Pete Seeger und seine Lieder
Hommage zum 90. Geburtstag

von Pietro Nano

05/09

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Pete Seeger (1) wurde am 3. Mai 1919 geboren. Unermüdlich singt er seine Lieder, die von (aktuellen) Themen handeln. Und er ist ein Champion des globalen Volksliedes. Sein größtes Engagement, sein Schwerpunkt, gilt den so genannten 'einfachen Leuten'. Mit ihnen, für sie und über sie macht er Musik. Sein Vater war ein linker Komponist und seine Mutter Konzertviolistin. Spross Pete entdeckte alte Instrumente (fast ohne Hilfe) neu. Das wichtigste war das Fünf-Saiten-Banjo. Er fing an, das Banjo als zorniges, amerikanisches Instrument einzuführen. Die Ursprünge des Banjo liegen in Afrika. Seine Musik ist geboren aus dem Schweiß und dem Blut der Unterdrückten.

Zunächst war das Banjo - zumindest Petes Banjo - ein Symbol der Stärke. Ein Lied mit Banjobegleitung sollte Stärke ausdrücken. Außerdem wurde das Banjo zur Ikone mehrerer "Folk-Revivals". Die Zeit verging, Bob Dylan entschied sich für elektrische Musik, aber das Banjo erklang weiter voller Stolz. Was auch geschah, Pete Seeger und seine Musik waren dabei - bis heute.

Während der Jahre der Großen Depression nahm Seeger zusammen mit seinem Vater, Charles Lewis Seeger, ein Album mit Volksliedern auf. Seeger senior war Mitglieder des Composers Collective of New York. Als er das revolutionäre Potential der traditionellen Lieder entdeckte, glaubte Charles Seeger, sich von der modernen, experimentellen Musik des Kollektivs lösen zu müssen. Seine Mission war klar: Amerikas Arbeiter mussten Lieder mit radikalem Inhalt hören können. Sie sollten Zugang zu diesen Liedern haben. Er hat nie einen Blick zurück geworfen - sein Sohn schon gar nicht. In den 30ger Jahren schrieb der Kulturkolumnist des Daily Worker, Mike Gold, man brauche einen "kommunistischen Joe Hill", um die Musik an vorderster Front zu organisieren. Einige Jahre später machte sich Woody Guthrie (1) in der politischen Linken einen Namen.

Guthrie war ein Feuersturm aus Kreativität, Energie und radikaler Philosophie. 1940 stellte ihn der Folk-Archivar Alan Lomax dem jungen Pete Seeger vor. Die beiden - Seeger und Guthrie - wurden unzertrennlich. Woody nahm Petes Angebot an, in seiner Gruppe 'Almanac Singers' mitzumachen. Gemeinsam verfassten sie Liedtexte und komponierten. Es war eine musikalische und politische Osmose, die sehr schnell eine neue Form der kulturellen Kraft hervorbrachte.

Schon früh sympathisierte Pete mit der politischen Linken. Bei den Mai-Paraden in New York und bei vielen Veranstaltungen der radikalen Gewerkschaften im ganzen Land trat/tritt er als Künstler auf. Er war immer der Erste, den man anrief. In den 40gern - bis in die 50ger hinein - war er bekannt für seine Arbeit in Kulturorganisationen der Kommunistischen Partei. Er gehörte antifaschistischen Kollektiven an und nahm an Märschen der American Labor Party teil. Er tat dies auch noch, als das Gespenst des HUAC (House Un-American Activities Committee) seine Musikgruppen, die Almanac Singers und die Weavers und seine Organisation 'Pete's Songs' heimsuchte. 1961 erhielt er eine Vorladung des HUAC, des 'Komitees für unamerikanische Umtriebe' (2). Sie überschütteten ihn mit Fragen, die nicht nur seinen eigenen Patriotismus in Frage stellten, sondern auch den der vielen Menschen, mit denen er zu tun hatte. Seeger ehrt, dass er nie Namen preisgab. Vielmehr bot er den Inquisitoren des HUAC an, ihnen etwas vorzusingen. Sie wiesen dies zurück und sprachen von Missachtung des Kongresses.

Pete Seeger wurde zum Opfer jener 'Schwarzen Liste', die schon in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg Hollywood und den Gewerkschaftsdachverband CIO spaltete. Als niemand mehr Pete hören wollte... oder besser gesagt, man keine Gelegenheit mehr bekam, ihn zu hören, sang er vor Studenten und Kindern. Wenn es keine Studenten oder Kinder gab, sang er für Bäume und das Leben, das ihn im Wald umgab. Musik darf tief gehen - davon war Seeger felsenfest überzeugt. Musik sollte Wunden schlagen und Wunden heilen. Interessant, dass ihm diese Tandemfunktion fast immer gelungen ist.

In den 60ger Jahren wurde die Folkmusik für die Musikbranche zum kommerziellen Erfolg. Jetzt betrachtete man Pete Seeger als Gründer, als einen älteren Mann - aber noch als Zeitgenossen. Die Kräfte der Reaktion schlossen ihn nach wie vor von Fernsehauftritten aus, auch im kommerziellen Radio durfte er nicht singen. Umso lauter wurde es um den Liedermacher Pete Seeger. Lieder wie 'Turn, Turn, Turn', 'Where Have All the Flowers Gone?', 'If I had a Hammer', 'The Bells of Rhymney' stammen aus seiner Feder und wurden für andere Interpreten zu großen Erfolgen. Sie alle wiesen während ihrer Auftritte auf den Komponisten Pete Seeger hin.

Es waren die Smothers Brothers und ihr respektloses, grenzwertiges TV-Programm, das schließlich den Durchbruch hinsichtlich der 'Schwarzen Liste' brachte. Darüber ist viel berichtet worden. 'Waist Deep in the Big Muddy' (Bis zur Hüfte im großen Sumpf): Als die Sender sich weigerten, dieses bohrende Antikriegslied Seegers, begleitet von dessen heulender, zwölfsaitiger Gitarre, zu spielen, beschlossen die Smothers Brothers zurückzuschlagen. Es hätte der Todesstoß für ihre eigene Sendung sein können, aber sie zogen es durch und siegten am Ende. In dieser historischen Nacht sahen Millionen Zuschauer Pete Seeger. Die 'Schwarze Liste' - diese schreckliche Erfindung der Faschisten, die so viele zum Schweigen gebracht hatte -, war effektiv tot.

Mit dem Wissen eines alten Weisen hat es sich Seeger zur Aufgabe gemacht, die alten Kampflieder - oft gegen Widerstand - am Leben zu erhalten. Bei seinen Auftritten auf der ganzen Welt präsentiert Seeger die Lieder von Woody Guthrie und der Gewerkschaftsikone Joe Hill neben Liedern von Sklaven, Indigenen, Arbeitern, Immigranten, Farmern, von Frauen und Männern. Er singt für uns die vergessenen Lieder der Gewerkschaften, die verlorenen Lieder der Unterdrückten. Er lehrte uns die traditionellen Lieder des Spanischen Bürgerkrieges - auf Spanisch. Er preist seinen schwarzen Kollegen Leadbelly (1) - der sein berühmtes Lied 'Goodnight Irene' nicht mehr hören konnte. Das Lied wurde 1951 ein Hit der Weavers. Ein Jahr zuvor war Huddie "Leadbelly" Leadbetter gestorben. Seeger sorgte dafür, dass dessen Frau und Kinder weiter von den Tantiemen profitierten. So verfuhr er übrigens auch im Fall von Solomon Linda, dem Verfasser von 'Wimoweh'. In diesem unsterblichen afrikanischen Lied geht es um das Symbol des ‚schlafenden Löwen’. Er ist ein lauernder Rächer, der über die Untaten der weißen Imperialisten nachdenkt.

Es ist wahr, Pete Seeger ist mit der Zeit zu einer beliebten Figur geworden. Im Mai 2009 ließ man ihn in Madison Square Garden hochleben, und vor zehn Jahren ehrte ihn das Kennedy Center. Dennoch ist sein Herz radikal geblieben und im Einklang mit seiner Seele. Bei der Amtseinführung von Präsident Obama im Januar sang Seeger 'This Land is Your Land, this Land is My Land' - Woody Guthries Nationalhymne. Gemeinsam mit Bruce Springsteen sang er mit der Menge vergnügt einige weniger bekannte, revolutionäre Guthrie-Verse - einschließlich jener Zeilen über das verdammte Symbol, das hoch an der Mauer festgetackert ist: 'Privateigentum'.

Einst hatte Seeger mit Paul Robeson während der "Peekskill Riots' (3) auf dem Podium gestanden. Während der blutigsten Zeit des Kampfes für die Bürgerrechte marschierte er an der Seite von Martin Luther King. Er war einer der lautesten Gegner des Vietnamkrieges und eine der wichtigsten Stimmen der Umweltbewegung. In den letzten Jahren - während des ganzen krankmachenden Debakels der 'Bush-Administration' - nahm er ununterbrochen und aktiv an Protestaktionen teil. Woche für Woche hält er bis heute in New Yorks Hudson Valley Friedensmahnwache. Weder Hitze noch eisige Winde halten ihn ab.

Petes Lieder sind echte 'Volkslieder', denn sie erzählen die Geschichte des Volkes. Lange bevor Howard Zinn über die Geschichte des amerikanischen Volkes schrieb ('A People's History of the United States'), sang Pete Seeger darüber. Damals wie heute war und ist Seeger das klassische Modell eines Kulturarbeiters.

Seeger nahm sich Joe Hills alten Rat zu Herzen: Ein Lied über ein wichtiges Thema sagt mehr als hundert Pamphlete.

Aber selbst, wenn alles still ist, kann man Seegers Philosophie noch wahrnehmen. Jeder, der nahe genug an sein Banjo herankommt, versteht, was Seeger vor langer, langer Zeit auf dieses Instrument schrieb:

"Diese Maschine umzingelt den Hass und zwingt ihn zur Aufgabe" (4).

Anmerkungen der Übersetzerin

(1) Informationen über Woody Guthrie, Pete Seeger und Leadbelly: http://de.wikipedia.org/wiki/Woody_Guthrie

(2) http://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_McCarthy

(3) http:/en.wikipedia.org/wiki/Peekskill_Riots

(4) This Machine Surrounds Hate and Forces It To Surrender

Pete Seeger`Songs

 

 

Editorische Anmerkungen

Der Text wurde erstveröffentlicht bei Znet. Wir spiegelten von dort. Die Filme gehörten nicht zum Artikel, wir besorgten sie bei youtube.

Orginalartikel: Pete Seeger: Elder Statesman of Topical Song
Übersetzt von: Andrea Noll

Pietro Nano das ist: John Pietaro, Kulturarbeiter und Gewerkschaftsorganisator in New York.