Die "Expertinnen" diskutieren.
Also die, die sich rausnehmen, für andere sprechen zu können.
Meist werden sie von staatlichen Stellen oder staatlich
unterstützten Stellen bezahlt. Es ist also von diesen gut
lebenden, weil gut bezahlten Menschen, kaum Revolutionäres zu
erwarten.Die Qualität der Diskussion ist die Tendenz, die
die Expertinnen noch VOR dem schwerfälligen Staatsapparat
erkennen können.
Im Bereich der illegalen Drogen sehen die 'Expertinnen" die
Drogenfreigabe als Tendenz. Dabei gibt es durchaus Abstufungen,
die der Kompromißbereitschaft, also der Schere im Kopf,
geschuldet sind. Harte und weiche Drogen werden unterschieden.
Es gibt Differenzen in Bezug auf den künftig berechtigten
Personenkreis.
Was aber heute als ganz neuer Trend diskutiert wird der erste
Kongress zur Drogenakzeptanz in Berlin liegt erst wenige Monate
zurück - ist ein alter Hut. Zumindest für die USA ist die
Aufhebung eines rechtlichen Verbots von Drogen eine
gesellschaftliche Erfahrung, die es lohnt zu betrachten.
Für die Frage, ob Drogen "gut" oder "schlecht" waren,
spielten gesundheitliche Erwägungen immer eine untergeordnete
Rolle, Es waren die gesellschaftlichen Produktionsbedingungen,
in denen letztendlich die Antwort zu suchen war.
In den neuenglischen Kolonien galten fermentierte Getränke
als "gute Kreaturen Gottes". Die Lebens- und Arbeitswelt der
weißen Siedler fiel in eins Produktion und Leben waren auf
niedriger Stufe weitgehend "alkoholunempfindlich".
Etwa zu Beginn des 18.Jahrhunderts hielten die destillierten
Getränke (mit einem zehnfachen Gehalt an Alkohol) Einzug in die
Kolonien.
Diese neuen Getränke fanden reißenden Absatz, hatten sich
doch die Lebens- und Produktionsbedingungen für die Arbeiter
unter der beginnenden Manufakturproduktion erheblich verschärft.
Dem Sprit wurde nun die "Göttlichkeit" aberkannt. Er galt nicht
nur der einflußreichen Kirche als Teufelszeug. Erste
Untersuchungen auf der damaligen wissenschaftlichen Höhe der
Zeit, also aus der naturphilosophischen Perspektive, stellten
die zerstörerische Wirkung der Destillate auf die Menschen und
den "sozialen Körper" der USA fest. Die möglicherweise "gewohnheitsbildende"
Wirkungskraft wurde hervorgehoben. Das beobachtete
Suchtpotential wurde in das hochprozentige "Gift" verlagert.
Wissenschaftlich war der identische chemische Kern.
Die Folgen des Alkoholkonsums wurden der Substanz
zugeschrieben. Für die arbeitende Klasse, unter den Bedingungen
des sich ausformenden Industriekapitalisrnus , galt der Sprit
als nahrhaft, gesund, stimulierend und heilwirksam.
Da nun der Alkohol die bürgerliche Realitätskonstruktion
bedrohte, wurden seine negativen Eigenschaften überbetont:
nährstoffarm, narkotisierend, süchtigmachend, gewohnheitsbildend,
psychisch und physisch ungesund...
Die Probleme des Alkoholkonsums wurden bis in die Zeit der
Prohibition (die Volstead-acts beinhalteten das Verbot der
Produktion, Distribution und Kommerzialisation aller
alkoholischen Getränke mit mehr als 0,05% Alkoholgehalt) 1919-
1933 kollektiv, also als gesamtgesellschaftliches Phänomen
betrachtet. Allerdings wurden dem Alkohol (einem offenbar
metaphysischen Gift) die sozialen übel des Kapitalismus
zugeschrieben.
Deshalb gab es schon lange vor 1919 in den Einzelstaaten
Bestimmungen, die die soziale und politische Ordnung erhalten
und die wirtschaftliche Prosperität schützen sollten. Dabei
forderte das Bürgertum für sich selbst und "die gefährlichen
Unterklassen" den Verzicht auf das Alkoholgift. Den klugen
Zeitgenossinnen war jedoch klar, daß nicht das System Fehler
machte, indem es Alkohol erlaubte, sondern daß das System selbst
der Fehler war ,
Für die Lösung der sozialen Probleme des Massenelends in den
USA sahen die Genossinnen messerscharf die Revolution vor, nicht
etwa Gesetzesänderungen , wenngleich sich auch die
SozialistInnen der Forderung nach Prohibition angeschIossen
hatten.
Die Prohibition war der Ausdruck eines Versuchs, den
Kapitalismus progressiv zu reformieren. Sie gehört historisch in
eine Reihe mit den Kämpfen um
- die Abschaffung der Kinderarbeit,
- Kontrolle der Monopole und Trusts,
- Etablierung der Einkommenssteuer,
- das Frauenwahlrecht.
Eine Rücknahme der Prohibition, des strikten Drogenverbots
also, mußte dann auch "wissenschaftlich" verbrämt werden.
Die an sich richtige Erkenntnis, daß Alkohol nur als Ware in
einer hochentwickelten Konsumgesellschaft eine soziale Gefahr
darstellt, mußte relativiert werden.
Bereits in der Aufweichungsphase der Prohibition geschah das
durch die Individualisierung der Suchtproblematik. Noch heute
ist die Antiprohibitionsbewegung mit Mätzchen und Mythen
behängt. Dieser Bewegung und ihren Lohnwissenschaftlern ging es
tatsächlich um die Abdämmung einer radikalisierten
Strukturreform des US-Kapitalismus.
Die Prohibition. war in den USA erfolgreich. Die
Verbotsbestimmungen wurden weitgehend eingehalten. Die aus
Gangsterfilmen bekannten Tatbestände waren zwar da, aber
keineswegs bestimmend (Schwarzmarkt, Korruption, überzogene
Polizeiaktionen, Überlastung der Justiz durch AIkoholverfahren...).
Die für die Arbeiterklasse wichtigen Tatbestände, wie
Krankheit, Sterblichkeit, Kriminalität, Arrest, Hospitalisierung
als Folge von Alkoholgebrauch gingen in kaum vorstellbarem
Ausmaß zurück. Der vom Bürgertum mit der Prohibition verbundene
Properitätsgedanke erwies sich als Flop. In ihrer trockensten
Zeit fielen die USA in ihre tiefste Depression.
Ab 1928 lag der Kampf gegen die Interessen der Arbeiterklasse
in bezug auf den Alkohol in den bis heute bewährten Händen von
Sozialarbeitern. Der New Yorker Sozialarbeiter J. Gebhardt
brachte mit einem kleinen Stab in drei Jahren 13
Forschungspamphlete unter das Volk. In allen wurde der
Individualisierung des Alkoholkonsums und den Horrorgeschichten
über die Prohibitionsfolgen das Wort geredet. Mit ihrer gut
bezahlten Propagandamaschine, deren Ergebnisse noch heute als
seriös und wissenschaftlich gelten, konnte die
Sozialarbeitergruppe Einfluß gewinnen.
Die Lohnschreiber des Kapitals fanden ihren Meisterapologeten
in E.M. Jellinek, dessen "wissenschaftliche" Erkenntnisse bis
heute über die Therapie- und Äbstinenzbewegung und die WHO die
Drogendiskussion bestimmen. Jellinek hat die Krankheit "AIkoholismus"
wiederentdeckt und damit die gesellschaftlichen und politischen
Ursachen des Alkoholproblems umgedeutet in ein
medico-psychiatrisches Individualproblem , das eigentlich nur
eine ganz kleine Minderheit hätte. Soziales Trinken, sei von nun
an möglich und die unbedenkliche Regel, Nur die 'kranken" also
die wenigen süchtigen Individuen müssten geheilt werden.
Dafür hatte er, zusammen mit den Anonymen Alkoholikern, Pläne
erarbeitet, die sich aber ausschließlich an die Mittelschichten
richteten. Gebhardt und später Jellinek waren lediglich die
"wissenschaftlichen" Vollstrecker der gesamtgesellschaftlichen
Tendenz. Nichts wäre also falscher, als in der Aufhebung der
schon vorher aufgeweichten Prohibition eine Verschwörung des
nassen gegen das trockene Amerika zu sehen. Es trafen hier
Strukturveränderungen des US-Kapitalismus mit dem Beginn der
Massenkonsumgesellschaft und der Herausbildung der "new
middle-classes" zusammen.
Diese neue Klasse ließ die alten bürgerlichen
Wertekonstellationen nicht mehr gelten, sondern kreierte einen
Lebensstil der moralischen Befreiung und der betonten
Individualität (Freizeit, Vergnügen, Konsum. . . ) Diese große
Bewegung der aus ökonomischen Veränderungen hervorgegangenen
neuen Mittelklassen entschied die Rücknahme der Prohibition mit,
denn ihr neuer Lebensstil erforderte auch den freien Zugang zur
Droge. Die schließlich durchgeführte gesetzliche Aufhebung des
Alkoholverbots war die einzige Verfassungsänderung der USA, die
zurückgenommen wurde. Die Frage ob trocken oder naß lag nun in
den Einzel Staaten. Die Zentralregierung war ebenfalls
geschwächt. Auch dies war ein politisches Ziel im Kampf gegen
das Verbot.