Unsere Zeit - Zeitung der DKP vom 22. Juni 2001

Hintergrund zur Berliner Bankenkrise
Neuwahlen - und dann?

06/01 trdbook.gif (1270 Byte)  trend online zeitung Briefe oder Artikel: info@trend.partisan.net ODER per Snail: trend c/o Anti-Quariat Oranienstr. 45 D-10969 Berlin

In Berlin wird aktuell nur von einem Thema geredet, von Neuwahlen zum Abgeordnetenhaus. Die DKP fragt die Arbeiterinnen und Arbeiter und Angestellten Berlins, was können uns Neuwahlen bringen?

Alles begann damit, dass ein Kredit der BerlinHyp an die Bauträger-Firma Aubis notleidend wurde. Dann stellte sich heraus, dass das Vorstandsmitglied der BerlinHyp, der damalige Fraktionsvorsitzende der CDU im Abgeordnetenhaus, Klaus-Rüdiger Landowsky, von dieser Firma eine Parteispende für die CDU erhalten hatte. Es begannen Untersuchungen im Hause der BerlinHyp und der Bankgesellschaft insgesamt.

Die Cayman-Pleite

Dabei wurden alle Immobilien, die den Banken als Sicherheit dienten, auf der Grundlage der aktuellen Situation am Berliner Immobilienmarkt neu - das heißt niedriger - bewertet. Damit entstanden aus Sicht der Banken erhebliche Blankoanteile, die vorsichtshalber wertberichtigt werden mussten. Eine Wertberichtigung ist nichts anderes als ein bilanzieller Trick: Man nimmt an, dass etwas heute deutlich weniger wert ist als zum Zeitpunkt einer früheren Bewertung und zieht daraus den Schluss, dass man einen Verlust erwirtschaftet hat. Dieser Verlust ist aber noch nicht wirklich eingetreten, er wird nur "vorsorglich" unterstellt. Die Bank kann dadurch ihre Gewinne schmälern und als Folge davon weniger Steuern zahlen.

Die Untersuchungen brachten dann aber neben diesen Wertberichtigungen, die im Rahmen des bestehenden Systems legal und gewollt sind, eine Reihe von weiteren Problemen ans Tageslicht:

So hat eine Tochterfirma der Bankgesellschaft Berlin - Haupteigentümer ist zu 56,6 Prozent das Land Berlin -, die IBAG, einige Fondsgeschäfte an einen Investor auf den Cayman-Inseln für 2,1 Milliarden DM verkauft (Diese Inseln gelten als das Steuer-Paradies). Gleichzeit hat sie dem Investor angeboten, ihm einen Kredit für diesen Kaufpreis zu gewähren. Sie wollte also ihre eigenen maroden Immobilienbeteiligungen an einen Dritten steuerbegünstigt verscherbeln und an den Kreditzinsen mächtig zusätzlich verdienen. Als dieser Deal bekannt wurde, hat die Bank einen Rückzieher gemacht. Die Folge davon: Plötzlich sind die maroden Immobilien nur noch 1,5 Milliarden DM wert, man hat plötzlich einen angeblichen Verlust von 600 Millionen DM gemacht.

Weiterhin verkaufte die Bankgesellschaft einige steuerlich interessante Fonds an extrem wohlhabende Anleger. Gleichzeitig versicherte sie diesen reichen Leuten, dass eventuelle Verluste aus dieser Beteiligung nicht von ihnen zu tragen seien, dafür trete die Bank ein. Bei Kleinanlegern, die im letzten Jahr Opfer des Börsen-Crashs wurden, hat sich die Bank nicht ganz so generös verhalten.

Die insgesamt erheblichen Wertberichtigungen auf Immobilien, die Cayman-Pleite, die aufgedeckten Risiken aus der Haftungsfreistellung und einige andere Dinge führten dazu, dass die Bankgesellschaft Berlin riesige (buchungstechnische) Verluste hat. Um diese Verluste auszugleichen ist die Aufstockung des Eigenkapitals um 4 Milliarden DM notwendig. Die Eigentümer der Bankgesellschaft werden aufgefordert, diesen Betrag aufzubringen. Gesetzlich sind sie dazu eigentlich nicht verpflichtet, denn ein Aktionär hat keine Nachschuss-Pflicht. Da aber ein Zusammenbruch der Bankgesellschaft eine wirtschaftliche und politische Krise von ungeahntem Ausmaß auslösen würde, ist das Land als Haupteigentümer zumindest moralisch verpflichtet (hinsichtlich der Landesbank = Sparkasse besteht sogar eine Verpflichtung).

So entsteht aus einer Beteiligung von 56,6 Prozent ein hundertprozentiges Risiko. Der rechnerische Anteil des Landes läge bei 2,264 Milliarden DM zuzüglich des Ausfalls der erwarteten Dividende aus den Gewinnen der Bank in Höhe von 135 Millionen DM, also bei rund 2,4 Milliarden DM. Warum aber wird in der öffentlichen Diskussion immer von einer notwendigen Neuverschuldung des Landes Berlin in Höhe von 6 Milliarden DM gesprochen?

Was sind die Folgen?

Da sind zunächst die Folgen für die Beschäftigten der Bankgesellschaft. Statt dem ohnehin bereits geplanten Abbau von 1 600 Stellen in diesem Jahr werden viele weitere Arbeitsplätze gestrichen werden. Die politisch Verantwortlichen reden inzwischen davon, dass betriebsbedingte Kündigungen nicht mehr auszuschließen sind. In den Folgejahren wird der Personalabbau verstärkt weitergehen. Dazu kommen absehbare Umstrukturierungen im Konzern und die Ausgliederung (Outsourcing) von Betriebsteilen. Teile des Konzerns sollen verkauft, das heißt vollständig privatisiert werden (z. B. die Weberbank).

Und dann sind da die Folgen für die Bevölkerung des Landes Berlin. Sie werden in noch schärferen Sparmaßnahmen insbesondere in allen Sozialbereichen und in weiteren Privatisierungen - zum Beispiel bei Uni-Kliniken, Bäderbetrieben, Grundstücken des Landes und auch der Bankgesellschaft - bestehen.

Dabei verwandeln sich die jetzigen scheinbaren Verluste zu Gewinnen bei den künftigen privaten Eigentümern. Wenn die Grundstücke erst zu einem späteren Zeitpunkt verkauft werden, sind sie vermutlich wieder deutlich mehr wert als unter den heutigen Krisenbedingungen. Diese Wertsteigerung wird heute den arbeitenden Menschen der Stadt zum Ausgleich buchungstechnischer Verluste abgepresst und später von den neuen privaten Eigentümern als zusätzlicher Gewinn eingestrichen.

Sind Neuwahlen eine Lösung?

Was bringen in diesem Zusammenhang Neuwahlen? Eigentlich nichts, zumindest so lange nicht, wie es nicht wirklich an die Wurzeln des Übels geht.

Jede neue Mehrheit im Abgeordnetenhaus, die nicht bereit ist, die bei den Reichen vorhandenen Gelder an die Armen und Bedürftigen umzuverteilen, entspricht eigentlich der alten Mehrheit. Dabei ist es egal, ob nun die CDU mit der SPD oder die SPD mit den Grünen (gegebenenfalls geduldet von der PDS) oder sonst eine Koalition regiert. Das Loch im Haushalt kann innerhalb der Grenzen dieses kapitalistischen Systems nur durch Einschnitte ins soziale Netz ausgeglichen werden.

Nie zuvor gab es auch nur annähernd so viele Millionäre in Berlin, aber gleichzeitig gab es auch noch nie zuvor dermaßen viele Arme und Bedürftige, Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger und Obdachlose. Nicht die Bankenkrise ist Schuld an den Kürzungen im Sozialbereich sondern die auf allen Ebenen verfehlte Politik des Senats. Wir brauchen keine andere Regierung - wir brauchen eine andere Politik! Denn man kann den Armen nur das geben, was man den Reichen nimmt.

DKP Betriebsgruppe "Gerhard Danelius", Berlin