Österreich: Schulstreik 2009

Materialien von Indymedia-Österreich

05/09

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Im April 2009 kam es zu mehreren Protesten von Schüler_innen gegen die von der Regierung verordneten Sparpläne im Bildungsbereich. Für kurze Zeit beteiligten sich auch die Lehrer_innen und ihre Gewerkschaften an den Protesten - doch die Gewerkschaften sagten nach einem "Kompromissangebot" der Regierung die geplanten Lehrer_innen-Proteste am 23. April 2009 ab. Die Auswirkungen dieses "Kompromisses" treffen sowohl Lehrer_innen als auch Schüler_innen. Viele Schüler_innen, die sich in den vergangenen Wochen mit ihren Lehrer_innen solidarisierten, sehen sich nun von ihnen verraten - und riefen zu einem Schulstreik am Freitag, 24. April 2009 auf. Zu diesem erschienen bundesweit ca. 60.000 Schüler. Mittlerweile sind auch neue Massnahmen im Gespräch, obwohl die offizielle Schülervertretung einem neuen "Kompromiss" zugestimmt hat.

Widersprüche im aktuellen Bildungsprotest in Österreich
von mk

Die aktuellen Schülerinnenstreike in ganz Österreich, die am Freitag den 24. April einen vorläufigen Höhepunkt der Bildungsproteste erreichten nachdem laut orf.at mehr als 60.000 Schüler erfolgreich in zahlreichen Städten streikten, zeigen einige Protest-immanente Widersprüche auf. Zwar gelingt eine flächendeckende Mobilisation, und es wird eine Verbindung zur kapitalistischen Krise der Krisen geschaffen, jedoch setzt sich augescheinlich auch der Korporativismus des österreichischen Staates, im speziellen der österreichischen Parteienlandschaft, allen voran der ÖVP, durch. Um auf diese komplexen, „sozialpartnerschaftlich“ geprägten Mechanismen im Staat Österreich einzugehen, bedarf es einer genaueren Betrachtung der Ereignisse rund um die Bildungsdebatte in Österreich.
Einen Anfang nimmt hierbei die Ankündigung der amtierenden Bildungsministerin Claudia Schmied (SPÖ), im Zuge der Schulreform ein Mehr an zwei unbezahlten Unterrichtsstunden von den LehrerInnen einzufordern. Der Grund hierfür ist ein klares „nein“ des Finanzministers und Vizekanzlers Josef Pröll (ÖVP) zur Budgeerhöhung für das Bildungsministerium zur Ermöglichung der Bildungsreform. Rund 500 fehlende Millionen erzwingen die defacto Lohnkürzung der LehrerInnen. Im Zuge der Streikdrohungen und Proteste Der LehrerInnen, zu denen sich sehr schnell auch die SchülerInnen dazu solidarisierten, wurde eine regelrechte Hetze auf die Bildungsministerin veranstaltet. Speziell der ÖVP nahe Gewerkschaft des Öffentlichen Dienstes, Der ebenfalls ÖVP-nahen Schüler Union und der LehrerInnengewerkschaft kann ein parteipolitisches Taktieren vorgeworfen werden. BM Claudia Schmied bekommt die „heiße Kartoffel“ der Bildungsmisere von Finanzminister und Vizekanzler Josef Pröll zugeworfen, und wirft sie nun wie es sich für eine autoritäre Ministerin gehört weiter auf die Lehrer, welche brav in sozialpartnerschaftlicher Manier diese teilweise durch gelbe korparativen Kompromissen mit der Obrigkeit schlucken, und in Polit-Marionetten Art sich selbst zum parteipolitischen Instrument zugunsten der ÖVP und ihrer gelben Politik machen.

Mit der Solidarität der Schüler verhält es sich etwas anders, jedoch ist das gleiche Muster erkennbar, hier tut sich vorallem die ÖVP-nahe Schüler Union hervor, die einen dreisten Missbrauch der SchülerInnen zugunsten einer pseudoreformistischen Politik und Agitation in Zeiten der wohl größten Wirtschaftskrise der Menschheit betreibt.

Anders kann die Agitation der Schüler Union nicht beschrieben werden.

Gehen wir ins Detail:

Nachdem die LehrerInnen mit ihren Protesten, mit breiter Solidarität durch SJ , AKS und Schüler Union scheinbar Erfolg hatten, und die mehrheitlich gelben Gewerkschaftschefs auf einen Kompromiss, welcher die Streichung der sog. Schulautonomen Tage vorsieht, eingingen, ließen sie die SchülerInnen (wohlgemerkt nicht die Schüler Union, diese war einverstanden mit dem Kompromiss!) wiederum fallen wie eine heiße Kartoffel. Danke für die Solidarität, wir haben was wir wollen, euch schenkt sowieso nie jemensch Beachtung. So kam es, das vor den sehr gut besuchten Schülerstreik am Freitag, LehrerInnen und Direktoren den eben noch aufopferungswilligen und solidarischen SchülerInnen Drohungen im Falle eines widerrechlichen (einen rechlichen Anspruch auf einen Schülerstreik gibt es nicht) Streikt zukommen ließen.

Zynisch könnte Mensch noch anfügen:“hoch die Solidarität.“

Aber kommen wir zurück zur Schüler Union. Diese hat ja wie oben erwähnt gar nichts gegen den Kompromiss, im Gegensatz zur Aktion kritischer SchülerInn (AKS), der Sozialistischen Jugend (SJ), der Liga der Sozialistischen Revolution (LSR) und der „Revolution“. An diesem Punkt der Anamnese wäre es berechtigt die SU (Schüler Union) als Parteikaderorganisation der ÖVP zu betiteln.

Kaum machen SJ, AKS, LSR und Revolution ihre ersten Streikaufrufe, da den SchülerInnen die Ferien gekürzt werden, und weit und breit keine langersehnte Bildungsreform in Sicht ist, da kommt die SU plötzlich in eine missliche Lage. Als absolute Mehrheit im SchülerInnenparlament befindet sich diese nun in einem eigendlich offensichtlichen Zwiespalt: Das Groß an SchülerInnen will und geht demonstrieren und streiken,ist wild entschlossen die gesetzten Ziele zu erreichen, aber die SU darf und will nicht reformieren. Logischer Ausweg: heiße Kartoffel ab zurück zur Bildungsministerin(SPÖ) statt zum Finanzminister(ÖVP). Die Streikaufrufe plötzlich aus dem nichts unterstützen, und antiBildungsministerin Propaganda groß betreiben. So fand sich die Schüler Union also am Freitag als pseudorevolutionäre Organisation im Schüĺerstreik ein und machte mit „Schüler vs Schmied“ und anderen flachen polemischen Hetz-Parolen auf sich aufmerksam. Auch an Sticker die an provokanten Stellen am Körper diverser unpolitischer streikender SchülerInnen platziert waren mangelte es scheinbar nicht, und die Schülerunion konnte mit der neuen, trendy Streikcoolness bei vielen unpolitischen SchülerInnen bestens punkten. Das die SU sich dabei aber zum Handlanger eines Systems von korparativistischen, parteipolitischen und rechtskonservativen Bestrebungen macht, ist zwar offensichtlich, aber im Bewußtsein der Protestierenden wenig verbreitet. Diese faulen Kompromisse, die letztendlich nichts anderes als die Spaltung, bzw die Schwächung der sowohl begründeten als auch erfolgreichen Bildungsproteste wollen. Die Reaktionäre Agitation der ofmals garnicht freiwilligen und gegen sich selbst gerichtetn Marionetten der ÖVP namens Schüler Union, Lehrergewerkschaft und Gewerkschaft öffentlicher Dienst muss im Bewußtsein der Proteste vorhanden sein um eine aktive Agitation zur Selbstverteidigung gegen korporativistische, letztendlich „sozialpartnerische“ Bestrebungen zur Unterdrückung der Aufbegehrenden zu ermöglichen. Das Ziel ist nicht möglichst viele SchülerInnen zum streiken zu bewegen, das Ziel ist dringend notwendige Reformen durchzuführen, sich zu solidarisieren, und vielleicht auch zu revolutionieren. Nur werden all diese Ziele schon im Keim erstickt, wenn die Bewegung es nicht fertig bringt, die eigenen Widersprüche zu bereinigen und zu einer gemeinsamen in sich geschlossenen Agitation zu finden.
Deshalb plädiere ich für eine Kampf nicht nur gegen ÖVP, SPÖ, Obrigkeit und Korporativisten aller Coleur, sondern auch gegen deren Schergen. Streiks dürfen nicht mit der Schüler Union gemeinsam vollzogen werden, wenn diese die Situation nur dazu gebraucht, letztendlich reaktionäre, den Zielen des Streiks entgegengesetzten, Bewegungen zu helfen. Hier muß die Kartoffel eindeutig der ÖVP und im speziellen Josef Pröll zurückgespielt werden. Die LehrerInnen müssen sich selbst organisieren, und nicht scharenweise (laut Meldungen von orf.at bis zu 700 pro Tag) den gelben, ÖVP-nahen Gewerkschaften zurennen, nur weil die so tuen als würden sie sich ernsthaft einsetzten. Es muss verhindert werden, das diese alteingessenen, typisch österreichischen Machtstrukturen mehr und mehr die Bewegung unterwandern. Die Bewegung hat meines Erachtens Potential, sollte sie sich von diesen inneren Widersprüchen erlöst haben.

Für die Selbstorganisation der Revoltierenden!
Für eine revolutionäre SchülerInnen und LehrerInnenbewegung!
Für den Sozialismus/Anarchismus/Kommunismus!

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