Herr Else und der Kotzkü(l)bel zum Iran
Rot-braunes und Stalino-Pack vereint für Theokratendiktatur und gegen Aufrührer

von Bernard Schmid

06/09

trend
onlinezeitung

Noch vor kurzem hätte man denken können, deutsche Ex-Linke - oder Leute, die sich mal für links hielten oder noch immer für irgendwie progressiv erachten - hätten definitiv schon jede abgestandene Dummheit, jeden reaktionären Dreck, jeden durchgeknallten Schwachsinn ausprobiert. Die ganze Palette von Renegaten & (neuen) Reaktionären, in einer Spannbreite von Justus Wertmüller bis Horst Mahler, hätte doch genügt. Alle Teller voll mit Scheiße schienen doch bereits leer gegessen. Aber nein: Es kann immer noch übler kommen.

Und es kommt noch übler. Kaum bekommt im Iran der bleierne Deckel von 30 Jahren sich theokratisch legitimierender (bisweilen sich in pseudo-antiimperialistischer Demagogie übender) Diktatur einige Risse, kaum gerät ein Teil der Bevölkerung und vor allem ein Teil der Jugend gegen das alle elementarsten Rechte mit Füßen tretende Regime in Aufbruch, da tritt ihnen ein Teil der allerverrücktesten deutschen Ex-Linken energisch entgegen. „Rebellion ist nicht gerechtfertigt! Auf gar keinen Fall! Und überhaupt seid Ihr ohnehin alle Verräter und verkauft!“ lautet ihre Parole.

Jürgen Elsässer heißt einer von ihnen, dereinst als „Jürgen Stuttgart“ (sein Autorenname im 1991 verschwundenen KB) bekannter und bekennender Linker, dann Miterfinder und Co-Produzent der „antideutschen“ Ideologie - heute auf der Suche nach einem neuen Dreck, den er breittreten kann. In jüngster Zeit ist er in rechtsextreme Fahrwässer und ein Näheverhältnis zu Nazis & Preußenspinnern abgedriftet, arbeitet eifrig an „Eurasien“-Konzepten und an der Wiederentdeckung der Nation als vermeintlich schützendes Bollwerk gegen die Stürme der Globalisierung, die da von „draußen“ in den nationalen Sozialstaat hereinbricht. Vor diesem Hintergrund verteidigte er schon allen möglichen Schrott, von populistischen Anti-„Heuschrecken“-Kampagnen (unter Rückgriff auf ein großartiges theoretisches Konzept, das der proletarische Revolutionär Franz Müntefering mühsam erfunden hat) über serbische Faschisten von der „Radikalen Partei“ SRS - gern gesehene Gäste u.a. bei Parteitagen des französischen Front National - bis hin zu Stalin („70 Prozent Verdienste und 30 Prozent Fehler“, schrieb er - frei nach Mao - in KONKRET, bevor er dort hinausflog).

Nun hat der Mann sich aber selbst übertroffen. Ähnlichen Ungeists wie „Nationalrevolutionäre“, NPD-Kader und ähnliches Gesocks, verteidigt er seit kurzem mit Zähnen und Klausen das iranische Folterregime gegen Kritiker/innen - inklusive der einheimischen jugendlichen Opposition. Unter der ziemlich unzweideutigen Überschrift „Glückwunsch, Ahmadinedschad!“ schmiert er also folgenden gefährlichen Unfug zusammen, im Originalton zitiert:

„Der Präsident hat klar gewonnen. Und die Leute, die dagegen demonstrieren, sind erkennbar eine kleine Minderheit: Die Jubelperser von USA und NATO. (…)Hier wollen Discomiezen, Teheraner Drogenjunkies und die Strichjungen des Finanzkapitals eine Party feiern. Gut, dass Ahmidenedschads Leute ein bisschen aufpassen und den einen oder anderen in einen Darkroom befördert haben.
(Vgl.
ebenda)

Dass der Mann politisch völlig auf den Hund gekommen, moralisch und menschlich am Arsch war, das war nicht gar so neu. Dass er aber zum offenen Folterbefürworter wird, hat eine neue Qualität. Bezogen auf eines der übelsten Folterregime des Planeten, weltweiter Rekordhalter bei der Verhängung der Todesstrafe (vor u.a. China und den USA), zu schreiben, es sei gut, dass dessen Schergen „den einen oder anderen in einen Darkroom befördert haben“, spricht eine ziemlich eindeutige Sprache. Dadurch übertrifft Elsässer sich selbst noch, der kurz zuvor Berliner Autonomen noch Zwangsarbeit im Stil der Stalin-Ära wünschte:

„Demgegenüber halte ich fest, dass solche Kriminellen mit links NICHTS zu tun haben und in JEDEM sozialistischen Staat in den Bau gekommen wären. Bißchen Uranerz kloppen in Wismut/Aue. Bißchen Schneeschippen in Sibirien.“
(Vgl. http://juergenelsaesser.wordpress.com )

Als Pseudotheorie, um seine Verteidigung des iranischen Folter- und Henker-Regimes zu untermauern, tritt Elsässer folgende Sätze platt:

„Auf der einen Seite die arbeitenden Klassen, das Proletariat und die Bauern (…)“; diese denken Elsässer zufolge „traditionell, hängen an ihrer Kultur, an ihren Werten, an ihrer Familie, an ihrer Nation, an ihrer Religion. Dies alles verachten die Yuppies. Sie propagieren einen werte- und bindungslosen Ultraindividualismus. Doch ohne Werte und Bindungen ist das Individuum gar nicht fähig, selbstbestimmt zu leben: Es steht isoliert dem totalen Markt gegenüber und wechselt, je nach dessen Erfordernis,  den Lebensstil, das Outfit, die sexuelle Orientierung, nimmt selbst körperliche Veränderungen (‚body modification’) vor.“
(Vgl. http://juergenelsaesser.wordpress.com)

Und dies, fährt Herr Else fährt, erklärt angeblich die Unruhen im Iran, wo es bekanntlich - glaubt man Präsident Ahmedinedjad - „bei uns keine Homosexuellen gibt“ und auch grässliche „körperliche Veränderungen“ unterbleiben, sofern nicht gerade jemand zu Matsch gesteinigt wird. - Ziemlich genau so hört sich rechtsextreme Fundamentalopposition gegen die gesellschaftlichen Veränderungen, die zum Teil der Neoliberalismus hervorbringt und die zum Teil schlicht Ausdrucksformen der Moderne geschuldet sind (und die man dialektisch interpretieren müsste), an.

Ein andere übler Wicht ist der Herr Jürgen Cain Kü(l)bel, seines Zeichens Bulle zu Zeiten kurz vor dem Ende der DDR. Aus Zeiten des glorreichen Arbeiter- und Bauernstaats übrig blieb ihm eine kampistische Weltsicht - die Guten hüben und die Bösen drüben -, die nur leider das Auftreten des kleinen Unterschieds verpennt hat, der darin besteht, dass es heute kein „sozialistisches“ Lager gegenüber dem kapitalistischen Staatenblock mehr gibt. Als „antiimperialistisches Lager“ tun’s aber auch ein paar reaktionäre bis faschistische Diktaturen (Iran zum Beispiel), die sich in pseudo-rebellischer Demagogie gegen die Weltordnung und den Westen üben, aber zutiefst in den kapitalistischen Weltmarkt unter westlicher Dominanz integriert sind. Hauptsache, das Weltbild ist gerettet, und es gibt wieder das Reich des Guten, das es rückhaltlos zu verteidigen gilt: Kritik nutzt nur dem Imperialismus! Solches kann er, natürlich, im Stalino-Blättchen junge Welt mit seiner karikaturhaften Schwarz-Weiß-Weltsicht in internationalen Fragen zu Papier bringen.

Und so wütet Herr Kü(l)bel dort gegen die iranische Legalopposition, die sich zur Zeit notgedrungen hinter dem angeblich (!) unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Mir Hossein Mussavi schart - weil es für die Bevölkerung nun mal keinerlei Möglichkeit gab, für einen anderen (nicht der Theokratendiktatur zugehörigen, demokratischen und „sauberen“) Kandidaten zu stimmen, weil Personen mit solchem Profil ohnehin nicht durch den Kandidaturfilter des „Wächterrats“ als nicht gewähltem „Experten“gremium der Machthaber durchkommen.

Selbstverständlich hat die Mehrheitsbevölkerung und die Jugend sich dabei des Herrn Mussavi nur bedient, um eine Bresche in den Reihen der - nicht mehr so völlig monolithisch auftretenden - Diktatur zu öffnen. Nachdem diese Bresche nun durch die Wucht des Zusammenpralls mit der ultrareaktionären, offen faschistischen Fraktion des Regimes, die zum Putsch entschlossen war, (und unter dem Ansturm der Proteste) breiter aufgerissen worden ist, hat ein Teil der „Massen“ sich in diese Bresche hineingestürzt. Selbstverständlich gilt es, vor diesem Hintergrund nicht Herrn Mussavi zu unterstützen, sondern die Proteste der Bevölkerung, der Jugend und der Unterdrückten.

„Genosse“ Kotz-Kü(l)bel aber wählt ein völlig anderes Herangehen. Durch total aus ihrem historischen Kontext gerissene, pseudo-informative Wissensfetzen - die er sich so zusammensetzt, wie es ihm in den Kram passt - macht er Mussavi zum Agenten eines US-amerikanisch gesteuerten Subversionsversuchs, dem die iranische Staatsmacht zum Glück entgegen trete. Kostprobe:

Es ist kein Geheimnis, daß der ehemalige US-Präsident George Bush, der Teheran auf die »Achse des Bösen« hievte, bereits 2002 vom Kongreß 20 Millionen Dollar für das »Vorantreiben von Demokratie in Iran« lockermachen ließ. (…) Nicht bekannt ist, ob Geldspritzen an Mussawi und seine Berater in London und Paris geflossen sind. Zumindest ist Mussawi seit Mitte der 80er Jahre gut Freund mit dem radikalen US-Neokonservativen Michael Ledeen. 2001 hatte Ledeen die »Koalition für Demokratie im Iran« (CDI) gegründet, um mit Ex-CIA-Direktor Woolsey auf einen »Regimewechsel« in Teheran hinzuarbeiten. Mussawi und Ledeen kennen sich seit der Iran-Contra-Affäre; beider Freund ist der frühere iranische Waffenhändler Manuchehr Ghorbanifar, Schlüsselfigur jener Affäre sowie Agent diverser Geheimdienste.“
(Vgl. http://www.jungewelt.de/2009/06-17/033.php  - Siehe dazu auch http://www.jungewelt.de/2009/06-16/048.php )

Nun trifft es zu, dass W. Bush sich verbal zum Ziel der „Befreiung“ des Iran bekannte, freilich nur, um eine forcierte imperialistische Aufrüstungspolitik zu legitimieren - und selbstverständlich ohne im Geringsten etwas mit den Interessen der Mehrheitsbevölkerung im Iran zu tun zu haben. Auch deswegen mag man sich nun das vergiftete Lob der Neocons und ihrer deutschen Nachäffer, etwa von www.wadinet.de/blog, zur Protestbewegung im Iran energisch verbitten. Nur, weder Bushs Propaganda noch deren Gekläffe liefern irgendeine Erklärung für die Proteste der Jugend im Iran - diese resultieren wiederum aus den dortigen innergesellschaftlichen Widersprüchen selbst.

Dass Mussavi mit der ‚Iran-Contra-Affaire’ (von 1981 bis 1987) zwischen dem iranischen Regime und der US-amerikanischen Rechten zu tun hatte - es ging um Waffenlieferungen aus den USA und aus Israel an den damals Krieg führenden Iran, um dessen Niederlage gegenüber dem irakischen Aggressor hinauszuzögern, auf dass der Iran-Iran-Krieg möglichst lange & profitabel anhalten und den Ölpreis in den Keller sinken lassen mögen. Nur: Mussavi, der von 1981 bis 89 Premierminister unter dem Khomeini-Regime - kurz nach der ab 1979 eingeleiteten Konterrevolution im Iran, welche auf die Revolution gegen das Schah-Regime folgte - war, hatte nicht als pro-US-amerikanischer Einflussagent mit den damaligen „Falken“ unter Ronald Reagan und späteren Neocons wiederholten Kontakt. Vielmehr handelte er im Auftrag des innersten Machtzentrums, denn Khomeini selbst war unmittelbar in das Waffengeschäft mit den vordergründig - und in purer Demagogie - als „Hauptfeind“ und „Satan“ angegriffenen USA ab 1981 involviert. Dies hinzuzufügen, „vergisst“ Kotz-Kübel als Freund des iranischen Regimes selbstverständlich. Ebenso wie die Tatsache, dass der sozialdemagogisch-faschistische Flügel des Regimes (à la Ahmedinejdad) unmittelbar im Schatten Khomeinis emporgekommen und herangewachsen, und an dessen Erdölrenten-Fonds genährt worden ist.

Wann, liebe Diktaturfans, hat man Euch eigentlich zuletzt die Fresse poliert?

Editorische Anmerkungen

Den Text  erhielten wir am 17.6.2009 vom Autor.