Rede von Bärbel Illi, verdi-Bezirk Stuttgart, auf der Protest- und Solidaritätskundgebung mit den Menschen im Iran, Samstag, 20. Juni 2009

06/09

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Manour Ossanlu ist der Vorsitzende der Busfahrergewerkschaft Teheran. Herr Ossanlu hat mehr Zeit im Gefängnis verbracht als in Freiheit, seit seine Gewerkschaft 1995 gegründet wurde. Die Schwierigkeiten mit denen die Gewerkschaft zu kämpfen hat, schildert er so: „Zu unserer ersten Mitgliederversammlung, die auf der Straße stattfand, kamen Tausende von Beschäftigten. Sie flohen sogar vor der Polizei und versteckten sich in den Gassen, um an der Versammlung teilzunehmen.“

Gewerkschaftsorganisationen werden systematisch unterdrückt und Menschenrechte verletzt. Das ist das Bild, das wir von den Zuständen im Iran haben, und von dem wir glaubten, dass sich da nicht so schnell was ändern würde. Heute sieht alles anders aus, weil wir spüren und hoffen, dass Freiheit und Demokratie im Iran erkämpft werden können. Millionen von Menschen ziehen durch die iranischen Städte und fordern demokratische Wahlen. Die iranischen Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter sind bei den Demos dabei, da bin ich mir sicher.

Ich überbringe Ihnen die Grüße der Gewerkschaft ver.di in Stuttgart. Wir fordern mit Ihnen freie und demokratische Wahlen im Iran. Erst demokratische Wahlen werden den Weg dahin öffnen können, dass auch die Rechte der Gewerkschaften respektiert werden und dass inhaftierte GewerkschafterInnen frei gelassen werden.

Wir fordern von der Bundesregierung, die Wahl Ahmadinedschads nicht anzuerkennen! Der Verdacht, dass die Wahlen in großem Stil gefälscht wurden, ist nicht ausgeräumt.

In der Amtszeit Ahmadinedschads wurden die Menschenrechte besonders brutal verletzt. Nationale und religiöse Minderheiten und Homosexuelle werden verfolgt. Hinrichtungen von Regimegegnern, Frauen und sogar Jugendlichen haben zugenommen. Bezogen auf die Einwohnerzahl gibt es heute im Iran weltweit die meisten Hinrichtungen. Den Alltag der meisten Menschen bestimmen staatliche Willkür, Armut und Korruption. 80 % der iranischen Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze, obwohl der Iran jährlich 70 bis 80 Mrd $ Gewinn aus Öl-und Erdgasgeschäften bezieht. Diese Gelder werden vor allem in das Atomprogramm investiert, in das Militär und in Terrorgruppen im Irak, Afghanistan und weltweit.

Unter Ahmadinedshad wurden Proteste von StudentInnen und Gewerkschaften zerschlagen, ebenso wie Aktionen für Frauenrechte am internationalen Frauentag. Eine Frauendemo im Juni 2006 wurde mit Tränengas und Elektroschocks auseinandergetrieben. Diese Frauen beklagten ihre Rechtlosigkeit im iranischen Gesetz und sie fragten:
 

  • Warum haben Männer das Recht, vier Frauen zu heiraten?
  • Warum hat eine Frau nicht das Recht, die Scheidung einzureichen, selbst dann nicht, wenn sie oder ihre Kinder vom Ehemann misshandelt werden?
  • Warum fällt das Sorgerecht bei einer – vom Mann eingereichten – Scheidung automatisch an den Ehemann?
  • Warum ist die Aussage einer Frau vor Gericht nur halb so viel wert wie die eines Mannes und müssen also zwei Frauen gegen einen Mann aussagen, um ein Verbrechen wie häusliche Gewalt oder Vergewaltigung zu bezeugen?
  • Warum erlaubt das Gesetz Männern so genannte Ehrenmorde?

Deutschland ist der zweitgrößte Handelspartner des Iran. Nur wenige Tag vor der Präsidentschaftswahl hat die deutsche Firma Basell Polyolefine GmbH mit der staatlichen iranischen petrochemischen Firma (National Petrochemical Company -NPC) ein Geschäft im Rekordwert von 825 Millionen Euro abgeschlossen. Das war ein Wahlgeschenk für Ahmadinedschad. Noch schlimmer: Gewinne im staatlichen Energiesektor kommen den Pasdaran zugute. Die Revolutionsgarden sind das eigentliche Machtzentrum, sie beherrschen den Energiesektor, sind zuständig für das Atomprogramm und zusammen mit den Basiji zuständig für die Kontrolle der Bevölkerung. Sie sind es die in diesen Stunden die DemonstrantInnen terrorisieren.

Auch Daimler, Linde, Siemens und viele andere verdienen gut im Irangeschäft. Sie verdienen gut und haben sich bisher nicht um die Menschenrechtsverletzungen im Iran gekümmert. Siemens lieferte moderne Überwachungstechnologien, die heute gegen die Opposition eingesetzt werden. Damit muss jetzt Schluss sein! Business as usual darf es heute in dieser für die Menschen im Iran so entscheidenden Zeit nicht mehr geben. Deutsche Firmen, die heute noch ihre Geschäfte fortführen, stützen unmittelbar die derzeitigen iranischen Machthaber. Wir erwarten von der Bundesregierung, dass mit allen diplomatischen Mitteln und mit wirtschaftlichen Sanktionen die Menschen unterstützt werden, die heute im Iran Demokratie einfordern.

Wir als Gewerkschaft ver.di unterstützen die Menschen, die um ihr Wahlrecht kämpfen, von ganzem Herzen. Wenn sie erfolgreich sind, ist ein neuer Iran möglich, ein Iran, der die Menschrechte achtet. Yes, You can as well!

Editorische Anmerkungen

Den Text der Rede erhielten wir von verdi-KollegInnen zur Veröffentlichung.