News aus dem Alltag einer so genannten Linkspartei
Landesvorstandsmitglied Christian Stadter setzt Instrument zur Optimierung von Ausbeutung und Herrschaft zur Teamentwicklung in der Linkspartei ein

von
Edith Bartelmus-Scholich

06/09

trend
onlinezeitung

Im Kreisverband Viersen der Linkspartei wurde ein in der Personalwirtschaft eingesetzter Persönlichkeitstest für 1000 € angeschafft und Mitglieder der Partei getestet. Der Kaufpreis soll nach Angaben der ehemaligen Schatzmeisterin auf Betreiben von Parteivorstandsmitglied Britta Pietsch und Hüseyin Aydin MdB teilweise von der Bundespartei erstattet worden sein. Treibende Kraft für diese Anschaffung war das Landesvorstandsmitglied Christian Stadter. Der Pressesprecher der LINKEN.NRW, Ralf Michalowski, stellte klar, dass der Landesvorstand den Einsatz des Persönlichkeitstests missbilligt und einen Zuschuss dazu abgelehnt hatte.

Der Post-Neoliberale

Seit Herbst 2008 gehört der eng mit dem Mitglied des Parteivorstands Britta Pietsch und dem Bundestagsabgeordneten Hüseyin Aydin verbundene ehemalige Unternehmensberater Christian Stadter aus Viersen dem Landesvorstand der Partei DIE LINKE.NRW an. In seiner Bewerbungsrede auf dem Landesparteitag kündigte er an, seinen Schwerpunkt auf "mehr Effizienz" in der Landespartei legen zu wollen. Von seinen beruflichen Erfahrungen erfuhren die Delegierten wenig. Nachfragen dazu unterblieben.

Die Delegierten hätten vielleicht auf Nachfrage erfahren können, dass Stadter bis vor wenigen Jahren, u.a. Unternehmen in Personalentwicklungsfragen beraten hat. Auf dem Höhepunkt der neoliberalen Ära von 1992 - 2004 war er laut seiner unserer Redaktion vorliegenden Vita Direktor des "Instituts für zukunftsfähige Projekte". Dort verantwortete er
u.a. Pilotprojekte zu neuen Beschäftigungsfeldern, Qualifizierung, Beratung i. A. von EU, Ministerien, Stiftungen einschließlich der Entwicklung von Hochleistungsteams. Ein Mann also, der nicht gegen den neoliberalen Mainstream opponierte, sondern mit Politikern und Behörden an dessen Ausgestaltung beteiligt war.

Genau entsprechend der neoliberalen Stoßrichtung der kapitalistischen Verwertung aller Lebensbereiche benennt er in seiner Vita einen Schwerpunkt in der Kommerzialisierung von Sportorganisationen. Überhaupt lesen sich seine Projekte wie das Einmal-Eins der marktradikalen Restrukturierung. 1991 - 94 führte er eine Seminarreihe für Künstler und Publizisten aus den fünf neuen Bundesländern zur Unterstützung ihres Übergangs aus einer staatlich gelenkten Planwirtschaft in die soziale Marktwirtschaft durch. 1994/95 verantwortete er die Beratung der Open Ecological University an der Lomonossow-Universität Moskau. Es handelte sich dabei um den Aufbau eines privaten, ökologisch ausgerichteten Studiengangs im Fachbereich Chemie. 1995 - 97 hat er an der Erarbeitung des "Handbuches Zukunftsfähige Entwicklung - Experten und Institutionen" mitgewirkt. Herausgegeben wurde dieses von der Bundesanstalt für Arbeit, dem Ministerium für Wirtschaft und Mittelstand, Technologie und Verkehr des Landes NRW und der Wirtschaftsförderung Dortmund. 2000 - 2002 gibt er als Referenz an: Qualifizierung langzeitarbeitsloser Frauen zu ServiceManagerinnen für Freizeit- und Gesundheitssport als Beispiel an Serviceleistungen im Dritten System.

An diese und ähnliche berufliche Erfahrungen knüpft Stadter nach seiner Wahl in den Landesvorstand der NRW-LINKEN nahtlos an. Er, der seit 2004 nach einer Insolvenz als freiberuflicher Trainer im Personalbereich tätig ist, hat im Kreisverband Viersen Mitglieder der Partei DIE LINKE mit deren Einverständnis einem Profiling unterzogen, wie es von Arbeitsagentur, Personalberatern und Konzernen eingesetzt wird. Ziel war, die Stärken und
Schwächen der Mitglieder zu ermitteln, um "das Team zu optimieren". Angeschafft dazu wurde das Team Management System (TMS) von Margerison und McCann. Ein Produkt, für welches Stadter als akkreditierter Trainer tätig ist, wie seine Vita auch ausweist.

Profiling als Instrument der Produktivitätssteigerung

Bei dem TMS von Margerison und McCann handelt es sich um einen Persönlichkeitstest auf der Basis einer Selbsteinschätzung des Teilnehmenden, der dazu 60 einfache Fragen zu ihrem Arbeitsstil zu beantworten haben. Der Teilnehmende kann in einem äußerst groben Raster erklären, ob eine Aussage eher auf ihn zutrifft oder nicht. Gefragt wird beispielsweise: "Ich arbeite lieber an komplexen Aufgaben". Und: "Ich arbeite lieber an klaren, überschaubaren Aufgaben." Aus den Antworten auf die 60 Fragen soll sich ein Persönlichkeitsprofil ergeben aus dem geschlossen werden kann, zu welchem Mitarbeiter-Typ ein Mensch gehört. Die Entwickler des TMS kennen dabei neun unterschiedliche Typen von denen auch Kombinationen denkbar sind. Die Zusammenstellung eines harmonisch arbeitenden Teams mit optimalen Arbeitsergebnissen erfordert nach ihrer Auffassung dieses so zu formieren, dass alle Typen darin vertreten sind.

Das TMS von Margerison und McCann wurde in den 1980er Jahren entwickelt und ist inzwischen in 80 kapitalistischen Ländern im Einsatz. Das Produkt versucht eine Lösung für den Arbeitskräfteauswahl in der postfordistischen Produktion zu liefern. Die optimale Produktivität ist nämlich nur noch zu erzielen, wenn einerseits in einem Team von hoch qualifizierten Spezialisten ohne Reibungsverluste gearbeitet wird und wenn andererseits jeder dieser Beschäftigten seine ganze Persönlichkeit in den gemeinsamen Produktionsprozess einbringt. Die Bereitschaft die zugewiesene Rolle in einem Team mit ganzem Einsatz auszufüllen und die Rollen der anderen Teammitglieder zu akzeptieren, steigt, wenn die Getesteten meinen, dass die ihnen zugewiesene Rolle ihren Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmalen entspricht. Dies und weniger die Erkenntnis der Persönlichkeitsstruktur des Teilnehmenden könnte eine Ursache von Erfolgen beim Einsatz von TMS sein. Nicht umsonst heißt es auch in einem Standardwerk zu Persönlichkeitstests über den Beschäftigten mit "flexibler Präferenz" er "fühle sich auch in der Unterordnung wohl". (Walter Simon, Persönlichkeitsmodelle und Persönlichkeitstests", Seite 373)

Wissenschaftlich steht TMS auf schwachen Füßen. Es basiert auf einer Abwandlung des sogenannten Myers-Briggs-Typenindikator (MBTI), der wiederum eine Fortentwicklung von Carl Gustav Jungs "Psychologischen Typen" darstellt. Auch hier werden Menschen entsprechend ihrer Selbsteinschätzung klassifiziert. Die Hauptkritikpunkte aller dieser Tests sind, dass jeder Mensch die Eigenschaften ankreuzt, die er für seine eigenen hält, und so bekommt er die Bestätigung, dass er wirklich so ist, wie er über sich selber denkt. Außerdem werden fast alle Kategorien vom Teilnehmenden so interpretiert, wie dieser sie versteht und nicht wie sie entsprechend der Erwartung des Fragenden verstanden werden sollten. Hinzu kommt, dass Personen oft Rollen spielen, also Antworten geben, die diesen Rollen entsprechen und nicht etwa ihrer Persönlichkeit. Schließlich hat das System den Nachteil, dass es eine statische Persönlichkeitsstruktur annimmt und daher für Veränderungs- und Wachstumsprozesse, die sich aus neuen Aufgaben ergeben, blind bleibt. Generell basiert MBTI auf Hypothesen. Zum einen liegt das daran, dass eine solche Klassifikation zum Entstehungszeitpunkt des MBTI noch sehr jung war, zum anderen, weil gerade in psychologischen Theorien Beweise oder objektive Daten schwer zu evaluieren sind oder teilweise nicht existieren. Beispielsweise rät MBTI, dass Paare in allen Dimensionen unterschiedlich sein sollten. Untersuchungen zeigen aber, dass diese Kombination die geringste Heiratsrate hat, woraus sich eine schlechte Beziehung vermuten lässt.

Platzanweisung

Ungeachtet von den Zweifeln, die die Methode aufwirft, ist TMS ein taugliches Herrschaftsinstrument; denn in einer Gesellschaft, die für sich in Anspruch nimmt dem Einzelnen an einen Platz gemäß seinen Fähigkeiten und Leistungen zu stellen, gibt es den Mächtigen, die die Plätze in der Gesellschaft tatsächlich zuweisen, Argumente gegenüber den Unterdrückten. Wer will denn gegen monotone, fremdbestimmte Arbeit aufbegehren, wenn er ein Typogramm in Händen hält, aus dem hervorgeht, dass er der "systematische Umsetzer" ist.

Und genau diese Funktion sollte TMS wohl auch im Kreisverband Viersen der Linkspartei erfüllen. Nach der Beantwortung der Fragen schickten die Mitglieder ihre für sie selbst nur aus nicht aussagekräftigen Zahlenkombinationen bestehenden Ergebnisbögen an Christian Stadter. Dieser übersetzte die Ergebnisse in ein leserliches Typogramm. Die Ergebnisse
aller teilnehmenden GenossInnen lagen ihm dazu und auch später vor. In der weiteren Arbeit des Kreisverbandes fühlte sich dann so mancher Genosse und manche Genossin unter Druck gesetzt. Nicht selten hieß es sinngemäß, wenn jemand sich für eine Aufgabe interessierte. "Lass das. Wir wissen doch, wozu Du Dich eignest und wozu nicht."

Editorische Anmerkungen

Den Text erhielten wir Edith Bartelmus-Scholich am  16.6.09

Edith Bartelmus-Scholich
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