Baskenland: der Weg und die Schritte

von
Uschi Grandel  (Info Baskenland)

05/10

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Konfliktlösung im Baskenland: 200 Aktivistinnen und Aktivisten der abertzalen Linken erläutern unter der Überschrift “Der Weg und die Schritte – die abertzale Linke in Bewegung” nächste Schritte und ziehen Bilanz aus ihren bisherigen Bemühungen. Sie bekräftigen ihre unilaterale Entscheidung, mit allen Kräften für einen demokratischen Prozess im Baskenland zu arbeiten. Sie wollen erreichen, dass “die baskische Bevölkerung frei und ohne Zwang oder Gewalt über ihre Zukunft entscheiden kann”.

„Es ist an der Zeit, voran zu gehen. Und deshalb ist sich die abertzale Linke völlig bewusst, dass es nicht darum geht, herauszufinden, wozu die anderen Konfliktparteien bereit sind, sondern darum, dass wir selbst tun, was wir tun müssen. Auf diese Art werden wir … neue Situationen herbeiführen und die Haltung der übrigen Konfliktparteien dadurch beeinflussen. Aber als allerwichtigstes werden wir eine immer breitere Zustimmung in der Bevölkerung dafür erhalten, dass Euskal Herria(*) seine Zukunft selbst bestimmen soll.“

Dieses Zitat stammt aus „Zutik Euskal Herria - Steh auf, Baskenland“, dem im Februar 2010 veröffentlichten zentralen Dokument der Friedensinitiative der abertzalen Linken (**). Gewicht erhält diese Initiative durch die direkte Beteiligung eines beachtlichen Teils der baskischen Bevölkerung. Das Dokument „Zutik Euskal Herria - Steh auf, Baskenland“ ist das Ergebnis monatelanger, intensiver und offener Diskussionen tausender Mitglieder und Unterstützer der abertzalen Linken und hat damit einen hohen demokratischen Charakter. Die daraus resultierende demokratische Dynamik bietet die Möglichkeit, mehr und mehr Menschen aktiv in die Friedensinitiative einzubeziehen.

Diese Dynamik war am 24. April 2010 im baskischen Iruñea (span.: Pamplona) zu spüren, als 200 Aktivistinnen und Aktivisten der abertzalen Linken unter der Überschrift “Der Weg und die Schritte – die abertzale Linke in Bewegung” nächste Schritte erläuterten und Bilanz aus ihren bisherigen Bemühungen zogen. Sie bekräftigten ihre unilaterale Entscheidung, mit allen Kräften für einen demokratischen Prozess im Baskenland zu arbeiten. Sie wollen erreichen, dass “die baskische Bevölkerung frei und ohne Zwang oder Gewalt über ihre Zukunft entscheiden kann”. Das Rückgrat eines solchen demokratischen Prozesses bildet die baskische Bevölkerung, deren aktive Unterstützung nach Meinung der abertzalen Linken der alleinige Garant für die Unumkehrbarkeit des Prozesses ist.

Der spanische Staat versucht, diese Entwicklung durch repressive Mittel unter massiven Bürgerrechtsverletzungen zu blockieren. Mit dieser Opposition hat die abertzale Linke gerechnet. Sie will nicht in die Blockadefalle tappen, sondern “politische Veränderung voranbringen und irreversibel machen”.

Unterstützung durch Friedensnobelpreisträger

Hochkarätige Unterstützung erfuhr die abertzale Linke Ende März 2010 durch die Brüsseler Erklärung. Internationale Persönlichkeiten, darunter vier Friedensnobelpreisträger, begrüßen „die vorgeschlagenen Schritte und die öffentlich erklärte Bereitschaft der baskischen Pro-Unabhängigkeitsbewegung (abertzale Linke), ihre politischen Ziele mit ‚ausschließlich politischen und demokratischen Mitteln“ und ‚in völliger Abwesenheit von Gewalt‘ zu erreichen.“ Sie sehen die politische Tragweite der Initiative: „Wird diese Willenserklärung vollständig in die Tat umgesetzt, kann dies ein großer Schritt in Richtung der Beendigung des letzten verbleibenden Konflikts in Europa sein.“

Der südafrikanische Bischof Desmond Tutu und die anderen unterstützenden Friedensnobelpreisträger und Politiker verleihen der Initiative internationales Gewicht und Aufmerksamkeit. Politisch besonders schwer zu verdauen ist für die spanische PSOE-Regierung vermutlich die Unterstützung durch den nordirischen Sozialdemokraten John Hume. Er erhielt den Friedensnobelpreis für seine Rolle im nordirischen Friedensprozess. Mit seiner Parteinahme für eine demokratische Konfliktlösung im Baskenland beginnt die Mauer des Schweigens zu bröckeln, die die spanische Regierung rund um den baskischen Konflikt errichtet hat. Denn John Hume ist als ehemaliger Abgeordneter des Europaparlaments in Europas sozialdemokratischen Kreisen und darüber hinaus gut vernetzt und hochgeachtet.

Spaniens Mauer des Schweigens bröckelt

Als Antwort auf die jüngste Erklärung der abertzalen Linken gab der spanische Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba zu Protokoll, sie zu analysieren sei “eine nutzlose Übung(***)”. Angesichts der internationalen Forderungen sowohl an ETA als auch an die spanische Regierung, der Initiative eine Chance zu geben, zeigt Rubalcaba damit ein erschreckendes Maß an Unbeweglichkeit. Seine Äusserungen lassen aber auch die Unruhe und die Konzeptlosigkeit der spanischen Regierung angesichts der neuen Entwicklungen im Baskenland erkennen.

Die abertzale Linke schliesst sich dem Appell der Brüsseler Erklärung an ETA an, die Initiative “durch einen permanenten und vollständig verifizierten Waffenstillstand zu unterstützen”. Sollte ETA diesen Schritt gehen, kann die spanische Regierung die Friedensbemühungen wohl kaum mehr kleinreden.

Derweil wächst die Unterstützung für die Initiative auch im Baskenland. Die Friedensgruppe Lokarri wirbt im Namen von 50 Baskinnen und Basken aus Kultur, Universität, Sport und sozialen Initiativen dafür, die Brüsseler Erklärung zu unterstützen. Man wolle nicht, “dass eine neue Chance vertan wird”, sondern müsse “die sich bietende Möglichkeit für Frieden nutzen”.

Die abertzale Linke ist in Bewegung und sie verleiht damit dem Konfliktlösungsprozess eine spürbare neue Dynamik.

Erläuterungen:

(*) Euskal Herria: Euskal Herria bezeichnet das gesamte Baskenland, das aus sieben Provinzen besteht. Es umfasst 20 000 km2 und hat eine Bevölkerungszahl von etwa 3 Millionen. Das Baskenland ist geteilt: Lapurdi, Nafarroa Beherea und Zuberoa befinden sich unter französischer Verwaltung. Die drei Provinzen sind dabei keine Verwaltungseinheit, sondern ohne Eigenständigkeit in andere Departements eingegliedert. Die südlichen vier Provinzen befinden sich unter spanischer Herrschaft: Bizkaia, Gipuzkoa und Araba bilden als Comunidad Autonoma Vasca (CAV, Autonome baskische Gemeinschaft) eine Einheit. Nafarroa hat eine separate Regionalverwaltung (CFN, Foralgemeinschaft Navarra). In den Medien wird oft das Baskenland mit der Comunidad Autonoma Vasca gleichgesetzt.

(**) Abertzale Linke: die Bedeutung des Begriffs „abertzale“ in „abertzale Linke" ist eng verknüpft mit der speziellen Ausprägung der baskischen Unabhängigkeitsbewegung als progressive und internationalistische Bewegung. Als solche umfasst sie ein breites Spektrum von Organisationen, wie zum Beispiel politische Parteien, Gewerkschaften und kulturelle Organisationen, sowie bedeutende Teile der Frauen- , Umwelt- und Internationalismusbewegungen, die das gemeinsame Ziel der Befreiung des Baskenlandes haben. So wie Republikanismus eine besondere Bedeutung im irischen Kontext besitzt, kann der Begriff „abertzale“ nicht nur einfach als Unabhängigkeitsbewegung übersetzt werden, ohne seine progressive Bedeutung zu betonen.

(***) Agentur EFE, Madrid, 26.4.2010: Rubalcaba cree "inútil" analizar los comunicados de la izquierda abertzale

Weitere Informationen zur Initiative der abertzalen Linken:

Siehe Übersicht "Konfliktlösung" auf Info Baskenland
„Zutik Euskal Herria - Steh auf, Baskenland“
„Friedensnobelpreisträger unterstützen Konfliktlösung im Baskenland“

 

 

Editorische Anmerkung

Den Artikel spiegelten wir von Indymedia, wo er am 30.4.2010 erschien.