Wenn die Kunden in Arbeitskämpfe eingreifen
Ein  Workshop in Berlin widmete sich den Problemen von Arbeitskämpfen.

von Peter Nowak

05/08

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Eigentlich scheinen  Streiks kein großes Problem zu sein. Schließlich machten in den letzten Monaten die Arbeitskämpfe der Lokführer, der Beschäftigten bei der Post und der Berliner Verkehrsgesellschaft Schlagzeilen. Doch über dieses Medienecho können die Beschäftigten im Einzelhandel nur träumen. „17 Monaten  dauert der Arbeitskampf schon an, doch die Öffentlichkeit erfährt davon wenig“, beklagt die Berliner verdi-Sekretärin Erika Ritter und Verhandlungsführerin im Einzelhandel am Samstag in Berlin auf einem Workshop, der sich in Frage widmet, warum es so schwer ist, zu streiken.

Organisiert wurde er von Berliner Maydaybündnis, das seit 3 Jahren am 1. Mai die Paraden gegen prekäre    Beschäftigungsverhältnisse organisiert. „ In diesem Jahr nahmen daran mehr als 6000 Menschen teil.  Beschäftigte aus verschiedenen Arbeitskämpfen stellten sich dort vor. „Wir wollten  diese Kooperation auch über den 1. Mai hinaus ausbauen“  , begründet Andreas   Farian vom Berliner Mayday-Bündnis  den  Zweck des Workshops.

Für die Beschäftigten im Einzelhandel ist Unterstützung von Außen wichtig. „Das größte Problem bei einem langen Arbeitskampf ist die Schwierigkeit noch an einen Erfolg zu glauben“, betont Erika Ritter.  Der Einsatz von Leiharbeitskräften, die rund um die Uhr verfügbar sind, macht einen effektiven Streik oft besonders schwer. Deswegen wollen auch die Streikenden neue   Wege gehen. „Wie wäre es, wenn sich auch die Kunden eines Arbeitskampfes in die Auseinandersetzungen einmischten?“ überlegte eine Verkäuferin. Schließlich werde auch hierzulande die  Frage diskutiert,  unter welchen Arbeitsbedingungen Obst in Spanien und Tee in Indien geerntet wird. Nach diesem Vorbild können in Zukunft kritische KonsumenInnten auch deutlich machen, dass ihnen nicht egal ist, wie viel die Kassiererin des Ladens um die Ecke verdient.     

Für sie gibt es Alternativen.  Schließlich haben einzelne Einzelhandelsketten  schon  Vorschaltvertrage mit der Gewerkschaft geschlossen, andere schalten weiter auf stur.    

Die Hoffnung auf den Aufstieg

Eine  ganz andere Zielgruppe hat  die „Mirreichts-nicht-Kampagne“ angesprochen, die im Vorfeld der Berlinale 2008 die Arbeitsbedingungen im Film- und Kulturbereich unter die Lupe genommen hat. „Wir haben gezielt Beschäftigte angesprochen und nach ihren Arbeits- und Lebensbedingungen gefragt“, berichtet ein Mitglied  der Berliner Gruppe „Für eine linke Strömung“  (fels), die  diese Kampagne initiierte. Die Resonanz der Befragten und der Medien war gut. Doch dauerhafte Organisierungsprozesse haben sich daraus bisher nicht entwickelt, betonte    Becker. Ein Grund dafür ist, die Hoffnung vieler PraktikantInnen und  MinijobberInnen im Kulturbereich, im nächsten Jahr einen besser bezahlten Job zu finden.  

Vom Zahltag zur vierten Woche

Diese Hoffnung haben auch Erwerbslose. Sie können nicht im klassischen Sinne streiken, betonte Rainer Wahls von der AG-Soziales Berlin auf dem Workshop. Doch er plädierte dafür, den Streikbegriff auf die Verweigerung, das sich Wehren gegen bestimmte behördliche Maßnahmen auszuweiten. Dafür sei es wichtig, dass die Betroffenen aus ihrer vereinzelten Situation herauskommen. Als aktuelle Beispiele nannte Wahls die  Zahltag-Aktionen in Köln und Göttingen. Dort haben Beschäftigte in den vergangenen Monaten gemeinsam     erreicht, dass verzögerte Anträge bearbeitet worden sind. In der Erwerbslosenbewegung werde die jetzt Aktion „Vierte Woche“ diskutiert, die sich an diesem Konzept orientiert. In der letzten Woche des Monats reicht oft das Geld nicht mehr und die Betroffenen  müssen Schulden machen oder sich total einschränken. Geplant ist nun, in der vierten Woche beim Jobcenter einen Nachschlag zu verlangen. In den nächsten Monaten sollen  diese Aktion  dezentral in verschiedenen Städten diskutiert werden. Am 2. Juni werden Berliner Erwerbslose einen Aktionstag   organisieren, um deutlich machen,   dass sie nicht ohnmächtig und vereinzelt vor ihren Fallmanager stehen müssen.

Fazit: Es gab zwar relativ wenig TeilnehmerInnen des Workshops, doch die ca. 30 Menschen, die anwesend waren, waren an der Thematik interessiert und die Debatte war gut. Auch die Gemeinsamkeiten, die bei allen konkreten Unterschieden bei den  verschiedenen Lohnabhängigen mit und ohne Arbeit herausgefunden wurden, machen deutlich, dass bei aller Zersplitterung auch ein gemeinsames Handeln möglich ist. So wollen Erwerbslose bei ihren Aktionen auch Streikende aus dem Einzelhandel einbeziehen, weil es bei ihnen die klare Erkenntnis gibt, erst Maßnahmen wie Hartz IV drücken die das Lohnniveau   so weit nach untern, dass dann LeiharbeiterInnen rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Von der gemeinsamen Erkenntnis zum Handeln ist es oft noch ein weiter weg.

Nun muss sich zeigen, ob  eine Unterstützung von Arbeitskämpfen, ob und sozialen Auseinandersetzungen möglich ist. Die kommenden Aktionstage im Einzelhandel könnten ein solcher Praxistest sein.  

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir vom Autor zur Veröffentlichung.