Stellungnahme Peyvand
z
u den Vorfällen am 20. Juni in Hamburg

06/09

trend
onlinezeitung

Sonntag, 21. Juni 2009

Zum 20. Juni riefen die Arbeiterkommunistische Partei Iran, die Kommunistische Partei Iran und wir als Peyvand auf, sich mit dem Widerstand der Menschen im Iran zu solidarisieren. Die „Sozialistische Partei Iran“, die organisatorisch in die bekannten antiimperialistischen Strukturen eingebettet ist, mobilisierte ebenfalls für die Kundgebung. Zu unserer Freude schlossen sich zwischen 30 und 40 Antifaschisten unserem Protest an, die zum Teil bereits am 12. und 16. Juni vor dem iranischen Konsulat mit uns demonstriert haben. Unter ihnen Antifaschisten, die ihre Abscheu vor dem nach wie vor tobenden Antisemitismus, der nicht zuletzt von der Islamischen Republik als notorisches Israel-Bashing praktiziert wird, durch das Tragen von Israel-Buttons ausdrückten. Wenig später nachdem über`s Megaphon von der Solidarität mit der palästinensischen Intifada und vom „kriminellen Regime Israels“ schwadroniert wurde, wurde ein als „Freund des Apartheidstaates Israel“ identifizierter Antifaschist mit einem Regenschirm traktiert. Nach einem kurzen Disput, schlug die antiimperialistische Entourage der „Sozialistischen Partei“ auf mehrere israelsolidarische Genossen ein. Die anwesende Polizei griff ein – und erteilte jenen, bei denen sie Israel-Embleme erspähten, Platzverbote. Soviel zu den Vorfällen. (Es ist möglich, dass uns das eine oder andere entgangen ist.)

Innerhalb von Peyvand, dem Solidaritätskomitee für die Freiheitsbewegungen im Iran, gibt es durchaus abweichende Meinungen über Israel-Buttons und die damit zum Ausdruck gebrachte Solidarität mit dem Staat der Juden: Die Genossen der Arbeiterkommunistischen Partei stehen für einen Antinationalismus, der von jeher die antisemitische und tugendterroristische Raserei der Hamas und des so genannten „irakischen Widerstandes“ als reaktionär benannt hat. Zugleich beinhaltet ihr Antinationalismus auch die Ablehnung des Davidstern-Banners als vermeintlich antifaschistische Beflaggung, bezüglich Israels – wie auch des Iraks – berufen sie sich auf eine dritte Front jenseits von islamistischer Raserei, Antisemitismus und Krieg. Ich selbst, Cosmoproletarian Solidarity, stehe dem nah, sehe aber Israel als die Staat gewordene Konsequenz der Shoa. Ein Staat, der zwar aus seinen Bürgern ebenfalls (potenzielle) Nationalisten generiert, doch eben jener Staat bleibt, der allein Juden Schutz gegen die global-neurotische Heilsideologie des Antisemitismus und seiner eliminatorischen Auslebung im Pogrom garantiert. Für mich als Kommunisten, der Staat und Nation zu überwinden strebt, ist und bleibt Israel der letzte Nationalstaat, der verworfen und zerschlagen gehört. Jedoch fühle ich mich solidarisch mit jenen Israelis, die aus der Rolle des Nationalbürgers ausbrechen und Nationalismus und Repression des Staates Israels kritisieren (vorausgesetzt dies geschieht jenseits von Anbiederung ans antizionistische Publikum), ebenso halte ich die Verteidigung Israels gegenüber antisemitischen und vulgär-antiimperialistischen Anfeindungen nicht gleichbedeutend mit dem Einverständnis gegenüber der konkreten israelischen Politik.

Im Übrigen: Die Angreifer des 20. Junis beteiligten sich an den antiisraelischen Aufmärschen im Januar 2009, die von der Schura, einem Joint Venture von Milli Görüş und der Islamischen Republik Iran organisiert waren. (Einer der drei Vorsitzenden ist ein iranischer Ayatollah.) Auf jenen Demonstrationen sind eifrig Fahnen der Türkei, selbst der ultranationalistischen Milliyetçi Hareket Partisi (den Grauen Wölfen), des ba`athistischen Staates Syrien, der Hamas und eben der Islamischen Republik geschwenkt worden. Daran haben sich die antiimperialistischen Fahnenstürmer äußerst wenig gestört, mir ist zumindest nichts über Rangeleien mit Mitdemonstrierenden bekannt – der zionistische „Todfeind der Völker“ (KPD/ML) versöhnt augenfällig. Und seit jeher wird die „Intifada“ herumgereicht, ein Heftchen, in dem ungeniert die antiimperialistische Freundschaft zur „Partei Gottes“, der libanesischen Tochterunternehmung der Islamischen Republik, beschworen wird und welches von der Wiener „Antiimperialistischen Koordination“ zu verantworten ist, die sich jüngst über Ahmadinejads Präsidentschaft freute – ebenso wie andere antiimperialistische Eiferer.

Editorische Anmerkungen

Den Text erschien bei http://cosmoproletarian-solidarity.blogspot.com/2009/06/zu-den-vorfallen-am-20-juni-in-hamburg.html  wir spiegelten von dort.