Bundespräsident Köhler fängt sich Kritik ein und tritt zurück
Die guten Gründe unserer Militäreinsätze in der Welt

von der Gruppe "vonmarxlernen"

06/10

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Da will der Bundespräsident seinem Volk, das mehrheitlich am guten nationalen Sinn des Afghanistan-Kriegs zweifelt, nur ein bisschen Orientierung geben. In einem Interview betont er, dass hinter allen „höheren“ Motiven, die für diesen Krieg ins Feld geführt werden, letztlich auch ein ganz handfestes nationales Interesse steckt. Offenbar ist er der Meinung, dass sich damit dann aber auch alle Zweifel beim Bürger, den er ganz selbstverständlich als mit seiner Nation mitfiebernden Patrioten unterstellt, zu erledigen haben. Auch wenn es im Fall Afghanistan nicht unbedingt auf der Hand liegen mag, macht uns Horst Köhler klar, dass eine wirtschaftlich mächtige Nation wie Deutschland viel zu verlieren hat, dass sie deshalb ihre Reichtumsquellen auf der ganzen Welt jederzeit verteidigen muss, zur Not auch mit militärischer Gewalt:

„Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen. Alles das soll diskutiert werden und ich glaube, wir sind auf einem nicht so schlechten Weg.“

Gleich fünfmal "auch" in einem einzigen präsidialen Satz! Mit diesem Gestammel will unser Staatsoberhaupt klarmachen, dass er natürlich nichts an den ansonsten üblichen schwer moralischen Begründungen für Deutschlands Militäreinsätze zurücknehmen, sondern diese ergänzen will. Und zwar um den Hinweis, dass sie wirklich im Interesse eines jeden Bewohners diese schönen Landes stattfinden, auch wenn der gar nicht an Deutschlands weltpolitische Verantwortung, sondern bloß an eher Schnödes wie seine Lohntüte denkt.

Und dann das! Kein flächendeckendes Dankeschön für die mutigen und in die Zukunft weisenden Worte, mit denen der Präsident seinem Volk doch nur begreiflich machen will, dass Geschäft und Gewalt in einer imperialistischen Nation stets zusammen gehören. Stattdessen gewollte Missverständnisse und kleingeistige Mäkelei.

  • Wie immer kritteln Grüne und Linke. Trittin und Gysi dementieren entrüstet jeden Zusammenhang zwischen deutschen Armee-Einsätzen und wirtschaftlichen Interessen. Der eine braucht keine „Kanonenboot-Politik“, der andere ist der Meinung, dass man „für Export und Freihandel alles Mögliche tun (kann), aber sicher keine Kriege führen“. Übrigens durchaus bemerkenswert, wie sich Grüne und Linke herausgefordert fühlen, die deutschen Militäreinsätze ins rechte Licht zu rücken. Erstens: Einen Zusammenhang zwischen unseren friedlichen Wirtschaftsinteressen und deutschen Gewalteinsätzen auf der Welt wollen sie einfach nicht erkennen – und wenn doch, dann höchstens dahinten am Horn von Afrika, wo man ein paar Piraten das Handwerk legen muss. Zweitens: Wenn sie schon bemerken, dass einem Krieg wie dem in Afghanistan noch grundsätzlichere Weltordnungsambitionen zugrunde liegen als bloß das Motiv, Handelswege zu sichern, dann soll das gleich ein Ausweis dafür sein, dass man selbstlos höheren Werten dient, wenn man irgendwo zuschlägt auf dieser Welt! Nein, auf schnöde materielle Interessen lassen sich speziell unsere deutschen Auswärtsspiele nicht reduzieren! Diese Gegenrede von links musste offenbar mal wieder unbedingt sein, damit der Bürger richtig und nicht falsch orientiert wird...

  • Aber auch die eigenen Parteifreunde finden – mit Ausnahme des schneidigen Verteidigungsministers – Köhlers Interview-Äußerungen „nicht glücklich“. Die SPD bemängelt, dass Köhler mit ihnen die Zustimmung des Bundestags unterminiert, die schließlich an der Berufung auf das UN-Mandat hänge und eben nicht einen Krieg aus einem eigenen nationalen Interesse heraus behaupte. Die Presse findet den Auftritt "verstörend" ...

PS: Jetzt ist der Bundespräsi beleidigt zurückgetreten. So viel Unverständnis bei so viel guter Absicht – das ist aber auch wirklich zu gemein!

Editorische Anmerkung

Wir erhielten den Artikel von den AutorInnen für diese Ausgabe. Erstveröffentlicht wurde er auf deren Website www.vonmarxlernen.de