www.mlpd.de 

Krise in Berlin

Die Hauptstadt braucht neue Politiker

06/01 trdbook.gif (1270 Byte)  trend online zeitung Briefe oder Artikel: info@trend.partisan.net ODER per Snail: trend c/o Anti-Quariat Oranienstr. 45 D-10969 Berlin
In der vergangenen Woche scheiterte in Berlin die zehnjährige SPD/CDU-Koalition. Damit brach in der Hauptstadt Berlin die politische Krise offen aus. Immer neue Enthüllungen über den Sumpf aus Korruption und Vetternwirtschaft in der bürgerlichen Politik Berlins werden bekannt. Die Berliner Bevölkerung ist empört und wütend und fordert Konsequenzen. Eine parlamentarische Mehrheit aus SPD, Grünen und PDS will nun am kommenden Samstag Bürgermeister Diepgen (CDU) mit einem Misstrauensvotum absetzen. Eine Übergangsregierung aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen will die Geschäfte bis zu den Neuwahlen übernehmen. Vollmundig versprechen sie einen »Neuanfang«. Besonders die SPD versucht, sich so aus der Verantwortung zu stehlen. Dabei hat sie zehn Jahre lang selbst in der großen Koalition mit der CDU regiert. Viele Menschen aus ganz Deutschland und international sehen nach Berlin. Die Frage ist, was angesichts der Krise in Berlin wirklich getan werden muss.

Der Berliner Bankenskandal

Auslöser der offenen politischen Krise in Berlin war eine Bankenkrise. Bei der Bankgesellschaft Berlin waren über 4 Milliarden DM »Verbindlichkeiten« aufgelaufen. Sie wurde 1994 durch den Zusammenschluss von Berliner Bank, Landesbank Berlin und Berlin Hyp gegründet. Als Motor für die wirtschaftliche Entwicklung der Hauptstadt wurde das fünftgrößte börsennotierte Geldinstitut Deutschlands angepriesen.

Die Berliner Bankgesellschaft ist tatsächlich eine Brutstätte der Korruption und Vetternwirtschaft. In einer Pressemitteilung des Berliner Bundes der Steuerzahler vom 25.4.2001 heißt es dazu: »Der >Gardelegen-(Immobilien) Fonds< ist eine ganz besondere Art der Geldanlage, ein Schlaraffenland für ausgesuchte Anleger. Das heißt: Gewinne werden gutgeschrieben, für Verluste wird jedoch nicht gehaftet. Es springt die Immobilientochter IBG der Bankgesellschaft ein, mietet die leerstehenden Büroräume und der drohenden Verlust ist von den Anlegern abgewendet ... Die Steuerzahler Berlins haben das Nachsehen ... Aber nicht nur die Frage nach den Dividenden ist hier zu stellen, sondern auch die Frage nach dem Vorgehen der Berliner Bankgesellschaft als solches, nämlich die Einrichtung einer supersicheren Geldanlage mit sagenhaften Renditen für einen kleinen Kreis privilegierter Anleger.« Dieser kleine Kreis bestand vor allem aus Bankiers und bürgerlichen Politikern. Beteiligt waren z.B. der ehemalige Berliner Schatzmeister der CDU, Dankward Buwitt, aber auch die jetzige Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD). Die Berlin Hyp, eine Teilgesellschaft der Bankgesellschaft Berlin, wurde vom ehemaligen CDU-Fraktionsvorsitzenden Landowsky geführt. Die Firmeninhaber und CDU-Mitglieder Christian Neuling und Klaus Wienhold hatten Landowsky 1995 je 20000 DM Parteispende überwiesen. Im direkten zeitlichen Zusammenhang dazu erhielten sie von der Berlin Hyp 550 Millionen DM an Krediten. Allein durch diese Kredite musste die Berlin Hyp bereits 200 Millionen DM Verlust hinnehmen, weil die für den Kredit erworbenen Immobilien erwartungsgemäß heute viel weniger wert sind.

Die Krise bei der Bankgesellschaft brach aus, nachdem die Berliner Baubranche selbst in die Krise geraten war und die Aktienfonds der Bankgesellschaft massiv an Wert verloren hatten. Allein bei den Immobilienfonds lief unter anderem angesichts eines Büroraum-Leerstand von 9 Prozent 1999 in Berlin ein »Fehlbetrag« von 1 Milliarde DM auf. Ein weiterer Schwerpunkt der Bankgesellschaft war die Beteiligung an verschiedenen Investment-Gesellschaften. Die Bankgesellschaft setzte vor allem auf Spekulationsgeschäfte, die aber an der wirtschaftlichen Wirklichkeit zerschellten. Damit fordert der Rückgang der Wachstumsraten der Wirtschaft seinen ersten Tribut. Viele Zeitungen sprechen inzwischen von einer »allgemeinen Sorge« um das wirtschaftliche Wachstum. Die Dresdner Bank sieht nur noch ein Wachstum von 1,5 Prozent in diesem Jahr und die Unsicherheiten in der Wirtschaftsentwicklung wachsen von Monat zu Monat an. Die Berliner Bankenkrise gibt damit einen gewissen Vorgeschmack auf die kommende Entwicklung bei einer weiteren Zuspitzung des internationalen Konkurrenzkampfes und der wirtschaftlichen Lage.

Neues Krisenprogramm

Mit der Berliner Bankenkrise wächst die öffentliche Verschuldung Berlins allein in diesem Jahr um 9,5 Milliarden DM auf dann 75 Milliarden DM. Das macht eine Schuldenlast pro Einwohner Berlins in Höhe von über 22000 DM aus. Von diesen Schulden profitieren vor allem die Großbanken. Bereits heute werden pro Tag 12 Millionen DM aus dem Berliner Haushalt für Schuldzinsen an die Banken gegeben.

Es ist eine Frechheit, wenn die bürgerlichen Politiker nun behaupten, in »Berlin haben eben alle über ihre Verhältnisse gelebt und nun müsse nun mal gespart werden«. Dabei verweisen sie gern darauf, dass Berlin im Vergleich großer deutscher Städte relativ viele Mitarbeiter im öffentlichen Dienst hat. In Berlin kommen 49 im öffentlichen Dienst Beschäftigte auf 1000 Einwohner, während es z.B. in München nur 25 sind. Verschwiegen wird gern, dass die Berliner Regierung seit 1990 bereits 60000 von ehemals 220000 Stellen im öffentlichen Dienst vernichtet hat. Und zwar besonders in den Bereichen, die für die Masse der Bevölkerung wichtig sind. Keine Kürzungen sind z.B. bei der Polizei vorgesehen. Dabei hat Berlin im Vergleich zu München ein Fünftel mehr Polizisten je 1000 Einwohner. Berlin hat dafür heute schon ein Drittel weniger Krankenhausbetten bezogen auf 1000 Einwohner, im Vergleich zu München.

Belastet wurde der Berliner Haushalt in den letzten Jahren insbesondere durch die rasant angestiegene Arbeitslosigkeit. In Berlin wurden seit der Wende 270000 von ehemals 400000 Arbeitsplätzen in der Industrie vernichtet. Die Gesamtzahl der Erwerbstätigen verringerte sich im selben Zeitraum von 1,79 Millionen auf 1,41 Millionen. Die Kosten der Arbeitslosigkeit werden immer stärker auf die Kommunen abgewälzt. So kommen in Berlin heute schon 81 Sozialhilfeempfänger auf 1000 Einwohner. Zugleich hat Berlin immer weniger Steuereinnahmen. Vor allem die großen Industriebetriebe zahlen in der Regel gar keine Steuern mehr. So deckt Berlin heute nur noch 40,3 Prozent seiner Ausgaben aus den Steuereinnahmen. Die Haushaltsmittel werden zunehmend an die Konzerne umverteilt und zudem durch Prestige-Bau-Projekte verschleudert. Im Zuge dieser Entwicklung stieg in den letzten zehn Jahren die pro Kopf Verschuldung in Berlin um das 4,5-fache.

In der Extra-Ausgabe der »Berliner Arbeiterstimme«, der Kreiszeitung der MLPD für Berlin, vom 12. Juni 2001 heißt es: »Seit Jahren wird vom Senat behauptet, mit einem >Sparhaushalt< zu regieren. In Wirklichkeit wird jedoch nicht gespart, sondern die Gelder von unten nach oben umverteilt. Gerade diese Politik stieß in den vergangenen Monaten auf verstärkten Widerstand aus der Bevölkerung ...«

Alle bürgerlichen Parteien sind sich darin einig, dass die Massen die Krisenlasten tragen sollen. SPD-Spitzenkandidat Wowereit erklärt, dass »es harte Einschnitte geben« wird. PDS-Fraktionschef Wolf verweist auf die gemeinsame »Grundsolidarität der Haushälter«, womit er sich, den SPD-Fraktionschef Wowereit und
den CDU-Finanzsenator Kurth meint. Die CDU legte kurz vor Ende der großen Koalition noch einen 50-Punkte-Plan mit Kürzungen in Höhe von 700 Millionen DM pro Jahr vor. In den Grundzügen sind SPD und PDS, aber auch die Grünen mit diesem einverstanden. Die 50-Punkte-Liste sieht unter anderem einen Einstellungsstopp wie auch eine Verlängerung der Arbeitszeit für alle Beamten auf 40 Stunden pro Woche vor. Letzteres wird auch noch als »Angleichung an den Rechtskreis Ost« beschönigt. Massive Privatisierungen im Krankenhaus- und Universitätsbereich sind vorgesehen. Weitere Kürzungen betreffen besonders die Kultur. SPD, Grüne und PDS streben lediglich eine Umschichtung an und wollen bei Bildung und Kultur weniger kürzen, die anderen Kürzungen aber entsprechend erhöhen. Das bedeutet eine drastische Verschärfung des volksfeindlichen Kurses - egal welche bürgerliche Regierung künftig Berlin regiert.

Von »Neuanfang« keine Spur

Viele Menschen wünschen sich zu Recht einen echten Neuanfang in Berlin. Sie wollen selbst Einfluss auf die Staatsgeschäfte nehmen. Das ist sicher ein ausschlaggebender Grund für das große Interesse für das Volksbegehren für Neuwahlen in Berlin. Allein am ersten Tag unterschrieben dafür 27 000 Berlinerinnen und Berliner. Die für den 23. September 2001 vorgesehenen Neuwahlen werden aber an den grundlegenden Problemen Berlins nichts ändern. Alle Senatsparteien orientieren auf diese Neuwahlen, um die Situation wieder unter Kontrolle zu bringen.

Bei den etablierten bürgerlichen Parteien ist nichts Neues im Sinne einer Politik, die an den Interessen der Masse der Bevölkerung ausgerichtet ist, zu erkennen.

Allen voran gilt das für die CDU. Einer ihrer führenden Politiker nach dem den anderen wird als bis zum Hals im Korruptions- und Spendensumpf steckend enttarnt. Die CDU hat noch nicht einmal den Schneid, sich öffentlich zu ihrer Verantwortung für die skandalösen Vorgänge und Zustände zu bekennen. Der ehemalige CDU-Fraktionsvorsitzende Landowsky, bei dem die korrupten Machenschaften aufgeflogen sind, erhält nach seinem Rücktritt vom Vorstand der Berlin Hyp eine Jahrespension von 350000 DM.

Die ultrareaktionären Kräfte in der CDU versuchen, sich mit einer üblen, aggressiven, antikommunistischen Kampagne aus der Affäre zu ziehen. In den Fantastereien der CDU wird die reformistische PDS zur »kommunistischen Gefahr« hochstilisiert und ein Bild an die Wand gemalt, nach dem der Stadt »droht, den Kommunisten zum Fraß vorgeworfen zu werden« (CDU-Fraktionschef Frank Steffel). Es ist schon ein starkes Stück, wenn abgehalfterte, korrupte und unfähige bürgerliche Politiker eine solche üble Hetze betreiben. Allerdings darf diese Kampagne auch nicht überschätzt werden. Bereits 1998 wurde die Kampagne zum »Schwarzbuch des Kommunismus« zum Rohrkrepierer. Andere Stimmen aus der CDU empfehlen nunmehr, Kandidaten von außerhalb Berlins, wie Wolfgang Schäuble (der mit der »100000 DM-Spende«), zu holen und einen moderateren Wahlkampf zu führen.

Die SPD spekuliert auf die Vergesslichkeit. Sie zeigt mit dem Finger auf die CDU, obwohl sie doch selbst mit dieser Partei zehn Jahre lang in einer großen Koalition regierte. Wenn man SPD-Politiker in Berlin im Moment so reden hört, so erwecken sie fast den Eindruck, als sei die SPD in den letzten zehn Jahren taub, blind und völlig begriffsstutzig gewesen und habe nicht gemerkt, mit welchem Partner sie welche Politik durchführt. Tatsächlich hat sie aber die Politik der CDU im Wesentlichen mitgetragen und zahlreiche SPD-Größen sind auch in die verschiedenen Affären mit verwickelt. So wird seit letzter Woche auch gegen den SPD-Landesschatzmeister Klaus Riebschläger im Zusammenhang mit der Bankaffäre ermittelt.

Als Alternative preist sich die PDS an. Sie versuchte sogar, Gregor Gysi als Zugpferd ins Rennen zu schicken. Mit einer Regierungsbeteiligung in Berlin spekuliert sie auf die Bundestagswahlen im Jahr 2002. Durch peinliche »Entschuldigungen«, eine Programmdebatte, in der die PDS künftig auf einen Regierung-Kurs festgelegt werden soll und verschiedene weitere Maßnahmen bereitet sich die PDS-Führung auf den Eintritt in die Geschäftsführung der Monopole auf Bundesebene vor. Wer von der PDS echte Alternativen erwartet, wird aber bitter enttäuscht werden. Ihr Haushaltsexperte Wolf hat bereits erklärt, die PDS an der Regierung würde mehr »Akzeptanz für schmerzhafte Eingriffe« ergeben.

Wenn in den bürgerlichen Massenmedien von einer möglichen künftigen »rot-roten Regierung« gesprochen wird, so ist das reine Demagogie. Kanzler Schröder hat sich längst als »Genosse der Bosse« enttarnt und die PDS-Führung will das neue Krisenprogramm als fortschrittliche Politik verkaufen. Was soll daran »rot« sein?

Viel zu tun für »Neue Politiker«

Die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) wird aktiv in den Wahlkampf eingreifen. Sie wird die wachsende Politisierung der Berliner Bevölkerung nutzen, um den Aufbau der kämpferischen Opposition zu stärken. Diese Richtung unterstützt den Weg des Kampfes der Massen für ihre Interessen. Denn Einfluss auf die politische Entwicklung können die Werktätigen nur durch den Kampf selbst nehmen. Die MLPD fordert, dass die Verantwortlichen in Regierung und Finanzkapital zur Rechenschaft gezogen werden. Sie tritt für den Kampf gegen das Krisenprogramm im Land Berlin und Bund ein. Sie unterstützt und fördert die bundesweite Bewegung »Neue Politiker braucht das Land!« Wirklich »Neue Politiker«, das ist genau das, was Berlin braucht. Diese »Neuen Politiker« gibt es in Berlin und die Situation muss genutzt werden, um viel mehr Menschen dafür zu gewinnen. »Neue Politiker«, das sind Menschen wie du und ich. Jugendliche, die gegen Faschisten und gegen Schulschließungen demonstrieren, kämpferische Frauen, die sich für ihre Rechte einsetzen, die Arbeiterinnen und Arbeiter Berlins, die gegen Entlassungen aktiv werden und viele mehr. »Neue Politiker« kommen auch in Berlin nur aus dem Volk. Und: »Neue Politiker« haben Perspektive.

Ein grundsätzlicher Neuanfang wird aber erst im echten Sozialismus möglich sein. Das setzt den Sturz der Herrschaft des Finanzkapitals und die Übernahme der Macht durch die Arbeiterklasse voraus. »Es sind die Arbeitermassen und ihre Selbstorganisationen, die unter Führung der marxistisch-leninistischen Partei die Lenkung und Verwaltung von Produktion und Gesellschaft in die Hand nehmen müssen«, heißt es dazu im Programm der MLPD.

Peter Weispfenning