Kommunismus was sonst! Die Debatte geht weiter.
Eckpunkte einer kommunistischen Programmatik

von Robert Schlosser
06/07

trend
onlinezeitung

Leseauszug aus dem Vorwort

...Die Frage, die sich die Masse der Lohnabhängigen vorlegen müsste, und die sie sich über kurz oder lang stellen werden, lautet: „Können wir uns noch eine solche Ökonomie leisten?“ und die Antwort müsste ebenso klar ausfallen: „Nein, wir müssen das tun, was sozial vernünftig und notwendig ist!“

Um das tun zu können, was sozial vernünftig und notwendig ist, müsste die Masse der Lohnabhängigen sich über ihre sozialen Ziele verständigen, sich organisieren und danach trachten, den Privatproduzenten die Verfügung über das Mehrprodukt streitig zu machen. Höhe der Arbeitsproduktivität und Größe des Mehrprodukts sind die einzig akzeptablen Grenzen für sozialen Fortschritt, menschengerechte Arbeits- und Lebensweise. Alle jene Grenzen, die sich aus den kapitalistischen Produktionsverhältnissen, aus ökonomischen Gesetzen und Privatinteresse ergeben, müssen so oder so beseitigt werden, damit die Mehrheit der Menschen in den Genuss tatsächlich erreichter Fortschritte kommen kann.
Jede Auseinandersetzung um Bewahrung einzelner sozialer Errungenschaften oder um Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen im Kapitalismus ist ein Kampf um die Art der Nutzung der erreichten Arbeitsproduktivität und des Mehrprodukts, ob man sich dessen bewusst ist oder nicht. Solange die Produktionsverhältnisse unangetastet bleiben, unterliegen auch diese Auseinandersetzung bestimmten Sachzwängen, sind die Grenzen des Erreichbaren durch die Produktionsverhältnisse und die daraus entspringenden ökonomischen Gesetze bestimmt. Erst wenn die unmittelbaren ProduzentInnen sich in freier Assoziation die gegenständlichen Bedingungen ihrer Reproduktion aneignen, fallen diese Grenzen und wird der Weg frei für ein anderes Leben und Arbeiten durch entsprechende Nutzung der erreichten Arbeitsproduktivität und des Mehrproduktes.

Gegenwärtig sind so zentrale Begriffe der sozialen Emanzipation wie „Freiheit“, „Menschlichkeit“ oder auch „Kommunismus“ vollständig besetzt von den Ideologen der kapitalistischen Privatproduktion. (Freiheit als bürgerliche Freiheit von Warenproduzenten und Warenverkäufern, Menschlichkeit als abstraktes Menschenrecht ohne verbindlichen Anspruch auf Realisierung, Kommunismus als Bedrohung jeder Form von Freiheit und Menschlichkeit) Solange das so bleibt, gibt es sowie so keine Aussicht auf die Hegemonie kritischen Denkens und emanzipatorischen Handelns. Die Aufgabe historisch-materialistischer Ökonomiekritik sehe ich nicht zuletzt darin, dass die Vorstellung von Kommunismus wieder nachvollziehbar, plausibel mit realer Freiheit und Menschlichkeit verbunden wird. (Dies schließt die Kritik der Geschichte kommunistischer Bewegung mit ein.)

Der Kommunismus als Bewegung, die den jetzigen Zustand aufhebt bleibt nur eine Illusion, ohne die Verständigung über bestimmte Ziele. Diese Ziele ergeben sich aus der Kritik der Verhältnisse selbst. Werden diese Ziele nicht aus der radikalen Kritik der Verhältnisse abgeleitet, bringen sie nicht deutlich die angestrebte konkrete Veränderung des Arbeits- und Lebensalltags zum Ausdruck, dann bleiben es bloß Dogmen sektiererischer Weltverbesserer...
 

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Editorische Anmerkungen

Robert Schlosser gab uns diesen Text zur Veröffentlichung, denn er würde gerne die Debatte wieder aufgreifen, die wir auf der 10-Jahresfeier trend "Kommunismus - was sonst!" miteinander geführt haben. Sie dazu: Stufen der gesellschaftlichen Praxis und der sozialen Emanzipation

Artikel von Robert Schlosser gibt es nicht nur im TREND sondern auch auch auf dessen Homepage:

Bedingungen sozialer Emanzipation
Robert Schlossers Werkstatt