Betrieb & Gewerkschaft
Heftiger Kampf um wichtige Entscheidungen innerhalb der Arbeiterjugend
Interview mit Lisa Gärtner, Jugendvertreterin bei Opel Bochum

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Red. Rote Fahne
06/06

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Hallo Lisa, in diesem Frühjahr hast du deine Lehre als Mechatronikerin abgeschlossen. Opel wollte die Azubis aber nicht übernehmen, sondern sie in die Zeitarbeitsfirma Adecco stecken. Mit anderen Kollegen zusammen hast du dich für die Übernahme eingesetzt. Als gewählte Jugendvertreterin hast du auf deinem Recht bestanden, bei Opel weiter beschäftigt zu werden und dich auch durchgesetzt. Wie ging diese Auseinandersetzung weiter?

Den ersten Prozess hatte ich gewonnen, sodass Opel mich erst einmal einstellen musste. Deshalb arbeite ich jetzt noch da. Jetzt habe ich aber den Prozess vorm Bochumer Arbeitsgericht verloren, weil das Gericht sagt, es sei eine freie unternehmerische Entscheidung, ob Opel eigene Leute rauswirft und dafür Leiharbeiter holt oder andere Überstunden arbeiten lässt usw.

Ich gehe in Berufung und jetzt geht's vor das Landesarbeitsgericht, dann muss man weiter schauen. Hinzukommt, dass es jetzt eine Unterschriftensammlung gibt, weil die IG Metall die Prozesskosten nicht übernehmen will.

Bei den Azubis geht's jetzt los mit dem nächsten Übernahmekampf für das jetzige dritte Lehrjahr, die im Winter auslernen. Da gab es auch schon eine Versammlung mit dem ganzen Lehrjahr, wo wir diskutiert haben, ob man kämpft und wie und vor allem für welche Ziele. Die Leute wollen schon kämpfen, es ist nur die Frage, für was, wie hoch man sich die Ziele steckt, was man für realistisch hält, durchzusetzen. Auf der Betriebsversammlung haben drei Azubis am Mikrofon gesprochen. Eine Rede wurde von mehreren Azubis und mir zusammen vorbereitet. Ich denke mal, das läuft jetzt anders, die werden aus den Erfahrungen lernen, die wir letztes Mal gemacht haben. Das Positive aus unserem Übernahmekampf übernehmen, dass man gut kämpft und auch, dass es richtig ist, sich nicht mit dem Angebot zufrieden zu geben, nach Adecco abgeschoben zu werden. Daran entbrennt jetzt die Auseinandersetzung.

Du hattest in dieser Auseinandersetzung vom Betriebsrat und in der IG Metall ja breite Unterstützung bekommen. In der Metall-Zeitung vom Mai war ein Artikel mit Bild von dir. Warum sollen jetzt die Prozesskosten nicht übernommen werden?

Das wird mit Formfehlern begründet: Warum ich denn keinen Anwalt von der IG Metall nehmen würde und wieso ich Sachen zu spät abgegeben hätte usw. Das ist nur vorgeschoben. Sie haben im Ortsvorstand darüber abgestimmt, die Rechtsschutzrichtlinien würden ihnen den Spielraum geben, die Prozesskosten zu übernehmen.

Ich denke, dass es eine politische Frage ist. Denn gerade bezüglich Adecco war es am krassesten, dass die BR-Spitze, die IG Metall und ich ziemlich aneinander geraten sind, ob man konsequent kämpft oder ob man sich mit dem, was die Geschäftsleitung anbietet, zufrieden gibt.

Es geht auch darum, dass die MLPD auf den Kampf Einfluss genommen hat und ihnen das nicht passt. Der stellvertretende Vorsitzende des BR hat auf der Info-Stunde jetzt öffentlich gesagt, er würde die Unterschriftensammlung nicht unterstützen und er hätte auch dagegen gestimmt, dass ich die Prozesskosten bezahlt kriege und dazu stünde er auch. Von den Jugendvertretern haben auch nur zwei unterschrieben.

Welche Erfahrungen haben die Azubis mit der internationalen Solidarität gemacht? Kennen sie die Streiks, die es in Belgien und England bei Opel gab, und habt ihr etwas dazu gemacht?

Ja schon, sie wurden von mir oder von zwei anderen Jugendvertretern darüber informiert. Wir hatten einmal eine selbständige Aktion gemacht zum Streik in Ellesmere Port in England. Ich hatte der Jugendvertretung vorgeschlagen, dass wir eine Solidaritätserklärung schreiben. Ein Jugendvertreter war dafür aber die anderen waren dagegen. Dann haben wir beide es trotzdem gemacht als selbständige Aktion und haben die Azubis Gruppe für Gruppe zusammengeholt und ihnen erklärt, dass nur wir beide das machen und die anderen Jugendvertreter nicht. Wir haben ihnen ein bisschen die Geschichte erklärt und dass es heutzutage wichtig ist, international zu kämpfen.

Die Diskussion war interessant, es gab einen ziemlich heftigen Kampf um die Denkweise. Den Leuten war klar, dass es eine selbständige Aktion ist, das ist wichtig für die Entscheidung, ob sie dafür sind oder nicht.

Dann kam alles hoch: bringt es überhaupt was zu kämpfen, wenn die zumachen wollen, dann machen sie doch zu? Ob man international oder standortweise kämpft, das bringt doch eh alles nichts. Sie haben irgendwelche reformistischen Argumente aufgeschnappt, wie: ,,die Kollegen dort haben uns doch früher auch im Stich gelassen, die gehen jetzt nur für sich raus usw." Auf der anderen Seite kam auch raus, dass es eigentlich begeisternd ist, wenn die Kollegen streiken, dass das eigentlich der richtige Weg ist und Solidarität ein Grundanliegen von uns ist. Nachdem es eine ziemlich tiefgehende und interessante Diskussion gab, haben fast alle Azubis unterschrieben!

Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg in deinem und eurem Kampf für die Übernahme!

Editorische Anmerkungen

Der Artikel erschien am 22.6.2006 in der Roten Fahne Nr.25/06, wir spiegelten von http://www.mlpd.de/rf0625/rfart3.htm