Editorial
Richtungsstreit

06/03    trend onlinezeitung

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Ein Deutscher ist ein Mensch,
der keine Lüge aussprechen kann,
ohne sie selbst zu glauben.

T.W. Adorno

Wir trendies machen im achten Jahr ein linkes strömungsübergreifende Onlinemagazin, das einen Beitrag dazu liefern soll, dass linke Diskurse sich vernetzen und Beiträge auf einem dafür theoretisch akzeptablen Niveau verbreitet werden.

Strömungsübergreifend heißt allerdings nicht richtungslos. Das musste nun Dietmar Kesten erfahren, der nach einer mehrjährigen Pause in letzter Zeit sehr häufig den trend als Veröffentlichungsplattform für seine Artikel benutzt hat.

Besonders drei Kesten Artikel - nämlich seine Rezension "Jörg Friedrich: Der Brand. Deutschland im Bomberkrieg 1940-1945"und der dritte und vierte Teil seiner Kominfom-Geschichte - weisen in eine politische Richtung, die wir nicht bereit sind mitzutragen oder die wir im trend nicht dulden werden, sondern mit unseren politischen, d.h. publizistischen Mitteln bekämpfen.

Bereits Kestens Buchbesprechung hatte nichts mit einer kritischen Betrachtung der Friedrichschen Umwidmung deutscher in Täter in Opfer zu tun , sondern war eine ausdrückliche Befürwortung dieses geschichtsrevisionistischen Machwerks. Selbstkritisch sei hier angemerkt, dass wegen des politischen Vertrauensvorschuss, den Dietmar Kesten bis dato bei uns genoss, wir diesen Text nur kursorisch zur Kenntnis nahmen. So übersahen wir schlicht den Abschnitt "Hinweise", in dem Dietmar Kesten eigene Zahlen zum Luftkrieg vorlegte, womit er sozusagen in Eigenleistung Täter-/Opferumwidmung betrieb.

Gegen die Veröffentlichung des dritten und vierten Teils der Kominformgeschichte legte ein trend-Redakteur sein Veto ein. Im vierten Teil empfahl Kesten erneut Friedrichs "Brand"-Buch. Im dritten Teil wiederholte Dietmar Kesten - völlig unvermittelt zu seinem eigentlichen Thema Kominform - seine im Einklang mit Friedrich stehenden geschichtsrevisionistischen Ansichten in der Form einer chronologisch erbsenzählerischen Auflistung alliierter Bombenangriffe der Jahre 1943-45, wodurch angeblich  500.000 deutsche Zivilisten getötet worden seien.

Der in im gleichen Zeitraum stattfindende Holocaust wird dagegen in dieser Chronologie nur punktuell erwähnt. Und hier liegt der eigentliche Skandal:

  • Ebenfalls in Zahlen gefasst (600.000 deportierte (!) Juden werden genannt, 250.000 sterben in "Ausschwitz", [Originalschreibweise Kesten], 116.000 "Häftlinge" und "Juden" in anderen KZ´s)  wird der Holocaust in dieser infamen Weise heruntergespielt und zu den von Alliierten getöteten deutschen Zivilisten in Beziehung gesetzt. Die KZ´s werden nach Kesten auch nicht befreit, sondern von den Alliierten erobert. David Irving läßt schön grüßen!

Wir beschlossen deshalb, mit Dietmar Kesten die politische Auseinandersetzung in der Sache zu suchen und diese - schließlich war er durch seine Artikelflut der letzten Monate so etwas wie ein Stammautor des trend geworden - öffentlich mit ihm zu führen.

Dietmar Kesten konterte seinerseits diese ihm per Email mitgeteilte Ankündigung mit dem Zensurvorwurf und lehnte jede weitere publizistische Betätigung für trend ab. "Ich werde mich NICHT mehr für trend betätigen. Vorhandene Artikel könnt Ihr, wenn Ihr wollt, noch veröffentlichen. Oder besser: nehmt sie einfach raus, dann braucht ihr Euch nicht den Vorwurf gefallen zu lassen, Ihr würdet Euch 'rechtslastigen Tendenzen' verschreiben."

Seine Ablehnung begründete er damit, dass er keine Artikel für linke Diskurszusammenhänge geschrieben hat: "Auf einen 'linksradikalen Diskurs' mit Schnittstellen habe ich nie insistiert. Womöglich ist das aber DER entscheidende Punkt, der mich von Euch trennt." Er habe stattdessen den trend bisher für ein Projekt der "Freigeistigkeit" gehalten, nun fühle er sich diffamiert.

Dietmar Kesten hat es uns mit seiner Entscheidung leichtgemacht, in folgender Weise zu verfahren:

  • Die Friedrich-Rezension und Teil III und IV Kominform-Geschichte werden gelöscht, an ihrer Stelle wird auf dieses Editorial verwiesen.
  • Alle seit der Ausgabe 7/8-2002 erschienenen Kesten-Artikel werden aus den jeweiligen Inhaltsverzeichnissen nicht aber auf der Platte gelöscht und sind somit durch Suchmaschinen aufrufbar. Wir heben sie sozusagen für den Fall auf, dass Dietmar Kesten ein anderes Internet-Projekt findet, das seinen sonstigen Datenbestand veröffentlicht. Dann werden wir auch diese Artikel löschen.

Der trend labelt seine Inhaltsseite mit dem free-speech-logo. Wir treten damit für die Meinungsfreiheit im Internet ein. Dies sollte nicht mit Richtungslosigkeit und Preisgabe des "Hausrechts" im eigenen Projekt verwechselt werden. Wie wir im Fall Rabehl-Pribnow 1999 bereits gezeigt haben, sind wir für Querverbindungen zwischen rechts und links nicht zu haben, besonders dann nicht, wenn die vermeindlichen Linken in dieser Querverbindung eigentlich Rechte sind.

Wir sind für Richtungsstreit, wenn es sich dabei um einen Meinungsstreit handelt. Faschismus allerdings ist keine Meinung sondern ein Verbrechen. Hier gilt das Hausrecht - auch bei den Täterschützern.

m.i.r.i.a.m.