Betrieb & Gewerkschaft

Wg. Standverbot zum 1. Mai
Offener Brief an den Kreisvorstand des DGB Herne

05/10

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MLPD Herne 28. April 2010
mlpdherne@email.de

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

der 1. Mai hat dieses Jahr eine besondere Bedeutung. In der tiefsten Weltwirtschafts-  und Finanzkrise seit Bestehen des Kapitalismus wurden bereits hunderttausende Leiharbeiter und befristet eingestellte Arbeiterinnen und Arbeiter in Deutschland auf die Straße gesetzt. Millionen Beschäftigte mussten bzw. müssen durch Kurzarbeit Lohnverluste hinnehmen. 1,65 Millionen beziehen in NRW Hartz IV. Und das „dicke Ende“ steht noch bevor. Schon drängen die Monopolverbände, „endlich“ zu einer radikaleren Abwälzung der Krisenlasten auf die Massen überzugehen. Wir brauchen also mehr denn je starke und kämpferische Gewerkschaften, konkret auch eine breite Beteiligung am 1. Mai.

Dagegen wurde von Euch der MLPD schriftlich verboten, bei der Kundgebung und dem Familienfest des DGB auf dem Rathaus-Platz am 1. Mai einen Informationsstand aufzustellen. In Eurem Brief wolltet Ihr sogar die freie Meinungsäußerung noch weitergehender untersagen, wenn es dort heißt: „Sowohl der Aufbau eines  Informationsstandes als auch das Verteilen von Flyern und ähnlichem ist untersagt.“  (Brief des KV DGB, ohne Datum, erhalten am 1.4.). Das ist sogar nach geltendem bürgerlichen Recht versammlungsrechtlich völlig unzulässig. Wer die Organisierung einer Versammlung unter freiem Himmel übernimmt, hat sogar die Pflicht, für die Möglichkeit der Mitteilung auch „kritischer Ansichten“ zu sorgen. Die Anmeldung einer öffentlichen Versammlung macht einen nicht zum schrankenlosen Hausherrn, sondern verpflichtet. Das sollte innerhalb der Arbeiterbewegung ohenhin selbstverständlich sein, erst Recht am 1. Mai, dem internationalen Kampftag der Arbeiterklasse, der weder einer
Partei noch einer Gewerkschaft „gehört“, sondern das ganze Spektrum der  Arbeiterbewegung zum Ausdruck bringen muss. Das Verbot des Verteilens von Info-Material und ähnlichem wurde mittlerweile mündlich zurückgenommen – es war aber auch so offenkundig widerrechtlich, dass man sich fragen muss, wie man auf die Idee kommen konnte, es überhaupt vorzubringen.

Seit wann macht es sich der DGB Kreisvorstand in Herne zur Aufgabe, innerhalb der  Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung Maulkörbe zu verhängen?

Die MLPD war in den vergangenen 20 Jahren aktiver Bestandteil der Demonstration und  Kundgebung des DGB am 1. Mai in Herne. Anfang März erhielten wir vom DGB wieder die jährliche Anfrage mitzuteilen, in welcher Form wir uns an der Kundgebung beteiligen. Dies haben wir natürlich gerne gemacht und gingen wie in den Vorjahren von einer unkomplizierten Zusammenarbeit aus. Zu unserem Erstaunen erhielten wir daraufhin  schriftlich ein Verbot in fünf knappen Zeilen ohne jede Begründung. Soll das jetzt der Stil in der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung in Herne werden?

Noch erstaunter waren wir, als wir auf unsere Nachfrage die „Begründung“ des  Kreisvorstandes erfuhren: Wir hätten bei der Gedenkfeier am 27. März für die Märzgefallenen von 1920 auf dem Friedhof an der Wiescherstraße zunächst – und zwar erst bei der Gedenkfeier - einen eigenen Redebeitrag angemeldet und sodann die  Beendigung der Gedenkfeier nicht akzeptiert und danach noch eine Rede gehalten. Wir erklärten gegenüber Dieter Fregin am 20. April 2010 ausdrücklich, dass dies nicht zutrifft und es sich offensichtlich um ein Missverständnis handelt. An der Gedenkfeier
nahmen selbstverständlich auch Genossen der MLPD teil. Die MLPD hielt aber weder eine Rede, noch forderte sie dies. Von einem Vertreter der anarchistischen Organisation  „ASJ“ bzw. der „FAU“ wurde dagegen nach Beendigung der Gedenkfeier eine Rede gehalten und er stellte sich dabei auch als Vertreter der anarchistischen Richtung vor,  was von dabei Anwesenden bestätigt werden kann. Wir kennen diesen Redner persönlich nicht, stehen zu ihm und seiner Organisation in keiner Verbindung. Wir wissen auch nicht, warum er offiziell nicht reden durfte – sind also in jeder Hinsicht unbeteiligt!

Es ist äußerst befremdlich, dass der Kreisvorstand des DGB auf seiner Sitzung einen  Tag später am 21. April 2010 das Stand-Verbot bekräftigte – trotz Aufklärung der eventuellen Missverständnisse. Angeblich könne man den tatsächlichen Sachverhalt jetzt nicht mehr aufklären. Und das nur kurze Zeit nach der Gedenkfeier! Euch sind die
öffentlichen Repräsentanten der MLPD in Herne gut bekannt; unsere Antworten sind  glaubwürdig – und seit wann gilt man eigentlich ohne jeden Beleg, ja zunächst ohne jede Anhörung „schuldig“ im Sinne irgendwelcher Unterstellungen? Zudem hat die „ASJ“ im Internet ihre Rede vom 27. März 2010 in Herne veröffentlicht und den Vorgang aus  ihrer Sicht dargestellt, was jeder mit etwas Internet-Recherche leicht feststellen kann (http://asjruhrpott.blogsport.de ). Es ist
nach der Sitzung vom 21. April offensichtlich, dass die Begründung für das Standverbot der MLPD vorgeschoben ist.

Aber: Wenn es eine Lehre aus 1920 gibt, dann doch die, dass nur die Einheit der  Arbeiterbewegung über weltanschauliche Grenzen hinaus erfolgreich ist. Durch diesen einheitlichen Kampf von Kommunisten, „Unabhängigen“, Sozialdemokraten, Gewerkschaftern usw. wurde damals der faschistische Kapp- Putsch vereitelt. Soll Eure
„Lehre“ im Jahre 2010 allen Ernstes in der Spaltung dieser notwendigen Einheit und der  antikommunistischen Ausgrenzung der Marxisten-Leninisten bestehen?

Die Überwindung der Spaltung der Gewerkschaftsbewegung war eine der wichtigsten  Lehren aus dem Sieg des Hitler-Faschismus 1933. Wenn schon Thomas Mann den Antikommunismus als Torheit des 20.Jahrhunderts bezeichnete, wieso sollte er jetzt im 21. Jahrhundert Leitlinie in den Gewerkschaften werden?

Anmerken möchten wir noch, dass in Herne in guter Tradition neben dem DGB und  seinen Einzelgewerkschaften auch verschiedenste Initiativen, aber auch die demokratischen politischen Parteien Informationsstände bei der Mai-Kundgebung durchführen, was begrüßenswert ist. Nur der MLPD soll dies – und zwar erstmals in  Herne! - verwehrt werden. Eine „Lex MLPD“, die aber künftig auch andere Gruppen betreffen könnte, die einigen „zu links“ erscheinen, durch „zu viel Kritik“ an der Klassenzusammenarbeitspolitik auffallen o.Ä. Das wäre ein gefährlicher Präzedenzfall!
Im Sinne der gemeinsamen Anliegen und einer starken und überparteilichen  Gewerkschaftsbewegung fordern wir euch auf, das Standverbot zurückzunehmen und zu einer sachgeleiteten Zusammenarbeit zurückzukehren.

Mit freundlichen Grüßen, für die MLPD Herne
Peter Weispfenning und Sonja Borgwardt
Peter Weispfenning, Bunsenstr. 17, 44625 Herne

Editorische Anmerkung

Den Brieferhielten wir direkt von der MLPD.