Aus
allen einschlägigen Umfragen geht hervor: Nach mehr als
anderthalb Jahren tiefer Wirtschaftskrise steigen die Zweifel
der Menschen an den Selbstheilungskräften des Kapitalismus.
Die eigenen Zukunftsaussichten werden inzwischen von einer
deutlichen Mehrheit der lohnabhängigen Bevölkerung und vor
allem von den prekär Beschäftigten und den Erwerbslosen als
eher düster eingeschätzt.
Inzwischen ist Griechenland zahlungsunfähig und braucht
direkte Finanzspritzen des IWF und der EU. Da diese Gelder nur
als Kredite fließen (mit einem Zinssatz von 5%) wird dies nur
zum Zeitgewinnen dienen, die Schulden aber insgesamt erhöhen.
Profiteure dieses Wirtschaftens sind natürlich das
Exportkapital (vornehmlich in Deutschland) und die Banken.
Gleichzeitig wird in Griechenland ein rabiates Sparprogramm
auf Kosten breiter Bevölkerungsschichten angesetzt.
Alle politisch oder gewerkschaftlich Aktiven in diesem Land
wissen also zur Genüge, wohin der Hase läuft, dass das Kapital
(bzw. der Kapitalismus) an der Krise schuld ist und wer bluten
soll. Mit dem Einführen der Kopfpauschale, dem Festhalten an
der Rente mit 67 und allen anderen Sparmaßnahmen auf unsrem
Rücken sind in diesem Land vor allem die Gewerkschaften
herausgefordert. Sie hätten die organisatorische Kraft, eine
breite und wirksame Gegenwehr aufzubauen.
Glaubwürdigkeit der Gewerkschaften
Noch
haben sie einen gewissen Kredit in der breiten Bevölkerung.
Aber je länger sie ihre Vogel-Strauß-Politik fortsetzen, desto
mehr verspielen sie ihn auch bei den weniger politisierten
Menschen. Bei den engagierteren Kräften haben sie eh schon
viel an Glaubwürdigkeit verloren. Da es keine andere
bedeutende politische Kraft mit entsprechenden
organisatorischen Möglichkeiten gibt, kann es den kritischen
und kämpferischen Kräften nicht egal sein, was aus den
Gewerkschaften wird. Die Gewerkschaftsapparate sind (vor allem
in den Führungsetagen) nicht nur stark bürokratisiert, sie
hoffen die Krise aussitzen zu können und tragen damit ein
hohes Maß an Verantwortung für das Ausbleiben einer breiteren
Widerstandsbewegung.
Die Selbstorganisation der KollegInnen wird in der nächsten
Zeit nicht wie Phönix aus der Asche entstehen. Es braucht dazu
eine organisierte klassenkämpferische Strömung, innerhalb der
Gewerkschaften, die darauf ausgerichtet ist, die
gewerkschaftliche Politik völlig umzukrempeln. Es braucht
andere Strukturen, eine andere Funktionsweise – nämlich
demokratischer, weniger von den Apparaten vorbestimmt – und
vor allem eine andere politische Gesamtorientierung. Nur wenn
die Kultur des Widerstands – im Gegensatz zur Orientierung des
Co-Managements – entwickelt wird, kann die Kampfbereitschaft
bei all denen gefördert werden, die heute keine Alternative
zur kapitalistischen Politik sehen. Die Initiative zur
Vernetzung der Gewerkschaftslinken ist dazu ein Ansatz, aber
eben nur ein kleiner Ansatz (die AG Betrieb & Gewerkschaft der
Partei Die Linke versteht sich nur als eine AG in der Partei,
entwickelt aber keine alternative Linie zur Politik der
Gewerkschaftsbürokratie).
Solange es nichts Breiteres und Wirksameres gibt, sollten sich
alle politisch und gewerkschaftlich Aktiven darum bemühen, das
Netzwerk der Gewerkschaftslinken zu stärken, am Ort
entsprechende Foren aufzubauen und darüber zur Organisierung
des Widerstands von unten beizutragen.
Editorische Anmerkung
Den Artikel spiegelten wir von
der Website des
wo er am 1.5.2010 erschien.
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