Betrieb & Gewerkschaft
Boesner: Demokratie auch für ArbeiterInnen?
Protestaktionen vor Boesner-Fililaen in 5 Städten
von IWW

06/08

trend
onlinezeitung

Am Samstag dem 7. Juni 2008 fanden zwischen 10 und 13 Uhr Protestaktionen von den Filalen der Künstlerbedarfskette boesner in Köln, Frankfurt am Main, Berlin, Wien und Graz statt. Es ging um die Verhinderung einer Betriebsratswahl im Januar 2008 in Köln und die Einführung der Samstagsarbeit am 7. Juni 2008 in der Kölner Filiale. Zwischen beiden Ereignissen besteht ein direkter Zusammenhang.

Es wurden Flugblätter an die Kundschaft verteilt, Redebeiträge gehalten, lautstark und sichtbar auf die Behinderung und Einschüchterung aktiver und kritischer ArbeiterInnen durch die Geschäftsleitung bei Boesner Köln hingewiesen. Nicht wenige Kundinnen und Kunden fühlten sich angesprochen und solidarisierten sich mit den Protestierenden.

Aufgerufen hatten die Industrial Workers of the World (IWW) im deutschsprachigen Raum. Die IWW ist in der Kölner Filiale durch Mitglieder vertreten und hat die versuchte Betriebsratsgründung in Köln in Zusammenarbeit mit der Belegschaft begleitet. Betriebsratsgründung verhindert

In der Kölner Boesner-Filiale arbeiten ca. 25 abhängig Beschäftigte. Laut Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) dürfen sie einen Betriebsrat mit drei Mitgliedern (und drei Stellvertretern) wählen. Als eine Gruppe von Angestellten Anfang 2008 von diesem demokratischen Recht Gebrauch machen wollte, führte sich die Geschäftsführerin und Gründerin der Kölner Filiale, Carmen Gieselmann, auf, als wollte man sie enteignen und ihr
Privatvermögen in eine gemeinnützige Stiftung überführen.

Der Paragraph 119 des BetrVG stellt zwar jegliche Beeinflussung einer Betriebsratswahl unter Strafe. Das kümmerte Frau Gieselmann allerdings wenig. Sie setzte zwei außerordentliche Betriebsversammlungen nach Feierabend an, auf denen sie - flankiert von ihren Günstlingen - die Belegschaft mit Drohungen und rhetorischen Manövern in die Ecke trieb und unter Rechtfertigungsdruck setzte. Es gab im wörtlichen Sinne Geschrei und Geheule. Zudem wurden Beschäftigte in Einzelgesprächen unter Druck gesetzt. Die massive Einflussnahme verfehlte ihre Wirkung nicht. Der aktive Teil der Belegschaft zog die Betriebsratswahl entnervt zurück, nachdem eine zunächst sicher scheinende Mehrheit abschmolz.

Zur Strafe: Samstagsarbeit

Die Einführung der Samstagsarbeit ist nun die Quittung für die abgebrochene Betriebsratswahl. Zur Abdeckung des 6. Arbeitstages gibt es bislang keine Neueinstellungen oder Wochenendzuschläge. Vielmehr wird die Personaldecke an den einzelnen Tagen verkleinert, so dass z. B. an der Kasse fortan 4 Leute stehen, anstatt wie bisher 5. Der Arbeitsdruck, der zu Stoßzeiten schon erheblich ist, wird sich somit weiter steigern.

Boesner-Holding: Expansion nach amerikanischem Vorbild

Die Boesner-Kette hat in Deutschland momentan ca. 24 Filialen. Nach unseren bisherigen Informationen gibt es lediglich in der Filiale Witten einen Betriebsrat. Warum ist das so? Über eine Holding versucht Boesner sein Business offenbar nach amerikanischen Vorbildern umzugestalten und weiter zu expandieren. So stoßen Pläne in der Belegschaft auf Ablehnung, nach dem Vorbild von Hamburger-Ketten und Baumärkten eine einheitliche
Berufskleidung einzuführen, die aus selbstbewussten und individuell gekleideten Angestellten zum Verwechseln ähnliche durchgestylte Service-Sklaven machen soll. Betriebsräte sind vermutlich unerwünscht, weil sie die ungehemmte Expansion und beliebige Umgestaltung der Boesner-Kette bremsen könnten.

Wir fordern:

  • Samstagsarbeit in Köln nur mit zusätzlichem Personal und
    Wochenendzuschlag oder gar nicht!
  • Anerkennung des Rechts auf eine unabhängige betriebliche
    Interessenvertretung und gewerkschaftliche Organisierung!

Auch wir ArbeiterInnen können expandieren!

An diesen ersten Protesten nahmen Mitglieder der Industrial Workers of the World (IWW), der Freien ArbeiterInnen-Union (FAU) und der österreichischen Föderation der ArbeiterInnen-Syndikate (FAS) sowie aktive Mitglieder anderer Gewerkschaften teil.

Sollten bei Boesner in Köln die Rechte der ArbeiterInnen in Zukunft nicht respektiert, werden, sind wir willens und fähig, zusammen mit unseren FreundInnen und UnterstützerInnen den öffentlichen Druck weiter zu erhöhen, ihn auf zahlreiche Städte - auch außerhalb des deutschsprachigen Raums - zu erweitern.

Wir bitten um Berichterstattung!

Heiner Stuhlfauth / Delegierter der IWW Köln (stuhlfauth[a]wobblies.de)

PS: Die IWW Köln ist daran interessiert, Kontakt zu Beschäftigten aus anderen boesner-Filialen zu bekommen. Interessierte können unter folgender Mail-Adresse Kontakt mit den Kölner KollegInnen aufnehmen: boesner[a]wobblies.de .

 

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir von  faub-presse@list.fau.org