demonstration am 10.
Februar in Prishtina, bei der zwei Menschen von der UNMIK-
Polizei getötet und über achtzig schwer verletzt wurden nicht
erklärbar. Am Abend des blutigen Samstags wurde Albin Kurti
festgenommen. Vom 10. Februar bis zum 10. Mai befand sich Albin
Kurti in Untersuchungshaft, seine Richterin ist eine deutsche
Frau mit dem weit verbreiteten Namen Schmidt. Kurti befand sich
aus rein politischen Gründen in Haft, bis jetzt ist von der
Anklage nur zu vernehmen: „Dass er die internationale Sicherheit
gefährden würde“. Dieses Konstrukt setzt Albin Kurti mit Bin
Laden gleich, gegen den formaljuristisch dieselbe Anklage
erhoben wird. Bereits am 11. Mai wurde Kurti erneut festgenommen
weil er sich nicht unter strengsten Hausarrest stellen wollte.
Im Fall Kurti geht es darum, jegliche Opposition auszuschalten,
die für Kosova lediglich das Selbstbestimmungsrecht einklagt,
was in diversen UN-Resolutionen verankert ist.
Mittlerweile
hat eine von der UNMIK eingesetzte Untersuchungskommision
festgestellt, dass ein rumänisches Polizeibatallion die Schuld
am Tod der 2 jungen Menschen in Prishtina trägt. Die
Polizeitruppe schoß laut UNMIK Untersuchungsbericht mit 11 Jahre
alten Plastikgeschossen auf die zurückweichende Menschenmenge.
Diese UNMIK Feststellung wird allerdings keine Konsequenzen
haben, denn die beschuldigten rumänischen Polizisten konnten
unbehindert Kosova verlassen. In Rumänien wurden sie für ihren
Einsatz in Kosova geehrt und ausgezeichnet. Der Kommandeur des
Polizeieinsatzes der irische Staatsbürger Curtis hat ebenfalls
unmittelbar nach dem blutigen Samstag Kosova verlassen. Eine
Befragung des Herren Curtis oder gar die Bestrafung des Iren
Curtis steht nicht auf der Agenda. Auch weicht die UNMIK unter
dem deutschen Leiter Joachim Rücker bis heute der Frage aus, wer
eigentlich den Befehl zum Einsatz der international geächteten
Plastikkugelgeschosse auf friedliche und zurückweichende
Demonstranten in Prishtina am 10. Februar gegeben hat.
Ziele und Methoden der LPV
Das zentrale
Büro der LPV im Zentrum Prishtinas ist jeden Tag in voller
Aktion. Ab 9 Uhr am Morgen arbeiten junge Menschen in diversen
Arbeitsgruppen und zweimal die Woche ist politische
Vollversammlung für die Aktivisten. Als leicht angegrauter
Deutscher ist man zunächst verblüfft über den Betrieb den die
jungen Leute veranstalten. Am Montag und Dienstag wird die
Zeitung der LPV gefaltet und in den Straßen Prishtinas verteilt.
Natürlich haben die Jugendlichen ihre festen Verteilplätze.
Andere schnüren Zeitungspakete und schaffen sie an die Bußlinien
um die Zeitungen auch in den letzten Winkel Kosovas zu schaffen.
Im Hinterhof des Zentrums wird gehämmert und gebastelt, dort
werden Attrappen für die nächste Straßenaktion hergestellt.
Selbstverständlich sind viele der Aktivisten auch nachts
unterwegs, bewaffnet mit Schablone und Farbe damit Häuserwände
die entsprechenden politischen Parolen erhalten. Wer mit den
Jugendlichen spricht wird kein rassistisches Wort gegen Roma
oder serbische Menschen hören. Für sie ist der serbische Staat
mit seinem Anspruch auf Kosova und die UNMIK als „neuer
Kolonialherr“ der Gegner. Die UNMIK Herrschaft wird auch mit den
sozialen Grausamkeiten in Kosova in Verbindung gebracht. Die
Jugendlichen wissen viele Beispiele zu erzählen wie die UNMIK
die örtlichen „Kollaborateure“ in ihrem korrupten Streben nach
Reichtum unter der Parole Marktwirtschaft deckt. Nach der
neuesten Studie der Weltbank leben 15% der Bevölkerung in Kosova
in „extremer Armut“. Darunter versteht die Weltbank ein
Einkommen von unter einem Dollar pro Tag. Weitere 36% müssen von
weniger als zwei Dollar am Tag ihr Leben fristen. Anspruch auf
soziale Unterstützung hat nur derjenige, der keinen Esel und
keinen Verwandten im westlichen Ausland hat. Die
„Sozialunterstützung“ beträgt maximal 50 Euro im Monat. Die
Rentner beziehen eine Einheitsrente von 40 Euro im Monat. Das
ist zum Sterben zuviel und zum Leben zuwenig. Die medizinische
Versorgung wird immer mehr eingeschränkt und privatisiert. Auf
Rezept gibt es fast keine Medikamente mehr. Wer allerdings
genügend Knete in der Tasche hat bekommt jedes Medikament in den
Apotheken. Die Ausstattung der öffentlichen Krankenhäuser
verschlechtert sich. Dafür wird eine Privatklinik neben der
anderen gegründet. Kosova ist auch ein Experimentierfeld des
Neoliberalismus. Besonders betroffen von der Arbeitslosigkeit
ist die Jugend, insbesondere die weibliche. Kosova hat eine
enorme Anzahl junger Menschen, von den 2,2 Millionen Einwohnern
sind 50% unter 25 Jahre alt. Die Unzufriedenheit ist hier
besonders weitverbreitet. Nicht umsonst wird in bestimmten
westlichen Medien von einer Explosionsgefahr in Kosova
geschrieben.
Frankfurter Schule, Marx, Chavez und Fanon
Besonders
spannend ist der Bildungshunger und die Lektüre der Aktivisten.
Selten wurde ich in meinem Leben soviel über Marx, Chavez, Fanon
oder die Theoretiker der Frankfurter Schule gefragt wie in
Prishtina von den Aktivisten der LPV. Dabei gibt es
unterschiedliche Vorlieben und Meinungen. Offen wird einem
erklärt, dass sich in der LPV auch „rechts gesinnte Leute“
befänden. Auf den erschrockenen Einwand um welche Rechte es sich
den handle, wird einem grinsend geantwortet, dass sind Freunde,
die sich nicht für die obengenannten Theoretiker und Politiker
besonders interessieren zudem gibt es auch religöse Menschen
innerhalb der LPV.. Die LPV ist eine plurale linksdemokratische
Organisation auf der Basis bürgerlich-demokratischer Forderungen
wie dem Selbstbestimmungsrecht . Offen wird von einer
„Revolution“ gegen den Kolonialismus gesprochen. Die LPV die
kein sozialistisches Programm hat und sich nicht als Partei
versteht, steht allerdings vor der Notwendigkeit, wie es ein
Aktivist in einem Gespräch ausdrückte, ein : „Sozialpolitisches
Sofortprogramm zu entwickeln“.
Die LPV ist gegen den Ahtisaari-Plan
Der
Vorschlag des finnischen UN- Sondergesannten Ahtisaari zur
Zukunft Kosovas wird von der LPV abgelehnt. Die Ablehnung des
Vorschlages erfolgt keineswegs aus nationalistischen Gründen.
Visar Yimeri wies in einem Gespräch darauf hin, „dass das
kommende EU-Protektorat das Land teilt und die Menschen einander
auf ethnischer Basis gegenüberstellt.“. Grundsätzlich wendet
sich die LPV gegen die Ethnifizierung der Politik und tritt für
ein selbstbestimmtes freies Leben der Menschen in einem
vereintem Kosova ein. Dabei sollen alle Bürger die gleichen
Rechte und Pflichten unabhängig von ihrer Nationalität haben.
Ein Argument gegen den Plan ist auch, dass überwachte
Unabhängigkeit nur die Unabhängigkeit des Überwachers (hoher
Kommisar mit NATO-Soldaten) sichert. Die sogenannten
Verhandlungen sind nach Meinung der LPV inakzeptabel weil das
Recht auf Selbstbestimmung nicht verhandelbar ist. Grundsätzlich
wird den diversen Staaten das Recht bestritten über Kosovas
Schicksal bestimmen zu können.
Konkrete Einwände gegen das Ahtisaari Diktat
Der
Ahtisaari Plan bezüglich Kosova wurde mittlerweile der UN
vorgelegt. Das Begleitschreiben des Finnen Ahtisaari enthält die
Formulierung „überwachte Unabhängigkeit“. Die sogenannten
politischen Elefanten Kosovas (Verhandlungsgruppe) versichern
permanent, dass der Plan und diese Definition des Statuses den
Wünschen des Volkes in Kosova entspricht. „Nichts ist jedoch
weniger wahr als diese Behauptung“, erklärt die LPV. Der Plan
teilt Kosova entlang ethnischer Kriterien und ermöglicht dem
serbischen Staat direkt (mittels der Sonderbeziehungen zu den
serbischen Gemeinden) nach Kosova hineinzuregieren.
Zudem wird
es nach dem Plan mindestens „44 serbische Botschaften“ in
Gestalt serbisch definierter Kirchen und Klöster geben. Diese
Botschaften des serbischen Staates sind über das gesammte Land
verteilt und beanspruchen 9% des Territoriums. Die Kirchen und
Klöster sind jedoch nach Meinung der LPV das gemeinsame Eigentum
aller Menschen in Kosova. Sie als rein serbisch zu definieren
stellt eine grobe Geschichtsfälschung dar, es findet ein
organisierter Raub an wertvollen Kulturgütern statt. Insgesamt
werden rund 30% des Territoriums von Kosova auf völkischer
Grundlage in dezentralisierte rein serbisch ethnische Gebilde
umgewandelt. Was dies mit den Wünschen des Volkes zu tun hat,
bleibt das Geheimnis der sogenannten Elefantengruppe. Die
Wünsche des Volkes könnten nach Meinung der LPV am sichersten
mittels eines Referendums ermittelt werden, auch die Wünsche der
Serben in Kosova deren wirkliche Präferenzen zum Teil unbekannt
sind, denn für sie spricht bis dato nur der serbische Staat.
„Überwachte Unabhängigkeit“
Die
Aktivisten der LPV erklären: „Wer die Überwachung als Wunsch des
Volkes deklariert ist als Politiker absolut disqualifiziert.“
Der Überwachungsstaat wird von allen demokratischen Bewegungen
auf dem Globus als elementare Gefahr für Freiheit, Demokratie
und Rechtsstaatlichkeit abgelehnt. In Kosova hingegen existiert
der seltsame Fakt, dass sich Politiker offen und positiv im
Namen der Demokratie und Unabhängigkeit auf den
Überwachungsstatus beziehen. Ignoriert wird die Tatsache, dass
sich Freiheit und Souveränität nicht mit dem Status der
Überwachung vertragen. Überwacht wird ein Mensch, wenn man ihm
nicht zutraut sein Leben selbstbestimmt zu regeln oder wenn er
als latente Gefahr für entgegengesetzte Interessen verstanden
wird. Der Kern des Ahtisaari-Planes ignoriert vollständig die
elementaren demokratischen Prinzipien, er ist ein imperiales
Diktat gegen Souveränität und Freiheit. Nach dem Plan kann in
Kosova nichts ohne die Zustimmung der neu installierten fremden
Macht entschieden werden. Der kommende hohe Repräsentant hat in
allen politischen, sozialen und kulturellen Fragen das letzte
Wort. Die Formulierung „überwachte Unabhängigkeit“ drückt zudem
die tiefe koloniale Arroganz gegenüber den „Eingeborenen“ aus.“
Die entscheidenden Punkte im Ahtisaari-Papier:
Der
Ahtisaari Plan enthält drei zentrale Elemente.
Erstens
soll Kosova symbolisch und pro forma alle Elemente
eines souveränen Staates erhalten. Kosova wird neben einer
diktierten neuen Verfassung das „Recht“ zugestanden
internationale Verträge zu schließen. Gegenwärtig findet ein
Wettbewerb im Land statt, um eine von der Staatengemeinschaft
akzeptierte neue Nationalfahne und Hymne zu kreieren. Die „berwachte
Unabhängigkeit“ in der in Wahrheit nur der Überwacher
unabhängig ist, gesteht Kosova die Möglichkeit zu, eine kleine
schlecht bewaffnete „Armee“ unter dem Namen Kosovo
Security Force (KSF) zu unterhalten.
Als
zweites Element sieht der Plan, wie der Journalist Boris
Kanzleiter schreibt, „allerdings eine weitere Überwachung
Kosovos durch die Europäischen Union (EU), den
UN-Sicherheitsrat und die Nato vor. Einem International
Civilian Representative (ICR) werden dabei diktatorisch
anmutende Vollmachten eingeräumt, welche die formale
Souveränität der Selbstverwaltungsorgane entscheidend
einschränken.“
Der ICR
ist die "letzte Autorität" oder wie die LPV sagt „der Monarch“
bei der Überwachung der Arbeit von Parlament und lokalen
Selbstverwaltungsorganen. Der ICR hat das Recht jeden
gewählten öffentlichen Funktionsträger der
Selbstverwaltungsorgane abzusetzen. (Annex IX, Art. 2.1.d.)
Der ICR wird dabei offiziell vom UN-Sicherheitsrat ernannt.
Die Funktion wird aber in Personaleinheit mit einem European
Union Special Representative (EUSR) ausgeübt werden, der vom
Ministerrat der EU bestimmt wird (General Principles, Art.
11.1). In der Realität wird Kosova in Zukunft durch die
EU regiert werden. Aus UNMIKISTAN wird EUMIKISTAN . Unterlegt
wird die neue zivile Oberaufsicht mit der militärischen
Absicherung durch die Nato, welche in Form einer International
Military Presence (IMP) weiter in Kosova stationiert
bleiben wird (General Principles, Art. 13).
Das dritte
Element des Ahtisaari-Planes ist unter dem Stichwort der
"Dezentralisierung" (Annex III) bekannt. Darunter ist eine
Gemeindereform zu verstehen, die die bestehende ethnische
Separation in Kosova langfristig zementiert und
ausbaut.
Nach dem
Ahtisaari Vorschlag soll es den serbischen Mehrheitsgemeinden
(zum Teil wurden diese Mehrheiten künstlich geschaffen) und den
serbischen Gemeindeverwaltungen an nichts in Sachen „ethnischer
Politik“ fehlen. Sie haben unter anderem das Recht die lokalen
Polizeikommandeure zu bestimmen und ihre eigene Justiz zu
unterhalten. (Annex VIII, Art. 2.6). Die Schulen in den
serbischen Gemeinden sollen Textbücher benutzen dürfen, die vom
serbischen Bildungsministerium herausgegeben werden. (Annex III,
Art. 7.1.) Eine horizontale Vernetzung der serbischen Gemeinden
in Kosova ermöglicht der Ahtisaari-Plan (Annex III, Art.
9.1). Die Finanzierung der serbischen Gemeinden durch Belgrad
wird ermöglicht. (Annex III, Art.11.) Ein extra kompliziert
gestaltetes Wahlsystem soll durch die Reservierung einer
bestimmten Anzahl von Sitzen die Repräsentation von Vertretern
der ethnischen "Communities" sicherstellen, unabhängig davon wie
viel Stimmen diese bekommen (Annex I, Art.3). Interessant ist an
diesem Punkt, dass im Ahtisaari-Papier nur die Serben erwähnt
werden. Die Roma, Türken und Gorani Kosovas kommen in dem Papier
überhaupt nicht vor.
Die LPV geht
in ihrer Analyse des Ahtisaari-Plans davon aus, dass in Kosova
eine eigene formal nicht so genannte Republik Serpska entsteht,
mit größeren Kompetenzen als sie die „Serbische Republik“ in
Bosnien hat. Vergleiche zum Protektorat in Bosnien-Herzegowina
drängen sich tatsächlich auf. In Bosnien herrscht seit
Kriegsende 1995 ein "Hoher Repräsentant". Dieser „unabhängige
Überwacher“ hat das Recht und die Macht alle gewählten
Abgeordneten und unliebige Politiker abzusetzen. Boris
Kanzleiter schreibt dazu in Telepolis: „In Bosnien-Herzegowina
wird die institutionelle Ordnung durch ethnische
Verteilungsschlüssel in Machtpositionen und ethnisch bestimmte
Territorialabgrenzungen bestimmt. So existiert in der Hauptstadt
Sarajevo ein dreiköpfiges Staatspräsidium, das sich aus jeweils
einem Vertreter der drei ethnisch-religiösen Gruppen
zusammensetzt. Jeder genießt dabei ein Vetorecht, das politische
Mehrheitsentscheidungen verunmöglicht und korrupten
inter-ethnischen Kuhhandel befördert.“ Das Land ist faktisch
geteilt, steht unter Aufsicht und die ökonomische Entwicklung
Bosniens wird blockiert. Im Ahtisaari-Papier ist auch von der
Pflicht zur „Marktwirtschaft“ in Kosova die Rede. Bekanntlich
werden die südosteuropäischen Staaten dazu gezwungen jeglichen
ökonomischen Schutz für ihre örtliche Industrie zu liquidieren.
Die Folgen zeigen sich im Rahmen des sogenannten EU-
Integrationsprozesses in dramatischer Form. Die staatlichen oder
pseudostaatlichen Gebilde werden zu einem mörderischen
Konkurrenzkampf um die Gunst europäischer Konzerne gezwungen.
Serbien hat gegenwärtig mit 10% nach Montenegro mit 9% den
niedrigsten Körperschaftssteuersatz in Europa. Dadurch fehlen
die Gelder für die Finanzierung sozialer Leistungen. Die
einheimische Industrie ist der freien Konkurrenz mit den
wirtschaftlichen Giganten nicht gewachen. Überall steigt die
Arbeitslosigkeit verbunden mit extremer sozialer Not. Die
Ethnisierung der Politik hat auch die Funktion die Exzesse des
neoliberalen EU-Projektes abzusichern. Nationalistische Cliquen
benützen in Bosnien die Ethnizität als Argument um jeglichen
Widerstand gegen den Neoliberalismus abzutun und ihre eigene
Korruptheit mittels chauvenistischer Rhetorik zu verdunkeln.
Diese düstere Perspektive bietet nach Meinung der LPV der
Ahtisaari-Plan allen Menschen in Kosova.
Die LPV und die Kirchenfrage
Häufig wird
der LPV unterstellt gegen religiöse Einrichtungen der serbisch
orthodoxen Kirche zu sein. Den meisten Berichterstattern die
solche Meinungen auch in den deutschsprachigen Presseraum
kolportieren bedienen mit dieser Argumentation nichts anderes
als nationalistische Standpunkte. Für die LPV ist die Religion
eine zu respektierende Privatangelegenheit von Menschen
unabhängig von ihrer Nationalität. Liburn Aliu von der LPV
erklärte hierzu: „Die Baudenkmäler und die religiösen Monumente
gehören allen Bürgern Kosovas. Es muß auch für Albaner völlig
normal sein dem orthodoxem Glauben anzugehören“. Aliu verwies
darauf, dass einst auch viele Albaner orthodox waren und zum
Teil heute noch sind. Diese Haltung stellte er dem Nationalismus
des serbischen Klerus entgegen, der die Religion zur nationalen
Angelegenheit macht. Mit dem Argument, dass „serbische religöse
Erbe“ in Kosova zu schützen findet nach dem Ahtisaari Plan ein
gigantischer Land und Kulturraub statt. Weite Teile des Landes
soll der serbische Klerus für sich erhalten, die LPV betrachtet
dies als feudal-nationalistisches Prinzip.. Dies ist für die LPV
völlig inakzeptabel. Die Monumente und Baudenkmäler gehören
allen Bürgern Kosovas. Die Religion ist keine nationale Frage.
In Geschichte und Gegenwart gab und gibt es auch orthodoxe
Albaner. Die Monumente und Grundstücke gehören allen Bürgern
Kosovas, egal welcher Religion oder Nationalität sie sich
zugehörig fühlen.
Der
Ahtisaari Plan gesteht der serbisch orthodoxen Kirche in Kosova
44 Sonderzonen zu. Die internationale Staatengemeinschaft
scheint die Legende von den rein „serbischen Kirchen“ in Kosova
zu akzeptieren. Teile des Landes sollen mittels roter und blauer
Linien dem serbisch nationalistischen Klerus unterstellt werden.
Das Kloster in Decan wird von 1.000 Hektar Grundbesitz umgeben.
Ähnliche
Regelungen gelten für alle vom serbischen Klerus beanspruchten
sakralen Bauwerke, für die orthodoxen religiösen Monumente in
Kosova. Das Land wird durch den nationalistischen Schwindel
zergliedert, an die 75% der Menschen in den Sonderzonen sind
Albaner über deren Eigentum und Leben der serbische Klerus
befindet. Städte wie Prizeren werden durch die Sonderzonen
mindestens in ZWEI geteilt und auch die Grabstätte des
Nationalhelden Isa Boletini befindet sich in einer serbischen
Sonderzone. Gleichzeitig stellt das Vorhaben der serbischen
Orthodoxie „ihre Bauwerke“ abzusondern einen ungeheuren Raub an
dem kulturellem Erbe Kosovas dar. In der Tat gehören die
Monumente, die Baukunst sowie das orthodoxe Erbe sämtlichen
Bürgern Kosovas. Der nationalistische serbische Diskurs sowie
der Ahtisaariplan ignoriert den Fakt, dass es auch bei den
Albanern in Kosova eine orthodoxe Geschichte und Realität gibt.
Ein Blick auf historische Aufnahmen von Festlichkeiten in den
Klöstern von Peje und Decan genügt um dies zu beweisen. Viele
Fresken in den sogenannten serbischen Kirchen zeigen Figuren mit
eindeutig albanischen Kleidungsstücken. Es existieren Fotos die
Albaner im Kloster von Decan vor einem Jahrhundert zeigen. Ein
Foto aus dem Jahr 1895 lichtet Albaner mit einem Priester in
Decan ab. Einige Männer auf Fresken im Patriarchat in Pejë
tragen die typisch albanische Kopfbedeckung. Die Freske über dem
Grab von Sava II zeigt wiederum Menschen mit der albanischen
Plisa. Die Reihe der Beispiele ließe sich beliebig fortsetzen.
Es ist eine grausame Realität in Kosova, dass durch den
nationalistischen Diskurs (orthodox ist serbisch) Albaner dazu
gebracht werden sollen ihr orthodoxes Erbe zu ignorieren.
Auch viele Albaner in Kosova haben eine orthodoxe Geschichte
Das
Christentum verbreitete sich im 4. und 5. Jahrhundert auf dem
westlichen Balkan. Die albanischen Gebiete liegen an der
Nahtstelle zwischen Ost- und Westrom und damit auch an der
Grenze zwischen griechischer und römischer Kirche. Der Süden
Albaniens und breite Gebiete Kosovas standen unter dem
Patriarchat von Konstantinopel, der Norden Albaniens und Teile
Kosovas unter dem Einfluss der Päpste in Rom. In den
Küstenstädten , die zeitweise zur Republik Venedig gehörten, gab
es konkurrierende Kirchenorganisationen der Lateiner und
Griechen.
Nach der
Eroberung Albaniens und Kosovas durch die Osmanen kam der Islam
als dritte Religion der Albaner hinzu. Die Muslime waren bald
die Mehrheit unter den Albanern. Aus Südalbanien wanderten wegen
des türkischen Drucks im 15. und 16. Jahrhundert viele Christen
nach Süditalien aus. Im Land selbst machte sich aber im 17.
Jahrhundert eine Art Renaissance der orthodoxen Kirche, die von
den Türken nicht wie die katholische verfolgt wurde, bemerkbar.
Viele Kirchenruinen wurden wiederhergestellt. Zuletzt wurde in
Albanien die Kathedrale in Berat wiederaufgebaut.
Die
orthodoxen Christen auf dem Gebiet des heutigen Kosova und
Albanien waren noch im 19. Jahrhundert eng mit der griechischen
Kirche verbunden. Der Klerus war zum großen Teil griechischer
Nationalität und im Gegensatz zu den Muslimen und Katholiken gab
es unter den Orthodoxen viele Angehörige nationaler
Minderheiten, in erster Linie Griechen aber auch Aromunen und
Mazedonier. Während die muslimischen und katholischen Albaner
zeitweise in der albanischen Nationalbewegung -Rilindja-
(=Wiedergeburt) - zusammenarbeiteten, die 1912 die
Unabhängigkeit eines Teils von Albaniens erreichte, machte sich
in Kosova der serbische orthodoxe Klerus, nach der grausamen
Annektierung des Landes als eine der Hauptstützen des serbischen
Staates breit.
Erste
Anfänge einer unabhängigen albanischen Kirchenorganisation
entstanden in den USA unter den albanischen Einwanderern. Im
Jahr 1908 wurde der spätere Bischof von Korça, Fan Noli (später
progressiver albanischer Präsident) der von Ahmet Zogu mit
Unterstützung Serbiens gestürzt wurde, von Platon, dem
russisch-orthodoxen Erzbischof von New York, zum Priester
geweiht. Im selben Jahr feierte Fan Noli in Boston erstmals die
Liturgie in albanischer Sprache. 1919 wurde Noli zum Bischof der
Albanisch-Orthodoxen Kirche in Amerika ernannt, die eine
eigenständige Diözese unter dem Ökumenischen Patriarchen
bildete.
Nach dem
Ersten Weltkrieg bekamen nationalalbanische Ansichten innerhalb
der orthodoxen Kirche eine größere Bedeutung. Vorläufig
verhinderten aber die Ökumenischen Patriarchen Gregorios VII.
und Konstantin VI. die Entstehung einer autokephalen
albanisch-orthodoxen Kirche, obwohl sie der albanische Staat
anstrebte. In Kosova wurden alle selbständigen Regungen grausam
unterdrückt. 1921 wurden die vier griechischstämmigen Bischöfe
aus Albanien verwiesen. Vor allem die griechische
Liturgiesprache wurde abgelehnt. 1929 erklärte sich die
albanisch-orthodoxe Kirche einseitig für autokephal und ernannte
Archimandrit Bessarion Juvani zu ihrem Metropoliten. Weitere
griechische Priester und der Vertreter des Ökumenischen
Patriarchen wurden ausgewiesen, nachdem Konstantinopel alle
albanischen Bischöfe für abgesetzt erklärt hatte. Erst 1937 kam
es zur offiziellen Anerkennung der albanischen Autokephalie
durch Patriarch Benjamin. Im selben Jahr wurde ein
Priesterseminar in Korca eingerichtet. Ein kurzer Blick in die
Geschichte genügt um festzustellen, es gab und gibt eine
orthodoxe Geschichte bei vielen Albanern. Diese Tatsache darf
nicht dazu führen mit den serbischen Chauvinisten in orthodoxe
Konkurrenz zu treten. Die Faktenlage gebietet aber festzuhalten,
die Kirchen, Baudenkmäler und Klöster gehören allen Einwohnern
Kosovas, unabhängig von ihrer Nationalität. Der Besuch der
sakralen Einrichtungen, der religöse Ritus sowie das
Glaubensbekenntnis ist allen Bürgern frei und gleich zu
gewähren.
Die
Religion ist die Privatsache jedes einzelnen Menschen, die Kunst
und Kultur der Bauwerke haben jedoch einen speziellen Wert. Die
Menschen müssen sich frei und offen zu einer Religion oder zum
Atheismus, unabhängig von ihrer Nationalität bekennen dürfen.
Der chauvinistische Unsinn von den „rein serbischen Kirchen“ hat
in Kosova nichts verloren. Gerade auch aus diesem Grund ist der
Anschlag vor einigen Wochen gegen das Kloster in Decan
abzulehnen, er richtete sich nicht gegen die geplante „serbische
Botschaft“ an diesem Ort, sondern gegen die Geschichte,
Identität und das kulturelle Erbe aller Menschen in Kosova.
Die LPV und der Neoliberalismus
Die LPV
entwickelt sich immer mehr zu einer Organisation die den
Neoliberalismus und den Privatisierungsprozess in Kosova
ablehnt. Albin Kurti schreibt dazu aus seiner Zelle in der JVA
Prizeren am 22. April in der Zeitung EPOKA E RE: „Die
Konzessionierung des Flughafens und die Pläne für das EKW
(Energiekraftwerk) "Kosova C" sind nur der Anfang, weil
Privatisierung der Kommunikationsdienste und des Energiesektors
essentiell für den Neoliberalismus sind. Die Privatisierung von
Ressourcen und des öffentlichen Sektors sind die Wege zur
gesellschaftlichen Auflösung. Ökonomische Stagnation, welcher
die fortdauernde und schnelle soziale Talfahrt begleitet, hat
eine eindeutige und klare Adresse: die AKM (Treuhandgesellschaft
Kosovas). Sie alleine verfügt über die Reichtümer Kosovas und
die jeweiligen Entwicklungskapazitäten. Aber sie herrschte
jahrelang, um jegliche Entwicklung zu blockieren, während dieser
Dauerblockade fand der Ausverkauf von öffentlichen und
gesellschaftlichen Reichtümern statt. Diese Veräußerung ist
grundsätzlich ein Diebstahl am geflossenem Schweiß und an den
geleisteten Entwicklungsbeiträgen der Bevölkerung. Dieser
Diebstahl wurde innerhalb des Systems von Diebstahl begleitet,
es werden viele Interessen zufriedengestellt zum Nachteil und
auf dem Rücken der Allgemeinheit. Die Interessen der
Allgemeinheit werden überhaupt nicht berücksichtigt.“ Zu den
örtlichen Profiteuren des Privatisierungsprozesses meint Kurti:
„ Die Unterbrechung des Befreiungskrieges führte zu einer
reaktionären Hegemonie, die alte Kaste wurde nicht gestürzt, ihr
Reichtum welcher durch Kollaboration entstand verband sich mit
den Geschäftsmännern aus den Reihen von ehemaligen
UCK-Kommandeuren.“ In der Tat, die Opposition gegen die als
Marktwirtschaft verkaufte neoliberale Kolonialpolitik ist im
Ansteigen begriffen. Für die neoliberale Kolonialpolitik wird
die UNMIK und ihr örtlicher Anhang verantwortlich gemacht.
Perspektivisch könnte sich der Jugendprotest der LPV mit der
sozialen Unzufriedenheit von mehr als neunzig Prozent der
Bevölkerung verbinden. Diese mögliche Rebellion mit ihrer
brisanten Mischung aus nationalen, sozialen und
antihegemonistischen Motiven könnte die Verhältnisse zum tanzen
bringen.
Editorische Anmerkung
Den Artikel erhielten wir von Autor am
18.5.07 zur Veröffentlichung.