Kapitalistische Fetische
Ware, Geld, Kapital, Lohn

Autorenkollektiv Marx-Arbeitsgruppe Historiker

05/2016

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Der Fetischcharakter der Ware und des Geldes (1)

Das Wort "Fetisch" stammt aus der Ethnologie, der Wissenschaft, die sich mit der Erforschung des Lebens primitiver Völker beschäftigt. Diese Forschungen zeigen, daß die primitiven Völker noch kein Bewußtsein von ihren gesell­schaftlichen und natürlichen Lebensbedingungen haben. Da sie z.B. eine gute Ernte nicht als Resultat ihrer eigenen Arbeit, d.h. der Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur begriffen, glaubten sie an das Wirken über­menschlicher Kräfte. Diese primitiven Völker meinten, die unbegriffenen Mächte der Natur dadurch beeinflussen zu können, daß sie ihre eigenen ge­sellschaftlichen Produkte als Götzen anbeteten. Die Resultate ihrer eigenen Tätigkeit bekamen so magische Kräfte zugeschrieben. Im Bewußtsein dieser Menschen erhielten so die leblosen Dinge menschliche oder übermenschliche Fähigkeiten und wurden zum Fetisch.

Den Mechanismus, daß die von den Menschen gemachten Produkte überna­türliche Fähigkeiten anzunehmen scheinen, findet Marx in der Waren produ­zierenden Gesellschaft wieder. Hier bilden die Naturkräfte kein Geheimnis mehr. Trotzdem erhalten in der Waren produzierenden Gesellschaft die Arbeitsprodukte einen Fetischcharakter. Um diesen Fetischcharakter der Ware zu begreifen, müssen wir uns die spezifisch gesellschaftliche Form der Waren produzierenden Gesellschaft nochmals verdeutlichen.

Grundlage allen menschlichen Zusammenlebens ist die Notwendigkeit der arbeitsteiligen Produktion und der daraus folgenden Verteilungsform der Produkte. In welcher Weise produziert wird und in welcher Form die hergestellten Produkte verteilt werden, unterscheidet die verschiedenen Gesellschaftsformen. Bevor wir den Fetischcharakter der Ware aus der spezifisch gesellschaftlichen Form der Produktion ableiten, wollen wir zur Illustration andere Gesellschaftsformen mit der Waren produzierenden Gesellschaft vergleichen.

Betrachten wir zunächst das gesellschaftliche Verhältnis zwischen dem mittel­alterlichen Fronherrn und dem Leibeigenen. Hier bilden die persönlichen Ab-hängigkeifsverhältnisse die geselIschaftliche Grundlage. Die Abhängigkeit des Leibeigenen vom Grundherrn hat zur Folge, daß der Leibeigene ein be­stimmtes Quantum Arbeit im Dienst seines Herrn verausgaben muß. Erarbeitet drei Tage in der Woche auf dem Acker des Fronherrn und die restlichen Tage auf seinem eigenen Acker für sich und seine Familie. Die gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse sind hier für die Menschen durchschaubar, weil ihre Abhängigkeit voneinander als persönliche Abhängigkeit offen zu Tage tritt.

Ein anderes Beispiel bildet die selbständige Bauernfamilie, die nur für den eigenen Bedarf produziert. Die notwendigen Arbeiten verteilen sich auf die Familienmitglieder, wodurch die individuellen Arbeitskräfte als gemeinsame Arbeitskraft der Familie wirken. Obwohl zwischen den Familienmitgliedern Arbeitsteilung herrscht, werden die Arbeitsprodukte nicht zu Waren. Jedes Familienmitglied erhält einen Anteil der von der Familie produzierten Lebens­mittel . Die gesellschaftlichen Beziehungen bleiben auch hier für alle Be­teiligten durchsichtig. Die individuelle Arbeit ist unmittelbar Teil der gesellschaftlichen Arbeit. Produktion und Verteilung der Produkte bilden für niemand ein Geheimnis.

In der Waren produzierenden Gesellschaft, in der nicht nur arbeitsteilige Produktion herrscht, sondern Privatbesitz an den Produktionsmitteln hinzukommt, fällt die in der Bauemfamilie unmittelbare Einheit von individueller und ge­sellschaftlicher Arbeit auseinander. Der Privatbesitz an Produktionsmitteln bewirkt, daß jeder Warenproduzent isoliert von den anderen produziert. So weiß der einzelne Produzent nicht, was, wieviel und in welcher Zeitdauer die anderen Produzenten in der Gesellschaft produziert haben. Indem die Privatproduzenten ihre verschiedenartigen Produkte miteinander austauschen, stellt sich heraus, ob ihre Privatarbeif Teil der Gesamtarbeit der Gesellschaft ist: Erst wenn der Austausch gelungen ist, zeigt sich, daß die konkrete Privat­arbeif Teil der für die Gesellschaft notwendigen und nützlichen Gesamfarbeif ist. Die Warenproduzenten kennen diesen gesellschaftlichen Zusammenhang zwar nicht, aber sie sind ihm unterworfen und müssen dementsprechend handeln.

Schon in der einfachen Wertform, wo sich die Waren noch nicht gegen Geld austauschen, sondern eine spezifische Ware sich in Beziehung zu einer anderen spezifischen Ware befindet, tritt der Fetischcharakter der Ware hervor. In der Gleichung 2 Stühle = 1 Mantel stehen sich zunächst nur zwei Gebrauchswerte gegenüber, die aber durch ihre besondere Beziehung in der Gleichung ver­schiedene Funktionen übernehmen. Der Mantel übernimmt durch seine Stellung in der Gleichung die Funktion, den Wert der 2 Stühle auszudrücken. Im realen Austausch stehen sich nur Gebrauchswerte gegenüber. Der Wert einer Ware kann deshalb im Austausch auch nur in einem Gebrauchswert ausgedrückt werden. Soll in der Gleichung der Wert der Stühle ausgedrückt werden, so wird ihnen der Mantel gegenübergestellt. Die Frage: "Was sind zwei Stühle wert" wird beantwortet mit: "Sie sind einen Mantel wert". Hier drückt also ein bestimmtes Quantum eines besonderen Gebrauchswerts den Wert der Stühle aus. Dies kann der Gebrauchswert Mantel nur, weil Stühle und Mantel beide gesellschaftliche Arbeit enthalten, was aber an beiden nicht sichtbar ist. Der Gebrauchswert Mantel scheint vielmehr aufgrund seiner natürlichen Eigen­schaften als Gebrauchswert austauschbar zu sein. Für die beteiligten Waren­besitzer scheinen die Waren sich also aufgrund irgendwelcher geheimnisvoller Natureigenschaften auszutauschen. Die Produkte der menschlichen Arbeit erhalten so scheinbar ein Eigenleben. Diesen Zustand, daß die Dinge, die die Menschen selbst geschaffen haben, eine Eigenbewegung entwickeln und Macht über die Menschen gewinnen, nennt Marx den Fetischcharakter der Ware.

Dieser Fetischcharakter verstärkt sich noch, wenn nicht mehr zwei Stühle direkt gegen einen Mantel ausgetauscht werden, sondern wenn es zur ge­sellschaftlichen Gewohnheit geworden ist, die Waren gegen Geld (Goldgeld oder Papiergeld) auszutauschen. Ein bestimmtes Edelmetall oder bloß bedruckte Papierzettel scheinen nun die magischen Fähigkeiten zu haben, alle Waren kaufen zu können. Und zwar scheinen sie diese Fähigkeiten gerade als Gebrauchswerte zu haben, als einfaches Stück Metall und bloßer Fetzen Papier.

Die Warenproduzenten erkennen jetzt überhaupt nicht mehr, daß das Geld nur die allgemeine Ware, das allgemeine Äquivalent ist, also der Ausdruck von abstrakt-menschlicher Arbeit. Es ist völlig verdeckt, daß das Kaufen und Verkaufen mit Hilfe von Geld nichts anderes ist, als das besondere gesell­schaftliche Verhältnis der vereinzelten Warenproduzenten zueinander: Weil die Warenproduzenten nicht gemeinsam produzieren, müssen sie alle mitein­ander konkurrierend hinter dem Geld herlaufen. So sind sie zwar scheinbar voneinander unabhängig, aber allesamt abhängig vom Geld. Das Geld be­herrscht als Fetisch die ganze Gesellschaft: "Gold und Geld regiert die Welt".

Als Privatbesitzer von Produktionsmitteln plant jeder Warenproduzent nur für sich selbst, und muß daher für einen ungeplanten, anonymen Markt produzieren. Da die Menschen ihre Produktion nicht gemeinsam und bewußt planen, tritt ihnen ihr eigenes Produkt als fremde Macht auf dem Markt gegenüber. Der Austauschprozeß erscheint als ein Prozeß zwischen den Waren, als Beziehung zwischen bloßen Dingen. Die Beziehung der Waren zueinander oder später zum Geld drückt also das Verhältnis der Menschen zueinander aus. Die gegen­seitige Abhängigkeit der Warenproduzenten ist versteckt hinter dem Austausch der Waren. Es ist kein persönliches, durchschaubares Abhängigkeitsverhältnis wie zwischen dem Leibeigenen und dem Fronherrn. Die scheinbare Unabhängig­keit der Privatproduzenten erweist sich vielmehr als Abhängigkeit vom Waren­tausch, also von den Gesetzen des Markts.

Die Tatsache, daß die gesellschaftlichen Beziehungen zwischen den Menschen die Form einer Beziehung von Sachen annehmen, gilt nicht nur innerhalb der einfachen Warenproduktion, sondern findet sich auch in der kapitalistischen Warenproduktion wieder. In der kapitalistischen Warenproduktion, wo der Kapitalist das Eigentum an den Produktionsmitteln hat und der Arbeiter lediglich seine Arbeitskraft besitzt, muß der Fetischcharakter der Ware und des Geldes sich in weiter entwickelter Form zeigen.

Erst in einer Vereinigung frei vergesellschafteter Produzenten verschwindet der Fetischcharakter der Ware, - nämlich erst mit der Uberwindung der Waren produzierenden Gesellschaft selbst. Die Menschen treten sich dann nicht mehr als Austauschende gegenüber, sondern planen gemeinsam die Produktion:

"Innerhalb der genossenschaftlichen, auf Gemeingut an Produktionsmitteln gegründeten Gesellschaft tauschen die Produzenten ihre Produkte nicht aus: ebensowenig erscheint hier die auf die Produkte verwandte Arbeit als Wert dieser Produkte, als eine von ihnen besessene sachliche Eigenschaft, da jetzt, im Gegensatz zur kapitalistischen Gesellschaft, die individuellen Arbeiten nicht mehr auf einem Umweg, sondern unmittelbar als Bestandteil der Gesamtarbeit existieren." (Marx: Kritik des Gothaer Programms, MEW 19 S.19-20)

Der Fetischcharakter des Kapitals(2)

1. Bereits bei der Analyse der einfachsten Elemente der kapitalistischen Waren­produktion zeigte sich, daß in dieser Gesellschaft die Produkte der Menschen Macht über die Produzenten selbst gewinnen (Fetischcharakter der Ware und des Geldes). Wir sahen im ersten Abschnitt, daß die privaten Warenproduzenten frei und selbständig, d.h. isoliert voneinander produzieren und dadurch allesamt abhängig werden vom Markt. Auf dem Markt treffen alle isoliert voneinander produzierten Waren zusammen und erst hier entscheidet sich für den einzelnen Produzenten, ob er den individuellen Wert seiner Ware realisieren kann oder nicht, also ob sich der individuelle Wert auch als ge­sellschaftlicher Durchschnittswert bewährt. Die isolierten Privatproduzenten stehen also der Warensammlung auf dem Markt hilflos gegenüber. Ihre eigenen Produkte, die Waren, gewinnen Macht über sie.

Der Austauschprozeß erscheint als ein Vorgang zwischen Waren, wobei die Produzenten als bloße Anhängsel ihrer Produkte auftreten. Die gesellschaft­lichen Beziehungen der Menschen zueinander sind also in der Waren produzieren­den Gesellschaft nichts anderes als die Beziehungen zwischen den Sachen, den Waren. Die Menschen erkennen diesen Fetischcharakter nicht, d.h. sie erkennen nicht, daß die Macht, von der sie abhängig sind, das Resultat ihrer eigenen Arbeit ist. Darum sind sie sich auch nicht bewußt, daß die Gesell­schaft, in der sie leben, keine naturgegebene, sondern eine veränderbare Gesellschaft ist.

Das gesellschaftliche Verhältnis, in dem die Waren als handelnde Lebewesen und ihre Produzenten als bloße Anhängsel erscheinen, zeigt sich z.B. an Ausdrücken wie: "Die Ware verkauft sich gut", "Die Ware geht nicht". Diese Verkehrung von Mensch und Produkt, wo das Produkt handelt und der Mensch nur lebendiges Anhängsel ist, erkennt man nur, wenn man be­greift, daß Produkte oder Gebrauchswerte nur in einer bestimmten Gesell­schaftsform zu Waren werden und daß diese Gesellschaftsform nicht die einzig mögliche ist. Das erkennen die bürgerlichen Wissenschaftler nicht, sondern loben vielmehr die "Freiheit" der kapitalistischen Konkurrenzwirt­schaft, die darin bestehen soll, daß eben nicht die Menschen die Macht ausüben, sondern nur die anonymen Waren auf dem Markt. "In einer Wett­bewerbswirtschaft ist jeder von allen, aber keiner von einem bestimmten anderen abhängig. Der Wettbewerb kann uns nicht freimachen von der Furcht vor Schicksalsschlägen, vor Arbeitslosigkeit, Armut und Hunger, aber er macht frei von der Furcht vor der Macht der Menschen. Der Wettbewerb ist umso reiner, je unpersönlicher die Beziehungen wirtschaftlicher Art zwischen Menschen sind, so daß der Gegner des einzelnen nicht ein benenn­barer einzelner ist, sondern der Markt" (Andreas Paulsen, Allgem. Volkswirtschaftslehre I, Berlin 1968, S. 44).

Wie stellt sich nun diese Verkehrung von Mensch und Produkt in der voll entwickelten kapitalistischen Gesellschaft dar?

Betrachten wir den kapitalistischen Produktionsprozeß; so besteht der kon­krete Arbeitsprozeß darin, daß der Arbeiter die Produktionsmittel zweckbe­stimmt anwendet und verbraucht. Daran ist nichts Geheimnisvolles. Aber der Produktionsprozeß ist zugleich Verwertungsprozeß und darum ist der Arbeitsprozeß nur Mittel zur Verwertung des Kapitals. Der Kapitalist, das Kapital in Person, läßt den Arbeiter nicht arbeiten, um ganz bestimmte Gebrauchswerte herzustellen, sondern damit er Wert und Mehrwert produziert. Wir haben bereits gesehen, daß den Kapifalisten nicht interessiert, was für Produkte er herstellen läßt. Hauptsache ist, daß er am Ende mehr Geld herausbekommt. Der Arbeitsprozeß ist also nur Mittel zum Verwertungsprozeß, in welchem nicht der Arbeiter die Produktionsmittel, sondern das Kapital den Lohnarbeiter anwendet und verbraucht. Der kapitalistische Produktions­prozeß macht den Arbeiter also zu einer Sache, die zur Produktion notwendig ist, zu einem bloßen "Produktionsfaktor".

Wenn ein Arbeiter seine Arbeitskraft verkauft, so sagte man früher: "Er verdingt sich". Das heißt nichts anderes, als daß er sich eben zu einem Ding, einer Sache machen muß, um in dieser Gesellschaft leben zu können.

Während der Arbeiter als bloß sachlicher Produktionsfaktor behandelt wird, der neben anderen Faktoren vom Kapitalisten angewandt wird, erscheint andererseits der Kapitalist als der eigentliche Produzent. Man sagt: "Krupp baut in Essen ein neues Werk" und "Siemens produziert Elektrogeräte", - statt zu sagen, daß die Arbeiter von Krupp und Siemens das und das bauen bzw. produzieren. ) Ebenso wird z.B. mit dem Wort "Textilproduzent" ein. Kapitalist bezeichnet, der eine Textilfabrik besitzt, nicht aber sind damit die Arbeiter gemeint, die in dieser Fabrik wirklich produzieren. Weil Arbeitsprozeß und Verwertungsprozeß nur zwei Seiten desselben Produktionsprozesses sind, kann die Anwendung des Arbeiters zur Verwertung des Kapitals nur geschehen, wenn das Kapital Produktionsmittel ankauft, die für den jeweiligen Arbeitsprozeß nötig sind. Diese Produktionsmittel treten dem Arbeiter im Produktionsprozeß als Ausbeutungsmittel gegenüber.
In seinem Gedicht "Fragen eines lesenden Arbeiters" hat Bertolt Brecht diesen Fetischismus folgendermaßen dargestellt:

Wer baute das siebentorige Theben?
In den Büchern stehen die Namen von Königen.
Haben die Könige die Felsbrocken herbeigeschleppt?
Der junge Alexander eroberte Indien. Er allein?
Cäsar schlug die Gallier.
Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?
Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte
untergegangen war. Weinte sonst niemand?
Friedrich der Zweite siegte im Siebenjährigen Krieg.
Wer siegte außer ihm?
Jede Seite ein Sieg.
Wer kocht den Siegesschmaus?
Alle zehn Jahre ein großer Mann.
Wer bezahlte die Spesen?
So viele Berichte.
So viele Fragen.

Darum scheint es so, als ob die Produktionsmittel als Gebrauchswerte die natürliche Eigenschaft hätten, Kapital zu sein. Sie sind aber nur Kapital, weil sie sich im Privatbesitz der Kapitalisten befinden und der Arbeiter ihnen als Lohnarbeiter gegenübertreten muß.

Hier zeigt sich, wie wichtig es ist, den Arbeitsprozeß im allgemeinen von seiner spezifisch kapitalistischen Form zu unterscheiden. Denn wenn wir erkannt haben, was zum Arbeitsprozeß überhaupt gehört, können wir fest­stellen, was die besonderen Formen des kapitalistischen Arbeitsprozesses ausmacht und daß diese Besonderheiten nicht naturgegeben sind. Arbeit ist immer zur Lebenserhaltung notwendig, und für jede Arbeit braucht der Mensch Produktionsmittel. Aber die kapitalistische Form der Arbeit als Lohnarbeit und die Form der Produktionsmittel als Kapital sind nur in dieser Gesellschaft notwendig, sind also nicht ewig, sondern veränderbar.

2. Den beiden Seiten des kapitalistischen Produktionsprozesses ent­sprechen die beiden Seiten der Arbeit, konkrete und abstrakte Arbeit. An der konkreten Arbeit ist nichts Geheimnisvolles. Erst die wertbildende abstrakte Arbeit führt dazu, daß die Produkte seiner eigenen Arbeit dem Arbeiter feindlich gegenübertrefen. Was heißt das? Wenn der Arbeiter durch seine Arbeit Werf und Mehrwert schafft, so ist dieser Wert ihm selbst fremd, er gehört ihm nicht. Der geschaffene Wert berührt ihn persönlich nur, soweit er ihm als Arbeitslohn zufällt. Aber der von ihm geschaffene Mehrwert wird vom Kapitalisten benutzt, um durch neue Maschinen den Arbeiter besser ausbeuten zu können. Der vom Arbeiter geschaffene Mehrwert steht ihm also nicht nur fremd, sondern auch feindlich gegenüber. Sein eigenes Produkt wird zu einem Mittel seiner Unterdrückung.

Das Kapitalverhältnis zwingt den Arbeiter dazu, mit allem, 'was er produziert, seine eigene Ausbeutung zu verschärfen. Der Arbeiter ist seinen Produkten hilflos ausgeliefert. Seine eigenen Produkte, die ihm als fremde Macht, als Kapital gegenübertreten, erscheinen als die handelnden Subjekte, als die Unterdrücker und Ausbeuter.

"Aller kapitalistischen Produktion, soweit sie nicht nur Arbeitsprozeß, sondern zugleich Verwertungsprozeß des Kapitals, ist es gemeinsam, daß nicht der Arbeiter die Arbeitsbedingung, sondern umgekehrt die Arbeits­bedingung den Arbeiter anwendet, aber erst mit der Maschinerie erhält diese Verkehrung technisch handgreifliche Wirklichkeit. Durch seine Verwandlung in einen Automaten tritt das Arbeitsmittel während des Arbeitsprozesses selbst dem Arbeiter als Kapital gegenüber, als tote Arbeit, welche die lebendige Arbeitskraft beherrscht wrid aussaugt" (MEW 23/446).

Es liegt also nicht an den Produkten oder den Maschinen selbst, wenn der Arbeiter seine eigene Ausbeutung produziert, sondern am Kapitalver­hältnis, denn wenn die Arbeiter ihre Produktion selbst regeln würden, würden dieselben Maschinen, mit denen sie vorher ausgebeutet wurden, ihnen die Arbeit erleichtern und verkürzen.

3; Wie die Produkte des Arbeiters als Kapital auftreten, so erscheinen auch alle Kräfte, die aus der Arbeit selbst entspringen, als Produktivkräfte des Kapitals. Durch Kooperation und Teilung der Arbeit wird eine Steigerung der Produktivkraft erreicht, und gleichzeitig können die Produktionsmittel effektiver vernutzt werden. Diese Vorteile entspringen aus der gemeinsamen Arbelt vieler Arbeiter. Da auch diese Organisation der Arbeit historisch erst im Kapitalismus, unter dem Kapitalverhältnis, vollendet durchgeführt wurde, sieht es so aus, als ob die Vorteile gemein­samer Arbeit aus dem Kapital und nicht aus dem Charakter der Arbeit entstehen. Dieser Schein wird dadurch verstärkt, daß die Art der Zusammenarbeit nicht von den Arbeitern selbst, sondern vom Kapitalisten organisiert wird. Die Vorteile dieser Arbeitsorganisation hat nur der Kapitalist. Für den Arbeiter wirkt sie sich im Kapitalismus sogar negativ aus. Das wird deutlich, wenn der Kapitalist z.B. alle Produktionsmittel "spart", die das Leben und die Gesundheit des Arbeiters schützen und ihm die Arbeit angenehmer und menschlicher gestalten könnten. Erst wenn sich der kooperative Arbeitsprozeß unabhängig vom Kapitalismus vollzieht, kann er dem Arbeifer Vorteile bringen, indem die Arbeit erleichtert und die Arbeitszeit verkürzt wird. Solange das Kapital Verhältnis besteht, bleibt der Fetischcharakter bestehen, der Schein, der die wahren Zusammenhänge verdeckt und verkehrt. Denn so wie Kooperation, Arbeitsteilung und Maschinerie vom Kapital angewandt werden, führen sie zur Verstümmelung der Arbeitskraft des einzelnen Arbeiters, der zum Teilarbeiter wird und nur noch im Zusammenhang einer bestimmten kapitalistischen Organisation der Arbeit funktioniert. Er ist dem Kapital völlig ausgeliefert, und es scheint so, als ob er ohne das Kapital überhaupt nicht mehr existieren kann.

Die kapitalistische Organisation der Arbeit führt, wie in der Analyse der Arbeitsteilung deutlich wurde, zur Trennung von Hand- und Kopfarbeit. Der Kapitalist und seine wissenschaftlichen Handlanger planen und organisieren, der Arbeiter muß nur das ausführen, was die anderen sich ausgedacht haben. Dies verschärft sich mit der weiteren Entwicklung des Kapitalismus, so daß es heute den meisten Menschen als selbstverständlich erscheint, daß es Leute gibt, die nur mit ihren Händen, und andere, die nur mit ihrem Kopf arbeiten. Im konkreten Arbeitsprozeß gehören aber planendes Denken und praktische Ausführung zusammen. Im Kapitalismus werden diese beiden Seiten zum feindlichen Gegen­satz wenn die Kopfarbeit (Wissenschaft) zur Konstruktion von Maschinen beiträgt, die wieder zur Ausbeutung des Arbeiters dienen. So erscheint die Wissenschaft als Handlanger des Kapitals bzw. als dem Kapital eigene Kraft. Dies ist aber keine Natureigenschaft der Wissenschaft, denn wenn die Arbeiter ihre Produktion selbst regeln, können sie die Wissenschaft auch so einsetzen, daß sie ihnen nützt.

Die gesellschaftlichen Produktivkräfte der Arbeit, also die Produktivkräfte der gemeinsamen Arbeit, die sich durch Kooperation, Teilung der Arbeit, Maschinerie und Anwendung der Naturwissenschaft und Technik entwickeln, erscheinen als Produktivkräfte des Kapitals. Jede Fortentwicklung der Produktivkräfte ist Resultat der gemeinsamen Arbeit der Arbeiter, bessere Maschinerie ist Produkt der Arbeiter, aber die Steiqeruna der Produktivkräfte nützt im Kapitalismus nicht den Arbeitern, sondern sie bringt nur den Kapitalisten Vorteile als Mittel zur Produktion von größerem relativen Mehrwert. Die Produktivkräfte seiner eigenen Arbeit treten also dem Arbeiter fremd und feindlich gegenüber und werden vom Kapital zur Verstärkung der Ausbeutung benutzt. Wenn z.B. ein gutgläubiger Arbeiter in seinem Betrieb Verbesserungsvorschläge macht, so hat er selbst schuld, würde man sagen. Denn eine "Verbesserung" der Produktivität des Betriebes würde für diesen Arbeiter und alle Kollegen nur eine gesteigerte Ausbeutung bedeuten. Der Erfinder besserer Produktionsmethoden wird eine kleine Prämie er­halten, aber insgesamt gesehen kann der Kapitalist dadurch mehr Mehrwert aus den Arbeitern herauspressen.

4. Wir haben gesehen, daß der Fetischcharakter des Kapitals sich darstellt als Versachlichung der Personen und Personifizierung der Sachen: Das Verhältnis zwischen Kapitalisten- und Arbeiterklasse nimmt im kapitalistischen Produktions-prozeß die Form an, daß die Arbeiter als passive Objekte der Ausbeutung erscheinen und daß die von ihnen geschaffenen Produktionsmittel zu Ausbeutungsmitteln werden, weil sie Privatbesitz der Kapitalisten sind. Deshalb hat sich historisch der Kampf der Arbeiter zunächst gegen die Maschinen gerichtet und noch nicht gegen das dahinter versteckte Ausbeutungsverhältnis. Indem die Arbeiter die Produktionsmittel zerstörten, ließen sie sich selbst von dem Fetischcharakter der kapitalistischen Produktion blenden. Denn, daß die Maschinen dem Arbeiter als lebendige Aus­beutungsmittel erscheinen, liegt nicht an den Maschinen selbst, sondern daran, daß sie kapitalistisch angewandt werden.

Allerdings kann man die Maschinen nicht von dem dahinter verborgenen Aus­beutungsverhältnis trennen und dann argumentieren: "An sich", d.h. losgelöst vom Kapital Verhältnis betrachtet, wären die Maschinen, so wie sie heute sind, für die Bedürfnisse einer sozialistischen Gesellschaft schon brauchbar. Schon in der Konstruktion einer kapitalistischen Maschine zeigt sich, daß sie selbst einen Doppelcharakter hat, daß sie nicht nur für den Arbeitsprozeß, sondern auch für den Verwertungsprozeß gebaut ist und daher ouf den Arbeiter nicht viel Rücksicht genommen wird (mangelhafte Schutzvorrichtung gegen Unfälle, Lärm, Schmutz, Abgase usw.). Erst im Sozialismus werden die Maschinen zugleich mit ihrer Funktion, die Arbeit zu erleichtern und die Arbeitszeit zu verkürzen, auch ihre Gestalt ändern. Sie treten dann dem Arbeiter nicht mehr als Aussauger von Mehrwert gegenüber.

Der Fetischcharakter des Lohnes oder die Verwandlung des Werts der Arbeitskraft in den Preis für geleistete Arbeit(3)

Wir haben in den Abschnitten über den Fetischcharakter der Ware, des Geldes und des Kapitals (vgl. Abschnitt 1, Punkt 6 und Abschnitt 5, Punkt 9) gesehen, daß sich die wirklichen gesellschaftlichen Verhältnisse zwischen den Personen und zwischen Arbeiter- und Kapitalistenklasse in einer schwer durchschaubaren, verkehrten Form darstellen: Das gesellschaftliche Verhältnis von Menschen, die zwar unabhängig voneinander aber doch füreinander bestimmte Waren herstellen, erscheint als ein Verhältnis zwischen Waren bzw. zwischen Waren und Geld. Das Ausbeutungsverhältnis zwischen Arbeiter- und Kapitalistenklasse nimmt die Form an, daß die Arbeiter als Objekte den Arbeitsmitteln unterworfen sind, statt sie selbstbewußt anwenden zu können, und daß die schöpferischen, produk­tiven Kräfte der Arbeiterklasse als Produktivkräfte eines Dings, des Kapitals, erscheinen. Wir hatten diese Verkehrungen als Fetischcharakter der Ware, des Geldes und des Kapitals bezeichnet. Eine solche Verkehrung zeigt sich auch beim Arbeitslohn, also beim Austausch zwischen Kapitalisten- und Arbeiterklasse. Auch hier wirkt die Verkehrung wieder so, daß sie genau das Gegenteil von dem zeigt, was wirklich der Fall ist. Wir bezeichnen dies als Fetischcharakter des Lohns.

Unsere bisherige Darstellung der kapitalistischen Produktionsweise hat gezeigt, daß die Ausbeutung der Arbeiter die Grundlage des Kapitalismus ist. Aber wenn sich diese Ausbeutung tagtäglich in jedem kapitalistischen Betrieb vollzieht, warum ist sie dann nicht sichtbar? Warum durchschauen die Arbeiter nicht, daß ihr Arbeitsprozeß zugleich Verwertungsprozeß des Kapitals ist und daß das Kapital seinem Wesen nach nichts anderes ist als "Kommando über unbezahlte Arbeit" (MEW 23/556).

Wir kommen mit dieser Frage auf das zurück, wovon wir ganz zu Anfang in der Einleitung ausgegangen sind (vgl. S. 1), nämlich auf die in die Augen springende Tatsache, daß der Arbeiter für jede geleistete Arbeitsstunde einen entsprechenden Stundenlohn erhält, bzw. den entsprechenden Lohnsatz für jedes angefertigte Stück. Es erscheint also alle vom Arbeiter geleistete Arbeit als bezahlte Arbeit -und dennoch wird er ausgebeutet. Und genau darin besteht der Fetischcharakter des Lohns: Durch die Form des Lohns wird die Ausbeutung des Arbeiters unsicht­bar gemacht. Wir müssen hier fragen, wie dieser falsche Schein zustande kommt.

Kapitalist und Arbeiter begegnen sich zunächst beim Abschluß des Arbeitsver­trages und erscheinen dabei als völlig gleichberechtigte Partner. Marx schreibt: "Der Austausch zwischen Kapital und Arbeit stellt sich der Wahrnehmung zunächst ganz in derselben Art dar, wie der Kauf und Verkauf aller anderen Waren. Der Käufer gibt eine gewisse Geldsumme, der Verkäufer einen vom Geld verschiedenen Artikel" (565). Daß die Ware Arbeitskraft den besonderen Gebrauchswert hat, Quelle von Wert und Mehrwert zu sein, bleibt also bei diesem Austausch in der Zirkulationssphäre unberücksichtigt. Und dies muß dort auch unberücksichtigt bleiben, denn bei diesem Austausch mit dem Kapital leistet der Arbeiter noch keine Arbeit. Auch tritt nicht bereits geleistete Arbeit (in Form von Produkten) auf den Markt, sondern der lebendige Arbeiter selbst. "Was dem Geldbesitzer auf dem Warenmarkt direkt gegenübertritt, ist in der Tat nicht die Arbeit, sondern der Arbeiter. Was letzterer verkauft, ist seine Arbeitskraft. Sobald seine Arbeit wirklich beginnt, hat sie bereits aufgehört, ihm zu gehören, kann also nicht mehr von ihm verkauft werden" (MEW 23 / 559).

Es gibt Gesellschaftsordnungen, in denen der Zwang, Mehrarbeit leisten zu müssen, unmittelbar ins Auge fällt. Ein Fronbauer, der nur drei Tage in der Woche sein eigenes Feld bestellen darf, die anderen drei Tage aber auf dem Acker seines Feudalherrn arbeiten muß, weiß genau, wann er für sich und wann er für seinen Unterdrücker arbeitet. Seine Mehrarbeit ist räumlich und zeitlich von seiner notwendigen Arbeit getrennt.

Anders der Lohnarbeiter: In der Zirkulationssphäre wird er als Ware eingekauft. Beim Austausch stehen sich zwei Waren gegenüber, die gleich große Werte darstellen. Ihre Wertgegenständlichkeit tritt aber nicht unmittelbar zutage, sondern der Wert der einen Ware (2 Stühle) kann sich nur im Gebrauchswert einer anderen Ware (1 Mantel) darstellen. Obwohl keine der beiden Waren ihren Doppelcharakter, zugleich Wert und Gebrauchswert zu sein, verliert, sieht es im Austausch so aus, als ob auf der einen Seite nur noch der Gebrauchs­wert, auf der anderen nur noch der dingliche Repräsentant des Wertes steht: Beim Kauf und Verkauf also auf der einen Seite ein Gebrauchswert und auf der anderen Seite das Geld.

Beim Kauf und Verkauf der Arbeitskraft geschieht nichts anderes. Als Kauf­objekt erscheint dem Arbeiter und dem Kapitalisten der Gebrauchswert der Arbeitskraft, die Arbeit. Das Geld, das der Arbeiter als Arbeitslohn erhält, erscheint als Wert der Arbeit. Wenn man sagt, daß der Arbeiter seine Arbeit für 800 DM monatlich verkauft, dann scheint es so, als ob der Arbeiter einen Monat arbeiten muß, um die 800 DM zu produzieren: Für einen Monat Arbeit bekommt er 800 DM Lohn. Diese 800 DM erscheinen hier als Wert für den Gebrauchswert der Arbeitskraft, die ganze während eines Monats geleistete Arbeit. Beim Austausch zwischen Arbeiter und Kapitalist bleibt so verdeckt, daß der Arbeiter nicht seine Arbeit verkauft sondern seine Arbeitskraft.

Da die menschliche Arbeitskraft auf dem Markt als Ware, als bloßes gegen Geld zu habendes Ding, gekauft wird und da sie im kapitalistischen Produktionsprozeß neben anderen ebenso gekauften Waren (den Produktionsmitteln) fungiert, - so gilt sie auch im Produktionsprozeß nicht als besondere, Wert schaffende Kraft, sondern nur als ein Produktionsfaktor unter anderen. Für den Kapitalisten bedeuten sämtliche Produktionsfaktoren bloße Kosten, die er pro Tag, Woche, Monat berechnen muß. Ein Arbeiter kostet ihn dann pro Tag z.B. 40 DM. Der Kapitalist zahlt also für 8 Stunden Arbeit 40 DM.

Indem so der Tageswert der Arbeitskraft auf die täglich geleistete Arbeit bezogen wird, wird er jedoch mit dem täglichen Wertprodukt (v + m) gleichge­setzt. So erscheint alle Arbeit als bezahlt und der Unterschied zwischen dem Wert der Arbeitskraft und ihrem Gebrauchswert wird unsichtbar. Die Arbeitskraft scheint als konstante Wertgröße in den Produktionsprozeß einzugehen und im Produktionsprozeß auch als solche konstante Größe zu wirken. Das Produkt des Arbeiters scheint ihm voll und ganz als Lohn zuzufließen. So ist der spezifische Charakter des Kapital Verhältnisses versteckt, "nämlich der Austausch des variablen Kapitals mit der lebendigen Arbeitskraft und der entsprechende Ausschluß des Arbeiters vom Produkt. An die Stelle tritt der falsche Schein eines Partnerschaftsverhältnisses, worin Arbeiter und Kapitalist das Produkt nach dem Verhältnis seiner verschiedenen Bildungsfaktoren teilen" (MEW 23 / 555).

Wie verwandelt sich nun der dem Arbeiter gezahlte Wert seiner Arbeitskraft praktisch in den Arbeitslohn, in den Preis für geleistete Arbeit?

Wenn z.B. 40 DM das Wertprodukt von 4 Arbeitsstunden sind und wenn zur Herstellung der täglich notwendigen Lebensmittel eines Arbeiters 4 Arbeits­stunden nötig sind, so sind die 40 DM der Tageswert der Arbeitskraft. Dieser Tageswert verteilt sich nun auf die Arbeitsstunden, die der Arbeiter täglich zu arbeiten hat (unabhängig davon, wieviel Neuwert er in dieser Zeit schafft). Beträgt der Arbeitstag 8 Stunden, so ergibt sich 40 : 8, also ein Lohn von 5 DM pro Stunde. So erscheinen die 40 DM, worin sich der bezahlte Teil des Arbeitstages (also 4 Std.) darstellt, als Preis für die gesamte Arbeit von 8 Stunden. Marx schreibt: "Die Form des Arbeitslohns löscht also jede Spur der Teilung des Arbeitstages in notwendige Arbeit und Mehrarbeit, in bezahlte und unbezahlte Arbeit aus. Alle Arbeit erscheint also als bezahlte Arbeit" (MEW 23/ 562).

Dieser falsche Schein wird noch durch die Tatsache verstärkt, daß der Arbeiter seinen Lohn nicht schon beim Abschluß des Arbeitsvertrages erhält, sondern erst nach geleisteter Arbeit. Wie bei den meisten bloß auf bestimmte Zeit ge­mieteten und nicht endgültig gekauften Waren wird auch bei der Arbeitskraft der Preis erst gezahlt, wenn ihr Gebrauchswert bereits vernutzt worden ist.

Der Fetischcharakter des Lohns hat wichtige Folgen. Marx schreibt:

"Man begreift die entscheidende Wichtigkeit der Verwandlung von Wert und Preis der Arbeitskraft in die Form des Arbeitslohns oder in Wert und Preis der Arbeit selbst. Auf dieser Erscheinungsform, die das wirkliche Verhältnis unsichtbar macht und grade sein Gegenteil zeigt, beruhn alle Rechtsvorstellungen des Arbeiters wie der Kapitalisten, alle Mystifikationen der kapitalistischen Pro­duktionsweise und alle ihre Freiheitsillusionen" (MEW 23 / 562).

Der Arbeiter nämlich glaubt, einen "gerechten"Lohn zu bekommen, und der Kapitalist meint, einen solchen "gerechten" Lohn auch zu zahlen. Die Ausbeutung wird so für beide Klassen unsichtbar. Deshalb kann sich der Kapitalist seinen Gewinn nur aus dem Verkauf der Waren über ihrem Wert erklären. Und deshalb meint der Arbeiter, daß die Höhe seines Lohns von der Menge der geleisteten Arbeit abhängt.

Dem Kapitalisten kann es allerdings gleichgültig sein, woher sein Gewinn wirklich stammt. Die Gesetzmäßigkeiten der Zirkulationssphäre arbeiten für ihn, obwohl sie das Bewußtsein beider Klassen vernebeln. Der Arbeiter dagegen muß diesen fetischistischen Schein des Lohns durchbrechen, wenn er sich über seine Situation Klarheit verschaffen will.

Editorische Hinweise

Der Text wurde entnommen aus: Autorenkollektiv Marx-Arbeitsgruppe Historiker, Schulungstext zur Kritik der Politischen Ökonomie  "Das Kapital" Band I, Westberlin 1971, 3. Auflage, Teil 1) S.21-24; Teil 2) 66-71 S.; Teil 3) S.108-111