Zukunft statt Globalisierung
Der Proteste gegen den G8-Gipfel verbindet NPD und Freie Kameradschaften

von Peter Nowak
06/07

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Eine junge Frau mit langen blondem Haar  hält einen Globus  in der Hand. Darüber die Schlagzeilen  „Noch mehr Sozialraub, noch mehr Illegale, Lohndumping, Aggressionspolitik“ (http://www.gib8.org/medien/g8-zeitung.pdf). Das ist das Titelbild einer Kampagnenzeitung, mit der die NPD gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm mobilisiert.

Schon lange bereiteten sich nicht nur linke Globalisierungskritiker sondern auch rechte Globalisierungsgegner auf den G8-Gipfel vor, der am 6. und 7.Juni in Heiligendamm stattfinden soll. Nicht  immer aber ist so einfach zu erkennen, aus welchem Spektrum die Gegner des Gipfels kommen, wie bei diesem Titelbild.

Vor allem die Freien Kameradschaften, die im rechtsradikalen Spektrum auf Distanz zur NPD beharren, sich bei der  Mobilisierung  zum G8-Gipfel   allerdings mit der NPD und rechten Einzelpersonen zur Kampagne „Gib8  -  Zukunft statt Globalisierung“ (http://gib8.org/) zusammen geschlossen haben, kopieren oft die Propaganda von linken Globalisierungskritikern auf Transparenten, Aufklebern und sogar auf T-Shirts   bis ins Detail.  So kann man bei manchen Parolen auf rechten Transparenten erst auf den zweiten Blick die Herkunft erkennen. Diese Verwirrung ist durchaus gewollt. Die Rechten verfolgen dabei mehrere Ziele. Zunächst bringt es immer Medienaufmerksamkeit, wenn sie zu Aktionen aufrufen, zu denen auch ein großes Bündnis nichtrechter Gruppen mobilisiert.  Nach diesem Prinzip hat die NPD schon im Jahr 2000 vollmundig angekündigt gegen die Weltausstellung Expo in Hannover zu mobilisieren, später wollte sie auch beim Widerstand gegen die Castortransporte ins Wendland und  bei der WASG  www.heise.de/tp/r4/artikel/20/20396/1.html mitmischen. Doch es in der Regel bei Absichtserklärungen.

Realer ist die rechte Unterwanderung bei Teilen der Tierschutzbewegung (http://www.redok.de/content/view/615/40/) und in der bäuerlichen Antigen-Technikbewegung in Mecklenburg-Vorpommern ( http://www.linksnet.de/artikel.php?id=3041  .)

Auch die rechte Anti-G8-Kampagne ist mehr als ein Medienhype.. Die Rechten  wollen dieses Mal durchaus nicht nur das Medieninteresse wecken sondern auch Menschen ansprechen, die die Globalisierung für den Verlust ihres Lebensstandards verantwortlich machen.     Schließlich rekrutiert sich auch ein Teil der NPD-Wähler,  die die Partei ins Parlament von Mecklenburg-Vorpommern gebracht haben, aus Menschen, die  sich selbst als Globalisierungsverlierer begreifen.  Jetzt hat die NPD ausgerechnet in dem Land, in dem der G8-Gipfel tagen wird,  durch ihre Parlamentssitze auch eine Infrastruktur für die Proteste. Nicht zuletzt will die NPD im Bündnis mit den  diversen Freien Kameradschaften auch ihre Führungsrolle im rechten Lager beweisen.

Auf zwei bundesweiten "nationalen Aktionstagen gegen den Gipfel der Globalisierer“  ist das rechte Bündnis in den letzten Wochen mit Kundgebungen und Informationsständen  an die Öffentlichkeit getreten.    

Mobilisierungsschwerpunkt Schwerin 

Die zentrale Mobilisierung der Rechten konzentriert sich auf  den 2. Juni in Schwerin. Parallel zur Großdemonstration der nichtrechten globalisierungskritischen Bewegung in Rostock will das rechte Bündnis  der Landeshauptstadt von Mecklenburg-Vorpommern Präsenz zeigen.  Daran ist vor allem der NPD gelegen, wie ihr Sprecher Klaus Baier deutlich machte. „Hier sind die Augen der Weltöffentlichkeit auf Mecklenburg-Vorpommern gerichtet und damit auch auf unsere junge Fraktion im Schweriner Landtag. Wir werden alles daran setzen, um mit unserer Demonstration ein kraftvolles Zeichen gegen die Globalisierung zu setzen“, meinte er.

Nicht dementiert wurden von den  Rechten,  dass  sich Teile ihres Spektrums auch unter die Großdemonstration in Rostock mischen könnten.  Die NPD Mecklenburg-Vorpommern  wehrt sich nur vehement dagegen, mit linken Autonomen auf eine Stufe gestellt zu werden.  „Selbstverständlich ist es nicht ausgeschlossen, dass sich vereinzelt auch Nationalisten an den Protesten gegen den G8-Gipfel in Rostock beteiligen werden. Es ist jedoch absurd, diese bereits im Vorfeld für Randale und Sachbeschädigungen an Privateigentum verantwortlich machen zu wollen ( http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25279/1.html ) .“

Diese Inszenierung als brave Globalisierungsgegner zielt natürlich auch auf ihre Wählerbasis in Mecklenburg-Vorpommern, die vom G8-Treffen genau so überfordert ist wie von dem  bunten  Protesten ihrer Kritiker. Andererseits sorgen die Rechten für ein größeres Medieninteresse, wenn sie eine Beteiligung an den Großaktionen in Rostock nicht explizit ausschließen. Antifaschistische Gruppen bereiten sich auf das Einsickern von Neonazis auf der Demonstration vor ( http://www.antifa.de/cms/content/view/551 ).   Beobachter der rechten Szene halten allerdings eine relevante Beteiligung rechter Kräfte in Rostock für unwahrscheinlich.  

Zwickmühle für Globalisierungskritiker 

Doch schon jetzt hat die Kampagne der Rechten die linken Globalisierungskritiker auf verschiedenen Ebenen in die Zwickmühle gebracht. Vor allem  die explizit antifaschistischen Kräfte in den Bündnissen müssen sich jetzt entscheiden, ob ihnen am 2. Juni der Widerstand gegen den rechten Aufmarsch oder der Protest gegen den G8-Gipfel wichtiger ist. Die  Antifaschistische  Linke Berlin ( http://www.antifa.de/cms/ ), die zu den einflussreichen Kräften in der außerparlamentarischen  Antifa-Bewegung gehört, hat sich für die Beteiligung an der Großdemonstration in Rostock entschieden http://jungle-world.com/seiten/2007/21/9960.php. Andere Antifagruppen wollen am 2. Juni in Schwerin ihren Protest gegen den rechten Aufmarsch mit einer emanzipativen Kritik am G8-Gipfel verbinden (http://schwerin.blogsport.de).    

Doch  das sind nicht die einzigen Schwierigkeiten für nichtrechte Globalisierungskritiker. Teile der Linken werfen ihnen vor, bei aller anerkannten Abgrenzung von den Rechten   mangelnde Trennschärfe bei der Kritik an der Globalisierung zu rechten Positionen vor. Sie nennen als Beispiele eine  verkürzte Kapitalismuskritik, bei der die Globalisierung oft Ausfluss des bösen Willens von Politikern und Industriellen  erscheint.    

Auch seien positive Bezugnahmen auf traditionelle Gemeinschaften in globalisierungskritischen Stellungnahmen dann zu finden, wenn es um Ethnien in Afrika, Asien    oder Amerika geht. Auch eine Verteidigung der Nationalstaaten gegen die Kräfte der Globalisierung seien auch in Texten der nichtrechten Globalisierungskritiker häufig zu finden. Diese Kritik wird von Linken geführt, die sich als Teil der Mobilisierung gegen den G8-Gipfel sieht (http://www.umsganze.de/), aber auch von Zusammenhängen, für die die gesamte Bewegung gegen den Gipfel schon rechts kontaminiert   scheint.

Dagegen spricht Medico-International-Mitarbeiter  Thomas Seibert  im Sinne von Toni Negri von den  „dunklen Seite der Multituden“ ( http://www.linksnet.de/artikel.php?id=2992  ), die sich  sowohl in regressiven islamistischen als auch in nationalistischen und rassistischen Gruppen Europas und Nordamerikas ausdrücken. Diese Debatte wird wahrscheinlich auch nach dem  Gipfel von Heiligendamm nicht abgeschlossen sein.

 Die Rechten zumindest wollen ihre Antiglobalisierungskampagne fortsetzen.. So ist für den 9. Juni ist ein weiterer nationaler Aktionstag gegen Globalisierung geplant. Knapp einen Monat nach den G8-Gipfel, am 7.Juli, plant die NPD im Rahmen ihrer Antikapitalismuskampagne   eine Demonstration in Frankfurt/Main unter dem Motto „Arbeit statt Dividende ( http://www.arbeit-statt-dividende.de/  ). Dort soll die Schließung der Börse und der Erhalt des Sozialsystems nur für Deutsche gefordert werden.

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten den Text vom Autor zur Veröffentlichung für die Juni-Ausgabe.