Clement in den USA
Fordern und schwitzen für das deutsche Kapital

von
Max Brym

06/03    trend onlinezeitung

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Am Montag den 19. Mai 2003 stand ein Airbus der Flugbereitschaft der Bundeswehr, auf dem Rollfeld des Dulles International Airport in Washington. An Bord befanden sich der „Superminister“ Wolfgang Clement, dazu sein Unionskontrahent Friedrich Merz und viele Begleiter aus deutschen Konzernetagen. Die Herrschaften hatten es eilig, wollte man doch zu einer Fachtagung der German American Executive Summit einer Organisation, die von der deutschen Botschaft ins Leben gerufen wurde. Außerdem spekulierte Clement auf Treffen mit wichtigen Repräsentanten der US- Regierung. Aber der Minister konnte nicht einfach aussteigen, an der Gangway wurde er von US- Beamten zurückgehalten. Lapidar wurde ihm erklärt:“ Leider sind momentan keine Beamten der US- Einwanderungsbehörde verfügbar, um die Reisepässe zu überprüfen“. Clement mußte an diesem schwülwarmen Nachmittag in die Maschine zurück. In der Kabine stieg die Temperatur, die Herren warteten schwitzend. In der deutschen Regierungsmaschine wurde von einer „diplomatischen Gemeinheit“ gesprochen. Die schwitzenden Herren erlebten haut nah, kühle US- Diplomatie. Unterhalb der Maschine beruhigte der deutsche Vize- Botschafter seine in Schweiß gebadeten Mitarbeiter mit folgenden Worten:“ Wir sollten das jetzt nicht überbewerten“. Kurz bevor der „leidende“ Clement an diesem Montag Nachmittag das Flugzeug verlassen durfte, erreichte ihn eine freudige Nachricht, US- Vizepräsident Dick Cheney sei nun doch bereit mit Herrn Clement zu sprechen. Allerdings nicht im Weißen Haus, sondern in Cheneys Residenz an der Massachusetts Avenue. Nach einer Dreiviertelstunde hatte das „Leid“ ein Ende gefunden und die Gesellschaft durfte das Flugzeug verlassen. Der diplomatische Affront gegen Herrn Clement durch die US- Regierung hatte handfeste Gründe. Der verschwitzte Clement und der in Schweiß gebadete BDI- Chef Rogowski waren nicht wegen eines netten Geplauders in die USA gereist. Im Gegenteil, sie hatten einen Forderungskatalog im Gepäck.

Clement fordert freien Welthandel

In dem Gespräch mit Cheney verlangte Clement „einen freien Welthandel“. Dies war direkt gegen die momentane US- Politik gerichtet. Bekanntlich schützt die US- Regierung gegenwärtig ihre Stahlindustrie mit protektionistischen Maßnahmen. Die europäischen und deutschen Stahlexporteure sind mit hohen Schutzzöllen konfrontiert. Clement will nach SZ vom 21.5.03 diese Schutzzollpolitik „ einer gründlichen Überprüfung unterziehen“. Im Gegenzug bot der Superminister den USA eine Änderung der EU Chemikalrichtlinien an, die von den USA als Exporthindernis nach Europa betrachtet werden. Auch über „die europäischen Agrarsubventionen könne geredet werden“ meinte Clement gegenüber dem US- Vizepräsidenten. Besonders wichtig erschienen dem Deutschen eine Beteiligung am Irakgeschäft und ein höher bewerteter Dollar, zugunsten der deutschen Exportindustrie. In den zuletztgenannten Punkten biß Clement auf absoluten Granit. Auch mit Alen Greenspan dem Notenbankchef konnte Clement keine Einigung erzielen. Das ist auch nicht verwunderlich, denn die USA durchleben eine schwere wirtschaftliche Krise. Die US Industrie hat in den Jahren des Booms gewaltig Kapazitäten entwickelt. Jene Kapazitäten stehen in keinem Verhältnis mehr, zur vorhandenen Kaufkraft. Die Bush Administration setzt um der Krise zu begegnen, auf einen Rüstungs- Keynesianismus und staatliche Konjunkturprogramme. Das führt natürlich zu einer weiteren Steigerung des Haushaltsdefizits. Ein niedriger Dollarkurs soll das Leistungsbilanzdefizit der USA korrigieren. Das US- Kapital muß bei wegbrechendem Binnenmarkt, die ausländische Konkurrenz vom US- Markt drängen und andere Räume erobern. Dazu sind drei Maßnahmen nötig: 1. Mit einem niedrigen Dollarkurs soll der Export gesteigert werden. 2. Der Binnenmarkt muß aufgrund der wirtschaftlichen Schwäche protektionistisch gesichert werden. 3. Die reale wirtschaftliche Schwäche wird international durch militärische Eroberungen kompensiert. Eine Einigung mit dem deutschen Konkurrenten ist demzufolge nur noch partiell möglich. Alle schönen Worte von Clement in den USA, „ wonach die Handelsstreitigkeiten von den politischen Differenzen ( Irak- Krieg ) zu trennen seien“ sind nichts als verbale Kosmetik, die den Konflikt nicht vermeiden können. In Wirklichkeit ist das auch dem Superminister Clement klar.

Alan Greenspan und die Agenda 2010

Nach der SZ vom 21.5.03 erzählte Herr Clement dem amerikanischen Notenbankpräsidenten stolz von der Agenda 2010. „ Das wird die deutsche Konjunktur wieder flottmachen“ meinte der deutsche Minister. Alan Greenspan konnte das nur als Drohung begreifen, denn damit soll das deutsche Kapital u.a. fit gehalten werden, um sich auf dem US- Markt zu behaupten. Die Vereinigten Staaten sind der zweitwichtigste Exportmarkt der deutschen Industrie. Der bilaterale Handel hat im vergangenen Jahr 120 Millionen Dollar erreicht. Mit der Agenda 2010, dem Kriegsprogramm gegen Erwerbstätige, Rentner, Arbeitslose und Kranke in Deutschland, wird auch der US- Industrie der Krieg erklärt. Obwohl Wolfgang Clement gegenüber Greenspan die Unverschämtheit besaß die Agenda „als wirtschaftlich im Interesse der USA“ zu verkaufen. In Wahrheit wird die Kaufkraft in Deutschland radikal reduziert, somit der Preis der Ware Arbeitskraft gesenkt. Dem deutschen Kapital wird mit günstigeren Produktionsbedingungen im Heimatbiotop nachgeholfen, für die Schlacht um den Weltmarkt wird nachgerüstet. Das „deutsche Markenprodukt“, soll dem Preiskampf mit dem US- Produkt gewachsen bleiben. Einige internationale Wirtschaftsmagazine schrieben von einem „mürrisch blickenden Greenspan“, nachdem er den deutschen Minister anhörte. Wahrscheinlich wünscht sich Greenspan insgeheim starke und kämpferische Gewerkschaften in Deutschland. Sicher ist auch ihm bekannt, was Oskar Lafontaine Ende April gegenüber Michel Friedman erklärte: „Selbst in den USA zahlen die Unternehmer real mehr Steuern als in Deutschland“. Alan Greenspan und Dick Cheney werden wissen was zu tun ist, nämlich aufgrund der verschärften innerimperialistischen Konfliktlage den Sozialabbau in den USA neuerlich zu verschärfen. Auch die amerikanische Kriegsmaschine muß in Gang gehalten werden, gerade in einer Situation, in der unter deutsch- französischer Führung, ein eigener autonomer kerneuropäischer Generalstab im Jahr 2004 geschaffen wird.
 

Editorische Anmerkungen:

Max Brym stellte uns diesen Artikel zur Veröffentlichung zur Verfügung. Er lebt als freier Journalist in München. Im Partisan.net hat er seine Homepage.