Keine Träne für Bin Laden
Ein Kommentar aus aktuellem Anlass

von
Peter Nowak

05/11

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Auch Merkel kann mal recht haben. Die Freude über Bin Ladens Ende solle eigentlich bei allen Menschen eine Selbstverständlichkeit sein, die noch für eine emanzipatorische Welt kämpfen. Menschen, die sich darüber freuen, wenn irgendwelchen Lokalfaschisten das Handwerk gelegt wird, müssten eigentlich erkennen, dass Bin der Kopf einer Gruppe war, die sich zu einer globalen faschistischen Politik bekannte. Ich will dabei gar nicht spekulieren, welche Rolle Bin Laden bei Al Quaida spielte und ob er persönlich über alle Aktionen der Islamisten informiert war. Ich nehme mir die Videos zur Grundlage, auf denen Bin Laden die Al Quaida-Politik weltweit verteidigte. Ich glaube nicht daran, dass diese Videos das Produkt einer amerikanischen Verschwörung sind und die islamistische Communite übrigens auch nicht, sonst wären dort nicht Bin Ladens Reden so beliebt gewesen. Wenn ich nun diese Erklärungen zur Grundlage nehme, hat sich Bin Laden für eine Gruppe eingesetzt, die in sämtlichen Punkten gegen die Emanzipation steht. Frauenrechte, Behandlung von Minderheiten, von Linken, der blindwütige Terror gegen alle, die gerade zum falschen Zeit am falschen Ort waren, in New York, aber auch in den U-Bahnen von London und Madrid sind Kennzeichen der strukturell faschistischen Bewegung. Und trotzdem hat man in Deutschland manchmal den Eindruck, manche sich links nennend Menschen sehen in Bin Laden einen Nachfolger von Che Guevara. Da wird in höchsten Tönen sein Tod betrauert und alle Menschenrechtsparagraphen aufgezählt, die im nicht gewährt worden sind. Höhepunkt dieser Heuchelei ist die Anzeige, die der Hamburger Richter Lutz Uthmann gegen Merkel gestellt hat, weil sie sich über Bin Ladens Tod freut. Manche werden diesen furchtbaren Richter noch für einen fortschrittlichen Menschen halten und er sich selber vielleicht auch.

Furchtbarer Richter tritt in Aktion

Wegen öffentlicher Billigung eines vorsätzlichen Tötungsdelikts, strafbar gemäß Paragraf 140 des Strafgesetzbuches (StGB) hat Uthmann Merkel angezeigt und ihre Äußerung über die Freude vom Tod Bin Ladens "als abseits aller Werte" bezeichnet. Dass trifft aber eher auf Uthmann und viele andere zu, die sich in den letzten Tagen so vehement als Bin Ladens Anwälte aufgetreten sind. Man kann durchaus bedauern, dass es nicht gelungen ist, ihm den Prozess zu machen. Schließlich hat das Eichmann-Verfahren gezeigt, dass hier wichtige Impulse für den Kampf gegen NS-Faschismus und Antisemitismus und die Demontage der NS-Ideologie geleistet wurde. Aber ich kenne die genauen Umstände der Aktion gegen Bin Laden nicht und weiß daher nicht, wie realistisch eine Verhaftung gewesen wäre. Denen, die jetzt Bin Ladens Tod bedauern, geht es auch größtenteils nicht darum, dass sie bedauern, dass ein Prozess nicht weitere Aufklärung über den Islamismus hätte liefern können. Sie sind schlicht sauer, dass die USA sich eines ihrer Todfeinde erwehren konnte und vergessen, dass es sich um einen Todfeind von emanzipatorischen und linken Bewegungen weltweit handelte. Natürlich kann man davon träumen, ein kommunistisches Guerillakommando nimmt Bin Laden ins Visier. Realistisch wäre es wohl eher so gewesen, dass manche real existierende Kommunisten eher Bin Laden geschützt als beseitigt hätte. Auch der Ablauf der Aktion kann, zumindest von den Resultaten her, kaum Gegenstand linker Kritik sein. Es wurde gerade kein Massaker angerichtet mit vielen unbeteiligten Toten.

Erinnerung an deutschen Herbst 

Wenn man sich die bundesdeutsche „Terrorfahndung“ in den 70er Jahren mit den vielen Kollataralschäden anguckt, muss sich eher über darüber wundern, wie glimpflich doch die Aktion in Pakistan ablief. Hier wird auch die deutsche Heuchelei der letzten Tage besonders deutlich. Im deutschen Herbst wünschen nicht nur Aktivbürger sondern auch amtierende Politiker aller staatstragenden Parteien den RAF-Mitgliedern und was sie dafür hielten den Tod. Wer daran erinnerte, dass auch Stadtguerillamitglieder Menschenrechte haben, war bald selber als Sympathisant verschrien. Im Unterschied zu Al Quaida propagierte die RAF nicht Anschläge in U-Bahnen und hatte auch nicht den Tod Tausender Menschen verschuldet. Heute, wo sich die RAF längst aufgelöst hat, gibt es immer noch Gruppen, die den Volkszorn erzeugen. Man brauche nur die Reaktionen verfolgen, die es in einigen Gegenden gab, wenn bekannt wird, dass ehemalige Strafgefangene nach Verbüßung ihrer Strafe dorthin ziehen wollen. Es ist nicht bekannt, dass Richter hier Anzeigen erstattet haben, wenn Äußerungen gefallen sind, die den Tod von Menschen rechtfertigen. Da braucht es schon Typen vom Kaliber Bin Ladens, um das nur schlecht getarnte Ressentiment herauszukitzeln. Und das geht dann durch als liberal und gutmenschlich. In Wirklichkeit trauern manche nur, dass die USA einen Feind verloren hat.

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten den Kommentar vom Autor für diese Ausgabe.