Staatskapital statt Privatkapital?

von
Rainer Roth

06/09

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Wenn schon die private Finanzwirtschaft auf Rechnung der ganzen Gesellschaft arbeitet und ohne die Krücken des Staates nicht überleben kann, liegt es nahe, dass der Staat dauerhaft reale Eigentümerrechte wahrnehmen wird, statt wie jetzt darauf zu verzichten. Das wäre eine schwere Niederlage des Privateigentums. „Der Hingriff des Staates ist ein Armutszeugnis für die Finanzbranche und ein Schlag für die beste aller Lebensformen, die Soziale Marktwirtschaft mit freiem Unternehmertum" (FAZ 13.10.2008).

Aber auch dauerhaftes Staatseigentum an Banken wäre keine Lösung, da es Staatseigentum an Kapital ist und dessen Verwertung nach wie vor im Mittelpunkt der Geschäftstätigkeit stehen würde. Die Umwandlung von privatem in staatliches Eigentum wäre nur eine Umwandlung von Privatkapital in Staatskapital, in Kapital unter Verfügung der Agentur des Gesamtkapitals. Das Grundproblem ist die Kapitaleigenschaft der Finanzmittel. Das Grundproblem ist der außerhalb der Kreditinstitute erzeugte Kapitalüberschuss, der, wenn er nach seiner krisenbedingten Vernichtung wieder überquillt, sich erneut auf riskante Anlagen stürzen muss. Da die Banken, ob staatlich oder privat, das ihnen von kapitalistischen Unternehmen zur Verfügung gestellte Geld, als Kapital verwerten müssen, wird sich erneut eine Finanzkrise, eine Überproduktion von Kapital entwickeln. Die Landesbanken, im Besitz von kommunalen Sparkassen und Bundesländern, haben Verluste in Höhe von dutzenden Milliarden eingefahren, weil sie als Konzerne des Staatskapitals wie die Privatbanken auch ihre gesunkenen Renditen mit waghalsigen Spekulationsgeschäften aufpäppeln wollten. Eine Kopie der Landesbanken auf Bundesebene brauchen wir nicht.

Mit der Verstaatlichung der Banken wird ihre Bilanzsumme letztlich Teil des staatlichen Haushalts, d.h. die in den Bilanzen schlummernden Risiken und die zu erwartenden Verluste werden direkt aus einem privaten zu einem staatlichen Risiko bzw. Verlust. Das ist deutlich an den Banken zu sehen, die schon staatlich sind. Die Bayerische Landesbank und andere Landesbanken bieten das Modell. Sie aufrechtzuerhalten, erzeugt einen gewaltigen Zuschussbedarf durch die jeweiligen Landesregierungen und die kommunalen Sparkassen.

Kreditversorgung - öffentliches Gut?

Es besteht die Hoffnung, dass eine Verstaatlichung bzw. Vergesellschaftung des Finanzwesens die Finanzgeschäfte zu einem öffentlichen Gut jenseits der Kapitalverwertung könnte. Ein verstaatlichtes Bankwesen auf der Grundlage einer Ökonomie, in der nach wie vor die sachlichen Bedingungen von Produktion, Handel und Transport in privater Hand sind, ist aber nach wie vor Teil dieser kapitalistischen Ökonomie, von der es abhängt. Zinsen als Haupteinnahmequelle der Banken wären nach wie vor Teil des Mehrwerts bzw. von Teil von anderen Einkommen, die im Prozess der Mehrwertproduktion anfallen (Löhne, Steuern usw.). Banken müssten also am Florieren der Kapitalverwertung interessiert sein, von der sie leben. Sie können ihren kapitalistischen Charakter nicht abstreifen. Das Kapital durchläuft in seinem Reproduktionsprozess verschiedene Stadien. Eines davon ist seine zeitweise oder dauerhafte Verwandlung in Geldkapital, die Grundlage des kapitalistischen Bankwesens. Geldkapital ist immer Eigentum seiner Besitzer, nie öffentliches Gut. Es wird von seinen Besitzern nur zur Verfügung gestellt, wenn es Zinsen abwirft, die wiederum aus dem Prozess der Kapitalverwertung stammen. Das Kapital in seiner Form als Geldkapital seines kapitalistischen Charakters zu entkleiden, während es in allen anderen Formen weiterbesteht, ist eine irrwitzige Vorstellung.

Vergesellschaftung statt Verstaatlichung?

„Die Banken müssen vergesellschaftet werden. Nicht verstaatlich/' (ISW 2008, 53). Für das ISW ist es eine „Pluralität von demokratischen Kräften", die aus Vertretungen der jeweiligen Belegschaft, aus gewerkschaftlichen Organen, Arbeitsloseninitiativen, sozialen Bewegungen aller Dimensionen, Sozialforen, kommunalen Einrichtungen, Verbraucherorganisationen usw. bestehen, „die den Anspruch erheben können und müssten, bei den substantiellen Entscheidungen der Banken mitzureden" (ebda.). Das wären alle Entscheidungen, für wen und für was Geld ausgegeben werden sollte. Auf welcher Grundlage sollen diese gesellschaftlichen Kräfte ihren Einfluss ausüben, wenn sie selbst keine Eigentümer sind, sondern nur „mitreden" sollen? Mitreden bzw. erweiterte Mitbestimmung hat mit Vergesellschaftung gar nichts zu tun. Es liegt im Belieben der jetzigen Eigentümer der Banken, wen sie mitreden lassen. Die angesprochenen gesellschaftlichen Kräfte haben meist auch gar nicht den Anspruch, bei der Kreditvergabe der Banken mitreden zu wollen. Sie erheben auch nicht den Anspruch, Eigentümer sein und als Repräsentanten der Gesellschaft die Bankgeschäfte leiten zu wollen.

Bliebe also nur die Verstaatlichung durch den jetzigen Staat als Basis eines größeren Einflusses gesellschaftlicher Kräfte. Die Verstaatlichung wäre dann Voraussetzung einer Vergesellschaftung. Der gesellschaftliche Einfluss soll z.B. in einem Lenkungsausschuss bestehen, der die Kreditpolitik der verstaatlichen Großbanken festlegt. In ihm sollen Gewerkschaften, Verbraucherverbände, Regional- und Bundespolitik, Umweltverbände, IHK sowie Klein- und Mittelbetriebe vertreten sein. „In einem solchen Ausschuss manifestiert sich der über die reine Eigentumsübertragung hinausgehende Charakter der Vergesellschaftung (Horst Arenz, Verstaatlichung oder Vergesellschaftung, junge weit 09.02.2009). Arenz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter eines MdB der Linkspartei. Nur auf dem Boden des staatskapitalistischen Eigentums kann sich ein Teil der Gesellschaft einbilden, dass ihr Einfluss einer wirklichen Vergesellschaftung entspricht. Es handelt sich letztlich um die Ausdehnung der Mitbestimmung auf das Finanzwesen, in einer sozialpartnerschaftlichen Grundkonstruktion von Kapital, Lohnarbeit und Staat. Vergesellschaftung in Form von sozialpartnerschaftlicher Mitbestimmung hat mit wirklicher Vergesellschaftung nichts zu tun.

Verstaatlichung wäre nur dann die Vorstufe einer wirklichen Vergesellschaftung, wenn dieser Staat im Gegensatz zum jetzigen ein Staat der Mehrheit und die ökonomische Basis nicht mehr die Verwertung von Kapital durch die private Aneignung unbezahlter Arbeit der Lohnabhängigen wäre. Die bestehende Krise zeigt auf, dass die gegenwärtigen Eigentums- und Produktionsverhältnisse in wachsendem Maße zum Hindernis der Entwicklung werden. Eine wirkliche Vergesellschaftung setzt voraus, dass die Gesamtheit der Produzenten im Besitz der gesamten Mittel der Produktion des gesellschaftlichen Reichtums sind. Sie setzt also völlig andere Eigentumsverhältnisse voraus und eine Produktionsweise, in der die massenhafte Vernichtung und Vergeudung des Reichtums der Gesellschaft nicht mehr zum Standard gehört, weil der Reichtum keine Kapitaleigenschaft mehr hätte.

Editorische Anmerkungen

Den Text  ist ein Scan aus

Rainer Roth
FINANZ- UND WIRTSCHAFTSKRISE
: SIE kriegen den Karren nicht mehr flott..., Anmerkungen zu Ursachen und "Lösungen", März 2009, S. 86ff