Berliner Bündnis gegen Rechtspopulismus gegründet
 
von
Peter Nowak

06/11

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Mit einem Bündnis gegen Rassismus, Sozialchauvinismus und Rechtspopulismus wollen linke Gruppen in den nächsten Monaten in die politischen Landschaft im Vorfeld der Berliner Abgeordnetenhauswahlen außerparlamentarisch intervenieren. Am vergangenen Samstag haben sich die beteiligten Gruppen, unter anderem Theorie und Praxis (Top), die Linksjugend Solid und die Internationalen KommunistInnen sowie mehrere Antifagruppen, auf den inhaltlichen Rahmen ihrer Arbeit verständigt.

Auf dem Workshoptag ging der Mitarbeiter der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin Fabian Kunow eingehender auf die beiden rechtspopulistischen Parteien „Die Freiheit“ und die Pro-Bewegung ein, die bei den Wahlen um die Stimmen im rechten Lager konkurrieren. Nach Kunows Einschätzung werden beide Gruppierungen nicht ins Abgeordnetenhaus einziehen, könnten allerdings in einigen Bezirksparlamenten Sitze erlangen. Die Perspektive der beiden Rechtsgruppierungen beurteilt er unterschiedlich. Den Freiheitlichen prognostiziert er nach einer Wahlschlappe einen Streit zwischen den erzkonservativen und den neoliberalen Flügel, der die Partei schnell in die Bedeutungslosigkeit kapitulieren könnte. Die Pro-Bewegung würde nach Kunows Einschätzung nach den Wahlen ihre Aufbauarbeit fortsetzen. Dort engagieren sich Personen, die in den letzten Jahren schon in verschiedenen anderen extrem rechten Gruppierungen aktiv waren und auf Druck der antifaschistischen Bewegung eingestellt sind, so die Beobachtung des Experten der rechtspopulistischen Szene. Trotz geringer Wahlchancen der Rechtsparteien betont er die Notwendigkeit in antifaschistischer Bündnisarbeit gegen die Aktivitäten der rechten Parteien. Die habe bisher dazu geführt, dass es ihnen nicht gelungen sei, Teile der Bevölkerung zu mobilisieren. Der Überraschungswahlsieg der Republikaner bei den Abgeordnetenhauswahlen in Westberlin 1988 zeige auch, dass sich die antifaschistische Bewegung trotz schlechter Umfragewerte für die Rechtsparteien nicht in Sicherheit wiegen solle, betonten Teilnehmer_innen des Workshops. Auch die NPD, die in einigen Stadtteilen eine Stammwählerschaft von ca. 3 % habe, dürfe nicht vernachlässigt werden. Ein zentrales Aktionsfeld soll der Widerstand gegen ein Antiislamkongress sein, den die Pro-Bewegung Ende August in Berlin plant.

Populismus der Mitte

Doch ein klassisches Antifabündnis soll der neue Zusammenschluss nicht werden. Das Bündnis will sich auch mit dem „Rechtspopulismus der Mitte“ auseinandersetzen. Als aktuelles Beispiel führt ein Sprecher die vom ehemaligen Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin entfachte Debatte an. Auf wiederholte Kampagnen gegen Hartz IV-Empfänger-innen ging die Neuköllner Erwerbslosenaktivistin Anne Seek ein. Sie verwies auf die kontinuierliche Arbeit, die es in dem Stadtteil nicht nur vor den Jobcentern gibt, um die Betroffenen zu unterstützen. Garip Bali vom Verein Allmende stellte die Kampagne „Integration Nein Danke“ vor, mit der sich migrantische Gruppen gegen Forderungen nach Anpassung an die deutsche Leitkultur wenden. Dabei werden migrationspolitische Forderungen der Berliner Grünen ebenso kritisiert, wie martialische Sprüche von Konservativen. Allerdings gab es bei der Abschlussveranstaltung eine Kontroverse über die Frage, ob der Bezug auf Parallelgesellschaften eine adäquate Antwort auf die Zumutungen der deutschen Leitkultur sein kann.

Antirassistische Projekte und soziale Kämpfe

Die Internationalen Kommunist_innen setzten in ihren Workshop über soziale Gegenwehr auf eine Integration in die sozialen Bewegungen. Als positives Beispiel wurden die gewerkschaftlichen Arbeitskreise undokumentiertes Arbeiten genannt. Dort können Beschäftigte unabhängig von ihren Aufenthaltsstatus ihre Rechte als Lohnabhängige durchsetzen. Der Gründung der Arbeitskreise voraus gingen Kämpfe zahlreicher Gruppen aus dem linksgewerkschaftlichen und antirassistischen Bereich, um das Recht auf Gewerkschaftsmitgliedschaft voraus. Auch der Verband der Europäischen Wanderarbeiter_innen war die Konsequenz einer Auseinandersetzung inner- und außerhalb der Gewerkschaften. Dabei ging es vor allem um den Widerstand gegen die rassistische Kampagne gegen Schwarzarbeit, die häufig in eine Kampagne gegen die Schwarzarbeiter_innen um geschlagen ist. Die schnelle gewerkschaftliche Herabstufung des Wanderarbeiter_innenverbandes zeigt auch, dass ohne Druck auch von außerhalb der Gewerkschaften Rückschläge immer möglich sind. Allerdings wurde in dem Arbeitskreis auch betont, dass solche Projekte auch von der außerparlamentarischen Linken bei aller DGB-Kritik unterstützt werden sollte, weil sie von unten erkämpft worden und kein Geschenk der DGB-Bürokratie sind sondern ein Recht, dass die Betroffenen mit unterstützenden Organisationen selber erkämpft haben.

Eine Aktivistin berichtete auf dem Workshop, wie außerparlamentarische Linke in Nürnberg erfolgreich in einen Streik bei Elektrolux in Nürnberg intervenierten und so zur Unterstützung der Belegschaft beitrugen. Auch dort waren Lohnabhängige aus der Türkei führend am Streik beteiligt. Daher sollte das Motto Integration nein danke gegen die Zumutungen der deutschen Leitkultur betreffend mit der aktiven Integration in die unterschiedlichen sozialen Kämpfe verbunden werden. Das dürfte eines der Aktivitäten des neuen Bündnisses in der nächsten Zeit werden.
Zu den vom Bündnis geplanten Aktivitäten gehört eine Mobilisierung gegen ein von der Probewegung Ende August in Berlin geplante Antiislamkongress. Eine Massenzeitung ist ebenso in Planung wie Aktivitäten vor Jobcentern. Das Bündnis setzt auf Verbreiterung.

An 2. Juni findet im Festsaal Kreuzberg um 19.30 Uhr die Auftaktveranstaltung des Bündnisses statt. Weitere Aktivitäten werden auf der Bündnishomepage zu finden sein.
 

Editorische Anmerkungen

Wir erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe.