Die Verwandlung der einfachen in die
kapitalistische Warenproduktion geht einher mit der Wandlung der
gesellschaftlichen Synthesis und der Siedlungsform konkret: Eine
über den Austausch vermittelte Siedlungsform bedingte die
Überwindung der bäuerlichen Naturalwirtschaft, den Übergang zum
Metallgeld als allgemeinem äquivalent und eine Profitrate in
ihrer einfachsten Form (1). Die spätfeudale, kommerzielle
Siedlungsform erfordert bereits eine Überwindung der 'ökonomisch
allgemeinen Gültigkeit' (2) des Marxschen Wertgesetzes. Die
endgültige historische Durchsetzung der kapitalistischen
Konkurrenz geschieht jedoch erst zu dem Zeitpunkt, zu dem die
Beziehung der Profitrate zum Mehrwert hergestellt, die
Produktion unter das Kapital subsummiert wird und die
Herausbildung einer allgemeinen Profitrate endgültig die Werte
in Produktionspreise verwandelt. (3) Es ist nun an dieser Stelle
die Aufgabe, die anarchische, räumliche Entwicklung dei.
bürgerlichen Gesellschaft mit ihrem inneren Regulator, dem
entfalteten Wertgesetz, zu vermitteln.
Ohne hier auf umfangreiche Ableitungen
eingehen zu wollen, finden wir als erstes Ergebnis der
allgemeinen Wirkung des Wertgesetzes die Verwandlung der Werte
in Produktions- und Marktpreise (4), als zweites Ergebnis die
Angleichung der Produktionsbedingungen in den besonderen Sphären
'innerhalb ihrer sich stets erneuernden realen Ungleichheit' und
die 'Etablierung der jeweils fortgeschrittensten
Produktionsbedingungen als durchschnittlicher' (5); als drittes
Ergebnis die Verteilung der gesellschaftlich notwendigen
Arbeitszeit auf die besonderen Sphären der Produktion und deren
Angleichung an die durchschnittlichen Produktionsbedingungen;
schließlich als viertes Ergebnis den Gesamtproduktionsprozeß und
die Reproduktion der umfassenden sozialen Verhältnisse.
Die Möglichkeit ungleicher
individueller Profitraten liegt bereits in der Herausbildung
eines Marktwertes bzw. Produktionspreises unter ungleichen (Re)-Produktionsbedingungen
der Einzelkapitale begründet. Sobald aber diese Bedingungen nach
ihrer stofflichen oder wertmäßigen Seite als räumlich-disparitär
verteilt unterstellt werden, läßt sich auch der Zusammenhang der
räumlichen Distribution und der Allokationsbewegung mit dem
Wertgesetz als Resultat des Bestrebens der Einzelkapitale nach
Maximierung ihrer individuellen Profitraten ableiten.
Dem Streben der Einzelkapitale nach
Erzielung von Surplusprofiten tritt auf der Ebene des
Gesamtraproduktionsprozesses das Wertgesetz im Raum als
blindwirkendes Naturgesetz gegenüber, über das sich die
proportionale Verteilung der gesellschaftlichen Gesamtarbeit
ebenso auch in ihrer räumlichen Dimension durchsetzt, wie die
Dominanz des Kapitals über die Arbeit, schließlich die
Konkurrenz zwischen den Einzelkapitalen selbst.
Die gesellschaftliche
Siedlungsstruktur ist damit nur ausgehend vor
Gesamtreproduktionsprozeß zu entwickeln, denn Agglomeration und
Deglomeration beinhalten gerade die räumliche Organisation der
Elemente der gesellschaftlichen Produktion und Reproduktion und
gleichzeitig die disparitäre Verteilung ihrer Bedingungen. Die
kapitalistische Siedlungsform ist selbst materielle Bedingung
ihrer Reproduktion aufgrund des besonderen Gebrauchswertes, der
aus dieser räumlichen Morphologie erwächst und stets als
gesellschaftliches Bedürfnis ins Verhältnis zur Produktion des
Sozialraumes gesetzt werden muß. So wie die Bedingungen der
Produktion zugleich Bedingungen der Reproduktion sind (6), so
stellt sich auch die Reproduktion der Siedlungsstruktur dar als
Resultat des über das Zwangsgesetz der Konkurrenz vermittelten
Gesamtzusammenhangs, der sich nur über die Verwertung und Aktion
der Einzelkapitale aktualisiert. Damit erscheint auch das
spezifische Herrschaftsverhältnis und die räumliche Distribution
der gesellschaftlichen Arbeit nicht unmittelbar (7), sondern als
Ergebnis des "Wertgesetzes im Raum".
Je nach der unterschiedlichen
stofflichen Anlagesphäre des Kapitals und dem historischen Stand
der Produktivkraftentwicklung ergeben sich unterschiedliche
Anforderungen an die externen, allgemeinen (Re)-Produktionsbedingungen,
deren ungleiche regionale Verteilung auch die erzielbare
Profitrate räumlich differenziert. Es ist evident, daß gleiche (Re)-Produktionsbedingungen
(Standortfaktoren) hierbei für die besonderen Kapitale von
unterschiedlicher Bedeutung sind.(besondere Standortfaktoren
(8)). Mithin unterliegt auch dieses Verhältnis selbst einer
historischen Variation gemäß dem Entwicklungsstand der
Produktivkräfte.
Für ein gegebenes Kapital macht
sich der 'Zwang des Gebrauchswertes' dahingehend geltend, daß
die Standortwahl durch das Ausmaß der räumlichen Präsenz der
hierfür spezifischen stofflichen Vorbedingungen eingeschränkt
wird. Aber ebenso, wie sich das Kapital prinzipiell gleichgültig
gegenüber seiner besonderen Anlagesphäre verhält, ebenso
existieren die regionalen stofflichen Voraussetzungen der
Produktion nur als 'besondere Verwertungsbedingungen' für ein
einmal in einer besonderen Sphäre engagiertes Kapital. Als
Strategie der Profitmaximierung erfolgt die Nachfrage nach dem
lokalen Standort als Reflex auf die gegebene
räumlich-disparitäre Verteilung der Verwertungsbedingungen bei
gegebenen Verwertungsanforderungen der besonderen
Einzelkapitale. (9) Agglomeration und Deglomeration sind nun
nicht nur als disparitäre Verteilung der (Re)-Produktionsbedingungen
die Voraussetzung der räumlich ungleichen Profitraten, sondern
gleichzeitig das Resultat ihrer Angleichung über die Konkurrenz
der Kapitale um den günstigsten, d. h. die höchstmöglichste
Verwertung erlaubenden Standort.
"Angleichung der Profitraten,
Verschwinden des Surplusprofites als Ergebnis der Durchsetzung
des Wertgesetzes über die Herausbildung einer
Durchschnittsprofitrate, bedeutet, wenn an verschiedenen Orten
produziert wird. Agglomerationsbildung durch Zuzug von
Kapitalen, die lokal und regional begrenzte nicht mobile und
beliebig vermehrbare Produktionsbedingungen mit in Anspruch
nehmen wollen, oder aber Angleichung der regionalen Entwicklung
durch Ubiquisierung solcher Surplusprofite ermöglichenden vorher
regional und lokal begrenzter Produktionsbedingungen (Deglomerationsbildung
- d. V.)." (10)
In jedem Fall führt die räumliche
Disparität der Kapitalverwertungsbedingungen zu einer
Ausgleichs- und Allokationsbe-wegung, in der sich letztlich die
gesellschaftlich fortgeschrittensten (Re)-Produktionsbedingungen
durchsetzen. In dieser Allokationsbewegung, zumindest
Ausrichtung auf die städtischen Konzentrationen werden deren
stoffliche und wertmäßige Vorteile stets als gesellschaftlich
'durchschnittliche' neu gesetzt (Produktion auf erweiterter
Stufenleiter).
Wir sehen damit, daß sich die
gesamten räumlichen Verhältniss in der wertgesetzlichen
Konkurrenz, in dieser 'inneren Tendenz
als äußerer Notwendigkeit' (11) reproduzieren. Aber obwohl und
gerade weil Ergebnis der Aktion der individuellen Kapitale,
entzieht sich der soziale Raum als räumliche Verteilung der
gesellschaftlichen Gesamtarbeit in seiner Totalität und
Gesellschaftlichkeit der individuellen Beeinflussung.
Blindwirkend und hinter dem Rücken der Akteure setzt das
Wertgesetz Agglomeration und Deglomeration ins gesellschaftlich
notwendige Maß.
Anmerkungen:
(1) Z. B. die aus der
Marktgenossenschaft abgeleitete und für alle Beteiligten
sichtliche gleiche Genossenschaftsprofitrate (vgl. Marx 1973,
Bd. 25, S. 911 f).
(2) ebd., S. 903/909
(3) ebd., S. 915 f
(4) ebd., S. 190
(5) Evers, A. Städtische Strukturen und
Staatsinterventionsmus, in Arch+ 1973, S. 9
(6) Marx 1972, Bd. 23, S. 591
(7) Marx 1973, Bd. 25, S. 603
(8) Evers ebd. 1973, S. 10
(9) vgl. Hein, W., Zur Theorie der regionalen
Differenzierung kapitalistischer Gesellschaften in der
Industrialisierung, Konstanz 1977
(10) Evers ebd. 1973, S. 11
(11) Marx 1974, Grundrisse, S. 317
Editorische Anmerkungen
Der Text
erschien In: Krise der Stadt (Hrsg.:
Schubert, Dirk) Westberlin 1981, S.16ff
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