Betrieb & Gewerkschaft
Zum Streik bei Thyssen in Italien


von prol-position news
06/05

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Dies ist die Übersetzung eines Beitrages für die gerade erschienene prol-position news #2, einem englischsprachigen Newsletter mit Artikeln zu Streiks und anderen Kämpfen weltweit. In dem Beitrag wird auf den erneuten Streik bei der ThyssenKrupp-Tochter in Terni/Italien eingegangen, der im Winter nach der Androhung der Schließung eines Betriebsteils ausbrach.

In Italien finden derzeit viele Konflikte und Streiks statt. Viele ArbeiterInnen kämpfen gegen die fortgesetzten Angriffe und Verschlechterungen der Bedingungen. Wie im Kampf der BusfahrerInnen, die seit Ende 2003 auch wilde Streiks organisiert haben, geht es auch immer wieder gegen die Gewerkschaften, die die Verschlechterung mitorganisieren und verwalten.

Die Kämpfe entfachen sich neben den niedrigen Löhnen auch an den flexibilisierten Arbeitsverträgen, zum Beispiel derzeit bei der Mobilisierung der ArbeiterInnen in den Sozialeinrichtungen in Rom. Andere Kämpfe richten sich gegen den Abbau und die Verlagerung von Betriebsteilen, wie der Kampf bei ThyssenKrupp in Terni/Umbrien. Zwar finden viele Kämpfe in den Betrieben statt - und es gibt auch eine Mobilisierung gegen "Prekarität"- aber bisher kommen sie kaum zusammen.

Um den Hintergrund und Ablauf des Kampfes in Terni zu verstehen, ist eine GenossIn dort hingefahren und hat Interviews mit einer Gruppe von Arbeitern gemacht. Hier ist ihr Bericht:

In die Freiheit entlassen

Der Kampf der ThyssenKrupp-Arbeiter in Terni ist am 27. Februar 2005 zu Ende gegangen. Begonnen hatte alles im Januar 2004, als der Multi ankündigte, die Elektrobandproduktion nach Deutschland zu verlagern. Die Arbeiter reagierten mit wochenlangen Streiks und Blockaden der Werktore, bis es nach 22 Tagen zu einem vorläufigen Vertragsabschluss kam. ThyssenKrupp versprach neben der Aufrechterhaltung der Elektrobandproduktion weitere Investitionen und forderte im Gegenzug von der Region billigen Strom und eine verbesserte Infrastruktur. Ohne einen brauchbaren Industrieplan würde es keinen endgültigen Vertragsabschluss geben. Es wurden verschiedene Pläne vorgelegt, aber kein Vertrag unterzeichnet. So waren die Arbeiter im Dezember 2004 mit derselben Situation konfrontiert wie schon Anfang des Jahres. ThyssenKrupp blieb vom Verhandlungstisch fern und verkündete: "Die Elektrobandproduktion wird verlagert, die 360 Arbeiter der Abteilung kommen in Cassa Integrazione[1] - verhandelt wird nicht."

Nachdem ThyssenKrupp am 2. Februar 2005 weitere Verhandlungsversuche mit den Gewerkschaften abgewiesen hatte, traten die 360 Arbeiter der Elektrobandabteilung in einen unbefristeten Streik. Nicht nur die Eisenbahnstrecke und die Autobahn blockierten sie, auch die Werktore. Über zwei Wochen lang verhinderten die Arbeiter dadurch die Ausfuhr der Waren. ThyssenKrupp spricht von einem Schaden um die 25 Millionen Euro, den die Arbeiter dem Unternehmen allein in diesem Jahr zugefügt haben. Die Kollegen der anderen Abteilungen traten in den Solidaritätsstreik und wurden in den Zwangsurlaub geschickt oder "in Freiheit entlassen" - wie es euphemistisch heißt, wenn die ArbeiterInnen ohne Lohn ausgesperrt werden. Im Laufe der Auseinandersetzung stieg die Zahl der Entlassungen und Aussperrungen auf circa 1300, wie mir ein Arbeiter berichtete.

Terni ist eine Industriestadt in Umbrien, hundert Kilometer nördlich von Rom. Hier steht das älteste Stahlwerk Italiens, 1885 als Waffenschmiede errichtet. Die Männer arbeiteten im Stahlwerk, die Frauen in den Textilfabriken. Später ließ der faschistische Staat hier zusätzlich Elektro- und Chemiefabriken errichten.

Die Arbeiter, die heute bei ThyssenKrupp beschäftigt sind, gehören zu der vierten Generation von Metallern. Schon ihre Urgroßväter arbeiteten im Stahlwerk. Seit über einem Jahrhundert gibt es in Terni Arbeiterkämpfe. 1953, als eine große Entlassungswelle anlief, holten die Arbeiter ihre Waffen aus der Zeit der Resistenza aus dem Keller und besuchten die Chefs zu Hause. 1974 besetzten sie die Fabriken.

Waren vor 60 Jahren noch rund 40.000 Leute in der Stahlproduktion in Terni beschäftigt, so sind es heute noch circa 4000 ArbeiterInnen. Bis 1993 waren die Stahlwerke im Besitz des Staates. Der verkaufte sie an drei italienische Unternehmen, die sie ein Jahr später für das Doppelte an ThyssenKrupp weiterverkauften. ThyssenKrupp ist seit 1994 der größte Arbeitgeber in Terni. In der ganzen Region sind zwischen 8000 und 9000 ArbeiterInnen in den Kleinbetrieben beschäftigt, die ThyssenKrupp mit Dienstleistungen und Ersatzteilen beliefern. Das ThyssenKrupp-Werk produziert in verschiedenen Abteilungen vor allem Edelstahle und Elektroband und beliefert unter anderem die Automobilindustrie.

Fahrt nach Terni

Am 21.Februar 2005 fahre ich zusammen mit GenossInnen auf eine Demo nach Terni, um mit den streikenden Arbeitern zu reden. 10.000 Leute sind auf der Straße, um gegen die Schließung der Elektrobandabteilung zu protestieren, darunter viele SchülerInnen und ArbeiterInnen aus den anderen Industriebetrieben der Umgebung.

Auch der Bürgermeister und die anderen Würdenträger der Stadt fehlen nicht, und so richteten sich die Slogans auch nicht gegen alle "padroni" (chefs), sondern gegen "die Deutschen". Viele fühlen sich in die Zeit des Partisanenkampfs zurückversetzt und machen dementsprechende Anspielungen. Am häufigsten rufen die Leute: "Die Mutter des Deutschen ist eine Hure!" Auf die Frage, warum diese (rassistischen) Parolen jetzt die Klassenkampfparolen ersetzt hätten, erzählen die Arbeiter, mit welcher Arroganz die deutsche Leitung von ThyssenKrupp hier in Terni operiert. Neben der Tatsache, dass sie den Verhandlungstisch verlassen haben, ohne auf die Vorschläge der Gewerkschaft einzugehen, verteilten sie Flugblätter in englischer und deutscher Sprache, in denen sie die Arbeiter aufforderten nicht zu streiken, denn damit würden sie das Unternehmen schädigen und weitere Entlassungen provozieren. Ähnliche Aufforderungen macht das Unternehmen seit Jahren im betriebsinternen Bulletin "Focus". "Als wären wir unter militärischer Besatzung", kommentiert es Tiziano, ein Vertreter der Fiom-Gewerkschaft[2], der seit 1997 für ThyssenKrupp arbeitet. Simone, Mitglied der Cisl[3], erzählt uns: "Bei den Verhandlungen hat Herr Henning von der Unternehmensleitung zu uns gesagt: 'Ihr könnt mir ruhig vertrauen, ich habe in meinem Leben schon 80.000 Arbeiter entlassen.'" Das schönste Transparent auf der Demo ist: "Jetzt müsst ihr nur noch die Leute aus Sabiona freilassen." In Sabiona steht der Knast am Ort.

Bei ThyssenKrupp arbeiten auch viele junge Leute, alle mit prekären oder Ausbildungsverträgen[4] oder über Zeitarbeitsfirmen. Auch Manuele arbeitete bis vor zwei Wochen mit einem Ausbildungsvertrag in der Elektrobandproduktion. Angefangen hat er über die Zeitarbeitsfirma, dann hatte er befristete Verträge, für einen Monat, zwei Monate, manchmal vier. Das haben die Vorgesetzten ausgenutzt: "Passt bloß auf, was ihr tut! Ihr habt keinen festen Vertrag, ihr könnt hier jederzeit rausfliegen...!" Mit den Kämpfen im letzten Jahr haben Arbeiter erreicht, dass die befristeten Verträge in unbefristete umgewandelt werden. Manuele hatte nie vor, in der Fabrik zu arbeiten, aber als Bauzeichner fand er vor drei Jahren keine Arbeit. Die Stahlindustrie schien für ihn die einzige Möglichkeit eine geregelte, sichere Arbeit in Terni zu finden. Schon sein Großvater erzählte ihm: "Aus dem Stahlwerk entlässt Dich niemand!" Anfangs fand er sich in der Fabrik überhaupt nicht zurecht: "Da drinnen ist es wie in einer Stadt. Mein Cousin und die anderen Kollegen haben mir geholfen, mich zurecht zu finden. Für Politik und Gewerkschaftsarbeit habe ich mich anfangs nicht interessiert, viele der anderen jungen Leute auch nicht, aber jetzt sind wir unten den Aktivsten. Die Kämpfe in den letzten Wochen haben uns sehr verändert." Er fährt mit einer kleinen Gruppe von ThyssenKrupp-Arbeitern nach Strassburg, um vor dem Europaparlament zu protestieren. Sie nennen sich "Movimento spontaneo operaio" (Spontane Arbeiterbewegung) und haben sich unabhängig von der Gewerkschaft organisiert. Das Geld für die Reise haben sie auf der Demo gesammelt, den Bus stellt die Fußballmannschaft zur Verfügung. Er selbst ist in der Fiom aktiv, findet es aber wichtig, dass es neben der Gewerkschaft noch eine unabhängige Organisierung gibt.
Sein Kumpel Simone arbeitet sattdessen in der Kneipe. Er ist der einzige in der Runde, der einen festen Arbeitsvertrag hat. Auf die Arbeiter der ThyssenKrupp ist er sauer: "Ihr kämpft immer noch so, als wärt ihr in einem Staatsbetrieb angestellt. Lasst Euch vom Bürgermeister und seiner paternalistischen Art einlullen, mit den Worten: 'Wir regeln das schon für Euch!' Ihr denkt, es reicht immer noch der Mitgliedsausweis der Gewerkschaft, um vor Entlassungen sicher zu sein. Wann kapiert ihr endlich, dass ihr für einen multinationalen Konzern arbeitet und eure Kampfstrategie ändern müsst?! Globalisierung, das ist ein realer Machtfaktor. Mensch Manuele, hast Du es immer noch nicht kapiert?!" Manuele zuckt die Schultern: "Ja und? Soll ich jetzt'n Streik gegen die Globalisierung machen, oder was?" Ich frage ihn, ob er denn bei den Blockaden den Eindruck hatte, dass sie eine Kraft sind und was verändern können, oder ob er eher darauf vertraut, dass die Auseinandersetzung am Ende durch die Regierung geregelt wird. "Ja, ich habe gemerkt, dass wir eine Kraft sind. Indem wir die Warenauslieferung blockieren, schaden wir Thyssen wirklich, aber am Ende wird es die Regierung entscheiden." Er hofft, dass die Auseinandersetzungen bei ThyssenKrupp vielleicht ein Anfang sein können, um die Multis zu regulieren.

Wir fahren zum Röhrenwerk. Dort blockieren die Arbeiter die Warenausfuhr, nachdem 200 Kollegen per Post mitgeteilt wurde, dass die Blockaden und Streiks ihre Arbeit überflüssig machen würden. In dem Versuch, die Arbeiter gegeneinander aufzuhetzen, behandelte ThyssenKrupp die Arbeiter unterschiedlich. Einige wurden ausgesperrt, andere in Zwangsurlaub oder die Cassa Integrazione geschickt. Die Rechnung ging nicht auf: Die Arbeiter des Röhrenwerks blockieren gemeinsam die Tore, während in den anderen Abteilungen einstündige Solidaritätsstreiks laufen. Die Stimmung im Streikzelt vor dem Rohrwerk ist geladen: "Es interessiert sich dieses Jahr niemand für unseren Kampf. Das was hier in Terni passiert, ist Ausdruck für die Industriekrise in ganz Italien. Die Regierung schweigt, weil sie nicht weiß, wie sie die Situation unter Kontrolle kriegen soll." "Wir haben die Autobahn besetzt, die Eisenbahnlinie. Was sollen wir denn noch machen? Jemanden entführen?", ruft ein Arbeiter. Sie erzählen, wie einige der Thyssenarbeiter im letzten Jahr die Tarifverhandlungen stürmten, und die Bullen sie nur im letzten Moment davon abgehalten konnten, den Vorstand von ThyssenKrupp zu verprügeln. "Der Kampf hat was Gutes", meint Tiziano, "wir haben endlich wieder ein Klassenbewusstsein. Oder vielleicht sage ich eher, ein Arbeiterbewusstsein, denn das sind ja nicht alles Genossen hier drinnen. Wir sind uns bewusst darüber, dass wir das Land am Laufen halten und uns Respekt entgegen gebracht werden muss." Er ist mit seinem Kollegen nicht einverstanden, dass sie nur ein Tropfen im Ozean sind: "Wir sind nicht machtlos. Unser Betrieb liefert 35 Prozent der Auspuffrohre an die europäische Autoindustrie". Er geht davon aus, dass ThyssenKrupp die gesamte Produktion aus Terni letztlich nach China[5] und Indien verlagern wird. Dort gibt es schon einige Niederlassungen von ThyssenKrupp, zum Beispiel in Nashik (Indien), wo jährlich 200.000 Tonnen Stahl, davon drei Viertel Elektroband, produziert werden.[6] Auf die Frage, was sie als nächstes tun werden, antworten einige lachend: "Mit unseren Geliebten Schluss machen. Wir haben ja kein Geld mehr!" Einer erzählt, er mache sich große Sorgen: "Ich habe zwei Kinder, meine Frau arbeitet nicht... allein in diesen Streikwochen verliere ich einen ganzen Monatsgehalt."

ThyssenKrupp ist nicht das einzige Unternehmen, das die Produktion verlagert. Es spricht uns ein junger Arbeiter an, der in der chemischen Abteilung der Textilfabrik Alcantara, ein japanischer Multi, arbeitet. Er und seine KollegInnen sind schon seit vielen Monaten in Cassa Integrazione. Darüber redet niemand, auch weil es von seinen KollegInnen überhaupt keine Reaktion auf die Entlassungen gab. "Das ist das Krasse: Niemand hat protestiert!" In seinem Betrieb arbeiten zur Hälfte junge Leute, die anderen sind Arbeiter, die schon seit 20 bis 30 Jahren dort sind, die "Alten". Da gab es oft Probleme. "Die Alten meinten zu uns Jungen, wir hätten nichts zu melden, weil wir keine Erfahrung haben. Viele hatten diese Streikbrechermentalität...". Er ist nicht in der Gewerkschaft. Seiner Meinung nach müsste es hier in Terni eine Basisgewerkschaft geben. In der Industrie sind die Cobas[7] nicht so stark, in Terni gibt es sie gar nicht. Dass er nicht in der Gewerkschaft ist, hat ihm schon oft Nachteile gebracht. "Wenn du dich mit ihnen anlegst, legen sie dir Steine in den Weg."

Zwei Tage später, am 23. Februar, beschließen die Arbeiter auf einer großen Versammlung vor den Werkstoren, dass die Blockaden weitergehen werden. Die Gewerkschaftsspitze steht hinter den Streikenden, die Regierung zeigt Verständnis für ThyssenKrupp. Vier Tage später wird zwischen der ThyssenKrupp und den Gewerkschaften ein Vertrag ausgehandelt, der besagt, dass die Elektrobandproduktion definitiv von Terni nach Deutschland und Frankreich verlagert wird. Die 360 Arbeiter werden auf die anderen Abteilungen verteilt, die Beschäftigung soll bis 2009 konstant gehalten werden. Manuele arbeitet jetzt in der Abteilung, wo der Stahl verladen wird. Seine Kollegen sind überall verstreut. Am Ende musste das Unternehmen noch mal seine Macht demonstrieren und hat Leute bewusst nicht in die Abteilungen versetzt, in die sie versetzt werden wollten.

In einer Versammlung stimmen dreißig Prozent der Arbeiter gegen den Vertrag. Manuele erzählte mir einige Wochen später von den letzten Tagen der Auseinandersetzung. "Ich habe mich gefragt: Wo waren diese 690 Arbeiter, die gegen den Vertrag gestimmt haben in den letzten Tagen. Manchmal mussten wir nachts die Blockaden in fünf Personen aufrecht erhalten, und während die Verhandlungen liefen, standen wir nur mit 350 Leuten davor, um zu protestierten und nach einigen Stunden nur noch zu zehnt." Er hat sich bei der Abstimmung enthalten: "Ich hatte gesehen, dass wir keine Kraft mehr hatten. Wenn wir weitergemacht hätten, dann hätten wir auf jeden Fall verloren. Am Ende waren die Arbeiter erschöpft. Darauf hat ThyssenKrupp gesetzt. Auch jetzt zucken die meisten Arbeiter resigniert mit den Schulter." Ihn hat die ganze Auseinandersetzung völlig verändert: "Als klar war, dass ThyssenKrupp die Elektrobandabteilung schließen würde, habe ich erwartet, dass die Revolte losbricht. Dass die Arbeiter sich klar darüber werden, dass das nur der Anfang ist. Dass hier vielleicht bald alles dicht gemacht wird. Aber so weit nach Vorne haben die Kollegen nicht geschaut. Sie befürchteten, durch den Streik noch mehr Gehalt zu verlieren, und wollten, dass es zu einem Abschluss kommt." Bei ThyssenKrupp in Terni wurde in den vergangenen zehn Jahren nicht gestreikt und viele haben auf die Hilfe der Regierung gesetzt, aber da kam gar keine Unterstützung, auch nicht von der (sozialdemokratischen) Opposition. Er bezweifelt trotzdem, dass die Mehrheit der Kollegen wirklich verstanden hat, dass sich die Zeiten geändert haben, und sie es jetzt mit einem multinationalen Unternehmen zu tun haben.

"Auch die Gewerkschaft hat Fehler gemacht", meint Manuele, "denn es gab Momente, da kamen mehrere hundert Arbeiter zusammen und wollten die Bahngleise besetzten. Und die Gewerkschaft hat das abgeblockt, weil es strategisch nicht richtig sei." Da ist viel Energie verpufft. Die kleine Gruppe von Arbeitern des "Movimento spontaneo operaio" haben aus solchen Erfahrungen eine Konsequenz gezogen und denken nun darüber nach, wie sie als unabhängige Gruppe in Zukunft gemeinsam mit den Kollegen auf die noch zu erwartenden Angriffe von ThyssenKrupp reagieren können. Denn sie wissen, dass der Zusage, die Beschäftigung bis 2009 zu erhalten, kaum zu trauen ist, und es weitere Versuche geben wird, die Bedingungen zu verschärfen. Im Centro Sociale[8] in Terni diskutieren sie gemeinsam mit ArbeiterInnen aus anderen Bereichen, wie sie auch trotz der von Gewerkschaftsfunktionären gegen sie ausgesprochenen Drohungen weiterhin aktiv werden können.

Anmerkungen

[1] Cassa Integrazione: Staatliche Lohnausgleichskasse; größere Firmen können Kurzarbeit Null anmelden und der Staat zahlt für begrenzte Zeit einen Teil der Löhne weiter.
[2] Fiom: Federazione impiegati operai metallurgici, Metallarbeitergewerkschaft, die im größten Dachverband Cgil, Confederazione Generale Italiana del Lavoro, ist, der den Sozialdemokraten nahe steht.
[3] Cisl: Confederazione Italiana Sindacati dei Lavoratori, weiterer, kleinerer sozialdemokratischer Gewerkschaftsdachverband.
[4] Ausbildungsverträge: CFL, Contratti di Formazione Lavoro, ermöglichen die befristete Einstellung von jungen ArbeiterInnen zu niedrigen Löhnen. Die "Ausbildung" findet meist nur auf dem Papier statt. Einige Leute arbeiten mit aufeinander folgenden CFL bei derselben Firma bis zu 10 Jahre lang.
[5] Das Werk in Shanghai ist noch im Aufbau, wobei auch Arbeiter aus Terni beteiligt sind. Angeblich soll es in anderthalb Jahren 320.000 Tonnen Stahl pro Jahr produzieren.
[6] Ein Artikel in der italienischen Tageszeitung "il manifesto" vom 22. März 2005 beschreibt die Bedingungen im ThyssenKrupp-Werk im Distrikt Nashik im Staat Maharashtra/Indien. Es ist ein vergleichsweise kleines Stahlwerk mit nur einer computergesteuerten und automatisierten Produktionslinie. Das Werk wurde Mitte der neunziger Jahre errichtet und produziert etwa 200.000 Tonnen Stahl, davon zwei Drittel Elektroband. 720 Leute sind angestellt, davon 320 Produktionsarbeiter und 280 Techniker. 90 Prozent der Belegschaft kommen aus der Umgebung. Der Durchschnittslohn liegt bei etwa 9500 Rupien (circa 175 Euro). Die meisten Arbeiter kommen aus Bauernfamilien und haben weiterhin eine Parzelle für den Anbau von Lebensmitteln. Der für die Gegend relativ gute Lohn und die Perspektive auf eine Alterspension halten viele ArbeiterInnen über Jahre in dem Werk.
[7] Cobas: Confederazione dei Comitati di Base, einer der Verbände der italienischen Basisgewerkschaften.
[8] Centro Sociale: In Italien Bezeichnung für autonome Zentrum, wo sich linke Gruppen treffen, Veranstaltungen machen usw.

Editorische Anmerkungen

Der Text erschien am - 06.06.2005 bei INDYMEDIA
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