Parteitag der Linkspartei findet keine Alternativen zum Personaldiktat
Klaus Ernst und Gesine Lötzsch sind die neue Doppelspitze der Partei. Geschäftsführender Vorstand komplett von MandatsträgerInnen besetzt. Lafontaine und Bisky ins zweite Glied verabschiedet.

von Edith Bartelmus-Scholich

05/10

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Auf dem Bundesparteitag der Partei DIE LINKE in Rostock ist das Ende Januar 2010 in einer Nachtsitzung zwischen der Bundestagsfraktion und den LandessprecherInnen ausgehandelte Personaltableau für den geschäftsführenden
Parteivorstand ohne jede Änderung von den Delegierten durchgewunken worden. Damit gehen 9 Positionen im geschäftsführenden Vorstand der Partei an 8 Bundestags- und einen Landtagsabgeordneten.

Die Nachfolge der Doppelspitze Bisky / Lafontaine treten der Stellvertretende Fraktionsvorsitzenden Klaus Ernst MdL und Gesine Lötzsch an. Die ostdeutsche Haushaltspolitikerin Lötzsch erzielte mit 517 von 557 Stimmen (92,8%) das bester Ergebnis des Wahlabends. Der ehemalige WASG-Bundesvorstand und Gewerkschafter Ernst erhielt trotz heftiger Kritik im Vorfeld des Parteitags 408 Ja-Stimmen (74,9%).

Die neue Doppelspitze möchte den bisherigen Kurs der Partei fortsetzen und dabei ihre eigenen Stärken entwickeln. Ob ihr das gelingt, wird sich zeigen. Klar ist jedoch, dass weder Klaus Ernst noch Gesine Lötzsch programmatische
und strategische Pflöcke werden einschlagen können, wie dies Oskar Lafontaine getan hat.

Kandidaturen zwischen Pflichtübung und Klamotte

Die gesetzten KandidatInnen brauchten sich um ihre Wahl keine Sorgen machen. Die meisten spulten ihre Bewerbungsrede diszipliniert ab. Die Mehrheiten für den Personalvorschlag waren vor dem Parteitag hergestellt worden. In allen bisherigen Wahlgängen trat nur ein Gegenkandidat auf.

Hans-Josef Weich, Kreisvorsitzender aus Schaumburg, kandidierte als Parteivorsitzender gegen Klaus Ernst und erhielt 13,9% der Stimmen. Mit seiner Kandidatur karikierte er das scheindemokratische Wahlprozedere, vermochte aber die Führung nicht politisch herauszufordern. So illustrierte er seinen Auftritt mit Gegenständen eines Infostandes, die ihn als Mitglied der Parteibasis ausweisen sollten und wusste in seiner Rede zwar lustige Sprüchlein anzubringen, blieb aber politische Inhalte schuldig. Selbst den Widerspruch zwischen Basis und Führung der Partei vermochte er nicht auf ein dem Anlass entsprechendes Niveau zu heben.

"Bewegung zur Erneuerung der Demokratie"?

Vor dem Wahlgang hatten Lothar Bisky, Oskar Lafontaine und Gregor Gysi dem Parteitag inhaltliche und strategische Orientierung gegeben. Bisky lieferte dabei einen globalen Blick auf die Wirtschafts- und Finanzkrise und die
Tagesaufgaben einer internationalen Linken. Oskar Lafontaine begeisterte mit einer brillanten, freien Rede noch einmal für einen kämpferischen Kurs der Partei. Er bekräftigte, dass DIE LINKE weiter für soziale Gerechtigkeit, Frieden und eine "Erneuerung der Demokratie" stehe. Schließlich warb Gregor Gysi in einer langen, einfühlsamen Rede für die Annahme des Personaldiktats.

Die "Bewegung zur Erneuerung der Demokratie" kommt offensichtlich in der Partei selbst nicht zum Durchbruch. Es ist damit mindestens fraglich, ob eine Partei, in der die innerparteiliche Demokratie zum Ritual des nachträglichen Abnickens von Elitenabsprachen verkommen ist, noch über Lippenbekenntnisse hinaus Beiträge zur Demokratisierung der Gesellschaft leisten kann.

DIE LINKE hat knapp drei Jahre nach der Fusion von WASG und Linkspartei.PDS 343 MandatsträgerInnen im EU-Parlament, im Bundestag und in 13 Landtagen.

Beim Blick in das Parteitagsplenum kann der Eindruck aufkommen, dass die allermeisten von ihnen und auch viele ihrer MitarbeiterInnen Delegierte sind. Dies erklärt zum Teil, weshalb das Personaldiktat praktisch ohne Widerstand umgesetzt worden ist. Die Parteieliten und ihre Mitarbeiter stellen einen so großen Anteil an Delegierten, dass eine nicht satzungsgemäß zustande gekommene Absprache, mit der sie eine neue Führungsspitze aus sich selbst heraus generieren, kaum noch angreifbar ist.

Erfolgsprojekt auf tönernen Füssen

Was darüber hinaus wirkt, ist der Zwang zum Erfolg - in unterschiedlicher Weise. Die Partei ist keineswegs so erfolgreich, wie der Bericht des Parteivorstands und die Reden auf dem Parteitag es uns glauben machen wollen. Vielmehr ist sie in vieler Hinsicht nicht erfolgreich und zudem höchst anfällig für Rückschläge.

Ihre unbestreitbaren Erfolge liegen auf der Wahlebene. Diese Erfolge verdankt sie in erster Linie der Vertretungslücke in den Parlamenten, die von der SPD durch deren Rechtsdrift hergestellt wurde. Diese Wahlerfolge sind schwach unterfüttert. Ohne das Zugpferd Lafontaine in der ersten Reihe der Partei wird die Partei härter um zukünftige Wahlerfolge kämpfen müssen.

In drei Jahren ist die Partei nur um 10.000 Mitglieder gewachsen. Der Aufbau West ist zwar nicht ganz gescheitert, hat aber bislang nicht den Mitgliederzuwachs gebracht, den man sich vor der Fusion ausgerechnet hatte. Verschlimmert wird die Lage dadurch, dass höchstens 25 % der Mitgliedschaft der Partei DIE LINKE aktiv mitarbeiten. Da der Run auf die Mitgliedschaft in der Linkspartei auch während Lafontaines Amtszeit als Vorsitzender ausgeblieben ist, muss der Vorstand neue Wege gehen, falls er das Konzept einer Mitgliederpartei weiter verfolgen will.

Sprengkraft entwickeln derzeit noch die unterschiedlichen Politikkonzepte der Flügel der Partei. So lange sie nur im Osten an Regierungen beteiligt ist, werden die linken Gruppierungen vor allem im Westen einigen Einfluss behalten. So lange muss man auch das pluralistische Parteikonzept beibehalten und alle Strömungen in der Führungsspitze abbilden. Zu Recht sagt Gregor Gysi, dass keine Strömung in der Partei auf sich allein gestellt, die Wahlerfolge der Linkspartei erzielen kann.

So ist es dann zuletzt die Einsicht, dass von einer Basis, die die Führung aus unterschiedlichen Gründen weder inhaltlich noch personell herausfordern kann, vieles hingenommen werden muss, um die Wahlerfolgsmaschine DIE LINKE zu erhalten, und so auch das Personaldiktat abgenickt wird.


TINA = There is no alternative.  Dokumentiert:

Ergebnisse der Wahlen zum Geschäftsführenden Vorstand der Partei DIE LINKE, 15.5.2010:

Wahl der Parteivorsitzenden
Wahlgang 1: 557 abgegebene Stimmen, 557 gültige Stimmen, 12 Enthaltungen Lötzsch, Gesine: 517 Ja-Stimmen (92,8 Prozent) - 28 Nein-Stimmen Gewählt: Gesine Lötzsch
Wahlgang 2: 557 abgegebene Stimmen, 545 gültige Stimmen, 61 Enthaltungen Ernst, Klaus: 408 Ja-Stimmen (74,9 Prozent) Weich, Heinz Josef: 76 Ja-Stimmen (13,9 Prozent) Gewählt: Klaus Ernst

Wahl der stellvertretenden Parteivorsitzenden
Wahlgang: 558 abgegebene Stimmen, 3 ungültige Stimmen
Kipping, Katja: 410 Ja-Stimmen (73,9 Prozent) - 76 Nein-Stimmen - 65 Enthaltungen Wagenknecht, Sahra: 418 Ja-Stimmen (75,3 Prozent) - 102 Nein-Stimmen - 32 Enthaltungen Wawzyniak, Halina - 321 Ja-Stimmen (57,8 Prozent) - 151 Nein-Stimmen - 79 Enthaltungen Bierbaum, Heinz - 421 Ja-Stimmen (75,9 Prozent) - 68 Nein-Stimmen - 73
Enthaltungen Gewählt: Katja Kipping, Sahra Wagenknecht, Halina Wawzyniak, Heinz Bierbaum

Wahl der Bundesgeschäftsführer
Wahlgang: 540 abgegebene Stimmen, 1 ungültige Stimme Lay, Caren: 373 Ja-Stimmen (69,2 Prozent) - 127 Nein-Stimmen - 39 Enthaltungen Dreibus, Werner: 444 Ja-Stimmen (82,4 Prozent) - 66 Nein-Stimmen - 29 Enthaltungen
Gewählt: Caren Lay und Werner Dreibus

Wahl des Bundesschatzmeisters
Wahlgang: 519 abgegebene Stimmen, keine ungültige Stimme
Sharma, Raju - 427 Ja-Stimmen (82,3 Prozent) - 63 Nein-Stimmen - 29 Enthaltungen

Editorische Anmerkung

Den Artikel erhielten wir von der Autorin zur Zweitveröffentlichung. Sie ist redakteurin der Website 'scharf-links', wo dieser Artile am 15.5. erstveröffentlicht wurde.