384 v. u. Z. Stageira-322 v. u. Z. Chalkis;
griechischer Philosoph, einer der bedeutendsten universellen Denker der Antike,
der in seinen Werken die verschiedensten Wissensgebiete abhandelte und sich auch
erfolgreich mit ökonomischen Problemen beschäftigte. A ist der Sohn des
Nikomaches, der Leibarzt am Hof des makedonischen Königs Amyntas II. war. Im
Jahre 367 v. u. Z. geht A. nach Athen an die Akademie Platons, an der er
20 Jahre lernte, lehrte, forschte und Bücher schrieb. 343 wird er von Philipp
II. als Erzieher seines Sohnes Alexander an den Hof gerufen. Als Alexander den
Thron besteigt und mit seinen großen Feldzügen beginnt, geht A. nach Athen
zurück und verlegt seine Wirkungsstätte in die Anlagen des Gymnasiums Lykeion,
wo er die Peripatetische Schule gründet. Hier erteilt er Unterricht und
veranstaltet Streitgespräche. Die folgenden Jahre bilden den Höhepunkt seiner
Lehr- und Forschertätigkeit. A., nach Alexanders Tod 323 als Anhänger der nun
verfolgten makedonischen Partei wegen Gottlosigkeit angeklagt, verläßt Athen.
A.' wissenschaftliches Lebenswerk behandelt fast alle Gebiete der Natur und
Gesellschaft, enthält sowohl idealistische und metaphysische als auch
materialistische und dialektische Ideen, die sich z.T. widersprechen. Sein
wissenschaftlich-philosophisches System ist eine Synthese der Erkenntnisse der
griechischen Wissenschaft. Es spiegelt das Weltbild wider, das dem
Erkenntnisstand der Antike am meisten entsprach. Für die Universalität der Lehre
von A. ist kennzeichnend, daß er philosophische, ethische, politische,
ökonomische und naturwissenschaftliche Erörterungen zu einer Einheit
zusammenführte. So setzt er sich beispielsweise mit der Ware und dem Geld sowohl
in der »Politik« als auch in der »Nikoma-chischen Ethik« auseinander. In diesen
Abhandlungen, die den Aufbau des Staates zum Gegenstand haben und in Form von
Dialogen und Monologen angelegt sind, behandelt A. auf dem Hintergrund der
Sklavenhaltergesellschaft, die er als naturgegeben rechtfertigt, Fragen des
Warenaustausches und der Geldbeziehungen. Da seine theoretischen
Schlußfolgerungen auf einer exakten Analyse der Tatsachen beruhen, sind seine
diesbezüglichen Darlegungen für die Geschichte des ökonomischen Denkens von
außerordentlicher Bedeutung. A. stand zwar der Entwicklung von Tausch- und
Geldbeziehungen skeptisch gegenüber, da sein Ideal der mit Sklaven betriebene
naturalwirtschaftliche Ackerbau war, kam jedoch in seinen theoretischen
Betrachtungen ökonomischer Erscheinungen Griechenlands zu
bedeutenden Analysen der antiken Tauschwirtschaft. Bei der Beschäftigung mit
Ware-Geld-Beziehungen gelangt A. zur Formulierung einiger Kategorien der
politischen Ökonomie, deren Zusammenhänge er im Rahmen der Warenwirtschaft und
in der Unterscheidung zur Naturalwirtschaft bereits weitgehend aufdeckt. Bei der
Bestimmung des Unterschieds zwischen zwei Arten des Reichtums unterscheidet A.
auch zwischen dem Gebrauchswert und dem Tauschwert der Ware. Wenn er auch nur
die Produktion von Gebrauchswerten durch Ackerbauern und Handwerker als
natürlich und auf die Befriedigung von Bedürfnissen gerichtet ansieht und die
Zirkulation verurteilt, weil sie zwar Reichtum an Tauschwerten hervorbringe,
aber doch als unnatürlich zu betrachten sei, so gelangt er doch trotz
moralischer Verurteilung des Tauschprozesses zu bemerkenswerten
Schlußfolgerungen.
A. entdeckt im Warenaustausch die Gleichheit der Warenwerte
und fragt danach, was diese Gleichheit bestimme. Ohne zu einer ausgereiften
Arbeitswerttheorie zu gelangen, hat A. einen wichtigen Vorstoß in die
Wertproblematik gemacht, wenn er in der »Nikomachischen Ethik« schreibt: »Dem
Unterschied von Baumeister und Schuhmacher muß also der Unterschied zwischen
einer bestimmten Anzahl von Schuhen und einem Haus entsprechen.« Deshalb müßte
alles, was ausgetauscht wird, irgendwie vergleichbar sein. A. scheitert daran,
daß er das Geld als Mittel der Vergleichbarkeit betrachtet, das aufgrund
gegenseitiger Übereinkunft geschaffen worden sei, um den gegenseitigen Bedarf zu
messen. Marx schrieb dazu im »Kapital«: »Das Genie des Aristoteles glänzt grade
darin, daß er im Wertausdruck der Waren ein Gleichheitsverhältnis entdeckt. Nur
die historische Schranke der Gesellschaft, worin er lebte, verhindert ihn
herauszufinden, worin denn >in Wahrheit dies Gleichheitsverhältnis besteht.« (MEW
23,74) >»Der Austausche, sagt er, >kann nicht sein ohne die Gleichheit, die
Gleichheit aber nicht ohne die Kommensura-bilität< ... Hier aber stutzt er und
gibt die weitere Analyse der Wertform auf. >Es ist aber in Wahrheit
unmöglich..., daß so verschiedenartige Dinge kommensurabel^ d. h. qualitativ
gleich seien. Diese Gleichsetzung kann nur etwas der wahren Natur der Dinge
Fremdes sein, also nur >Notbehelf für das praktische Bedürfnis<.« (Ebenda,
73/74) Die weitere Analyse der Wertform scheitert am Mangel des Wertbegriffs,
aber A. sprach »klar aus, daß die Geldform der Ware nur die weiter entwickelte
Gestalt der einfachen Wertform ist, d. h. des Ausdrucks des Werts einer Ware in
irgendeiner beliebigen andren Ware«. (Ebenda, 73) A. entdeckte den
Doppelcharakter der Ware sowie die Wertform und erkannte die Notwendigkeit des
Geldes. Von der Unterscheidung des Gebrauchswerts vom Tauschwert der Waren
leitet A. die Gegenüberstellung von Ökonomik und Chrematistik ab. Die Ökonomik,
die Haushaltungslehre, behandelt nach A. die naturgegebene wirtschaftliche
Tätigkeit, die Gebrauchswerte produziert. Diese gingen nur dann in den
Austausch, wenn die menschliche Vernunft gebietet, andere Gebrauchswerte durch
Handel zu erlangen. Um das reine Erwerbsstreben von der Produktion und dem
Handel von Gebrauchswerten abzugrenzen, prägte A. den Begriff »Chrematistik«,
worunter er die reine Bereicherung, die auf die ständige Geldvermehrung
gerichtete Tätigkeit des Wucher- und des Handelskapitals, verstand. Aus den
Betrachtungen über die Kunst des Gelderwerbs, die den Tauschhandel als Mittel
zur Bereicherung ansieht, leitete A. seine Auffassungen über das Wesen des
Geldes und des Zinses ab. Er betrachtete die Zins-nahme als naturwidrig und als
Widerspruch zur Aufgabe des Geldes, den Austausch von Produkten zu erleichtern.
Die ökonomischen Ansichten von A., die in seine philosophischen und
naturwissenschaftlichen Betrachtungen eingebettet sind, waren in der Folgezeit
für verschiedene Denkrichtungen sowohl Anknüpfungspunkt als auch
Streitgegenstand. Sie eigneten sich als Argumentation für die Begründung von
Zinsverboten wie auch für die Diskussion um die Wertproblematik. Von der
marxistischen Lehre wird A. als ein hervorragender Philosoph gewürdigt, der auf
zahlreichen Gebieten der Einzelwissenschaften, deren Differenzierungsprozeß
damals begann, bahnbrechend wirkte. Seine bedeutende Leistung bei der
wissenschaftlichen Analyse insbesondere ökonomischer Erscheinungen in der Antike
ist zu einem wichtigen Bestandteil der Geschichte der politischen Ökonomie und
des ökonomischen Denkens geworden.
Publikationen: Politik, Leipzig 1948; Nikomachische
Ethik, Berlin 1979; Werke, 18 Bde., Berlin 1956ff. Literatur: K. Marx: Das
Kapital. Erster Band, MEW 23; F. Engels: Herrn Eugen Dührings Umwälzung der
Wissenschaft (»Anti-Dühring«), MEW 20; W.I. Lenin: Philosophische Hefte, LW 38;
A.W. Ani-kin: Ökonomen aus drei Jahrhunderten, Berlin 1974; J. Kuczynski:
Studien zu einer Geschichte der Gesellschaftswissenschaften, Bd. 2, Berlin 1975;
Grundlinien des ökonomischen Denkens in Deutschland, Berlin 1977; F. Behrens:
Grundriß der Geschichte der politischen Ökonomie, Bd. I, Berlin 1981; Geschichte
des wissenschaftlichen Denkens im Altertum, Berlin 1982; Philosophenlexikon,
Berlin 1984; F. Jürß/D. Ehlers: Aristoteles, Leipzig 1984; Geschichte der
politischen Ökonomie. Grundriß, Berlin 1985; I. Roshanski: Wissenschaften in der
Antike, Moskau, Leipzig 1986.
Editorische
Anmerkungen
Der Text stammt
aus: Krause, Werner; Graupner,
Karl-Heinz & Sieber, Rold (1989). Ökonomenlexikon. Berlin: Dietz.
S. 14ff
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