Betrieb & Gewerkschaft
Streik in Berliner KiTas geht weiter

von
Autonome Anarchist_In

06/08

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Diese Woche (25.KW) gibt es wieder Streiks. Nachdem letzte Woche Mittwoch in Schöneberg und Donnerstag in Wedding die südlichen Berliner Bezirke mit Streiks dran waren, sind es diese Woche die Nördlichen. Es fing Dienstag an mit einer Kundgebung am Roten Rathaus, gestern eine Demo vom Rathaus Pankow zum Garbatyplatz und heute eine Demo vom Rathaus Charlottenburg zum Ernst-Reuter-Platz und zurück.

Nachdem letzte Woche schon über die Streiks berichtet wurde, startete diese Woche der DGB eine Art Aktionswoche. Nachdem der "Koordinierungskreis gewerkschaftlicher Erwerbslosengruppen" des DGB-Berlin zum Montag, den 16. Juni um 11 Uhr zu einer Kundgebung auf den "Platz des 18. März" aufgerufen hatte um für die Erhöhung des Regelsatzes des Arbeitslosengelds II, auch bekannt als das "Hartz IV" Gesetz, zu demonstrieren, rief nun Ver.di einen Tag später zu einer Kundgebung in der Jüdenstraße am "Roten Rathaus" auf!

Die Kundgebung fand diesmal am 17.Juni um 8 Uhr morgens statt. es waren ca 200 Angestellte von berliner Grünflächenämtern und Friedhofsgärtnereien da. Es war schon ehrlich gesagt ein sehr trauriges Bild. Ob das nur mit meiner Wahrnehmung zusammenhängt weiß ich ehrlich gesagt nicht. Angekündigt war ein ehrenvolles, solidarisches Gedenken an den Arbeiteraufstand in der DDR indem man ihn sozusagen, wenigstens medial-populistisch, wiederholt. Keine Ahnung wieviel hunderttausend Arbeiter_Innen sich an Aufständen so beteiligen, aber 200 schien mir ein bisschen wenig. Es mag ja sein das vielleicht 700 in den Streiklisten standen oder später heimlich nochmal ein paar hundert hingegangen sind. Aber meiner Meinung nach waren es dort eher sogar nur 100-150 und es gab kaum eine Fluktuation.

Da stand sie nun die vorgetäuschte "soziale Revolution", der Ver.di Aufstand, kurz vor der geplanten Erstürmung des Berliner Rathauses. Das Rote Rathaus ist aber nicht der Petersburger "Winterpalais" und die Stimmung ist auch nicht revolutionär. Wir standen östlich der Jüdenstraße und östlich vom Rathaus. Auf dieser "anderen Seite" der Jüdenstraße hinter den Becken- oder Bauchhohen Absperrgitter umzäunt von und von "rot-weißem" Absperrband gefangengehalten, die meisten auf die Streiklisten oder Senatoren wartend. Mensch kam sich psycholgisch wie im Knast vor, psychisch Gefangen, obwohl so gut wie keine Polizei da war. Im Zaum halten brauchte man die "frustrierte Masse" eh nicht.

Die Fünf bis Sechs Funktionäre allerdings, unter anderem die Verhandlungsführerin und einige andere (selbst-)wichtige Gestalten standen auf der Rathaus-Seite mit einem Lauti. So standen sie auch räumlich den "Regierenden" näher als der Arbeiterklasse. Manchmal könnte mensch denken sie halten einen entweder für dumm oder sie bereiten sich nicht genügend vor. Gedacht haben allerdings scheinen sich die Funktionäre, das die Arbeiter_Innen den Herren und Damen Senatoren "Guten Morgen" sagen und sie so ein bisschen schockieren. Was ich auch immer über den Innensenator und sein Auftreten denken mag, so muß doch erwähnt werden das er einer der wenigen war die den Anstand hatten und sich "trauten" zu Fuß reinzugehen und wenigstens einen Satz, wenn auch kein ermunternder (zumindest nicht für mich), zu sagen: "Ich hoffe das wir im Gespräch bleiben und zu einer Lösung kommen." Danach gab er der Presse Interviews. Es war wohl so das die ganze Kundgebeung auf Herrn Körting ausgerichtet war, denn 10 Minuten später war sie zuende! Deshalb ist es sinnvoll beim Ende anzufangen. Immerwieder zwischendurch: "Herr Körting hat versprochen was zu sagen", "Herr Körting soll schon ganz in der Nähe sein", "Es sollen schon Herrn Körtings Persönenschützer gesichtet worden sein", "Gleich kommt bestimmt Herr Körting", "Herr Körtings Auto wurde gesichtet" usw. Wär das nicht so rührselig musste ich denken, die Gewerkschaftsführer haben einen an der Waffel. Ob die Arbeiter_Innen das auch so armselig wie ich fanden kann ich nicht sagen, aber auch ihnen muss aufgefallen sein das der Innensenat eigentlich der "Tarifgegner" ist und das Rot-Rot, also die Linkspartei-SPD Regierung alles andere als sozial ist, denn sie sind ja schließlich aus dem Flächentarifvertrag ausgetiegen, nicht etwa um den Leuten 50 Prozent mehr als im Bundesdurchnitt zu zahlen sondern um Inflations- und Mehrwertsteuerbedingt ihnen mindestens 20 Prozent aus der Tasche zu ziehen.

Wären die Kämpfe nicht ökonomistisch könnte mensch meinen die Monarchie mit dem Proto-Kanzler Wowereit sei zurück, denn seine Majestät ließ sich nicht blicken. Aber was sind auch schon so ein paar Leibeigene-Lohnsklaven, könnte sich der oberste Arbeitgeber gedacht haben. Senatorinnen wie Heidi Knake-Werner fuhren im Auto einfach rein, andere wahrscheinlich auf der anderen Seite. Nur Körting, wie gesagt, ließ einen Zivil-Typen hinstellen der sah das alles o.k. ist, dann kam er mit Personenschützern um die Ecke und kurz nach ihm ist seine "Ministerkarre" eingefahren.

Als ich ankam unterhielten sich die meisten über Fussball und das Länderspiel am Vorabend.

Vom Lauti auf der anderen Seite kamen hilflose Appelle an den Klassenfeind, pseudopopulistische Phrasendrescherei gegen "die da oben" um nicht zu sagen wirklich selbstherrlicher "verkürzter Antikapitalismus" (Ich kritisiere diesen Begriff und benutze dieses Wort eigentlich nie aber da traf das mal wirklich absolut zu) und vieles häßliches mehr, dafür auf unserer Klassenseite ne traurige Basis und ein ziemliches (So sahen sie zumindest aus [subjektive Projektionsgefahr]) Ohnmachtsgefühl unter den Anwesenden, Leere tief-traurige Blicke der Streikenden, als ob sie betrogen wurden, und ein blecherndes lustloses in die Triller pfeiffen konzertierte unterschwellig die Perspektivlosigkeit einer fatalistisch-defätistisch wirkenden "Unterschicht". Ein für mich unterschwellig wahrnehmbarer "Haß aus Enttäuschung" auf die Linkspartei aufgrund ihrer "Verlogenheit" will ich auch bemerkt haben.

Wie dem auch sei kamen wenigsten noch 2 Linksparteiler aus Neukölln mit Fahne und verteilten Flugblätter. Allerdings waren diese nicht geschnitten sondern gerissen, so daß ich meine das sich die "Genossen vom Richardplatz", nicht meine Genossen, aber die Bündnisgenossen der SPD (auch in Neukölln, da sie den Bürgermeister mitwählten), dachten: "Wir müssen die Arbeiter beschwichtigen" und einfach spontan handelten. Neukölln gilt ja als "Problembezirk" mit gleich mehreren "Problemkiezen" und deren Quartiersmanagements. In ihrem Flugblatt versprachen sie "innerparteilichen Druck" zu machen. Ich sah mindestens eine Person die extra zum Mülleimer mit dem Flugi ging um ihn wegzuwerfen. Eine andere Person sagte sinngemäß, zustimmend zur Moderatorin "auf der anderen Seite" also nicht wörtlich: "So weit ist es schon gekommen das die Oppositionspartei CDU sozialere Forderungen aufstellt als die Arbeiterparteien." Die Verhandlungsführerin machte sich über die "Sarrazene" lustig. Ist wohl so eine Art Running-Gag. Offenbar braucht es wieder Feindbilder. Bei diesem wird aber oft unterschlagen das er von der SPD ist, mit der Linkspartei koaliert und was dahinter steht (ne komplette Stadt-Regierung).

Ein Zeitungstyp war da und zwei Fernseh-Sender, ausserdem Radio wie mir schien. So das war alles was ich über die frustrierenste und jämmerlichste Streik-Kundgebung, bis jetzt, schreiben wollte. Nur ein paar Ergänzungen noch. Diesmal war wirklich die "Arbeiterschicht" da und als gesagt wurde, das die "Personenschützer gesichtet worden seien" sagte einer ganz leise zu seinen Kollegen: "Buddelt die Steine aus!", ein Fahrradfahrer der vorbeifuhr halb verarschend, halb ernst gemeint zeigte die erhobene Linke Faust beim vorbeiradeln und die Arbeiterklasse stand im Schatten, deren Führung stand im Sonnenlicht, "Doch man sieht nur die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht".

Am 18. Juni 2008 morgens um 10 war der gesamte Bereich zwischen S+U -Bahnhof Pankow und Rathaus Pankow auf der Berliner und Breite Straße gesäumt von Grüppchen Erwachsener Männer und Frauen. Am Rathaus Pankow sollte nämlich ne Demo starten. Davor standen getrennt voneinander Gewerkschaft der Polizei (GdP) und Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG). Wieder sollte erwähnt werden das es "Keine Zusammenarbeit mit staatlichen Repressionsorganen" und deren Helfern geben sollte, das Polizeibedienstete auf der anderen Klassenseite stehen, Klassenfeinde sind und aus der Arbeiterbewegung rausgeschmissen werden sollten.

Die ökonomistische Avantgarde, die Kindergärtnerinnen und Horterieher_Innen, standen allerdings hinter der neuen Schönhölzer in die Wollankstraße, westlich des Rathauses, rein und agitierte ununterbrochen nach innen und aussen bis zur Endkundgebung, meiner Wahrnehmung nach immerwieder das selbe, wie ein Sprung in einer Platte. Wurde vorher gesagt das das Anliegen nicht vermittelt werden könne, so wurde es diesmal meiner Meinung nach zu Gut vermittelt. Für mich kam das nämlich alles so rüber als sei es nur eine rein finanzielle, keine strukturelle Sache. Aber selbst der dümmste unreflektierteste Menschenhaufen im, von mir so wahrgenommenen "pogromstimmungsartigen" islamophoben Stadtteil der christlichen und heidnischen Moscheegegner, und von solch unreflektierten Gestalten wurden so einige am Staßenrand gesichtet, haben es mit Sicherheit verstanden. 1000 Kindergärtnerinnen aus Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg, Pankow und Reinickendorf liefen also los, am Rathaus Pankow vorbei die Breite Straße in Richtung Osten. Ihnen schlossen sich immer wieder entgegenkommende Grüppchen Erzieher_Innen an, so das es auf der Berliner Straße locker mal 2000 bis 3000 Demonstranten waren, darunter auch "Mitarbeiter von Repressionsorganen", wie zum Beispiel Ordnungsamtsangestellte. Diesmal nur Polizei die den Verkehr regelte. In dem Fahnenmeer wurde eine DKP (Deutsche Kommunistische Partei) Fahne gesichtet und ein BüSo verteilte Anti-EU Zeitung.

Im Vergleich zum Vortag war das ja mal eine richtig erfrischende Demo, aber subjektiv eher nur langeweiltes rumgelatsche. Bei diesem Rumgelatsche und das hab selbst ich mitgekriegt unterhielten sich fast ausnahmslos alle über ihre Situation bei der Arbeit und was verbessert werden müsste. Das klang nun nicht mehr nur so ökonomistisch. 10:15 Uhr, also viertel Elf war die Demo mit der Ver.di Pritsche vorne losgelaufen und ca dreiviertel Elf, also 10:45 Uhr kam sie am Garbatyplatz an. Da sagte der Moderator sinngemäß-spöttisch: "Die Polizei wollte uns ja nicht glauben das der Platz zu klein ist". Die politische Stoßrichtung die ganze Zeit war dann immer gegen die SPD. Da sagte selbst ein SPD´ler aus Tegel, das die Linkspartei mit an der Regierung sei worauf der Moderator konterte "Die Linken bekommt ihr Fett auch noch weg" er meinte mit "Linken" die Linkspartei und deutete an das es wohl demnächst vors Karl-Liebknecht-Haus geht.

Es standen von den beteiligten sogenannten Gewerkschaften Hochfahnen am Ort. Ich schätze, jetzt im Nach-hinein, so 5 Meter hoch. Auf einer GEW Fahne stand: "Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!". Es wurde zwischenzeitlich zum skandieren angestimmt aber keiner wollte so Recht mitmachen, nicht aus Unlust, wie mir schien, sondern einfach aus Passivität und Unerfahrenheit. Die ganze Zeit gingen die Modertor_Innen durch die Leute und interviewten sie zu ihrer Situation.

Da sagte eine Sachbearbeiterin des Job-Centers Marzahn Hellersdorf, es seien pro Sachbearbeiterin 200 "Kunden" vorgesehen, tatsächlich hätten sie aber 450. Für mich persönlich gehören DIESE Sachbearbeiterinnen zu den "Repressionsorganen". Da ergriff ein GdP´ler sehr aufgeregt das Mikrofon, das "Ab SOFORT" gleich richtig angezogen wird und ab Montag "unbefristet bei den Ordnungsämtern, bei der Polizei, in den Gefangenensammelstellen und Werkstätten gestreikt wird" dadurch würde dem Senat richtig viel Geld verloren gehen und das würde denen dann "Richtig wehtuen".

Es kamen zur Abwechslung auch richtig viele "echte" Arbeiter_Innen (also aus meiner subjektiven Klassenseite) zu Wort aus Bibliotheken, Grünflächenämtern, Hausmeisters, Kindergärtnerinnen und Horterzieher_Innen. "Die Eltern solidarisieren sich mit den KiTa-Angestellten und wollen sich morgen sogar mit ihren Kindern solidarisieren und sich an der Demonstration in Charlottenburg beteiligen!"

11:40 Uhr beendete die Moderatorin die "öffentliche" Kundgebung, aber die Leutz blieben nochn bisschn.

ES könnte noch erwähnt werden das mit Kreide auf den Boden gemalt werden sollte und der Finanzsenator angeblich mit 5 Euro die Stunde zufrieden sei.

Heute, den 19.6.,  um 10 Uhr sind die Streikenden am Rathaus Charlottenburg, um zum Ernst-Reuter-Platz und zurück zu demonstrieren.

Editorische Anmerkungen

Den Text  erschien  bei Indymedia am 19.6.08. Wir spiegelten.