Keine Frage,
die vergangene Werksbesetzung der Fahrradfabrik Bike Systems in
Nordhausen (Thüringen) setzte als Arbeitskampf europaweit sowie
international ein Zeichen. Zu
verdanken haben wir dies durch die zahlreichen
Berichterstattungen in der Presse und im Fernsehen, der
zahlreichen Solidarität aus Deutschland und Europa und
schließlich dem Erfolg der Strike Bike Produktion im Oktober
2007, bei der 1837 Fahrräder montiert und ausgeliefert wurden.
Unsere Hoffnung beruhte darauf mit dieser Produktion einen neuen
Investor zu finden, um die traditionelle Fahrradproduktion am
Standort Nordhausen weiterführen zu können. Leider
verblasste diese Hoffnung
Am 31.10.2007 wurde mit einer Abschiedsfeier die Werksbesetzung
aufgelöst und die verbliebenen 109 Mitarbeiter der Firma Bike Systems
gingen ab dem 01.11.2007 in eine Transfermaßnahme über, die nach
Verhandlungen mit unserem Rechtsanwalt Herrn Jürgen Metz und dem
Insolvenzverwalter Herrn Comes gestartet wurde.
Bei
dieser Transfermaßnahme, die durch die Firma Eranus aus Erfurt bis zum
30.06.2008 geleitet wird, handelt es sich zum größten Teil um eine
schulische Ausbildung, bei der die Mitarbeiter nach den Anforderungen
des Arbeitsmarktes neu qualifiziert werden. Während dieser Maßnahme
stellten wir vom Vorstand des Vereins Bikes in Nordhausen e.V.
Überlegungen an, wie eine weitere Fahrradproduktion durchzuführen wäre.
Mitte November 2007 wurden wir Zeugen wie die gesamten
Produktionsanlagen der Firma Bike Systems innerhalb von 14 Tagen
abgebaut und nach Ungarn abtransportiert wurden. Unser Wunsch eine
weitere Fahrradproduktion mit den vorhandenen Produktionsmitteln der
Firma Bike Systems durchführen zu können, zerplatze wie eine
Seifenblase. Wir hofften bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf
eine Versteigerung der Produktionsmittel und -anlagen.
Diese
schnelle Abbauaktion zeigte uns, dass in Nordhausen nie wieder
Fahrräder gebaut werden sollten. Wer hier Nutznießer ist, kann man sich
nur denken…
Unsere Hoffnung – und die stirbt zuletzt …
Während
der Abbauphase der Produktionsanlagen konnten wir eine
funktionstüchtige Fahrradproduktionslinie erwerben, die während den
Produktionsjahren 1995-2001 im Bike Systems Werk Verwendung fand. Wie
sagt man so schön: „alt - aber technisch sehr gut!“ Mit dieser können nun Fahrräder wieder gebaut werden!!!
Während
der Vorbereitungsphase der Strike Bike Produktion trat der Vorstand
eines führenden Fahrradhändlerverbandes mit der Frage an uns heran, ob
wir nicht jährlich bis 20.000 Fahrräder für sie produzieren könnten.
Während
der Strike Bike Produktion konnten wir diese Frage nicht beantworten,
da uns der Ausgang der Werksbesetzung noch nicht bekannt war.
Diesen
Kontakt nahmen wir im November 2007 erneut auf und analysierten die
Marktchancen einer eigenen Fahrradproduktion in Nordhausen.
Als
das Konzept (zukünftige Kundengruppe, Sortiment, Preisgestaltung und
Finanzierung) erarbeitet war, begannen wir über die Produktionsräume
nachzudenken. Da die Werkshallen der ehemaligen Bike Systems GmbH leer
standen, nahmen wir Kontakt zum Eigentümer auf, der nach Vorlage
unseres Konzeptes seine Einwilligung zur Nutzung und Produktion von
Fahrrädern gab.
Mitte Februar 2008 begannen wir mit dem Aufbau der
erworbenen Fahrradproduktionslinie und mit Aufräum- und
Renovierungsarbeiten in der „alten“ Produktionshalle, in der bereits
die Strike Bikes gefertigt wurden.
Der Aufbruch - wie Phoenix aus der Asche
Am
17.03.2008 gründeten wir die Strike-Bike GmbH, in der 21 ehemalige
Mitarbeiter der Bike Systems einen neuen Arbeitsplatz erhalten werden.
Um zu zeigen, dass wir wieder auf dem Fahrradmarkt zurückgekehrt sind,
beginnen werden wir die Aufnahme unserer Fahrradproduktion mit einen
auf 2000 Stück limitierten schwarzen 28“ Tourensportfahrrades namens
„Black Edition“.
Es handelt sich bei dem Herren- und
Damenfahrrad um eine technische und qualitative Weiterentwicklung des
vorangegangen roten Strike Bike Modells.
Unsere hohen
qualitativen Ansprüche für zukünftige Produkte, die wir im
Fahrradfachhandel anbieten werden, finden Anlehnung bei diesen
Fahrrädern. Die Fahrräder wirken elegant und wertvoll.
Diese
Edition wird in den Monaten Mai und Juni 2008 produziert und an die
Besteller ausgeliefert. Die Fahrräder sind zu 95% vormontiert. Pedale
einschrauben, Lenker in Fahrtrichtung einstellen, dann kann es schon
losgehen …. Die Einnahmen dieser einmaligen
Direktvermarktungsaktion werden für den Neuaufbau und weitere
Produktionsanlagen für die geplanten Spezialfahrräder (u. a. mit
Elektroantrieb) und einen robusten Fahrradanhänger bzw. Handwagen, den
„Rollfix“ verwendet.
Dieses Black Edition können sie bequem über das bereitstehende Bestellformular ausdrucken und uns mit der Post zusenden.
Die Bestellung der Fahrräder ist nur per Vorkasse möglich.
Sie
erhalten von uns nach Absendung ihrer Bestelldaten eine
Proforma-Rechnung, mit einer laufenden Rechnungsnummer und unserer
Bankverbindung. Die Rechnungsnummer geben Sie bitte bei ihrer
Überweisung an, damit ihre Zahlung der vorliegenden Bestellung
zugeordnet werden kann.
Nach Start der Produktion erhalten Sie einen nahe liegenden Liefertermin ihres Fahrrades. Sollten
Sie vor Auslieferung ihres bestellten Fahrrades vom Kauf zurücktreten
wollen, zeigen Sie uns das bitte schriftlich an. Sie erhalten dann
„verbindlich“ den gezahlten Kaufpreis zurück – Ehrenwort!
Händleranfragen sind willkommen.
Bei Fragen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.
Ihr Strike-Bike Team
mobil: 0176-289 160 37 und 0173- 3907544 oder 0172- 5730084
P.S.:
Die Telefonnummern der Strike Bike GmbH werden wir so schnell wie
möglich veröffentlichen, sobald die unsere Telefonanlage installiert
ist.
Editorische
Anmerkungen
Der Text
erschien am 6.5. bei Indymedia
Dort
wurde folgende Ergänzung hinzugefügt:
ak - analyse & kritik - zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 522 / 16.11.2007
Zum Abschied ein Strike Bike
Nordhausener Fabrikbesetzung endet mit selbstverwalteter Produktion
115
Tage lang haben die KollegInnen von Bike Systems ihre Fabrik besetzt
(vgl. ak 519 und 521). Die Schließung haben sie damit nicht verhindern
können. Seit dem 1. November 2007 befinden sie sich in einer
"Auffanggesellschaft". Aber sie haben ein Zeichen gesetzt und hoffen,
dass andere ihrem Beispiel folgen und mehr Erfolg haben werden. Mit
Begleitung von Presse und jeder Menge Kameras wurden am 22. Oktober
zwei Montagebänder in der bereits stillgelegten Fabrik in Nordhausen
(Thüringen) wieder in Betrieb genommen. Die KollegInnen der anderen
Abteilungen hatten bereits vorgearbeitet: Bleche und Rahmen rot
lackiert und mit Schriftzug und Katzenlogo versehen, Räder eingespeicht
und bereift, Gepäckträger vormontiert, Züge und Kabel vorbereitet. Die
Endmontage konnte beginnen.
So viel Begeisterung darüber, dass die
Bänder anlaufen, erlebt man wohl selten in einer Fabrik. "Ich hab mich
gefreut auf die ganze Geschichte hier. Wir waren wieder voll im
Element. Das hat richtig Spaß gemacht, mal wieder mit den Kollegen
zusammen zu arbeiten. Ende der Woche werde ich traurig sein. Wenn man
dann durch die Halle geht und sieht, da war mal volles Leben drin, und
alles ist wieder leer." (1) Nach der Produktion des Strike Bike ist das
Streikzelt wieder abgebaut, sind die Transparente eingesammelt und zum
zweiten Mal die Hallen für die Schließung gefegt. Ein neuer Investor
ist nicht aufgetaucht. Es sollte noch zwei Interessenten geben, aber
große Hoffnung hatte sich niemand mehr gemacht.
Selbstbewusstsein und Eigenständigkeit
Ab
dem 1. November sind die KollegInnen in eine Auffanggesellschaft
übergegangen, in der sie acht Monate lang für 80 Prozent des bisherigen
Lohns an Qualifizierungsmaßnahmen teilnehmen sollen. Bei der Wahl
zwischen zwei Auffanggesellschaften - einer der IG Metall (IGM) und
einer anderen ihres Rechtsanwaltes - haben sie sich für letztere
entschieden. Mit dieser Regelung stehen sie materiell etwas besser da
als mit dem ersten Angebot im Juni, als es hieß, dass noch nicht einmal
die Kündigungsfristen von durchschnittlich vier Monaten bezahlt werden
könnten. Aber gewonnen haben die KollegInnen diese Auseinandersetzung
nicht. Am Ende der Maßnahme wird für einige sicher die Arbeitslosigkeit
stehen.
Manche sind froh, dass die anstrengende Zeit der Besetzung
nun ihrem Ende entgegen geht. In den ersten Wochen haben sie sich
keinen freien Tag gegönnt, manche waren rund um die Uhr im Betrieb, und
es gab auch manchen Zoff in der "Familie". Eine Betriebsrätin versucht,
diejenigen wieder aufzubauen, bei denen die Enttäuschung über das
schlechte Ergebnis überwiegt. "Denen sage ich: Ihr habt was erreicht,
ihr könnt stolz sein. Ihr habt was erreicht für euer Selbstbewusstsein,
ihr könnt erhobenen Hauptes überall hingehen. Wir haben gezeigt, was in
uns steckt. Denn wenn du 20 Jahre in der Produktion bist und immer ein
und dasselbe machst, stumpfst du ab und merkst gar nicht mehr, was da
eigentlich für ein Talent in dir schlummert. Wir haben uns mit Aktionen
ins Gespräch gebracht. Das Strike Bike hat eine enorme Solidarität
gebracht, das wird nicht so schnell in Vergessenheit geraten. Und wir
vergessen das nie! Das nimmt uns keiner mehr, das können wir unseren
Enkeln noch erzählen: Wir waren nur eine kleine Firma, und wir haben
sie besetzt, in Nordhausen."
Diese Meinung teilen viele, und sie
sehen sich als Pioniere: "Ich würde das immer wieder machen. Nur allein
um denen zu zeigen, dass es so nicht geht. Auch wenn sie nachher unter
dem Strich doch ihren Willen kriegen, ... aber ein bisschen Rummel in
der ganzen Republik haben wir ja gemacht, und vielleicht nehmen sich
irgendwelche anderen Betriebe das mal zu Herzen, vielleicht klappt es
bei denen dann."
Die Erfahrung, "dass man in einer Notsituation so
zusammenhalten kann", möchten viele nicht missen, und sie waren
begeistert über die unerwartete Solidarität. "Dass jeder erstmal an
sich selbst denkt und nichts macht, wenn ein anderer Betrieb
geschlossen wird, das ist doch normal. Aber jetzt, wo ich selbst weiß,
wie das ist, würde ich schon hingehen und was spenden, wenn in einem
anderen Betrieb die Kollegen streiken oder um ihre Arbeitsplätze
kämpfen müssen." Bei der Besetzung haben alle Beteiligten viel gelernt.
Am Anfang fühlten sich die meisten überfordert, wenn Presse auftauchte.
Inzwischen geben viele routiniert vor den Kameras Interviews. Sie
erklären nicht nur ihre Lage, sondern auch, wie alles zusammenhängt.
Begonnen
haben sie ihre Aktion ohne Vorerfahrung, und nur wenige waren in der IG
Metall organisiert. "Die Aktion hat gezeigt, dass man nicht organisiert
sein muss, sondern einig. Am Anfang haben wir gedacht, wir brauchen die
IGM, weil wir überhaupt nicht wussten, wie das geht."
Radikal nicht, aber ein bisschen radikaler
Dass
Sekretäre der IGM ständig im Betrieb waren, wurde als Unterstützung
gesehen, aber von einigen auch als Kontrolle: "Die haben uns keine
Sitzung alleine machen lassen." Die Grenzen des Apparates sind ihnen in
dieser Auseinandersetzung deutlich geworden. "Wir sind der IGM dankbar,
denn ohne sie und ihre Strukturen wären wir nicht so schnell zu Potte
gekommen, die haben wir ganz einfach gebraucht, um die ganze Aktion
anzuleiern. Die Leute haben connections, die haben Erfahrung, und dazu
sind sie auch da. Für solche Sachen zahlen die Mitglieder Beiträge. Das
war wichtig, aber genauso wichtig ist die Hilfe von außen, von anderen
Gruppierungen und Organisationen. Eine Organisation wie die
Gewerkschaft muss relativ behäbig agieren. Bei entscheidenden Fragen
geht das durch mehrere Ebenen. Da können schon mal Wochen und Monate
ins Land gehen, um eine Entscheidungsfindung herbeizuführen. Deshalb
wäre diese Aktion Strike Bike mit der IGM oder auch mit einer anderen
Gewerkschaft nicht durchführbar gewesen." Die Idee der
Selbstverwaltung lag bei dem Produkt Fahrrad nahe und wurde von
verschiedenen UnterstützerInnen in die Diskussion gebracht. Konkret
wurde sie mit dem Strike-Bike-Vorschlag aus Kreisen der FAU. "Die haben
uns überhaupt erst die Möglichkeit aufgetan, dass es überhaupt geht.
Von alleine hätten wir das nicht gemacht. Es hätte uns vielleicht an
Mut gefehlt, und wir hätten die Vertriebswege nicht gehabt. So weit
hätten wir gar nicht denken können."
Die KollegInnen hatten kein
Problem damit, sich von AnarchosyndikalistInnen und anderen Linken
unterstützen zu lassen, aber auch ihnen gegenüber betonen AktivistInnen
ihre Eigenständigkeit: "Die FAU hat uns unwahrscheinlich unterstützt,
aber durchgesetzt und umgesetzt hat das der Verein." Für die Produktion
der Strike Bikes haben die KollegInnen einen Verein gegründet, der
wegen der Garantiebestimmungen noch mindestens zwei Jahre bestehen
bleiben wird. KollegInnen, die früher im Büro oder im firmeneigenen
Call Center beschäftigt waren, haben sich um den Materialeinkauf und
die Auftragsabwicklung gekümmert. Der Verein bezahlt für die
Produktionswoche den Strom und die Löhne der KollegInnen. Alle bekommen
das Gleiche - 360 Euro für 36 Stunden - angemeldet als
Nebenbeschäftigung auf Minijobbasis.
Auch beim Strike Bike stand
den BesetzerInnen wieder ihr Vertrauensanwalt zur Seite, den sie schon
aus einem früheren Insolvenzverfahren kannten. Seine Beratung hat bei
der Besetzung von Anfang an eine wichtige Rolle gespielt. "Ohne ihn
hätten wir gar nicht gewusst, was man alles beantragen muss. Da wären
wir zum ersten Mal auf die Nase gefallen, da hätten sie uns vom Hof
gejagt." Die ganze Aktion war in gewisser Weise sehr ,deutsch`, nämlich
in hohem Maße rechtlich verregelt. Gegen die Räumungsdrohung gelang es
dem Anwalt, die Besetzung als verlängerte Betriebsversammlung
gerichtlich absegnen zu lassen. (2)
Aber eine basisdemokratische
Versammlungskultur ist aus dieser längsten Betriebsversammlung in der
Geschichte der BRD nicht entstanden. Entscheidungen fielen eher in
kleinem Kreis. Manche KollegInnen fühlten sich davon ausgeschlossen;
andere schienen ganz zufrieden zu sein, sich nicht um alles kümmern zu
müssen. Im Gegensatz zu den Betriebsbesetzungen in Argentinien, wo auf
dem Hintergrund des Aufstandes vom Dezember 2001 (zunächst) überall
Vollversammlungen zum bevorzugten Ort der Entscheidungsfindung wurden,
scheint es in der BRD noch schwierig zu sein, jahrzehntelang
praktizierte Vertretungsstrukturen und Passivität zu überwinden.
Das Böse in die Welt hinaus tragen
"Wenn
ich das noch mal machen würde, würde ich etwas härter vorgehen. Mit den
Erfahrungen, die man jetzt hat, würde man vielleicht gleich so ne Marke
setzen wie jetzt mit dem Strike Bike, und nicht so viel fragen: Dürfen
wir das? ,Radikal` will ich nicht sagen, ... aber bisschen radikaler
schon." Den größten Fehler sehen viele darin, dass sie viel zu spät
angefangen haben, sich zu wehren: "Wir hätten eher anfangen müssen mit
dem Streiken. Wir hätten sagen müssen: Nein, wir bauen keine Räder
mehr. Dann hätten wir ein Druckmittel gehabt, weil die Aufträge
erledigt werden müssen. Das haben wir verpasst. Die Hoffnung stirbt
zuletzt, und wir dachten immer, es geht weiter. Als wir dann angefangen
haben, da waren die Aufträge weg. Jetzt ist es zu spät, hinterher ist
man immer schlauer." Als die Nachricht vom Strike Bike die Runde
machte, hegten einige UnterstützerInnen die Hoffnung, dies könnte der
Anfang einer selbstverwalteten Fahrradproduktion sein. In der
Öffentlichkeit entstand teilweise der Eindruck, die Fabrik würde nun
von den ArbeiterInnen weitergeführt. Von der Arbeit her wäre das für
die KollegInnen tatsächlich kein Problem. Dass sie für den
Produktionsprozess keine Chefs brauchen, haben sie gerade bewiesen.
Aber es fehlt ihnen an Kapital. Sie haben ausgerechnet, dass acht bis
zehn Millionen Euro nötig wären, um die Produktion wieder in Gang zu
bringen. Das Strike Bike war nur möglich, indem solidarische KundInnen
ihre Fahrräder unbesehen im Voraus bezahlten. Mit diesem Modell kann
keine Massenproduktion betrieben werden, die Löhne für 124
ArbeiterInnen bringt. In einer Woche wurden 1.837 Strike Bikes gebaut -
so viele Räder liefen früher an einem Tag von den Bändern. Das Strike
Bike war nur eine begrenzte Aktion. Aber einige KollegInnen haben den
Spaß am Selbermachen entdeckt. Es gibt Überlegungen, eine kleine
Produktion von Spezialrädern aufzubauen. Das ist nicht die Lösung für
alle, die sie angestrebt haben. Lieber wären sie zusammen geblieben.
Schon am Anfang der Besetzung war die Rede von der "Familie, die
zusammenhält". In den gemeinsamen Monaten als BesetzerInnen haben sie
sich noch mal ganz anders kennengelernt.
Immer wieder tauchte die
Frage auf, warum die Politik nicht mit einer Anschubfinanzierung für
die selbstverwaltete Produktion zu Hilfe kommt. Schließlich hatte das
Land dem Vorbesitzer Biria erhebliche Subventionen zukommen lassen, und
die Arbeitslosigkeit der FahrradwerkerInnen wird den Staat auch einiges
kosten. Aber manche liefern die Erklärung gleich mit, warum die
Selbstverwaltung nicht sein sollte und sie nicht gewinnen durften:
"Wenn wir Erfolg gehabt hätten, dann würden doch überall hier im Land
die Betriebe besetzt!" Trotzdem hoffen sie, dass ihre Besetzung zum
Beispiel wird.
Ein Aktivist zieht Bilanz: "Was am Ende bleibt? 115
Tage länger, und eine schöne Aktion, die uns weltweit bekannt gemacht
hat. Man hat einen Haufen nette Leute kennen gelernt und viele
Verbindungen geknüpft. Wenn es eventuell Nachahmer gibt, wenn sich das
Aufbegehren gegen irgendwelche Chefs jetzt häuft, dann war die ganze
Aktion nicht umsonst. Wenn wir nur so ein kleiner Sargnagel werden für
den Staat, dann bin ich schon sehr zufrieden. Wenn Leute uns interviewt
haben, habe ich immer gesagt: Tragt das Böse in die Welt hinaus,
verbreitet es!"
Alix Arnold
Anmerkungen: 1) Die Zitate
stammen aus Gesprächen und Interviews mit den KollegInnen in den Tagen
vom 22.-24.10.07 während der Produktion des Strike Bike. 2) Die
Gesetzeslücke, dass bei Betriebsversammlungen keine Maximaldauer
festgelegt ist, wurde schon mehrfach in Situationen genutzt, in denen
Streiken legal nicht möglich gewesen wäre. So wurde der sechstägige
wilde Streik bei Opel Bochum im Oktober 2004 als
"Informationsveranstaltung" bezeichnet, und statt zu arbeiten, redeten
die KollegInnen bei Alstom in Mannheim im April 2005 fünf Tage am Stück
über geplante Entlassungen. Am 23.10. besuchte eine Delegation von
Alstom die FahrradwerkerInnen, und der Alstom-Chor brachte ihnen ein
Ständchen in der Montagehalle.
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