Betrieb & Gewerkschaft
Jahrestag der Befreiung im Berliner Babylon

von Michael Noeller

05/10

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Am 8. Mai wurde im Rahmen der Linken Kinonacht der Partei die Linke im Berliner Kino Babylon Mitte der Tag der Befreiung gefeiert. Die Betriebsgruppe der Freien ArbeiterInnen Union Berlin ließ es sich nicht nehmen das Programm zu ergänzen und feierte auf dem Rosa-Luxemburg-Platz vor dem Kino. Am Rande der Feiern wurden die zahlreichen Gäste auf die Probleme der Beschäftigten im Babylon aufmerksam gemacht, dessen mit jahrlich 350.000 Euro an öffentlichen Geldern geförderte Geschäftsführung immer wieder durch ihr rigides Vorgehen gegen Beschäftigte und FAU auffällt.

Am Vergangenen Samstag Abend begleitete die Babylon-Betriebsgruppe der Freien ArbeiterInnen Union und die FAU Berlin die zeitgleich im Kino Babylon Mitte stattfindende Linke Kinonacht der Partei die Linke. Die begleitende FAU Veranstaltung auf dem Rosa-Luxemburg-Platz gleich vor dem Babylon bot ein breites Programm von Lesungen, Straßentheater, Orgel-Punk-Rock und Kurzfilmen. Das Programm der Partei die Linke lockte unter Anderem mit Jochen Distelmeyer ("Wohin mit dem Hass") über 1000 Gäste ins Babylon, die vor der Tür von der FAU mit aktuellen Informationen zu den Arbeitsbedingungen im Babylon und dem energischen Vorgehen der Geschäftsführer Hackel und Grossman gegen Beschäftigte und FAU Berlin versorgt wurden: So klagen Mitglieder des Betriebsrats über den Versuch von "kalten" Kündigungen durch Arbeitszeitreduzierung, immer wieder müssen sich zudem ehemalige Mitarbeiter vor Gericht Abfindungen und astreine Arbeitszeugnisse erstreiten, nachdem sie unter absurden Vorwürfen gefeuert wurden. Der FAU Berlin, der derzeit einzigen im Betrieb aktiven ArbeitnehmerInnenorganisation, wurde vor kurzem auf Betreiben Grossmans und Hackels verboten, ihre Arbeit beim Namen zu nennen: Als Gewerkschaft darf die FAU Berlin derzeit nur von Menschen bezeichnet werden, die nicht im Namen der Organisation sprechen, ansonsten drohen bis zu 250.000 Euro Ordnungsgeld oder ersatzweise Haft.
Gut über diese Umstände informiert wunderten sich die Gäste der Linken Kinonacht dann auch nicht über die Solidaritätsbekundungen von Künstlern die im Babylon auftraten. Mit entsprechenden T-Shirts und in Appellen machten viele auf der Bühne oder auf dem Parkett ihrem Unmut Luft - nicht ohne Risiko: aus dem Babylon wird man auch von der Polizei geworfen wenn man das falsche T-Shirt trägt und die angebliche "Hausherrschaft" sich dadurch beeinträchtigt fühlt, wie einige Kinogäste im vergangenen Jahr erleben mussten, die den Schriftzug "Gegen prekäre Verhältnisse" auf der Brust trugen.
Doch bei der Linken Kinonacht am 8. Mai blieb die Polizei außen vor. Zu peinlich wäre es wohl den Veranstaltern der Partei gewesen, Gäste wegen kritischer Fragen an die Geschäftsführung abführen zu lassen - bemüht sich die Bezirks-Linke doch intensiv um Verständnis für ihre Entscheidung, die aktuelle Geschäftsführung weiterhin zu stabilisieren. Erschwert wird das durch Grossman und Hackel selbst, die sich gegen Proteste auch von exilkolumbianischen Gruppen und dem Arbeitskreis Internationalismus der IG Metall wehren müssen, wenn sie für Reklameveranstaltungen der mörderischen kolumbianischen Wirtschaft "ihr" Haus zur Verfügung stellen. Wenig Verständnis wird die Parteibasis auch dafür aufbringen, dass Grossman und Hackel in einem Schreiben an die Beschäftigten diese vor der Freien ArbeiterInnen Union mit dem Argument zu warnen versuchten, die FAU habe sich an den kapitalismuskritischen Demonstrationen anlässlich des G8 Gipfels in Rostock beteiligt, und fände damit Erwähnung in einem Verfassungschutzbericht.

Trotz alledem hatten die Beschäftigten noch einen unvorhergesehen Grund am 8. Mai, dem Jahreststag der Befreiung, zu feiern: auf der am Tag zuvor begonnenen Betriebsratswahl zeichnet sich eine erstaunlich hohe Wahlbeteiligung ab. Von den Beschäftigten waren ausschließlich die Mitglieder des bisherigen, Ende 2008 erstmals gewählten Betriebsrats als Kandidaten vorgeschlagen worden. Der Betriebsrat stellt seither die wichtigsten Entscheidungen den Beschäftigten zur Diskussion und arbeitet Hand in Hand mit der FAU Betriebsgruppe zusammen, die sich bald nach den Angriffen der Geschäftsleitung auf den Betriebsrat kurz nach dessen erstmaliger Wahl gegründet hatte. So wurden z. B. Anfang des Jahres die von der Geschäftsführung vorgelegten miserablen Arbeitsverträge gemeinsam zurückgewiesen, auch dem Wunsch der Geschäftsleitung nach Zwangsurlaub in einem festgelegten Zeitraum widersprach der Betriebsrat im Auftrag der dazu befragten Belegschaft.
Da für die FAU-Mitglieder im Babylon ein Stellvertreter-Gremium wie ein Betriebsrat bestenfalls notwendiges Übel zur Förderung besserer Arbeitsbedingungen ist, hielt sich die FAU Betriebsgruppe jedoch mit Wahlempfehlungen oder gar offiziellen Kandidaten zurück. Erfreulicherweise wurde dem bisherigen Betriebsrat durch die hohe Wahlbeteiligung großes Vertrauen ausgesprochen. Zuvor war vom Wahlvorstand beschlossen worden nur einen Einköpfigen Betriebsrat wählen zu lassen, dadurch wurde die Konsequenz aus der deutlich reduzierten Belegschaft gezogen: Seit der Gründung des Betriebsrats im November 2008 war es der Geschäftsführung gelungen, die Beschäftigtenzahl von über 30 auf momentan unter 20 zu drücken. Die Wahl ist noch nicht abgeschlossen, es werden noch Briefwahlzettel erwartet.

In Redebeiträgen auf dem Rosa-Luxemburg-Platz verwies das Solidaritätskomitee für Gewerkschaftsfreiheit in einer Grußbotschaft auf die fragwürdige Berliner Rechtsprechung, die internationalen Abkommen zum Schutz der Gewerkschaftsfreiheit entgegenstehe und forderte strömungsübergreifende Solidarität in der Arbeiterbewegung. Die FAU Berlin erinnerte an den über die Köpfe der Belegschaft hinweg von der Partei die Linke mit ver.di eingefädelten mangelhaften Tarifvertrag bekräftigte auch weiterhin die Beschäftigten im Babylon tatkräftig zu Unterstützen. Ein Mitglied der Betriebsgruppe wies abschließend darauf hin, man habe durch den selbst-organisierten Kampf im Babylon einen Erfolg errungen, der den Beschäftigten nicht mehr genommen werden könne.

Am 10 Juni verhandelt das Kammergericht Berlin in zweiter Instanz über das Verbot der FAU Berlin, sich als Gewerkschaft zu bezeichnen, das von den derzeitigen Betreibern des Babylon Mitte angestrengt wurde.

Laufende Infos siehe: http://prekba.blogsport.de/  

Editorische Anmerkung

Den Artikel spiegelten wir von Indymedia, wo er am 10.5. 2010 erschien.