Bernard Schmid berichtet aus Frankreich
Paris : Umgruppierung auf der französischen extremen Rechten in vollem Gange
Neue rechtsextreme Sammlungsbewegung am 1. Juni gegründet: La Nouvelle droite populaire

06/08

trend
onlinezeitung

Die französische extreme Rechte ist seit dem Sonntag, 1. Juni um einen neuen organisatorischen „Pol“, der Kräfte um sich herum zu kristallisieren versucht, reicher. Allerdings dementierte Jean-François Touzé, langjähriger Kader des Front National (FN), der zu den führenden Köpfen des Neugründungsversuchs zählt, die zuvor durchaus erkennbare Absicht, eine neue politische Partei zu formieren. Mutmablich vorwiegend deswegen, weil der Sammlungsversuch nicht so schnell heranwächst, wie jene, die ihn lanciert haben, es gerne gesehen hätten. (Im Dezember 08 soll nun ein erster "Kongress" der Organisation abgehalten werden - auf der die Neugründung sich möglicherweise in eine politische Partei umwandelt bzw. umbenennt.)

Bereits mehrere Parteien „unseres Lagers“ seien vorhanden, erklärte Touzé am Sonntag gegen 17 Uhr zum Abschluss des „nationalen Konvents“, bei dem die neue Sammlungsbewegung unter dem Namen ‚Nouvelle droite populaire’ (NDP, ungefähr: Den kleinen Leuten verbundene neue Rechte) offiziell ins Leben gerufen wurde. Dazu zählte er den FN, den  vor knapp zehn Jahren von ihm abgespaltenen MNR (Mouvement national républicain) und den nationalkonservativen MPF (Mouvement pour la France) von Philippe de Villiers auf. Allerdings seien diese Parteien strategisch in der Sackgasse und in ihrer Entwicklung blockiert. Den MNR sah Touzé zudem seit dem Ende Mai 08 verkündeten Abgang seines Ex-Vorsitzenden Bruno Mégret, der seinen Rückzug aus dem politischen Leben ankündigte, in einer tödlichen Krise (wörtlich „einer Krise, von der sich meiner Auffassung nach nicht wieder erholen wird“) stecken. In dieser Situation, so Touzé, gehe es nicht darum, den vorhandenen Parteien eine neue hinzuzufügen, sondern an Ideen, technischen Konzepten und „Lösungen“ zu arbeiten. Der frühere FN-Kader wörtlich: „Wir müssen darstellen, wie wir die Illegalen auber Landes schaffen wollen, wie wir das monströse Staatsbürgerschaft ändern und den Doppelstaatsbürgerschaften ein Ende setzen wollen. Wir müssen deutlich machen, wie wir aus dem Europa der Zwerge von Brüssel aussteigen, und vor allem, was wir an dessen Stelle setzen wollen.“ Zuvor hatte der lothringische Regionalparlamentarier Jean-Philippe Wagner - ehemals FN - vor allem auch ökonomische „Sachkompetenz“, die er in sehr wirtschaftsliberalem Sinne verstanden wissen mochte, eingefordert.

Ein Sonntag Nachmittag unter Faschisten

Aber der Reihe nach! Am vergangenen Sonntag um 14 Uhr war der Termin für den „nationalen Konvent“ oder die „nationale Zusammenkunft“ (convention nationale), die den Startschuss für die Gründung der NDP geben sollte, angesetzt worden. Auf den Namen hatte man sich in den vorangegangenen Wochen geeinigt, nachdem bereits am 29. März ein Gründungskomitee unter dem provisorischen Namen ‚Initiativkomitee für die Neugründung’ entstanden war. Am 27. April traten die Gründerköpfe erneut zusammen und nahmen u.a. den neuen Organisationsnamen an. Dieser enthält eine doppelte Anspielung auf rechtsextreme Strömungen bzw. „Bewegungen“ der Vergangenheit. Einerseits auf die ‚Nouvelle Droite’ (oftmals grobschlächtig mit ‚Neue Rechte’ übersetzt, wobei letzterer Begriff im Deutschen eine wesentlich allgemeinere und unpräzisere Bedeutung hat), also jene intellektuelle Fraktion um Alain de Benoist, die nach der Niederlage der extremen Rechten in der Phase der französischen Kolonialkriege in den späten 60er Jahren entstand und in den 70ern für eine Neubegründung der Konzepte des rechten Lagers eintrat. In den späten 70er und frühen 80er Jahren setzten führende Vertreter dieser Strömung auf einen Entrismus (ungefähr: Unterwanderungsstrategie) im konservativ-liberalen Block, bevor die Mehrzahl von ihnen sich ein paar Jahre später beim seit 1983 zur Massenpartei aufstrebenden FN wieder fand. Der Front National wiederum hatte sich seit seiner Gründung im Oktober 1972 selbst als ‚droite nationale, sociale et populaire’ (also „Nationale, soziale und den kleinen Leuten verpflichtete Rechte“) definiert. Die Selbstbenennung der neuen NDP spielt also auf beide Bezeichnungen an.

 Am 1. Juni um 14 Uhr also waren die Kader und Sympathisanten in den Salon eines Pariser Hotels (dem Novotel Vaugirard) in der rue de Vaugirard, im mittelständisch geprägten 15. Bezirk im Südwesten von Paris, einberufen worden. Dasselbe Hotel diente bereits, unter anderem, zur Abhaltung des Wahlabends von Bruno Mégrets MNR am 21. April 2002 (vgl. http://didier-hacquart.over-blog.com/15-categorie-1062552.html) und zur Abhaltung der Pressekonferenz vom 23. Mai 2008, auf der Mégret seinen Rücktritt aus der Politik bekannt gab. Es handelt sich also um einen "alten" Veranstaltungsort der rechtsextremen Mégret-Partei, deren bisheriger Parteisitz in der rue de Cronstadt im 15. Arrondissement in der Nähe liegt, und deren Personal- bzw. Funktionärsbestand sich - worauf auch sonstige Indizien hinweisen - zum Teil mit der Neugründung überschneidet.

Vor Ort erwies sich, dass der Raum neun Sitzreihen à 14 Sitzplätze aufweist, also grob 130 Personen fasst. Er war am Anfang annährend und später gut gefüllt (zeitweise schienen die Sitzgelegenheiten knapp zu werden), wobei die Personen mit 50 Jahren und darüber sichtbar in der Mehrheit waren. Einlasskontrollen gab es keine, nur mussten die Eintritt Begehrenden einen Teilnahmebeitrag von sieben Euro entrichten. Am Einlass wie später am Ausgang wurde man geradezu genötigt, Kontaktformulare und Beitrittsgesuche auszufüllen.

Am Anfang wurde eine längere Power Point-Präsentation gezeigt, die illustrieren sollte, worum es den Gründern der NDP ging. Man sah zunächst hässlich wirkende Bilder von Immigranten, die in Zusammenhang mit „kriminellen Szenen“ oder islamistischen Demonstrationen und „Hasspredigten“ gezeigt wurden. Ein Slogan machte die Grundphilosophie deutlich: „Nicolas Sarkozy hatte den Kärcher (Anm.: Hochdruckreiniger) versprochen – Aber er hat ihnen Ministerien gegeben!“ Dazu wurden Bilder von drei derzeitigen Regierungsmitgliedern gezeigt: Rama Yadé, die (schwarze) Staatssekretärin „für Menschenrechte“, die im Senegal geboren wurde, Justizministerin Rachida Dati (ihre beiden Eltern stammen aus Marokko und Algerien) und die Staatssekretärin für die Vorstädte, Fadela Amara. Der Zusammenhang war klar und eindeutig: Alle Gezeigten werden laut Auffassung der Urheber der Präsentation durch ihre „Rassenzugehörigkeit“ definiert und sind – als Vertreterinnen ihrer „Rasse“ – verantwortlich für die Umtriebe ihrer „Blutsverwandten“ etwa in den sozialen Problemzonen der Banlieues (Trabantenstädte). Denn die Auslassungen des damaligen Innenministers Sarkozy über den Hochdruckreiniger – „le Kärcher“, unter Anspielung auf die deutsche Herstellerfirma -, mit dem er im Juli 2005 die Trabantenstädte „säubern“ zu wollen erklärte, bezogen sich in dessen eigenen Worten auf dort anzusiedelnde „illegale Einwanderer, Drogendealer und Gesetzesbrecher“. Später hat Sarkozy es gleichzeitig geschafft, die bislang „multiethnischste“ Regierung, die Frankreich je aufwies, zusammenzustellen und zum ersten Mal Einwanderertöchtern „Schlüsselministerien“ wie das Justizressort anzubieten – was allerdings mehr über die mangelnde „Durchmischung“ bisheriger Regierungen und zudem über die politische Feigheit der etablierten Linksparteien aussagt, als über die Politik Sarkozys.

Nach solch „extremistischen“ Tönen gegenüber Mitgliedern eines amtierenden konservativen Kabinetts, bei denen selbst Jean-Marie Le Pen heutzutage eher vorsichtig wäre, folgte die Einblendung von Gesichtern, die im Publikum Applaus hervorriefen: Gianfranco Fini, Silvio Berlusconi (samt Ehefrau), Umberto Bossi von der Lega Nord, Christoph Blocher von der ‚Schweizerischen Volkspartei’ SVP, Heinz-Christian Strache von der österreichischen FPÖ, Repräsentanten des belgisch-flämischen Vlaams Belang (VB). Dies wiederum macht einen weiteren Unterschied zum „klassischen“ FN auf, denn Jean-Marie Le Pen betrachtet zumindest Fini, Berlusconi und Blocher – unter der „schwarz-blauen“ Regierung im Jahr 2000 aber auch die damalige FPÖ unter dem später ausgeschiedenen Jörg Haider – als „Systemparteien“ oder „Juniorpartner des Establishments“. Letztere, so warf Le Pen ihnen vor, verkauften „ihre Seele für ein paar Ministersessel“.

Im Anschluss wurden noch Bilder gezeigt, die Identifikationssymbole für die angestrebte (rassische bzw. abendländische) Identität zeigen sollen und im Saal durch Ah- und Oh-Rufe sowie Applaus quittiert wurden: die Akropolis in Athen, die keltische Kultstätte in Stonehenge, der Mont Saint-Michel in der Normandie, die Festungsanlagen von Besançon und La Rochelle, der Kölner Dom und das nächtlich angestrahlte Brandenburger Tor. Gefolgt von Slogans für ein Europa, „das sich verteidigt“, „sich seiner Identität bewusst ist“, Einblendungen von elsässischem Sauerkraut, Bildern von Mittelalterfestivals, von Traktoren, Panzern und Kampfflugzeugen.

Doppelte Kritik am klassischen Profil des Front National

Das durch die neue NDP gewünschte Profil zeichnet sich also durch eine doppelte Kritik am „klassischen“ FN aus.

Einerseits wird ihm vorgeworfen, beim Thema des (offenen) Rassismus viel zu viel „Wasser in seinen Wein geschüttet“ zu haben. Denn parteioffiziell wirbt der Front National seit den Wahlkämpfen von 2006/07 nun auch um die französischen Staatsbürger/innen migrantischer Herkunft. Die „Cheftochter“ Marine Le Pen rechtfertigte diese strategische Richtungsentscheidung im März 2008 (in einem Chat auf der Webpage von ‚Le Monde’ mit Leser/inne/n der Pariser Abendzeitung) dadurch, dass sich 2002 beim Einzug in den zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahl erwiesen habe, „dass man keine Sammlungsstrategie innerhalb von 14 Tagen (zwischen den beiden Wahlgängen) erfolgreich einlegen kann, um die Ergebnisse von Jahren der Dämonisierung und Diabolisierung zu beseitigen“. Deswegen müsse der FN schon sozusagen unter dem Jahr, vor den entscheidenden Wahlterminen, eine Strategie der „Sammlung des französischen Volkes“ und der „Entdiabolisierung“ verfolgen. Eine Strategie seiner Tochter und mutmablichen Nachfolgerin, die Jean-Marie Le Pen unterstützte – was ihn nicht daran hinderte, einen Franzosen migrantischer Herkunft namens Nicolas Sarkozy wiederholt (und zuletzt Ende Mai dieses Jahres) dezidiert aufgrund seiner „ungarischen Herkunft“ für untauglich für das höchste Staatsamt zu erklären. Unterdessen hat Alain Soral, der Vordenker und Berufsprovokateur, der Jean-Marie und vor allem Marine Le Pen berät, einen Namen für die (formell?) umworbenen Nachwuchsfranzosen gefunden: ‚Français de branche’ (Franzosen vom Ast), im Gegensatz zu den im allgemeinen Sprachgebrauch so genannten ‚Français de souche’ (wörtlich „Wurzelfranzosen“, womit im Alltag die Franzosen nicht-migrantischer Herkunft bezeichnet werden). Eine Konzeption, die bei den Hardlinern und lupenreinen Rassenideologen der extremen Rechten wiederum Tobsuchtsanfälle auslöst. So erklärte Pierre Vial, der wohl nazi-nächste herausragende Repräsentant der französischen extremen Rechten und Chef des Clubs ‚Terre et peuple’ (Volk und Erde) in einer Grubbotschaft, die bei der NDP-Gründungsversammlung verlesen wurde und Beifall erntete, wörtlich: „Der Kampf gegen die Invasoren scheint heute durch diejenigen aufgegeben zu werden, die sie (die Eindringlinge) als ‚Zweige des Baumes Frankreich’ bezeichnen.“

Auf der anderen Seite wird Jean-Marie Le Pen aber auch sein „mangelnder Wille zur politischen Macht“ zum Vorwurf erhoben. Tatsächlich hat der alternde FN-Chef (der in diesem Monat 80 Jahre alt wird) mindestens in den letzten zehn Jahren eine Konzeption verfolgt, die von der nahezu mystischen Erwartung eines Heilsmoments geprägt ist: In der Stunde einer groben Krise werde das französische Volk – das dann schon einsehen werde, dass er, Le Pen, mit seinen finsteren Prophezeihungen vom drohenden Untergang des (weiben) Abendlandes doch Recht hatte – ihn als den Retter herbeirufen. Bis dahin aber lehnte Le Pen faktisch jegliche Beteiligung an einer „realpolitischen“ Strategie der Machteroberung oder –beteiligung, gar in einer Position als Juniorpartner bürgerlich-konservativer Kräfte, faktisch (als Zeitverschwendung oder „Veräuberung seiner Seele“, jedenfalls als pure Nerverei) ab. Hingegen setzten schon seit 1994 „Dissidenten“ innerhalb seiner Partei, damals auch ein gewisser Bruno Mégret – sein damaliger Chefideologe – auf eine Nachahmung des „italienischen Bündnisses“ zwischen Rechten und Rechtsextremen, das damals unter Berlusconi erstmals (vorübergehend) die Regierungsgeschäfte übernahm.

Auch heute ist dieses Motiv der Abgrenzung von dem „machtunwilligen oder –unfähigen“ Le Pen nach wie vor aktuell. Bei den NDP-Gründern setzt man offen auf eine Unterstützung der (und durch die) erfolgreichen, zum Teil am Regierungsgeschehen beteiligten rechtsextremen oder rechtspopulistischen Kräfte in Europa. Der seit April amtierende "post-neofaschistische" Bürgermeister von Rom, Gianni Alemanno, wurde der Konferenz vom Sonntag etwa als "aus unseren Reihen hervorgegangen" präsentiert. Und so entsandte neben anderen Figuren auch der Europaparlamentarier der norditalienischen, rassistisch-föderalistischen Lega Nord und frühere Staatssekretär Mario Borgezio eine Grubbotschaft an die Versammlung der neuen NDP. Darin kündigte er an, „die vier Minister der Lega Nord“ in Rom würden in Bälde „eine Initiative ergreifen, um eine Volksabstimmung über den Lissaboner Vertrag (den neuen EU-Vertrag, der an die Stelle des 2005 gescheiterten Verfassungsentwurfs tritt) zu fordern“. Diese Ankündigung erntete breiten Applaus im Saal. - Und ferner bewertete Jean-François Touzé, einer der Gründungskader der NDP (nachdem er schon seit den 80er Jahren aktiv war, und sich zwischen 1995 und 1998 kurzzeitig als eigener Parteigründer mit einem 'Parti national-républicain' versucht hatte), die bisherige Regierungsbilanz von Präsident Nicolas Sarkozy in seiner Ansprache vom Sonntag nicht gänzlich negativ. Während der "klassische" FN kein gutes Haar an dieser Bilanz lässt, äußerte Touzé sich immerhin zu einigen Aspekten von Sarkozys Politik durchaus positiv. So nannte er folgende Punkte, bei denen "kleine Schritte" in die richtige Richtung unternommen worden seien: die Arbeitszeitverlängerung (geplante Abschaffung der 35-Stunden-Woche), das Steuererleichterungspaket (für Mittel- und Oberklassen) sowie den 'Service minimum' (oder regierungsamtlichen Versuch zur Einschränkung des Streikrechts in den öffentlichen Diensten). Allerdings ging ihm dies alles absolut nicht weit genug, und bei der Einwanderungspolitik habe Sarkozy sogar "Rückschritte" gezeigt, da viel zu wenige "illegale" Zuwanderer abgeschoben und sogar Neuzuwanderer ins Land gelassen würden.

Ferner wird dem „klassischen“ FN unter Le Pen von dem am Sonntag Versammelten aber auch mangelnde Europatauglichkeit vorgeworfen. Dieser Vorwurf ist zum (kleineren?) Teil auch „realpolitisch“ begründet. Zum Anderen verweist er aber auch auf einen bereits älteren ideologischen Streit um die Ausrichtung der französischen extremen Rechten, da ein Teil dieses Spektrums seit längerem für einen positiven Bezug sowohl auf die „regionale und europäische Identität“ (die rassisch begründet wird) als auch auf die französische Nation eintritt. Und sich damit vom Mainstream des klassischen FN, der traditionell am französischen Nationalstaat (wie ihn die Monarchie, der späte Jakobinismus und der Bonapartismus hinterlassen haben) festhält, absetzt. Diese Position ist bei den Gründern der NDP zumindest auch, und zwar führend, vertreten. So setzte sich Robert Spieler, der im März – zwecks Teilnahme an der Gründung der NDP in führender Position – vom bisher innegehabten Vorsitz der rechtsextremen Regionalpartei Alsace d’abord (Elsass zuerst) zurücktrat, am Sonntag für eine entsprechende Konzeption ein. Hinter ihm wurde zudem auf der Leinwand durch Power Point das Motto „Verteidigen wir unsere regionalen, nationalen und europäischen Identitäten“ eingeblendet. (Trotz seines Rücktritts vom Amt scheint seine bisherige Formation, Alsace d’abord, 1988 aus einer regionalen Abspaltung vom FN hervorgegangen, an der NDP-Gründung teilzunehmen. Im Saal wurde jedenfalls auch der derzeitige Alsace d’abord-Kandidat zu einer örtlichen Wahl, der General Alain Voelckel – jaja, auch im Elsass wird eifrig rumgevölkelt – durch das Podium und die applaudierenden Teilnehmer begrübt.)

 Hingegen ‚outete’ sich Jean-François Touzé kurz darauf, zum Abschluss der Konferenz, als einen „Nationalen“, da die französische Nation auch „eine spirituelle Dimension“ habe. Spieler, der ideologischen Unterschiede wohl bewusst, hatte zuvor selbst erklärt, für unterschiedliche Konzeptionen müsse Platz bei der NDP sein. Lediglich wer gar nichts zur Verteidigung der drei genannten Identitäten beitrage (weil er oder sie „etwa der Meinung ist, sie“ – die Immigranten und  ihre Nachfahren – „seien nun einmal da, und deswegen müsse man jetzt mit ihnen zurecht kommen“, eine Anspielung auf die integrationistische Diskursstrategie der „Modernisierer“ beim FN), habe keinen Platz bei der ‚Nouvelle droite populaire’. Neben ihm hatten etwa auch die früheren FN-Regionalparlamentarier im ostfranzösischen Lothringen, Jean-Philippe Wagner und François Ferrier, jetzt Köpfe ihrer eigenen Fraktion unter dem Namen ‚Identité nationale et tradition’, für einen „realistischen“ Europabezug plädiert. Wagner führte dazu an, zahlreiche Arbeitnehmer aus seiner ostfranzösischen Region arbeiteten als Grenzgänger in Luxemburg, und man benötige ein Konzept für solche Phänomene. Der klassische FN hingegen habe keine Konzepte und weise keine wirtschaftspolitische Kompetenz auf. Ansonsten, so könne er nur hoffen, plädierte Wagner, werde sich Europa gewappnet zeigen, um den "Wirtschaftskrieg, der ihm bereitet wird" (gegen die USA und gegen Asien) zu gewinnen. Und er zitierte den Nazi-Staatsrechtler Carl Schmitt: Falls ein Volk politisch untergehe, da es sich zu schwach erweise, sei dies "nicht das Ende der Politik, sondern nur das Ende eines zu schwächlichen Volkes"; er hoffe, dass dem abendländischen Europa dieses Schicksal erspart bleibe.

Vorläufige Bilanz

Alles in allem ähnelt diese Kritik, die da an der traditionellen Orientierung eines Jean-Marie Le Pen (in den letzten Jahren) vorgebracht wird, stark jener, die der MNR nach seiner Abspaltung vom Front National im Winter 1998/99 vortrug. Auch er profilierte sich mit einer doppelten Abgrenzung vom FN, „nach rechts“ hin (weil die FN-Führung es mit der Rassenlehre nicht mehr genau genug nehme) und „in die Mitte“ hin (aufgrund mangelnder „Realpolitikfähigkeit“ Le Pens). Allerdings hat der MNR damit nie den Durchbruch zur Massenpartei geschafft, da er den Versuch einer Sammlung enttäuschter Kader und Aktivisten am FN bildete und eine „interne“ Kritik an dessen dominanter Linie ausdrückte – aber nie die „einfachen“ Wähler anzusprechen und zur „Massenebene“ vorzudringen vermochte. (FUSSNOTE 1)

Wird der NDP ein ähnliches Schicksal drohen? Diese Frage ist im Augenblick noch offen. Tatsächlich bietet auch sie das Bild eines Sammlungsversuchs, der zunächst ausschlieblich aus internen Widersprüchen beim FN, oder allgemein bei der (parteiförmig) organisierten extremen Rechten, resultiert. Das Echo „auf Massenebene“ bleibt damit ungewiss. Allerdings ist die Krise des FN, dessen Apparat momentan nur noch in widerstreitende Clans und Cliquen aufgelöst erscheint und die mit der ungelösten „Nachfolgefrage“ an der Parteispitze verbundene Krise derzeit nicht bewältigen kann, heute ungleich weiter fortgeschritten als noch vor 10 Jahren (bei Entstehung des MNR). Vom Augenschein her besteht eine gewisse Parallele zu dem Sammlungsversuch (vorübergehend gescheiterter Parteipolitiker), der 1991 in Deutschland vor dem Hintergrund der Krise der „Republikaner“ (REPs) gestartet wurde und an dem ehemalige Führungskader der REPs wie Harald Neubauer oder der NPD wie Jürgen Schützinger teilnahmen – unter dem Namen „Deutsche Liga für Volk und Heimat“. Allerdings entstand aus der, global erfolglosen, DLVH zumindest auf örtlicher Ebene, in Köln, die Keimzelle für eine später relativ erfolgreiche örtliche rechtspopulistische Partei alias „Bürgerbewegung“ namens ‚Pro Köln’. Sicherlich vor dem Hintergrund einer mangelnden Integrationsfähigkeit der bundesweit vertretenen rechtsextremen Parteien, mögen sie nun REPs, NPD oder auch DVU heiben. - Am Rande bemerkt: Pikant dürfte sein, dass die "Bürgerbewegung Pro Köln", die am 19. und 20. September dieses Jahres in Köln einen europaweiten Anti-Islam-Kongress abhalten wird (sofern sie dafür Räumlichkeiten genehmigt bekommt), dazu allem Anschein nach sowohl Jean-Marie Marie Le Pen vom FN als auch Robert Spieler einladen möchte. Die nun zwei konkurrierenden Organisationen bzw. Quasi-Parteien angehören …

Der französische MNR, dessen Vorsitzender Bruno Mégret nun Ende Mai seinen „Rückzug aus dem politischen Leben“ (und den Antritt einer Erwerbsarbeit „bei einem groben Unternehmen im Ausland“) ankündigte, sollte ursprünglich an dem neuen Sammlungsversuch in Gestalt der NDP teilnehmen. Allerdings hat dieses Unterfangen die, inzwischen auf den Status einer Splittergruppe geschrumpfte, Partei – möglicherweise für ein letztes Mal – gespalten. Denn während es einen Teil des MNR in die neue Sammelbewegung zieht, in deren Vorstand etwa das MNR-Führungsmitglied Yann Phélipeau sitzt, widersetzt sich ein anderer Teil seiner Führungskader dieser Orientierung. Sie plädieren wiederum für eine (Wieder)Annäherung an den „klassischen“ FN und eine Aussöhnung mit Marine Le Pen, die ihrerseits seit dem 31. Mai eine „ausgestreckte Hand“ anbietet (wohl, weil sie ihrerseits fürchtet, ansonsten eine neue rechtsextreme Sammlung neben ihrer Partei entstehen zu sehen, vgl. http://www.lemonde.fr Aus diesem Grunde verkündete Annick Martin, die Vizepräsidentin des MNR, die an der Gründungsveranstaltung vom 1. Juni teilnehmen sollte, auch in einer Grubbotschaft an den Saal, dass und warum sie nicht kommen werde. „Vor dem 22. Juni“, also der nächsten nationalen Vorstandstagung des MNR, bei der über die Ersetzung des ausscheidenden Vorsitzenden Bruno Mégret entschieden werden wird, nehme sie „an keiner Initiative teil, die zu Missverständnissen führen und Anstob erregen könnte“. Wohl ein Anzeichen der tiefen Gräben, die derzeit die Führungsetagen des MNR durchziehen. Wenigstens eine rechtsextreme Formation dürfte also möglicherweise demnächst „draufgehen“...

FUSSNOTE 1:

Anmerkung: Zunächst waren die Unterschiede im inhaltlichen Profil beider Parteien nach außen hin, für das breite Publikum, kaum oder gar nicht erkennbar. Intern wetzte sich die Kritik der Mégretfraktion unterdessen an der "Verweigerung der Macht" (bzw. der erforderlichen Schritte in Realpolitik, um dorthin zu gelangen) durch Le Pen sowie an einer "unzulässigen Verwässerung" der Ausländerhetze durch dessen Umgebung - vgl. oben.

Später, insbesondere ab den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York und Washington D.C. und der durch sie eingeleiteten neuen Internationalen Polarisierung, driftete das politische Profil beider Parteien auch nach außen hin erkennbar auseinander. Der MNR, der aufgrund ausbleibender Wahlerfolge bereits in einen Schrumpfungsprozess eingetreten war, ergriff daraufhin die politische Offensive und ging zu offen pro-amerikanischen und auch pro-israelischen Positionen über - um zugleich offen einen "Krieg der Kulturen gegen den Islam" und "die Verteidigung der europäischen Zivilisation (gegen die Moslems)" zu predigen. Dieser Positionswechsel gegenüber traditionellen Positionen der extremen Rechten in Frankreich, die (jedenfalls nach dem Ende das Kalten Krieges und der Blockkonfrontation ab 1989) auf Distanz auch zu den USA gegangen waren, sollte ihm zugleich eine Annäherung an bürgerlich-konservative und nationalliberale Kräfte erleichtern. Hingegen hielt der "klassische" FN damals an einer doppelten Abgrenzung, sowohl von den USA und dem Atlantizismus (aus nationalistischen Beweggründen) als auch zu "dem Islam" (aufgrund des schon immer kultivierten Anti-Einwanderer-Rassismus), fest. Diese Unterschiede im ideologischen Profil bewegten - auf die eine oder andere Weise - allerdings nur die Vordenker und ideologisch gestählten Aktivisten der unterschiedlichen Aktivisten innerhalb der extremen Rechten. In den Augen des breiten "Massenpublikums" waren diese Profilunterschiede nur von geringem Interesse: Da für die breite Wählerschaft aller beider rechtsextremer Parteien allein die "Ausländerfrage" (bzw. Immigranten-Raus-Rhetorik) sowie ein wenig der "Sozialdiskurs" (soziale Versprechungen, Demagogie, Schüren von Sozialneid) im Vordergrund stehen, konnte ihre Massenanhängerschaft auch danach nur geringe Unterschiede - im Tonfall - zwischen FN und MNR ausmachen. Die außenpolitische Orientierung und andere "Spitzfindigkeiten" dürften an der breiten Sympathisantenmasse von FN und MNR jedenfalls eher vorbeigegangen sein. Umso wichtiger sind solche ideologischen Ausrichtungsfragen allerdings für die Kader, Ideologen und spezialisierten Publikationen in den eigenen Reihen der extremen Rechten.

Zu diesen Fragen nimmt die neue NDP übrigens eher Positionen ein, die den bislang vom MNR eingenommenen ähneln: Die Abgrenzung und scharfe Frontstellung gegen "den Islam" steht stark im Vordergrund. Im Namen der Veranstalter stellte dort Jean-Claude Rolinat, Autor der Zeitschrift 'Synthèse nationale' (die aus dem Umfeld von Jean-François Touzé heraus entstand) und früheres MNR-Mitglied bis im Jahr 2006, die außenpolitischen Konzeptionen der "neuen" extremen Rechten dar. Dazu zählte vor allem die Rechtfertigung und Apologie des französischen Kolonialismus - es sei eine sträfliche Dummheit gewesen, die (ehemals französische) Sahara mit ihren  dem unabhängig gewordenen Algerien zu "überlassen", und deshalb bezahle man jetzt hohe Erdöl- und Erdgaspreise; in Zimbabwe und Südafrika sei die Situation unter dem britischen Kolonialismus bzw. dem Apartheid-Regime besser gewesen als heute usw. Ansonsten sprach sich Rolinat aber auch dafür aus, autoritäre arabische Regimes zu unterstützen, weil es gelte, deren islamistische Opposition zu unterdrücken und "die Machtübernahme durch Fanatiker zu verhindern". Von den USA grenzte er sich ab, wollte aber keine Schärfe in seine Distanzierung hinein kommen lassen: Solange es den sowjetischen Block gegeben habe, sei es gut gewesen, dass die NATO (und damit auch die US-amerikanische Militärmacht) die Freiheit des Abendlands "beschützt" hätten. Allerdings sei heute der Aufbau einer europäischen Militärmacht erforderlich, die "falls nötig" auch den Bruch mit dem Nordatlantik-Pakt impliziere. Seine Abgrenzung von den USA fällt damit um Einiges moderater aus jene als jene von Jean-Marie Le Pen, dem zufolge ein von jenseits des Atlantik kommender 'Mondialisme' (Globalismus) die um ihre nationale Freiheit ringenden Völker unterjocht.

Editorische Anmerkungen

Der Text  wurde uns vom Autor für diese Ausgabe zur Verfügung gestellt.