10. Mai 2011
In einer Zeit, in der auch von Deutschland aus
weltweit Krieg geführt wird, in der die Bundeswehr an
Schulen oft unwidersprochen für weiteres Kanonenfutter
werben darf, in der Flüchtlinge aus
Krisenzonen an den Außengrenzen der Europäischen Union Asyl und
sicherer Unterschlupf verweigert wird,
ist es weder verwerflich noch belästigend, Bilder zu zeigen, die
die Brutalität und Hässlichkeit von Krieg
unverhüllt abbilden. Im Gegenteil sind diese Darstellungen umso
wichtiger geworden, wenn in „humanitären
Einsätzen“ weltweit bombardiert wird. Sie sind wichtiges Mittel
der Meinungsbildung auch für Kinder und
Jugendliche, denen unter Umständen ein „guter Job“ in der
deutschen Berufsarmee offeriert wird.
Deshalb verurteilen wir aufs Schärfste den neuen
Münchner Zensurversuch!
Der Künstler Wolfram P. Kastner zeigte in einer
Ausstellung in München Kunst gegen den Krieg (im
Schauraum in der Therese-Studer-Straße
9) Bilder, eine Installation
sowie Fotos von den Folgen aller Kriege
an menschlichen Körpern und Gesichtern.
Einige der Fotos, die von außen durch ein
Schaufenster zu sehen waren, stammen aus dem 1924
erschienenen Buch von Ernst Friedrich („Krieg dem
Kriege“) und waren im Berliner Antikriegsmuseum
1924 1933 gezeigt worden.
Diese Fotos können durchaus starke Emotionen
hervorrufen und Kinder und Jugendliche davon
abhalten, Kriege als harmlose Geschehen zu verstehen, mit
Waffen zu spielen oder Soldat zu werden.
Einige aufgeregte Nachbarn und zwei Frauen aus
dem veranstaltenden Kulturteam forderten zwei
Stunden nach der Eröffnung der Ausstellung am Freitag,
15. April 2011, die (ihnen bekannten) Bilder
zu verhüllen oder abzuhängen, weil dadurch angeblich
Kinder traumatisiert würden. Der Künstler
weigerte sich, die Bilder zu verstecken, weil er das Entsetzen
über die furchtbaren Folgen von Kriegen
für sinnvoll und heilsam erachtet.
Von aufgeregten Erwachsenen wurde am Sonntag,
17. April, um 10.00 Uhr die Polizei geholt.
Einigen besonders erregten Bewohnern des Quartiers
reichte das nicht aus. Sie wollten die
Ausstellung unbedingt und notfalls auch mit Gewalt schließen und
beklebten die Schaufenster. Die
Polizeiinspektion 43 München ermittelt nun gegen den Künstler
Wolfram P. Kastner wegen seiner
Ausstellung „teilen statt kriegen“. Sie wirft ihm vor, „folgende
Ordnungswidrigkeit(en) begangen zu haben:
OWiG – sonstige Art (Par. 112 130 OWiG)
(Belästigung der Allgemeinheit)“ „Bemerkungen: Durch die
öffentliche Zuschaustellung der Kriegsbilder haben sie gem. 3
118 OWiG die Allgemeinheit belästigt.“
(unverändertes Zitat aus dem Schreiben des POM Götz
BY854300502511/5)
Mit staatlicher Repression wird hier versucht,
die Darstellung der Schrecken des Krieges zu behindern
und zu zensieren, ein unglaublicher und rechtswidriger
Angriff auf das Recht auf freie
Meinungsäußerung und die Freiheit der Kunst, die im Grundgesetz
verankert ist. Historisch und zukünftig
war und ist es u.a. die Aufgabe der Kunst, die Realität
widerzuspiegeln und die Probleme der
Menschheit auf den Punkt zu bringen. Das schließt den Krieg ohne
Wenn und Aber ein. Nicht der Künstler hat
die Darstellung der Brutalität des Krieges zu verantworten,
sondern die kriegführenden Regierungen
und Armeen, die die Brutalität ausüben.
Wir antikapitalistische Kunstschaffende sind
davon überzeugt, dass Kunst und Kultur nicht der
Verdummung der Menschen dienen dürfen, sondern dass sie
aufklären, Phantasie und Bewegtheit
wecken sollen, Wege aus der Barbarei in eine friedvolle,
gerechtere und demokratischere Zukunft
aufzuzeigen haben und sich dem hegemonialen Machtstreben
heutiger Imperien entgegensetzen müssen..
Wir verurteilen diesen provokativen
Zensurversuch, erklären unsere Solidarität
und Unterstützung für den Künstler und fordern die
sofortige Einstellung des Verfahrens
gegen ihn!
Die ASSO
in Vertretung Toni KöhlerTerz