Zur Geschichte des Trotzkismus
Von der Gründung der Vierten Internationale bis nach dem Zusammenbruch des Stalinismus

 von Wolfram Klein

06/11

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Trotzki hat Mitte der 1930er Jahre seine Arbeit für den Aufbau einer Vierten Internationale als die wichtigste Arbeit seines Lebens bezeichnet – wichtiger als seine Arbeit als Organisator der Oktoberrevolution oder im russischen Bürgerkrieg. Siebzig Jahre nach Trotzkis Tod gibt es in keinem einzigen Land eine trotzkistische Massenpartei, dafür eine Vielzahl von konkurrierenden, sich auf Trotzki berufenden Organisationen und Internationalen. Ist der Trotzkismus also gescheitert?

Eine Bilanz des Trotzkismus im Vergleich zu anderen Strömungen der Arbeiterbewegung ergibt ein differenziertes Bild: Trotzki kämpfte für eine Vierte Internationale, als es zwei internationale politische Massenorganisationen der Arbeiterklasse gab: die reformistische Sozialistische Arbeiterinternationale (Zweite Internationale) und die stalinistische Kommunistische Internationale (Dritte Internationale).

Die Zweite Internationale wurde 1951 als Sozialistische Internationale wiedergegründet und besteht auf dem Papier weiter. Aber für ihre Mitgliedsparteien bedeutet Reform inzwischen das Gegenteil: nicht mehr Verbesserungen für die arbeitende Bevölkerung, sondern die Zerstörung der in der Vergangenheit erreichten Verbesserungen. War sie zu Trotzkis Zeiten eine tief in der Arbeiterbewegung verankerte Organisation, die von prokapitalistischen Verrätern geführt wurde, so ist sie heute nur noch ein Schatten von damals und hat jede Bedeutung als potenzielles Kampfinstrument für die Arbeiterklasse verloren.

Die Dritte Internationale wurde 1943 aufgelöst. Der Stalinismus hatte nach dem Zweiten Weltkrieg zwar in vielen Ländern Massenanhang (vor allem wegen dem riesigen Beitrag, den die Sowjetunion und die Kommunistischen Parteien zum Sieg über Hitler leisteten). Heute aber sind einige dieser Parteien, ebenso wie sozialdemokratische Parteien, zu komplett bürgerlichen Parteien geworden, andere sind an Größe und Einfluss sehr geschrumpft und wirken eher wie verstaubte Relikte der Vergangenheit denn als lebendige Arbeiterorganisationen, die einen Massenanhang organisieren könnten.

Und allen Unkenrufen zum Trotz sind Spaltungen keine trotzkistische Eigenart: Stalinisten haben sich in prosowjetische Stalinisten, Titoisten, Maoisten, Eurokommunisten usw. gespalten. Anders als TrotzkistInnen haben sie ihre Konflikte nicht nur mit Worten ausgetragen: Es gab Kriege (China-Vietnam, Vietnam-Kambodscha) und Grenzkonflikte (Sowjetunion-China) zwischen stalinistischen Staaten. Es gab blutige Auseinandersetzungen zwischen prosowjetischen Regimes und maoistisch-stalinistischen Guerillagruppen (zum Beispiel in Äthiopien in den 1970er und Afghanistan in den 1980er Jahren).

Und die anderen TheoretikerInnen, mit denen sich Trotzki auseinandersetzte? Gibt es in Deutschland oder international eine handlungsfähige politische Organisation, die in der Tradition von Karl Korsch, von Brandler und Thalheimer, von Bordiga, von Seydewitz oder von Bucharin steht? Wahrscheinlich kennen einige LeserInnen nicht einmal alle diese Namen.

Tatsächlich war die Bezeichnung „Trotzkismus“ zuerst ein Etikett, mit dem die Stalinisten ihre GegnerInnen diffamieren wollten. Die Tausenden, die während des Massenmords der „Säuberungen“ in der Sowjetunion von 1936 bis 1938 Stalins Erschießungskommandos ein „Lang lebe Trotzki“ entgegen riefen, haben das Schimpfwort zu einem Ehrennamen gemacht. Trotzdem ist „Trotzkismus“ nicht mehr als moderner Ausdruck für den revolutionären Marxismus von heute. Zu dieser Tradition haben Rosa Luxemburg und Lenin ebenso beigetragen wie Trotzki. Und nach dem Zweiten Weltkrieg haben das Komitee für eine Arbeiterinternationale (die internationale sozialistische Organisation, der die SAV angeschlossen ist, englische Abkürzung: CWI) und seine britischen Vorläuferorganisationen (WIL - Workers International League und RCP - Revolutionnary Communist Party) diese Tradition weiter entwickelt.

Die Geschichte des Trotzkismus ist für das CWI in erster Linie die Geschichte der Weiterentwicklung der Ideen des revolutionären Marxismus. Die Strömung aus der das CWI entstanden ist, hat wie Trotzki versucht, mit der marxistischen Methode die sich ändernde Wirklichkeit zu verstehen, vor allem die neuen Weltlagen, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg und nach dem Zusammenbruch des Stalinismus in Osteuropa und der Sowjetunion entwickelten. Andere sich auf Trotzki berufende Strömungen haben sich zu sehr an Trotzkis Worte und zu wenig an seine Methode gehalten. Oder sie haben das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, wenn sich die von Trotzki entwickelten Perspektiven nicht verwirklichten, und dann weiterhin gültige Grundpositionen des revolutionären Marxismus über Bord geworfen.

Die Gründung der Vierten Internationale

1933 hatte die sektiererische Politik der KPD-Führung, die die Sozialdemokraten als „Sozialfaschisten“ beschimpfte Hitler den Weg an die Macht erleichtert. Als diese katastrophale Niederlage für die internationale Arbeiterbewegung nicht einmal nachträglich zu ernsthafter Selbstkritik führte, folgerte Trotzki, dass die Kommunistische Internationale nicht zu reformieren, sondern als revolutionäre Organisation tot war und eine neue, Vierte Internationale aufgebaut werden müsse. Trotzki und die im Kampf gegen den Stalinismus entstandene Internationale Linke Opposition suchten die folgenden Jahre MitstreiterInnen für die Gründung einer neuen Internationale. Aber immer wieder bekamen sie zu hören, dass die Zeiten dafür ungünstig seien. Als ob sie nicht selbst am besten gewusst hätten, dass nach den zahllosen Niederlagen in Deutschland, Spanien und anderswo kurzfristig der Aufbau einer Masseninternationale nicht möglich war. Aber Trotzki hatte im Ersten Weltkrieg miterlebt, wie schwer es unter Kriegsbedingungen war, internationale Kontakte zu knüpfen und politische Fragen zu klären. Deshalb verstand er, wie wichtig es war, vor dem drohenden Zweiten Weltkrieg das Gerüst – und das hieß in erster Linie: ein politisches Programm – einer Internationale zu haben, die in der erhofften revolutionären Welle nach dem Krieg zum Anziehungspunkt für Massen werden sollte. Deshalb fand auf Trotzkis Drängen am 3. September 1938 die Gründung der Vierten Internationale statt.

Ein Jahr später begann der Zweite Weltkrieg. Zu Beginn des Krieges gab es einen heftigen Fraktionskampf in der größten Sektion der Internationale, der amerikanische Socialist Workers Party (Sozialistische Arbeiterpartei, SWP). Aber insgesamt widersprachen die Kriegsjahre dem Klischee von den sich ständig spaltenden Trotzkisten: in mehreren Ländern fanden Vereinigungen trotzkistischer Organisationen statt oder Organisationen schlossen sich dem Trotzkismus an. Das zeigte, wie solide die politische Grundlage war, die Trotzki für die Vierte Internationale geschaffen hatte. 1943 gelang es sogar, hinter dem Rücken der Nazi-Besatzer ein Provisorisches Europäisches Sekretariat zu bilden.

Für die Vorgeschichte des CWI war dabei die Entwicklung in Großbritannien wichtig. Unmittelbar vor der Gründung der Vierten Internationale hatte James P. Cannon, der wichtigste Führer der SWP in den USA, im Sommer 1938 versucht, die verschiedenen britischen trotzkistischen Gruppen zu vereinigen. Als einzige weigerte sich die Workers International League (Internationale Arbeiterliga, WIL - Organisation um Ted Grant und andere, die die Vorläuferströmung des CWI bildeten), sich an der Vereinigung zu beteiligen, da die Vereinigung keine solide politische Grundlage hatte. Der nur einen Tag dauernde Gründungskongress der Vierten Internationale hatte keine Zeit, sich ernsthaft mit der britischen Situation zu beschäftigen, und nahm eine Haltung ein, die sowohl sachlich als auch politisch falsch war. Die Entwicklung der folgenden Jahre gab der WIL Recht. Die offizielle Sektion der Vierten Internationale, Revolutionary Socialist League (Revolutionär-Sozialistische Liga, RSL), war vor allem mit internen Konflikten beschäftigt, bis schließlich wechselseitige Ausschlüsse die Organisation von 170 auf 23 Mitglieder dezimiert hatten. Die WIL wuchs von 9 Mitgliedern bei ihrer Gründung und 30 im Sommer 1938 auf rund 300 Mitglieder, durch zahlreiche Übertritte von der RSL, vor allem aber durch die Gewinnung neuer Mitglieder. Schließlich fusionierten 1944 WIL und RSL zur Revolutionary Communist Party (Revolutionär-Kommunistische Partei, RCP), die zur offiziellen britischen Sektion der Vierten Internationale wurde.

Die neue Lage nach dem 2. Weltkrieg

Trotzki hatte 1906 in seiner ersten bedeutenden Schrift geschrieben: „Der Marxismus ist vor allem eine Methode der Analyse – nicht der Analyse von Texten, sondern der Analyse sozialer Beziehungen.“ Nach seinem Tod klammerte sich die Führung der Vierten Internationale leider an Trotzkis Texte, statt die sich verändernden sozialen Beziehungen zu untersuchen. Das führte zu so skurrilen Ereignissen wie der Rede Cannons Ende 1945, in der er leugnete, dass der Zweite Weltkrieg zu Ende war. Trotzki hatte erwartet, dass die stalinistische Sowjetunion den Zweiten Weltkrieg nicht überleben werde. Die Sowjetunion existierte noch, also konnte der Krieg noch nicht zu Ende sein ...

Wie Trotzki vorhergesehen hatte, gab es nach dem Zweiten Weltkrieg, wie nach dem Ersten eine revolutionäre Welle. Sie unterschied sich aber in wesentlichen Merkmalen. Die revolutionäre Welle nach dem Ersten Weltkrieg wurde mit der Russischen Revolution eingeleitet, in der die Arbeiterklasse unter Führung der Bolschewiki, also revolutionärer MarxistInnen, die Macht übernahm. Dadurch konnte die Kommunistische Internationale schnell zu einer Massenkraft werden und innerhalb der Internationale konnten die Bolschewiki ihre Autorität gegen sektiererische und opportunistische Strömungen in die Waagschale werfen.

Trotzki war sich immer klar, dass Hitlers Ziel Krieg gegen die Sowjetunion und die Restauration des Kapitalismus dort war (und der Hitler-Stalin-Pakt nur eine Episode). Er erwartete, dass entweder diese Restauration gelingen oder die sowjetischen ArbeiterInnen die Bürokratie mit revolutionären Methoden stürzen und die Arbeiterdemokratie wieder errichten würden. Statt dessen siegten die sowjetischen ArbeiterInnen unter der Führung von Stalin und seiner Bürokratie und das Prestige des Stalinismus wurde international enorm gestärkt. Hatte es nach dem Ersten Weltkrieg eine reformistische Internationale gegeben, die in Ländern wie Deutschland und Österreich die revolutionären, sozialistischen Bestrebungen der ArbeiterInnen ins Leere laufen ließ, so gab es jetzt zwei Verräterinternationalen, von denen sich eine obendrein auf die Autorität der Oktoberrevolution und des Sieges über Hitler stützen konnte. Sozialdemokratie und Stalinismus sprachen zwar von Sozialismus, retteten aber faktisch den Kapitalismus in Westeuropa.

Trotzki hatte 1933 geschrieben, dass die Komintern als revolutionäre Kraft tot sei. Manche seiner AnhängerInnen folgerten daraus, dass sie überhaupt tot sei. In der Tat hatten die diversen Niederlagen der 1930er Jahre Reformismus und Stalinismus immer wieder geschwächt. Aber die ArbeiterInnen wandten sich nicht der Vierten Internationale zu, sondern waren vorübergehend demoralisiert. Als im Verlauf des Krieges eine politische Radikalisierung stattfand, wandten sich die ArbeiterInnen wieder ihren traditionellen Organisationen zu. Die Unterdrückung durch den Faschismus hatte die Differenzen zwischen seinen Gegnern verwischt („in der Dämmerung des Faschismus sind alle Katzen grau“ schrieb Trotzki am 24. 4. 1935). Der Wunsch nach Demokratie war so stark, dass die Erinnerung an die Begrenztheit der bürgerlichen Demokratie verblasste. Nicht dass die Massen auf wirtschaftlichem Gebiet für den Kapitalismus gewesen wären: Die Erinnerungen an die Weltwirtschaftskrise, an den Krieg, an die enge Zusammenarbeit der Kapitalisten in Deutschland und den besetzten Ländern mit den Nazis etc. schufen eine Massenstimmung für Sozialismus. Aber wenn die reformistischen und stalinistischen Funktionäre ihnen sagten: „Jetzt müssen wir erst einmal die Produktion wieder in Gang setzen, die Wirtschaft wieder aufbauen“, dann klang das angesichts der Kriegszerstörungen für die meisten überzeugend. Erst später merkten sie, dass sie nicht eine neutrale „Wirtschaft“ wieder aufgebaut hatten, sondern den verhassten Kapitalismus. Das führte zu der paradoxen Situation, dass die Massen zwar für Sozialismus waren, sich aber von Lippenbekenntnissen der Reformisten und Stalinisten - sie seien auch für Sozialismus, das ginge aber nicht so schnell - leicht um den Finger wickeln ließen. Dagegen boten so nebensächliche Fragen wie die Aufrechterhaltung der Monarchie in Italien und Belgien oder die Anzahl der Kammern des französischen Parlaments politische Sprengkraft. Hier hatten die Massen keine Geduld.

Es gab eine Auseinandersetzung in der Vierten Internationale über die Bedeutung, die demokratische Forderungen nach dem Krieg haben würden. Leider setzte sich eine sektiererische Haltung durch, die BefürworterInnen einer die konkreten Kampfbedingungen berücksichtigenden Taktik (wie die britische RCP) wurden als Opportunisten diffamiert. Dabei boten diese Fragen den TrotzkistInnen eine Gelegenheit die Massenparteien unter Druck zu setzen und ArbeiterInnen von diesen bzw. den Volksfrontregierungen mit bürgerlichen Koalitionspartnern zu lösen.

Der sektiererischen Taktik entsprach eine völlig unrealistische Einschätzung der Lage: die US-Besatzer in Westeuropa würden dieselben Methoden anwenden, wie die Nazi-Besatzer vor ihnen, in Westeuropa sei keine bürgerliche Demokratie mehr möglich, sondern nur noch Militärdiktaturen. In den 1940er Jahren konnte niemand vorhersehen, dass der Kapitalismus 1948 bis 1973 den größten Wirtschaftsaufschwung seiner Geschichte haben würde. Aber dass es wirtschaftliche Stabilisierung und Aufschwung gab, das wurde ab etwa 1947 deutlich.

Die Führung der Vierten Internationale war nicht in der Lage die ökonomischen Entwicklungen auch nur annähernd zu analysieren. Sie sprach von einer wirtschaftlichen Erholung, verneinte aber das Potenzial für einen Aufschwung und wiederholte die doktrinäre Behauptung, dass der Kapitalismus das wirtschaftliche Niveau von 1938 nicht überschreiten könne. Die RCP erkannte, dass es einen Wirtschaftsaufschwung und nicht nur eine Erholung gab. Und sie sah, dass in den westlichen ehemaligen faschistischen oder faschistisch besetzten Ländern die sozialdemokratischen und stalinistischen Parteien entgegen den Wünschen der sie unterstützenden Massen den Kapitalismus retteten. Sie spielten eine ähnliche Rolle wie die deutsche SPD nach dem Ersten Weltkrieg. Deshalb konnte der Kapitalismus die revolutionäre Welle überstehen und zugleich den demokratischen Bestrebungen der Massen entgegenkommen. Es war eine kapitalistische Konterrevolution in demokratischer Form. Die RCP sah auch noch nicht voraus, dass der größte Wirtschaftsaufschwung in der Geschichte des Kapitalismus bevorstand und auf dieser Grundlage für eine ganze Geschichts-epoche stabile bürgerliche Demokratien in Westeuropa entstehen konnten. Deshalb hielt sie die bürgerlichen Demokratien, die in Frankreich oder Italien entstanden für ähnlich instabil wie die Weimarer Republik in Deutschland. Die RCP hatte also anders als die Führung der Vierten Internationale kurzfristig richtige Perspektiven und konnte ihre langfristigen Perspektiven in den folgenden Jahren nach und nach ebenfalls korrigieren.

Osteuropa

Die Entwicklungen in Osteuropa verstand die Führung der Vierten Internationale noch weniger. Erst hielt sie den Stalinismus für so geschwächt, dass selbst diplomatischer Druck zur Restauration des Kapitalismus führen könne. Dass in Osteuropa oder in China der Kapitalismus gestürzt und stalinistische Staaten nach dem Vorbild der Sowjetunion errichtet werden könnten, hielt sie für unmöglich, schließlich hatten dort keine Arbeiterrevolutionen wie in Russland stattgefunden. Deshalb erklärte sie, Osteuropa sei weiterhin kapitalistisch. Tatsächlich pfiff der Kapitalismus in diesen Ländern aus dem letzten Loch. Ein Teil der Kapitalistenklassen war von den Nazis ausgerottet worden, ein anderer Teil floh mit den Nazis vor der anrückenden Roten Armee. Die neuen stalinistischen Machthaber bildeten Volksfrontbündnisse mit den Resten der bürgerlichen Parteien. Durch ArbeiterInnen von unten gebildete räteähnliche Strukturen wurden unterdrückt. Der bürokratische Staatsapparat ähnelte kapitalistischen Staaten, aber an den Schlüsselstellen (Armee, Polizei) waren zuverlässige Stalinisten. Nachdem die revolutionären Massen unter Kontrolle gebracht waren und die Gefahr (aus stalinistischer Sicht) einer sozialistischen Entwicklung gebannt war, wurden die bürgerlichen Verbündeten ausgebootet, die verbliebenen Kapitalisten enteignet und stalinistische Staaten nach sowjetischem Vorbild (mit Staatseigentum an den Produktionsmitteln und geplanter Wirtschaft, aber stalinistischer Einparteiendiktatur) errichtet. Dabei machte es keinen großen Unterschied, ob die Besatzer von der Roten Armee oder von Partisanenarmeen (wie in Jugoslawien, Albanien oder China) verjagt worden waren. Der Hintergrund der Entwicklung war das internationale Kräfteverhältnis: Der Kapitalismus hatte diese Länder nicht entwickeln können, der Sieg der Roten Armee über Nazi-Deutschland hatte das Prestige des Stalinismus gestärkt und den Imperialismus geschwächt.

Die Führung der RCP erkannte, dass in diesen Ländern der Kapitalismus gestürzt, aber kein Sozialismus, sondern stalinistische Diktaturen errichtet wurden. Um den Sozialismus zu erreichen, war eine politische Revolution (ebenso wie in der Sowjetunion) notwendig, die den Stalinismus durch eine Arbeiterdemokratie ersetzen würde.

Die Führung der Vierten Internationale entstellte die Analyse der RCP und warf ihr eine unkritische Haltung gegenüber dem Stalinismus vor, weil sie die Realität anerkannte. Tatsächlich bedeutete es keineswegs, dem Stalinismus irgendwelche revolutionären Qualitäten zuzubilligen, wenn man erklärte, dass in Ländern, in denen nur noch die Wahl zwischen Sozialismus und Stalinismus bestand, weil der Kapitalismus total abgewirtschaftet hatte, die Stalinisten dafür sorgten, dass die Entwicklung zum Stalinismus und nicht zum Sozialismus ging.

Tatsächlich beging die Führung der Vierten Internationale ab Sommer 1948 die Sünden, die sie der RCP vorgeworfen hatte. Beim Bruch zwischen Tito und Stalin erklärte die RCP, dass der Grund dafür in dem Versuch Stalins lag, Jugoslawien national zu unterdrücken. Deshalb unterstützte die RCP Tito kritisch, erklärte aber zugleich, dass es ein Konflikt zwischen zwei stalinistischen Regimes war und auch in Jugoslawien eine politische Revolution notwendig war. Die Führung der Vierten Internationale dagegen hatte Jugoslawien bisher als kapitalistisch betrachtet. Jetzt erklärte sie Jugoslawien von einem Tag auf den anderen zu einem relativ gesunden Arbeiterstaat und Tito zu einem „unbewussten Trotzkisten“.

Nachdem die Führung der Vierten Internationale über mehrere Jahre ultralinke Positionen vertreten hatte, verfiel sie jetzt auf das Gegenteil: den Opportunismus. Nachdem sie bisher die Schwierigkeiten unterschätzt hatten, die der Arbeiterklasse auf dem Weg zu einer siegreichen Revolution entgegenstanden, wandten sie sich nun faktisch enttäuscht von der Arbeiterklasse ab und suchten nach anderen Kräften, die zum Sozialismus führen sollte. Tito war da nur der erste Kandidat.

Die Spaltung der Vierten Internationale

Die Führung der Internationale um Michel Pablo war fest überzeugt, dass der Imperialismus in ein paar Jahren den Dritten Weltkrieg beginnen werde, der ein internationaler Bürgerkrieg, eine Mischung aus Krieg und Revolution sein werde. Tendenziell ersetzte sie den internationalen Klassenkampf durch den Krieg zwischen zwei Lagern – der Imperialismus auf der einen Seite, die Sowjetunion und die revolutionären Bewegungen in Asien auf der anderen Seite. Dagegen fiel Jugoslawien in Ungnade, weil es sich im Koreakrieg auf die Seite des US-Imperialismus schlug.

Es gab Widerstand gegen Pablos zunehmende Anpassung an den Stalinismus. Aber die Kritiker teilten viele von Pablos Prämissen. Zum Beispiel übte der Text „Wohin geht Genosse Pablo?“ der Mehrheit der französischen Parti Communiste Internationaliste (Internationalistische Kommunistische Partei, PCI) zwar richtige Kritik an einigen Punkten (wie der Einteilung der Welt in Lager statt in Klassen oder der Vorstellung eines Jahrhunderte langen Übergangs zwischen Kapitalismus und Sozialismus), teilte aber viele falsche Ansichten Pablos, insbesondere, dass Regime wie die Titos oder Maos, weil sie nicht Befehlsempfänger Stalins waren, nicht stalinistisch seien.

Pablo ging gegen seine KritikerInnen rücksichtslos mit organisatorischen Mitteln vor, was 1952 zur Spaltung der PCI und dem Ausschluss ihrer Mehrheit führte. Nachdem Pablo auch Oppositionsfraktionen in der britischen Sektion (um John Lawrence) und der US-SWP (um Bert Cochran und George Clarke) protegierte, zog die Führung der amerikanischen SWP die Notbremse. Im November 1953 rief sie die TrotzkistInnen der Welt zum Kampf gegen den „pablistischen Revisionismus“ auf. Cannon in den USA und Healy in Großbritannien hatten Pablo bei der Zerschlagung der RCP (siehe unten) geholfen und bei der Spaltung der französischen PCI ruhig zugesehen. Erst als sie selber betroffen waren, wurden sie tätig. Die Folge war eine Spaltung der Internationale und die Gründung des Internationalen Komitees als Konkurrenzorganisation zum Internationalen Sekretariat der Vierten Internationale. Zugleich erlitten Pablos Perspektiven völligen Schiffbruch. Der Stalinismus spielte keine revolutionäre Rolle in einem Dritten Weltkrieg, aber es gab die ersten Entwicklungen in Richtung der von Trotzki vorausgesagten politischen Revolutionen gegen den Stalinismus: 1953 in der DDR, 1956 in Ungarn. Die Führung des Internationalen Sekretariats solidarisierte sich mit diesen revolutionären Bewegungen, ignorierte aber den qualitativen Unterschied zwischen diesen Revolutionen von unten und Reformen von oben (wie sie Gomulka 1956 in Polen betrieb) - kein geringer Fehler für Menschen, die sich als RevolutionärInnen verstehen.

Trotzdem gab es in verschiedenen trotzkistischen Strömungen solche Unklarheiten hinsichtlich aller oder einzelner stalinistischer Staaten. So war im Internationalen Sekretariat in den 1960er Jahren oft von „bürokratisierten Arbeiterstaaten“ die Rede. Die Formulierung ließ offen, ob es sich um Arbeiterstaaten „mit bürokratischen Deformationen“ handelte. So hatte Lenin 1920 schon Sowjetrussland bezeichnet. Das bedeutete aber, dass sich die bürokratischen Deformationen durch Reformen beseitigen lassen. Oder handelte es sich um „deformierte Arbeiterstaaten“, in denen eine politische Revolution notwendig ist? Trotzdem war die Haltung des Internationalen Sekretariats immer noch besser als die von Pablos Protegés Lawrence in Großbritannien und Cochran und Clarke, die sich immer mehr dem Stalinismus näherten. So kam dem Internationalen Sekretariat seine britische Sektion abhanden und es nahm Kontakt zu den Resten der RCP um Ted Grant und Jimmy Deane auf. Als Folge gehörten die Vorläufer des CWI 1956 bis 1965 zum Internationalen Sekretariat (bzw. ab 1963, nach dem Zusammenschluss von Internationalem Sekretariat und US-amerikanischer SWP, Vereinigten Sekretariat). Manche Organisationen aus der Tradition des Internationalen Komitees titulieren das CWI daher als „Pablisten“. Damit lenken sie davon ab, dass die Gründer des Internationalen Komitees jahrelang mit Pablo aufs Engste zusammengearbeitet haben, während Ted Grant und andere, die später das CWI gründen sollten, 1956 bis 1965 im Internationalen bzw. Vereinigten Sekretariat in der Opposition waren.

Gegen Illusionen in den Guerillakampf

Am 16. April 1856 schrieb Marx in seinem deutsch-englischen Kauderwelsch an Engels: „The whole thing in Germany wird abhängen von der Möglichkeit, to back the Proletarian revolution by some second edition of the Peasants war. [Die ganze Sache in Deutschland wird von der Möglichkeit abhängen, die proletarische Revolution in Deutschland durch eine Art zweite Auflage des Bauernkrieges zu unterstützen.] Dann wird die Sache vorzüglich.“ (Marx Engels Werke Band 29, S, 47) Die Verhältnisse in weiten Teilen der sogenannten Dritten Welt ähneln den damaligen Verhältnissen in Deutschland. Die klassische revolutionäre Kampfweise für die Bauernschaft ist der Guerillakampf. Da außerdem der Kampf der Bauernschaft gegen Großgrundbesitzer und den mit ihnen verbundenen kapitalistischen Staatsapparat unterstützenswert ist, haben MarxistInnen keinen Grund den Guerillakampf abzulehnen.

Aber Marx schrieb mit gutem Grund von einer Unterstützung der proletarischen Revolution. Für MarxistInnen ist der Klassenkampf nicht einfach ein Kampf Arm gegen Reich. Arme hat es in der Geschichte der Klassengesellschaften schon immer gegeben und trotzdem entsteht erst mit dem Kapitalismus die Möglichkeit, Klassengesellschaften zu überwinden und nicht nur eine Klassengesellschaft durch eine neue zu ersetzen (wie den Feudalismus durch den Kapitalismus). Das liegt an den besonderen gesellschaftlichen Widersprüchen im Kapitalismus, wie sie am anschaulichsten von Friedrich Engels 1880 im dritten Teil seiner „Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft“ zusammengefasst worden sind. Dort schilderte er die Verdrängung des bäuerlichen und handwerklichen Kleinbetriebs durch den kapitalistischen Großbetrieb. Dadurch entsteht ein Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung. Viele ArbeiterInnen arbeiten in einem Betrieb planmäßig zusammen, aber am Schluss gehört das Arbeitsprodukt dem Eigentümer des Betriebs (egal ob er ein Mensch oder eine juristische Person, zum Beispiel eine Aktiengesellschaft, ist). Deshalb ist der Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung zugleich ein Klassengegensatz zwischen Proletariat und Bourgeoisie, zwischen Arbeiterklasse und Kapitalistenklasse. Wenn MarxistInnen der Arbeiterklasse die zentrale Bedeutung für die Befreiung der Menschheit von Ausbeutung und Unterdrückung geben, liegt das nicht daran, dass alle ArbeiterInnen edle Menschen sind. Alle Menschen, die in dieser auf Konkurrenz basierenden Klassengesellschaft aufwachsen, werden durch sie verbogen. Es ist auch nicht so, dass ArbeiterInnen immer zum Kampf bereit wären und man den Klassenkampf jeder Zeit wie einen Lichtschalter anknipsen könnte, wenn nur die sozialpartnerschaftlich orientierten Gewerkschaftsführungen nicht wären. (ArbeiterInnen sind denkende Menschen. Oft denken sie auch, dass sich Kämpfen nicht lohnt – oder dass sie gar nicht zum Kampf aufgerufen werden, sondern nur zu Dampfablassaktionen. Da ArbeiterInnen nicht immer kampfbereit sind, ist es umso schlimmer, wenn ihre Organisationen die Situationen, in denen diese Kampfbereitschaft da ist, nicht nach Kräften ausnutzen.)

Aber wenn ArbeiterInnen in den Kampf treten, dann ist für sie durch ihre Stellung in einem kollektiven, organisierten Produktionsprozess die Schlussfolgerung nahe liegend, kollektiv und organisiert zu kämpfen. Das wiederum wirft die Frage der Organisationsformen auf. Durch ihre Erfahrungen im Kampf kommen ArbeiterInnen immer wieder zu der Schlussfolgerung, dass ihre Organisation schlagkräftig sein muss, weil der Gegner stark ist, und demokratisch, weil sie nur so die Ziele und Formen des Kampfes beeinflussen können. Die Geschichte der Klassenkämpfe zeigt, dass ArbeiterInnen häufig in größeren Klassenkämpfen und im Widerstand gegen kapitalistische Diktaturen (oder stalinistische Diktaturen wie in Ungarn 1956) Räte oder räteähnliche Strukturen gebildet haben. Das Problem war meist, diese als Kampforgane entstandenen Räte nach dem Sieg in Machtausübungsorgane zu verwandeln und sich nicht von bürgerlichen Parlamenten und Politikern wieder die Macht aus den Fingern nehmen zu lassen. Deswegen reicht es nicht, Räte zu haben, sondern es ist auch nötig, dass es in den Räten eine starke revolutionäre Partei gibt, die eine Mehrheit von einem Programm und einer Strategie überzeugen kann, die eine Festigung der Revolution sicher stellen können. Deshalb ist die Entstehung von Räten keine Garantie dafür, dass ein kapitalistisches Regime durch eine Arbeiterdemokratie ersetzt wird und die Gesellschaft sich Richtung Sozialismus entwickelt. Der Verlauf der deutschen Novemberrevolution 1918 ist dafür das beste Beispiel. Aber Räte als demokratische Massenorganisationsform der Arbeiterklasse bieten zum ersten Mal in der Geschichte die Möglichkeit, dass in einer Revolution die Massen nicht nur für eine neue herrschende Klasse die Kastanien aus dem Feuer holen, eine Minderheitenherrschaft durch eine neue ersetzen, sondern eine Minderheitenherrschaft durch die demokratische Herrschaft der Mehrheit ersetzen, als ersten Schritt zur Beseitigung jeglicher Ausbeutung und Unterdrückung.

Doch ohne eine führende Rolle der Arbeiterklasse, ohne Arbeiterräte, ohne Arbeiterkontrolle und -verwaltung über die Produktion führt selbst der Sturz des Kapitalismus nicht zum Sozialismus. Im 20. Jahrhundert entstanden in solchen Fällen stalinistische Regime.

Die Frage, ob die Arbeiterklasse oder die Bauernschaft im revolutionären Kampf die führende Rolle spielt, war also nicht eine Frage, welcher Weg zum Sturz des Kapitalismus besser ist. Von ihr hing auch ab, ob der Sturz des Kapitalismus die Tür zum Sozialismus öffnet oder ob er zu einer stalinistischen Diktatur führt, von der man erst durch eine weitere, politische Revolution zum Sozialismus käme. Denn alle Erfahrung zeigt, dass die bäuerliche Kleinproduktion keine solide Grundlage für demokratische Organisationsformen ist.

Es ist kein Zufall, dass in Ländern wie Frankreich oder Deutschland die Bauernschaft und das städtische Kleinbürgertum die Massenbasis für bonapartistische und faschistische Diktaturen stellte. Ihre Existenz als kleine Privateigentümer macht sie anfällig für reaktionäre Ideen und unfähig eine unabhängige Rolle in der Geschichte zu spielen. Aber vor allem bedeutet der Guerillakampf, dass militärische Kampfformen im Vordergrund stehen. Kriege erfordern Hierarchie, Befehl und Gehorsam. Wenn ein kapitalistisches Regime durch eine Guerillaarmee gestürzt wird, ist es fast unvermeidlich, dass diese Guerillaarmee ihre hierarchischen Strukturen auf den neuen Staat überträgt.

Aber die Führung des Internationalen (und ab 1963 Vereinigten) Sekretariats der Vierten Internationale warf diese elementaren Grundlagen des Marxismus über den Haufen. Wer 1948 vergessen hatte, dass die Befreiung der Arbeiterklasse das Werk der Arbeiterklasse selbst sein muss und glaubte, es könne vielleicht auch das Werk eines aus einer Bauernguerilla entstandenen Tito-Regimes sein, warum sollte der nicht auch Castro für einen „unbewussten Trotzkisten“ halten? Es war dann nur konsequent, nicht auf den Sieg der Guerilla zu warten, sondern von Che Guevaras missglücktem Guerillakampf in Bolivien im Voraus einen historischen Durchbruch zu erhoffen. Es war richtig, für Ches Mut und seine persönliche Integrität, seinen Abscheu vor dem Stalinismus Sympathie zu haben. Aber notwendig wäre es gewesen, an seinen Illusionen in die Bauernguerilla solidarische Kritik zu üben. Dass die Guerilla auf Kuba siegte und den Kapitalismus stürzte, wäre ohne die Dummheiten des US-Imperialismus fraglich gewesen. Dass dieser Sturz des Kapitalismus zum Stalinismus und nicht zum Sozialismus führte, war dagegen kein Zufall. Die Aufgabe von MarxistInnen in Lateinamerika war damals, in der städtischen Arbeiterbewegung für ein marxistisches Programm zu kämpfen: Kampf für den Sozialismus und nicht für einen von feudalen Überbleibseln gereinigten Kapitalismus, wie es die Stalinisten predigten. Es war falsch, vor diesem ideologischen Kampf gegen den Stalinismus in die Berge auszuweichen und einen Guerillakampf zu versuchen. Aber wenn die BäuerInnen selbst einen Guerillakampf führten war das eine willkommene Hilfe im Kampf gegen den gemeinsamen Feind.

Richtig schlimm wurde es, wenn die Mehrheit des Vereinigten Sekretariats befürwortete, die auf dem Land berechtigten Kampfformen in die Städte zu übertragen. Die damalige Argumentation, unter den Bedingungen von politischer Unterdrückung sei eine Massenbewegung in den Städten nicht möglich, ist genügend widerlegt worden: die iranische Revolution 1978/79, die Massenbewegung der südafrikanischen ArbeiterInnen gegen die Apartheid ab Mitte der 1980er Jahre, die palästinensische Intifada Ende der 1980er Jahre waren der praktische Gegenbeweis. Zweifellos wurden diese Bewegungen brutal verfolgt, zahllose AktivistInnen wurden eingesperrt, gefoltert, ermordet. Aber die Verfolgung der Stadtguerillas in Lateinamerika durch die dortigen Diktaturen der 1970er Jahre war sicher nicht weniger schlimm. Vor allem haben die Massenbewegungen Regime gestürzt und zumindest die Möglichkeit geboten, sie durch etwas Besseres zu ersetzen, während in mehreren lateinamerikanischen Ländern die falsche Methode der Stadtguerilla den Kapitalisten ermöglicht hat, in rückständigen Teilen der Bevölkerung für die Errichtung von Diktaturen Verständnis zu finden.

Aber selbst bei den Teilen der Bevölkerung, in denen die Stadtguerilla Sympathien hatte, hob sie nicht das politische Bewusstsein. Vor hundert Jahren haben Lenin, Trotzki, Rosa Luxemburg und alle anderen MarxistInnen den individuellen Terror der „Sozialrevolutionäre“ im zaristischen Russland bekämpft. Sie erklärten, dass es um die Beseitigung des zaristischen Regimes gehe, nicht nur einzelner seiner Vertreter. Aber die Mehrheit des Vereinigten Sekretariats machte nicht nur bei russischen „Sozialrevolutionären“ Anleihen, sondern auch bei Robin Hood. Oder wie sonst soll man es bezeichnen, wenn man es als revolutionäre Taktik ausgibt, Reiche zu kidnappen und das Lösegeld unter die Armen zu verteilen?

In diesen Fällen setzte man sich, mit haarsträubenden Methoden, wenigstens für die Interessen der Masse der Bevölkerung ein. Mit seiner jahrelangen unkritischen Haltung gegenüber der Stadtguerilla der IRA vertiefte das Vereinigte Sekretariat aber die Kluft zwischen den protestantischen und katholischen ArbeiterInnen in Nordirland, wo es die Aufgabe von MarxistInnen gewesen wäre, für Arbeitereinheit einzutreten.

Arbeit in Massenorganisationen

Die 1919 gegründete Kommunistische Internationale hatte sich in wenigen Jahren zu einer Massenkraft entwickelt, weil es in der revolutionären Welle nach dem Ersten Weltkrieg eine Radikalisierung in der Zweiten Internationale gab. Starke Minderheiten (oder wie in Frankreich Mehrheiten) der Parteien der Zweiten Internationale schlossen sich der Kommunistischen Internationale an. Auch eine neue revolutionäre Masseninternationale wird nicht nur dadurch entstehen, dass sich einzelne radikalisieren und revolutionäre Schlussfolgerungen ziehen, sondern auch dadurch, dass in Kämpfen und kollektiven Diskussionsprozessen größere Gruppen gemeinsam zu solchen Schlussfolgerungen kommen. Auch in der ersten Hälfte der 1930er Jahre gab es in der Sozialdemokratie in mehreren Ländern eine Radikalisierung unter dem Einfluss der Weltwirtschaftskrise, der Machtübernahme Hitlers in Deutschland, der Arbeiteraufstände in Österreich und Asturien 1934. Vor diesem Hintergrund schlug Trotzki seinen AnhängerInnen in Frankreich und anderen Ländern den Eintritt in diese Parteien vor. Eintreten heißt französisch „entrer“, daher wurde diese Taktik Entrismus genannt.

Die WIL hatte vor dem Zweiten Weltkrieg in der britischen Labour Party gearbeitet, war aber zu Beginn des Krieges zu unabhängiger Arbeit übergegangen, weil es im Krieg innerhalb der Labour Party praktisch kein politisches Leben gab. Nach dem Krieg drängte die Führung der Vierten Internationale auf eine Wiederaufnahme dieser Arbeit. Das war Teil ihrer ultralinken Perspektive, die sie eine Radikalisierung der Massen und die Entstehung eines linken Flügels in der Labour Party erträumen ließ. Die Führung der Internationale spaltete ihre britische Sektion und ihre AnhängerInnen begannen unter der Führung von Healy Arbeit in der Labour Party. Kurz danach schwenkte die Internationale von ultralinker zu opportunistischer Politik um. Für ihre Arbeit in der Labour Party bedeutete das, die eigenen Ideen zu verstecken und beim Aufbau eines linksreformistischen Flügels zu helfen (da man jetzt zugab, dass der nicht von alleine entstanden war). Das hieß in der Praxis, reformistische Illusionen zu schüren und Cheerleader für reformistische Parlamentsabgeordnete zu werden. Diese wurden ähnlich hofiert wie Tito, Mao oder später Castro auf internationaler Ebene. Da man inzwischen einsah, dass die Voraussetzungen nicht bestanden, die Trotzki für entristische Arbeit formuliert hatte – eine vorrevolutionäre oder revolutionäre Lage, Gärung in der Sozialdemokratie, die Entwicklung eines linken Flügels und die Möglichkeit der schnellen Kristallisierung einer revolutionären Strömung – sprach man jetzt von einer neuen Art von Entrismus, von „tiefem Entrismus“ oder „Entrismus sui generis“ (Entrismus eigener Art). Er lief darauf hinaus, dass man sich nicht darauf beschränkte, die eigenen revolutionären Ideen in einer möglichst verständlichen Sprache zu formulieren, sondern sie versteckte. Den britischen Vorläufern des CWI wurde damals Sektierertum und eine halbherzige Umsetzung des Entrismus vorgeworfen, weil sie dieses Versteckspiel ablehnten. (1949 hatte die RCP sich aufgelöst und ihre Mitglieder ebenfalls Entrismus in der Labour Party begonnen. Sie traten Healys Gruppe bei, der aber in wenigen Monaten alle KritikerInnen an seiner Führung ausschloss. Aus den Versuchen der Ausgeschlossenen, sich weiter zu organisieren, entstanden die Vorläufer der International Socialist Tendency, zu der die britische Socialist Workers Party gehört und des CWI)

Nachdem sie sich jahrelang als Linksreformisten verkleideten (und dabei oft Mitglieder an den Reformismus verloren) haben die meisten trotzkistischen Strömungen in den 1960er Jahren die Arbeit in den sozialdemokratischen Parteien gerade dann aufgegeben, als sich die Bedingungen verbesserten und sich auf die 68er-Bewegung gestürzt. Schwerwiegender war, dass vor allem das Vereinigte Sekretariat vor den Thesen der „Verbürgerlichung der Arbeiterklasse“ von Theoretikern wie Marcuse nachgab, von „Amerikanisierung“ der Arbeiterklasse sprach und sie in ihren Perspektiven für Jahrzehnte als gesellschaftstverändernde Kraft abschrieb. Das führte dazu, dass sie im Frühjahr 1968, kurz vor dem größten Generalstreik in der Geschichte Frankreichs, äußerten, dort werde für dreißig bis fünfzig Jahre nichts passieren.

Deshalb versuchten sie nicht, die StudentInnen auf die Arbeiterbewegung zu orientieren, sondern verstärkten noch die arrogante Haltung vieler StudentInnen. Erst 1979 verkündete das Vereinigte Sekretariat eine Wendung zur Industrie. So fügten sie ihren vielen Zickzacks einen weiteren hinzu.

Das CWI hat es dagegen ab den 1960er Jahren in Großbritannien und ab den 1970er Jahren in immer mehr Ländern geschafft, vor allem in den Jugendorganisationen sozialdemokratischer Parteien Unterstützung für revolutionäre Ideen zu gewinnen und von einer kleinen Gruppe in Großbritannien zu einer der stärksten trotzkistischen Strömungen international zu werden. Der praktische Erfolg war die beste Bestätigung der Arbeitsmethoden des CWI. Erst ab dem Ende der 1980er Jahre erschöpfte sich diese Arbeitsweise immer mehr. 1989 bis 1991 kam es dann zum dritten historischen Wendepunkt im 20. Jahrhundert. Welche theoretischen und praktischen Schlussfolgerungen das CWI im Unterschied zu anderen sich als trotzkistisch verstehenden Strömungen daraus gezogen hat, wird in einem weiteren Artikel behandelt werden.

Verschiedene trotzkistische Strömungen haben die Entwicklungen unterschiedlich analysiert. Es kann nicht überraschen, dass sie auch innerhalb von Organisationen zu Kontroversen führten. Auch innerhalb des CWI (Komitee für eine Arbeiterinternationale, die internationale Organisation, der die SAV angehört) gab es wesentlich heißere Debatten als in den Jahren zuvor, die auch zu mehreren Abspaltungen führten.

Neben den Kontroversen über die objektiven Veränderungen, gab es auch Meinungsverschiedenheiten darüber, welche Aufgaben sich für RevolutionärInnen ergaben. Entsprechend besteht auch dieser Text aus zwei Teilen.

Der Zusammenbruch des Stalinismus

Trotzki war überzeugt, dass der Stalinismus nicht eine neue und notwendige Gesellschaftsform im Ablauf der menschlichen Geschichte und der Entwicklung der Produktivkräfte war, sondern ein historischer „Unfall“, aus dem eine Übergangsgesellschaft entstanden war. In den stalinistischen Staaten war der Kapitalismus abgeschafft, aber noch kein Sozialismus geschaffen worden. Die Herrschaft der Bürokratie verhinderte eine auf einer Arbeiterdemokratie basierenden, harmonische Entwicklung in Richtung Sozialismus. Es gab nur die Alternative zwischen einer politischen Revolution (einem Sturz des Stalinismus durch die ArbeiterInnen und die Errichtung einer Arbeiterdemokratie, die den Weg zum Sozialismus frei machen würde), und einer kapitalistischen Konterrevolution. Daraus ergab sich für MarxistInnen eine doppelte Aufgabe: einerseits die Verteidigung der revolutionären Errungenschaften, des Staatseigentums an den Produktionsmitteln, der Planwirtschaft, gegen alle Bestrebungen der Konterrevolution, sowohl durch die Imperialisten im Ausland als auch durch die stalinistische Bürokratie im Inland; andererseits die Vorbereitung einer politischen Revolution gegen den Stalinismus. Trotzki betonte, dass die politische Revolution der Verteidigung der Sowjetunion untergeordnet war. Ein Sturz des Stalinismus mit dem Ergebnis der Restauration des Kapitalismus war nicht erstrebenswert. Allerdings wurde die Bürokratie immer mehr zur Fessel für die Planwirtschaft und vergrößerte damit die Gefahr der Restauration des Kapitalismus.

Die britische Revolutionary Communist Party, eine Vorläuferorganisation des CWI in den 1940er Jahren, erkannte, dass der Zweite Weltkrieg den Stalinismus vorübergehend gestärkt hatte. In Osteuropa und China wurden stalinistische Staaten nach sowjetischem Vorbild errichtet. In den folgenden Jahrzehnten wurden in weiteren Ländern stalinistische Staaten errichtet. Die Abschaffung des Kapitalismus und die Planwirtschaft führten in diesen Ländern zu einer großen Entwicklung der Produktivkräfte. Bei diesem Kräfteverhältnis war die Restauration des Kapitalismus in den gefestigten stalinistischen Ländern für eine ganze Geschichtsperiode praktisch ausgeschlossen.

Aber in den 1980er Jahren änderte sich das. Die wirtschaftlichen Probleme der Sowjetunion und Osteuropas nahmen zu. Verschiedene Länder, inklusive der Sowjetunion nach Gorbatschows Amtsantritt 1985, versuchten die Einführung von Marktmechanismen in die Planwirtschaft, die die Probleme aber noch verschärften. Trotzdem nahmen sowohl in der herrschenden Bürokratenkaste, als auch in der Bevölkerung, insgesamt die Illusionen in die Marktwirtschaft zu, weil der wirtschaftlichen Stagnation in den stalinistischen Staaten ein längerer Konjunkturaufschwung ab 1983 und eine höhere Konsumgüterversorgung in den entwickelten kapitalistischen Staaten gegenüber stand.

Zu Trotzkis Zeiten spielte die Bürokratie eine doppelte Rolle: Auf der einen Seite unterdrückte sie die Bevölkerung, auf der anderen Seite verteidigte sie die Planwirtschaft als die Grundlage ihrer Herrschaft. Gegen Ende der 1980er Jahre war von dieser Verteidigung der Planwirtschaft nicht mehr viel übrig.

1989 war ein Jahr von Massenprotesten gegen stalinistische Regime. Im Frühjahr protestierten Studierende und ArbeiterInnen in Peking und wurden blutig unterdrückt. Im Sommer streikten die sowjetischen Bergarbeiter massenhaft.

Die Ereignisse in der DDR 1989/90 hat die SAV ausführlich in dem Buch von Robert Bechert, „Die gescheiterte Revolution“ dargestellt. Dort wird auch auf die Kontroversen innerhalb des CWI in Deutschland eingegangen (S. 135f.) Hinter ihnen steckte, dass ein Teil der GenossInnen, vor allem in der damaligen westdeutschen Bundesleitung, weiterhin eine Restauration des Kapitalismus in der DDR oder anderen osteuropäischen Ländern für unmöglich hielt - und daher auch eine kapitalistische Wiedervereinigung. Sie glaubten nach wie vor, dass eine Wiedervereinigung nur auf der Grundlage des Sturzes des Stalinismus in der DDR durch eine politischen Revolution und des Sturzes des Kapitalismus durch eine sozialistische Revolution in der BRD möglich sei. Deshalb meinten sie, an die wachsende Stimmung für eine Wiedervereinigung anknüpfen zu können, ohne zu erkennen, dass diese Stimmung die Gefahr einer Restauration des Kapitalismus in der DDR erhöhte.

Die Führung des CWI war schon 1988 mehrheitlich zu der Einsicht gekommen, dass eine Restauration des Kapitalismus in Ländern wie Polen möglich geworden war. In der DDR war im Oktober 1989 die vorherrschende Tendenz die zur politischen Revolution gewesen, aber nach der Maueröffnung nahmen die Illusionen in die Marktwirtschaft zu. Aus der Einsicht, dass die kapitalistische Wiedervereinigung eine reale Gefahr geworden war, ergab sich die Schlussfolgerung, dass man an Wiedervereinigungsforderungen nicht positiv anknüpfen konnte.

Andere linke Strömungen verfuhren umgekehrt. Zum Beispiel lehnte die deutsche Organisation der Internationalen Sozialistischen Tendenz (IST), die Sozialistische Arbeitergruppe (SAG, die Vorläuferorganisation von Linksruck und Marx 21), im Winter 1989/90 die Wiedervereinigung ab, weil diese eine Stärkung des deutschen Imperialismus bedeutete. Wenige Monate später befürwortete sie sie, weil sie die DDR als (staats)kapitalistisch betrachtete und eine Vereinigung dadurch nicht als Mittel zur Restauration des Kapitalismus. Für die IST/SAG waren die Ereignisse 1989 bis 1991 keine historischer Rückschritt, sondern ein Schritt zur Seite. Auch 1994 bemängelten sie nur, eine „aus dem Generalstreik (eine Forderung, die sie für die Massenbewegung der DDR aufgestellt hatte, A.d.A.) hervorgegangene revolutionäre Übergangsregierung hätte den Auftrag gehabt, (…) mit der Kohl-Regierung die Bedingungen für eine Wiedervereinigung auszuhandeln.“ (Sozialismus von unten, 1994) Diese Position ist allerdings selbst aus der Annahme heraus, die DDR sei staatskapitalistisch gewesen, unmarxistisch, weil sie die Massenbewegung in der DDR nicht mit einer sozialistischen Perspektive ausgestattet hat, sondern zu einer Vereinigung auf kapitalistischer Grundlage geführt hätte – denn in Verhandlungen mit der Kohl-Regierung hätte nichts anderes herauskommen können!

Hinter den Kontroversen innerhalb des CWI zur Wiedervereinigung steckte, dass ein Teil der Mitglieder sich an alte Formeln klammerte und nicht auf die grundlegend geänderte Lage einstellte. Daher war die Auseinandersetzung ein Vorspiel für den Fraktionskampf 1991/1992, der zur Abspaltung der Minderheitsgruppe um Ted Grant und Alan Woods (der heutigen Internationalen Marxistischen Tendenz, IMT, in Deutschland und Österreich der „Funke“) führte. Bei diesem Fraktionskampf stand die Haltung zur Labour Party im Mittelpunkt (siehe den folgenden Abschnitt).

Ein Streitpunkt war aber auch die Haltung zum gescheiterten Putsch in der Sowjetunion im August 1991, als Generäle um Janajew versuchten, den russischen Präsidenten Boris Jelzin zu stürzen und die Macht zu ergreifen. Bei diesem Putsch ging es keineswegs – wie in bürgerlichen Medien zumeist dargestellt - darum, dass die Putschisten am Stalinismus festgehalten hätten, während nur die Kräfte um Jelzin den Kapitalismus einführen wollten. Es gab keine relevante Kraft innerhalb der herrschenden Bürokratie mehr, die den Stalinismus verteidige. Es ging vielmehr darum, welche Rolle die zentrale sowjetische Bürokratie spielen sollte und welche die Bürokratien der Einzelstaaten (Russland, Ukraine etc.) - also wer bei der kapitalistischen Restauration sein Scherflein ins Trockene bringen konnte. Zum anderen ging es darum, dass der Flügel um Jelzin schnell kapitalistische Verhältnisse einführen wollte, während der Flügel um Janajew kapitalistische Verhältnisse langsamer einführen wollte, aber sofort die in den letzten Jahren faktisch zugestandenen demokratischen Rechte wieder einkassieren wollte: Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit, Streikrecht, das Recht, sich zu organisieren. Bei so einem Konflikt konnten MarxistInnen nicht neutral sein. Nicht weil das CWI eine kapitalistische Demokratie einer stalinistischen Diktatur vorziehen würde, sondern weil unter einer von den Generälen geführten kapitalistischen Restauration die demokratischen Rechte und Kampfbedingungen der Arbeiterklasse deutlich schlechter gewesen wäre.

Die einzige Kraft, die in Russland 1991 das Staatseigentum und die Planwirtschaft hätte verteidigen (und von den stalinistischen Monstrositäten befreien) können, war die Arbeiterklasse. Deshalb stand in den Tagen des Putsches im Vordergrund, die Putschisten zu bekämpfen, die die demokratischen Rechte, die Bewegungsfreiheit, die Kampfmöglichkeiten der Arbeiterklasse unmittelbar bedrohten. Nur so blieb die Möglichkeit bestehen, später mit dem Jelzin-Flügel abzurechnen. Leider war das Bewusstsein der ArbeiterInnen zu sehr zurückgeworfen, so dass diese Möglichkeit nicht genutzt wurde. Aber das war im August eine Möglichkeit, keine Gewissheit. Deshalb war es richtig, Streiks zu organisieren und Barrikaden zu errichten, unabhängig davon, ob Jelzin & Co dazu auch aufriefen. Gleichzeitig war es notwendig, vor den Zielen von Jelzin & Co zu warnen. So haben die russischen Mitglieder des CWI gehandelt. Das wurde von der Minderheitsfraktion um Ted Grant und Alan Woods heftig kritisiert, die dafür eintraten, sich neutral zu verhalten.

Das CWI erkannte an, dass die Restauration des Kapitalismus eine Niederlage für die Arbeiterbewegung war, betonte aber, dass es vor allem eine ideologische Niederlage war, nicht vergleichbar mit der Zerschlagung der Arbeiterbewegung in verschiedenen Ländern durch den Faschismus in den 1930er Jahren. Im Unterschied zum CWI haben mehrere trotzkistische Organisationen jahrelang nicht wahrhaben wollen, dass es in Osteuropa zur kapitalistischen Restauration gekommen war. Die LIT (Internationale Arbeiterliga, die bis heute größte Organisation aus der, vor allem in Lateinamerika vertretenen, Strömung, die von Nahuel Moreno aufgebaut wurde) betrachtete noch 1995 den Sturz des Stalinismus als „sehr positive Entwicklung“ und „strategischen Sieg der Arbeiterklasse“ und räumte erst 1996 ein, dass Russland kapitalistisch war. Sie beging den Kardinalfehler, Revolution und Konterrevolution zu verwechseln und bereitete ihre Mitglieder völlig falsch auf die schwierige Periode der 1990er Jahre vor, was zu einer vielfachen Aufspaltung dieser Strömung führte.

Ted Grant, nach der Spaltung vom CWI wichtigster Theoretiker der IMT, veröffentlichte noch 1997 ein Buch über „Revolution und Konterrevolution in Russland“, laut dem dort kein Kapitalismus herrschte, sondern es „eine widersprüchliche Hybridsituation gibt, in der die bürgerliche Regierung von Jelzin unter dem Druck des Imperialismus einen völligen Übergang zum Kapitalismus anstrebt.“ Nicht nur das: Er sah den Prozess der kapitalistischen Restauration sogar als als umkehrbar an.

Die Verbürgerlichung der Sozialdemokratie

Wie oben geschrieben, stand im Mittelpunkt des Fraktionskampfes im CWI 1991/92 die Einschätzung der Sozialdemokratie. Die Einschätzung der objektiven Entwicklung und der praktischen Schlussfolgerungen waren hier so eng verflochten, dass es keinen Sinn macht, sie getrennt zu diskutieren.

Die Mehrheit stellte fest, dass sich die Sozialdemokratie nach rechts bewegte und sich entleerte. Die Ortsvereine verloren mehr und mehr ihre aktive Basis, vor allem unter ArbeiterInnen und AktivistInnen aus Gewerkschaften und sozialen Bewegungen. Dieser Prozess begann Ende der 1980er Jahre unter dem Einfluss des damaligen relativ langen Wirtschaftsaufschwungs und verstärkte sich nach dem Zusammenbruch des Stalinismus. Die Mehrheit zog daraus die Schlussfolgerung, dass in einzelnen Ländern eine erfolgreichere Arbeit als „offene“ Organisation außerhalb der traditionellen Parteien möglich war. Dieser taktische Schritt wurde als „offene Wende“ bekannt. Für die Minderheit hatte sich die langfristige Taktik der Arbeit in den traditionellen (sozialdemokratischen, in manchen Ländern auch stalinistischen) Massenparteien der Arbeiterklasse in eine Strategie und ein Dogma verwandelt, z.B. arbeiten sie heute noch in Frankreich in der Kommunistischen Partei, die mal eine Massenpartei war, aber bei den Präsidentschaftswahlen 2007 noch 1,9 Prozent erhielt – der Kandidat der damaligen LCR (Revolutionär-Kommunistische Liga) Olivier Besancenot bekam 4,1 Prozent.

Zu diesem Zeitpunkt sah aber auch die Mehrheit die „offene Wende“ nur als eine vorübergehende Taktik – und keineswegs als einzige mögliche Taktik. So schlug sie der italienischen Sektion vor, in der Rifondazione Comunista (PRC), die sich damals gerade von der sozialdemokratisierten ehemaligen Kommunistischen Partei (Partei der Demokratischen Linken) abgespalten hatte, zu arbeiten. Die italienische Sektion, die die internationale Minderheit unterstützte, lehnte das aber ab und trat erst Jahre später der PRC bei. Der 6. CWI-Weltkongress 1993 hielt „offene Arbeit“, die Arbeit in „neuen Formationen“, die sich von den traditionellen Parteien abspalteten, und die Fortsetzung der Arbeit in traditionellen sozialdemokratischen/kommunistischen Parteien als mögliche Taktiken fest.

In den folgenden Jahren kam das CWI zu der Schlussfolgerung, dass der Rechtsruck der Sozialdemokratie eine qualitative Veränderung bedeutete. Seit der Zustimmung der Sozialdemokratie zu den Kriegskrediten 1914 hatten MarxistInnen sie als bürgerliche Arbeiterparteien bezeichnet. Das heißt, dass sie Parteien waren, die politisch bewusste ArbeiterInnen als ihre Organisationen ansahen (und nicht nur als ein kleineres Übel, das man auf dem Stimmzettel ankreuzt, um ein größeres zu verhindern), die aber von bewussten Verteidigern des Kapitalismus geführt wurden. Der Nutzen dieser Führung für die Kapitalisten beruhte auf ihrem Einfluss auf die ArbeiterInnen und dieser Einfluss auf erkämpften Reformen (oder zumindest der Erinnerung an vergangene Reformen).

Jetzt verwandelten sich diese bürgerlichen Arbeiterparteien in rein bürgerliche Parteien.

Sie verloren ihre aktive Arbeiterbasis, wurden von breiteren Schichten der Arbeiterklasse nicht mehr als ihre Parteien angesehen, ArbeiterInnen, die in Aktion traten und sich politisierten, orientierten sich nicht mehr auf diese Parteien als Vehikel ihre Interessen durchzusetzen und programmatisch gaben sie weitgehend jeden Bezug zum Sozialismus auf und nahmen an der Durchsetzung neoliberaler Politik teil. Sicher haben diese Parteien noch enge Verbindungen zu den Gewerkschaftsapparaten, aber das haben die Demokraten in den USA auch, geschweige denn christdemokratische Parteien in Ländern, in denen es stärkere christliche Gewerkschaftsverbände gibt.

Mit dieser Einschätzung steht das CWI fast allein. Auch ultralinke Organisationen wie die „Spartakisten“ oder die „Liga für die fünfte Internationale“ (in Deutschland „Gruppe Arbeitermacht“) betrachten die Sozialdemokratie noch als bürgerliche Arbeiterparteien und sehen daher den qualitativen Unterschied zu Parteien wie der Linken in Deutschland nicht, womit sie ihre sektiererische Haltung solchen Parteien gegenüber rechtfertigen.

In einem Artikel zur Wahl in Hamburg im Februar 2011 schrieb die „Gruppe Arbeitermacht“: „Den traditionellen SPD-WählerInnen, die ‚ihrer’ Partei die Treue halten, sagen wir: Geht wählen! Sorgt dafür, dass die SPD nur mit der Linken regiert – keine Koalition mit Schwarz, Gelb oder Grün!“ (Neue Internationale“ 156, S. 15) Sie rufen sie nicht dazu auf, endlich mit der SPD zu brechen, sondern reden einer Koalition zwischen SPD und Linken das Wort!

Auch die „Funke“-Gruppe in Deutschland hat sich nicht grundlegend gegen die Koalition der PDS/DIE LINKE mit der SPD in Berlin und anderen Bundesländern ausgesprochen.

Die Organisation, die sich selbst als „die Vierte Internationale“ zu bezeichnen pflegt, aber von anderen trotzkistischen Organisationen meist als Vereinigtes Sekretariat der Vierten Internationale (VSVI) bezeichnet wird, sieht zwar auch eine qualitative Veränderung der sozialdemokratischen Parteien, eine Verwandlung in „sozialliberale Parteien“, betrachtet diese aber immer noch als Teil der Arbeiterbewegung.

Aus der Einschätzung des CWI ergibt sich unter anderem die Notwendigkeit, gegen den sozialdemokratischen Einfluss in den Gewerkschaften zu kämpfen, z.B. in Britannien für das Kappen der Angliederung der Gewerkschaften an die Labour Party und das Einstellen der gewerkschaftlichen Parteispenden einzutreten, statt die Illusion zu haben, auf diese Weise noch Einflussmöglichkeiten auf die Partei zu haben. Vor allem aber kam das CWI deshalb Mitte der 1990er Jahre zu der Folgerung, dass der Aufbau neuer Arbeiterparteien notwendig ist.

Imperialismus, Krieg und Islamhetze

Eine der schrecklichsten Folgen der Restauration des Kapitalismus war eine Reihe von Kriegen, sowohl von Bürgerkriegen in ehemals stalinistischen Länder (Kaukasus, ehemaliges Jugoslawien) als auch Kriege des US-Imperialismus und seiner Verbündeten gegen den Irak (1991 und 2003), Jugoslawien (1999) und Afghanistan (2001) - 1999 und 2001 unter direkter Beteiligung der „rot-grün“ regierten BRD. MarxistInnen hatten selbstverständlich die Pflicht, diese reaktionären Kriege abzulehnen und auf der Seite der vom Imperialismus angegriffenen Völker zu stehen. Dabei war klar, dass der Irak, Jugoslawien oder Afghanistan die einzig verbliebene Supermacht USA militärisch nicht besiegen konnten. Ein Sieg des US-Imperialismus hätte nur durch eine mächtige Antikriegsbewegung in den imperialistischen Ländern verhindert werden können. Dabei war es völlig kontraproduktiv, irgendwelche Sympathien für Saddam Hussein, Milosevic oder die Taliban zu haben, für die die Massen weltweit Abscheu empfanden. Richtig war es zu betonen, dass der Sturz dieser Regime nicht Sache imperialistischer Armeen, sondern der eigenen Bevölkerung der ArbeiterInnen und Jugend, war, die ja auch in der Tat Milosevic gestürzt haben.

Anders als SAV und CWI, hat die IST es sogar für falsch erklärt, die Anschläge vom 11. September zu „verurteilen“. Das vertraten ihre damaligen Vertreter Rob Hoveman und John Rees in einem Rundschreiben des britischen Bündnisses „Socialist Alliance“. Es war umso absurder, weil sie erklärten, die Anschläge auch abzulehnen – aber das Wort „verurteilen“ zur Prinzipienfrage erklärten.

Fehler in die andere Richtung wurden gleichzeitig gemacht: Ein Aufruf französischer Intellektueller gegen den Jugoslawienkrieg 1999 beklagte: „Man hätte im Rahmen der OSZE die Bedingungen für eine gemischtnationale (insbesondere aus Serben und Albanern zusammengesetzte) Polizei finden können“. Der Aufruf wurde vom damaligen Vordenker der LCR (französischen VSVI-Sektion), Daniel Bensaid, ebenso unterschrieben wie vom IST-Theoretiker Professor Callinicos. VSVI und IST verbreiteten den Aufruf international. Aber Institutionen wie OSZE und UNO sind keine Alternative zur Nato oder Bushs „Koalition der Willigen“, sondern ebenfalls Zusammenschlüsse kapitalistischer und imperialistischer Staaten. Und wenn Räuber sich zusammenschließen, ist das Ergebnis eine Räuberbande.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion löste der Islam sie als Feindbild ab. Nach dem 11. September nahm die Hetze gegen MigrantInnen aus islamischen Ländern stark zu. Es ist notwendig dem entgegen zu treten. Aber die IST hat darüber hinaus opportunistisch Zugeständnisse an die Vorurteile rückständiger Muslime gemacht. So hat ihre britische Socialist Workers Party (SWP) im Gefolge der Massenbewegung gegen den Irakkrieg das Wahlbündnis Respect gegründet, das sich stark auf durch den Krieg politisierte Muslime stützte. Dabei präsentierte sich Respect oftmals als die Partei für Muslime, statt muslimische ArbeiterInnen als ArbeiterInnen anzusprechen und die Einheit mit nicht-muslimischen ArbeiterInnen deutlich zu propagieren. So wurden zum Beispiel KandidatInnen teilweise aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit ausgewählt oder auf Kandidaturen gegen muslimische Labour-Kandidaten verzichtet, obwohl diese Sozialabbau zugestimmt hatten.Von vielen ArbeiterInnen (auch nicht-muslimischen MigrantInnen) wurde Respect demenstprechend als „Moslem-Partei“ gesehen.

Noch verheerender ist die unkritische Haltung gegenüber dem islamischen Fundamentalismus in Bezug auf Länder, wo er Macht hat. Nach dem israelischen Angriff auf den Gaza-Hilfskonvoi veröffentlichte die SWP-Theoriezeitschrift International Socialism einen Artikel, in dem Hamas als „nationale Befreiungsbewegung mit islamistischen Merkmalen“ bezeichnet wird, die „in einer Achse des anti-imperialistischen Widerstands mit Organisationen wie Hisbollah und dem Iran verbunden“ sei. Wenige Wochen bevor Jugendliche in Gaza ihre Wut über die Bevormundung in einem Manifest zum Ausdruck brachten, das mit den Worten „Fuck Hamas, Fuck Fatah, Fuck UNO, Fuck Israel“ begann, verniedlichte die SWP die Haltung der Hamas zu „tief konservativen Positionen zu Fragen wie dem freien Markt und sexueller Befreiung“. Wenige Monate bevor in der Revolution in Ägypten die Moslembrüder kaum eine Rolle spielten, erklärte der Artikel sie zur „größten Massenbewegung in Ägypten (in der Tat in der arabischen Welt)“ und „Hauptopposition zum Mubarak-Regime“.

Die IST betrachtet islamistische Bewegungen als mit den revolutionären antikolonialistischen Bewegungen der Nachkriegsjahrzehnte vergleichbar. Es stimmt, dass die NLF(Nationale Befreiungsfront) in Vietnam auch fortschrittliche Menschen verfolgt hat. Tatsächlich haben die vietnamesischen Stalinisten nach dem Zweiten Weltkrieg eine der stärksten trotzkistischen Bewegungen der Welt zerstört. Der entscheidende Unterschied ist, dass die vietnamesischen Stalinisten für eine ganze Geschichtsepoche den Kapitalismus gestürzt haben, dabei allerdings ein totalitäres stalinistisches Regime errichtet haben, das sich nur durch einen Sturz der Bürokratie zum Sozialismus hätte entwickeln können. Aber die IST, die den Stalinismus für eine Form von Kapitalismus („Staatskapitalismus“) hält, erkennt diesen Unterschied nicht.

Permanente Revolution heute

Der IST-Gründer Tony Cliff hatte 1963 eine „Theorie der umgelenkten permanenten Revolution“ entwickelt. Danach könnte eine Bewegung unter Führung von Intellektuellen ein staatskapitalistisches System errichten. Damit erklärte Cliff es im Unterschied zu Trotzki für möglich, dass in rückständigen kapitalistischen Staaten auch im Zeitalter des Imperialismus eine revolutionäre Lösung der Agrarfrage (die Zerschlagung des Großgrundbesitzes) im Rahmen des Kapitalismus möglich ist (und nicht nur in Ausnahmefällen). Inzwischen sieht die IST nicht nur keinen Unterschied mehr darin, ob ein Regime kapitalistisch bleibt oder ein stalinistisches System (was sie für Staatskapitalismus erklärt) errichtet, sondern auch darin, ob es den Großgrundbesitz zerschlägt oder nicht. Ob eine nationale Befreiungsbewegung wie in Vietnam das macht oder eine islamistische „nationale Befreiungsbewegung“ das nicht macht, scheint für sie keinen Unterschied zu machen.

Für CWI und SAV ist Trotzkis Theorie der permanenten Revolution ein unverzichtbarer Schlüssel zum Verständnis gerade auch der revolutionären Welle, die jetzt im Nahen Osten begonnen hat. Dagegen haben IST und VSVI in diesem Zusammenhang Karikaturen von Trotzkis „permanenter Revolution“ vertreten. Der SWP-Theoretiker Callinicos schrieb in einem Artikel über Tunesien, dass in Russland der politische Aufstand gegen den Zaren in wirtschaftliche Kämpfe gegen das Kapital hinüber wuchs. Das Internationale Komitee des VSVI schrieb in einer Erklärung vom 22. 2. 2011 von der permanenten Revolution, die „soziale, demokratische Dimensionen und solche der nationalen Souveränität verbindet und sich international ausbreitet“. Die Volksklassen und vor allem die Arbeiterklasse hätten „die Mittel bekommen, alle demokratischen Freiheiten geltend zu machen“. Beide unterschlagen den Gedanken, dass sich auch die demokratischen Ziele der Revolution nur verwirklichen lassen, wenn die Arbeiterklasse im Bündnis mit der Bauernschaft die Macht übernimmt und dann zu antikapitalistischen Maßnahmen weitergeht. Aber im Nahen Osten ist eine demokratische Lösung der Agrarfrage und, angesichts des Iarel-Palästine-Konflikts, erst Recht der nationalen Frage im Rahmen des Kapitalismus unrealistisch. Seine Überwindung ist für jeden dauerhaften Fortschritt notwendig.

Aufbau einer revolutionären Partei - möglich? notwendig?

Der Trotzkismus als politische Strömung war in Opposition zum Stalinismus entstanden. Waren nach dem unrühmlichen Ende des Stalinismus die alten Kontroversen überholt? Das Vereinigte Sekretariat sagte 1995: „Die Analyse der stalinistischen Sowjetunion, die Identifikation mit dem historischen Kampf der russischen Linken Opposition und mit der Entwicklung der Vierten Internationale seit dem Zweiten Weltkrieg wird Stück für Stück ihren unterscheidenden Charakter bei der Konstituierung revolutionärer Organisationen verlieren“.

Aber erstens bleibt eine Erklärung des Stalinismus eine wichtige Voraussetzung für den Aufbau neuer sozialistischer Massenbewegungen und zweitens besteht der Trotzkismus nicht nur aus der Stalinismusanalyse. Die Aktualität von Trotzkis Theorie der permanenten Revolution wurde schon betont, seine von ihm entwickelten oder verteidigten Ideen zu Fragen des Übergangsprogramms, der Koalitionspolitik mit bürgerlichen Parteien, des Internationalismus sind ebenso brandaktuell (siehe dazu den Artikel „Trotzkismus heute“ in sozialismus.info Nummer 11).

Der Restauration des Kapitalismus in Osteuropa und der Sowjetunion und ihre Folgen stellten einen schweren Rückschlag für die internationale Arbeiterbewegung dar. War unter diesen Umständen der Aufbau revolutionärer Organisationen möglich?

Organisationen verschiedener internationaler Strömungen zogen die Schlussfolgerung, sich in breitere Organisationen aufzulösen. Die französische LCR (Ligue Comuniste Revolutionnaire, Revolutionär-Kommunistische Liga), die wohl einflussreichste Sektion des VSVI, löste sich im Februar 2009 in der NPA (Nouveau Parti Anticapitaliste, Neue Antikapitalistische Partei) auf. Ihre ehemaligen Mitglieder gehören heute verschiedene Strömungen, „Positionen“ in der NPA an. In Deutschland erklärte die bisherige IST-Sektion Linksruck im September 2007 ihre Auflösung und die Gründung des Netzwerks Marx 21, das offiziell nicht Mitglied der IST ist und sich nicht als trotzkistisch versteht. Die australische DSP (Demokratisch-Sozialistische Partei) gründete erst mit anderen Linken ein Bündnis namens Sozialistische Allianz. Später wandelte sie sich in eine lockere Strömung Demokratisch-Sozialistische Perspektive um und löste sich im Januar 2010 in der Sozialistischen Allianz auf. Eine Minderheit, der das zu weit ging, wurde 2008 ausgeschlossen.

Auch im CWI gab es 1998 bis 2001 eine Diskussion über die Frage, die sich an der Gründung der Schottischen Sozialistischen Partei (SSP) entzündete. Die schottische CWI-Sektion (Scottish Militant Labour, SML) waren in den Jahren davor die stärkste Kraft in der Schottischen Sozialistischen Allianz (SSA). Jetzt schlugen sie vor, die SSA in eine Partei zu verwandeln, die sie als Übergangs- oder Hybridpartei bezeichneten: weder eine revolutionäre Partei noch eine „breite“ Partei (in der verschiedene ideologische Strömungen mitarbeiten).

Die Führung des britischen Sektion (Socialist Party, SP) und des CWI warnten entschieden davor, SML in eine nichtrevolutionäre Partei aufzulösen. Sie schlugen vor, in jedem Fall eine revolutionäre CWI-Organisation zu erhalten. Entsprechend hatte das CWI die LCR vor der NPA-Gründung mehrfach zur Bildung einer breiten Partei aufgefordert. Leider ließ diese mehrere günstige Gelegenheiten verstreichen. Die französische CWI-Sektion Gauche Révolutionnaire (Revolutionäre Linke) hat sich an der Gründung der NPA beteiligt, sich aber nicht in ihr aufgelöst.

In Irland wurde auf Vorschlag der dortigen CWI-Sektion, Socialist Party, für die Wahlen im Februar 2011 das Vereinigte Linksbündnis (United Left Alliance, ULA) gegründet. Dieses konnte mit fünf Abgeordneten, zwei davon von der Socialist Party, ins Parlament einziehen und stellt hoffentlich die Basis für eine neue breite Arbeiterpartei in Irland dar. Doch auch hier hat die CWI-Sektion ihre eigenen revolutionären Organisationsstrukturen nicht aufgelöst.

In ihrer Kritik der SML-Vorschläge beharrte die Führung der britischen Sektion auf dem Ziel des Aufbaus von revolutionären Massenparteien und einer revolutionären Masseninternationale.

Das ist die historische Erfahrung des 20. Jahrhunderts, in dem die russische Revolution unter Führung der bolschewistischen Partei zur Errichtung einer Rätedemokratie führte (bis die Isolation der Revolution zur stalinistischen Degeneration der Revolution führte), während alle anderen Revolutionen, oft in Ländern mit viel günstigeren objektiven Bedingungen aber ohne eine vergleichbare Partei, auf die eine oder andere Weise in Niederlagen endeten.

Die Notwendigkeit einer revolutionären Partei ergibt sich aus der Spaltung der Arbeiterklasse, in Männer und Frauen, Gelernte und Ungelernte, Junge und Alte, Einheimische und MigrantInnen etc., auf die sich die Kapitalisten mit ihrer Teile-und-Herrsche-Politik stützen. Um diese Spaltungen zu überwinden ist eine revolutionäre Partei notwendig, die durch politische Forderungen und Kampfvorschläge gemeinsame Kämpfe vorantreibt, bis hin zum Sturz des Kapitalismus.

Das CWI hat nie die These Karl Kautskys (die Lenin in „Was Tun“ 1902 vorübergehend übernommen hatte) geteilt, dass die Arbeiterklasse nur ein gewerkschaftliches („trade-unionistisches“) Bewusstsein entwickeln könne, während das revolutionäre Bewusstsein von außen durch bürgerliche Intellektuelle hineingetragen werden müsse. Trotzki hat diese Idee zurückgewiesen. Trotzdem vertreten sie viele, sich als trotzkistisch verstehende Organisationen. Aber die revolutionäre Partei ist nichts der Arbeiterklasse Äußerliches, sondern ihr bewusstester Teil.

Doch auch wenn ArbeiterInnen durch ihre Erfahrungen mit dem Kapitalismus zu revolutionären Schlussfolgerungen kommen können, ist das mit Umwegen und Irrwegen verbunden. Verschiedene Teile der Klasse kommen zu verschiedenen Zeiten zu revolutionären Schlussfolgerungen, stellen fest, dass andere Teile der Klasse das nicht so sehen und verzweifeln an der Möglichkeit, die Mehrheit der Arbeiterklasse für revolutionäre Ideen gewinnen zu können.

Und wir haben nur eine begrenzte Zeit in dem doppelten Sinne, dass objektiv revolutionäre Situationen nicht lange anhalten, sondern in Niederlagen und Konterrevolutionen enden, wenn sie nicht genutzt werden; und in dem Sinne, dass die Menschheit in Barbarei in Form von ökologischen und sozialen Katastrophen und Kriegen versinken wird, wenn noch zu viele revolutionäre Möglichkeiten ungenutzt verstreichen. Deshalb hat eine revolutionäre Partei mit weitsichtiger Führung, die durch ihre Intervention hilft, Radikalisierungsprozesse zu beschleunigen und Irrwege zu vermeiden, eine entscheidende Bedeutung.

Was ist eine revolutionäre Partei?

Da die SML-Führung sich auch zum Ziel einer revolutionären Partei bekannte, entwickelte sich eine ausführliche Diskussion, was darunter zu verstehen ist. Die SP-Führung charakterisierte eine „revolutionäre Partei“ als revolutionäre Organisation, die politisch und organisatorisch unabhängig ist, deren Ziele und Organisationsmethoden auf einer bestimmten Weltanschauung und theoretischen Tradition und einem Programm beruhen. Es ist nicht entscheidend, ob sie eine eigenständige Partei ist oder als organisierte Strömung in einer breiteren Organisation arbeitet.

Ihre Organisationsmethoden wurden traditionell „demokratischer Zentralismus“ genannt. Das bedeutet Wählbarkeit, Verantwortlichkeit und jederzeitige Abwählbarkeit der Führung, vollstmögliche interne demokratische und solidarische Diskussion und Debatte und gemeinsames Umsetzen der gefällten Beschlüsse. Demokratie ist immer unverzichtbar, aber die Gewichtung von Demokratie und Zentralismus kann verschieden sein. Nach der Erfahrung mit dem Stalinismus und angesichts der vielen neuen Fragen, denen MarxistInnen seitdem gegenüber stehen, muss die demokratische Seite im Vordergrund stehen.

Ohne eine solche revolutionäre Organisation ist es auf die Dauer unmöglich, die marxistischen Ideen gegen den Druck der bürgerlichen Gesellschaft und nichtmarxistischer Strömungen zu verteidigen und zugleich weiter zu entwickeln.

Damit eine revolutionäre Organisation funktionieren kann, braucht sie eigene Publikationen (öffentliche Zeitungen oder Zeitschriften oder interne Bulletins), eigene regelmäßige Treffen, eine demokratisch gewählte Führung und eigene Finanzen, je nach Größe auch eigene Hauptamtliche.

Auch für die Mitgliedschaft in der Internationale sind Strukturen wichtig, in denen demokratisch diskutiert und entschieden werden kann. In der Debatte 1998 zeigte sich, dass die SML-Führung die Organisationsstrukturen der schottischen CWI-Organisation massiv aufweichen wollte.

Unter Programm verstand die SP-Führung nicht nur ein Aktionsprogramm oder auch ein Übergangsprogramm. Ein Aktionsprogramm wäre ein aktuelles Kampagneprogramm einer revolutionären Organisation oder ein auf die wichtigsten Ziele beschränktes Programm einer breiteren Partei oder eines Bündnisses. Ein Übergangsprogramm bildet eine Brücke zwischen dem Bewusstsein der Arbeiterklasse und der Notwendigkeit einer Machteroberung durch die Arbeiterklasse. Es enthält zwar wichtige Aspekte eines marxistischen Programms, aber nicht alle.

Ein marxistisches Programm charakterisierte sie als die Verallgemeinerung der Erfahrung des Marxismus und Trotzkismus: es stützt sich auf die Beschlüsse der ersten vier Kongresse der Kommunistischen Internationale, der Linken Opposition, die Gründungsdokumente der Vierten Internationale und die Dokumente des CWI. Als Antwort auf neue Kämpfe und Entwicklungen wird das Programm ständig aktualisiert, diese Aktualisierungen demokratisch diskutiert und beschlossen. Es enthält grundlegende Ziele der sozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft, eine Strategie der Machteroberung durch die Arbeiterklasse.

Die SML-Führung verwischte den Unterschied zwischen einem Aktionsprogramm, wie es die SSA hatte und es für die SSP vorgesehen war, und einem marxistischen Programm. Sie erweckte auch den Eindruck, dass ein Programm, dessen Forderungen objektiv im Kapitalismus nicht zu verwirklichen sind, revolutionär sei. Aber ein revolutionäres Programm zielt bewusst auf die Überwindung des Kapitalismus ab. Und die formelle Unterstützung eines sozialistischen oder auch revolutionären Programms genügt nicht. In der Geschichte der Arbeiterbewegung hat es schon genug Kräfte gegeben, denen sozialistische und revolutionäre Sonntagsreden leicht von den Lippen gingen, die aber reformistische Politik betrieben, wenn es zu ernsthaften Kämpfen kam.

Als Ziel einer revolutionären Organisation bezeichnete die SP-Führung die Entwicklung von Unterstützung in breiteren Schichten der Arbeiterklasse und den Aufbau einer Kraft marxistischer Kader. Unter Kadern verstand sie Mitglieder, die die Ideen des Marxismus verstehen, auf der Basis seines Programms, seiner Strategie und Taktik selbständig am Klassenkampf teilnehmen, Mitglieder gewinnen und die Organisation aufbauen. Kader bilden den revolutionären Kern der Organisation, um den herum in Phasen von schnellem Wachstum eine größere Massenorganisation aufgebaut werden kann.

Das CWI hat die Gründung der SSP nicht abgelehnt, aber gewarnt, dass die SSP ohne eine starke, gut organisierte CWI-Sektion verschwinden oder sich in reformistische Richtung entwickeln werde. Die SSP hatte kurzfristige Erfolge, 2003 wurden sechs Abgeordnete ins schottische Parlament gewählt. Parallel dazu entfernten sich die Mehrheit der in ISM umbenannten SML immer mehr von den politischen Positionen des CWI, schürten Illusionen in die Umverteilung durch Steuerpolitik oder in die wirtschaftliche Entwicklungsfähigkeit eines unabhängigen kapitalistischen Schottlands. Inzwischen hat sich die SSP gespalten und ihre Mitglieder und Wahlunterstützung weitgehend wieder verloren. Gemeinsam mit kämpferischen und auf die Arbeiterklasse orientierten Kräften haben die schottischen CWI-Mitglieder die breite Organisation „Solidarity“ gegründet. Die Warnungen haben sich mehr als bestätigt.

Doppelte Aufgabe und neue Arbeiterparteien

Schon Mitte der 1990er Jahre hatte das CWI aus der Verbürgerlichung der sozialdemokratischen Parteien und dem Rückgang im sozialistischen Bewusstsein in der Arbeiterklasse Schlussfolgerungen für die Aufgaben von MarxistInnen gezogen und das in dem Begriff der doppelten Aufgabe, des „dual task“, zusammengefasst: Neben dem Aufbau der revolutionären Partei ist auch die Rehabilitierung und Popularisierung sozialistischer Ideen notwendig und der Aufbau neuer Arbeiterparteien.

In diesem Sinne hat das CWI ständig versucht, die konkrete Kampagnenarbeit und den Aufbau neuer linker Parteien mit der Vermittlung einer Vision von einer sozialistischen Gesellschaft zu verbinden. Das brachte es in Konflikt mit anderen trotzkistischen Strömungen, zum Beispiel in der WASG in Deutschland mit Linksruck, die es ablehnten für die WASG eine sozialistisches Programm vorzuschlagen, weil das aus ihrer Sicht nicht dem Bewusstsein der Arbeiterklasse entsprach. Ebenso hat die irische Socialist Workers" Party (SWP) in dem Vereinigten Linksbündnis darauf bestanden, dass dieses keinen sozialistischen Charakter erhielt.

Das CWI hat aus der Verbürgerlichung der Sozialdemokratie die Schlussfolgerung gezogen, dass der Aufbau neuer Arbeiterparteien notwendig ist. Darunter werden Parteien verstanden, die die Klasseninteressen der arbeitenden Bevölkerung vertreten, alle Maßnahmen des Sozial- und Lohnabbaus bekämpfen, verschiedene Schichten von AktivistInnen aus Gewerkschaften und linken Gruppen zusammen bringen und ein Forum zur Debatte über eine Strategie zur Abschaffung des Kapitalismus bieten.

Da fast keine andere trotzkistische Organisation diese Analyse teilte, hat niemand sonst so konsequent diese Idee propagiert. Unser Ziel ist dabei keine Neuauflage der Sozialdemokratie mit ihren Fehlern (die schließlich zu ihrer Verwandlung in neoliberale kapitalistische Parteien führte). Aber das Wiederentstehen von Parteien, die die grundlegenden Interessen der ArbeiterInnen (einschließlich, Arbeitslosen, RentnerInnen, Jugendlichen etc.) vertreten, in denen diese gemeinsam politische Fragen diskutieren und sich in diesen Diskussionen radikalisieren können, wäre ein Fortschritt.

Dabei wäre es beim aktuellen Bewusstseinsstand eine unnötige Hürde, für eine revolutionäre Partei einzutreten und auch falsch, ein Bekenntnis zum Sozialismus zur Bedingung für die Teilnahme von MarxistInnen an einer solchen Partei zu machen. Aber darauf zu verzichten für ein sozialistisches Programm zu argumentieren, ist ebenso falsch und bedeutet Verzicht darauf, das Bewusstsein weiter zu entwickeln.

Der Kampf für Reformen ist nicht gleichbedeutend mit Reformismus. Reformismus bedeutet die Vorstellung, dass entweder im Rahmen des Kapitalismus Reformen dauerhaft möglich sind, oder dass man mit Reformen schrittweise zum Sozialismus gelangen könne. Wie Rosa Luxemburg schon 1899 erklärte, sind RevolutionärInnen die besten KämpferInnen für Reformen, nicht weil diese die objektiven Voraussetzungen für den Sozialismus schaffen würden, sondern weil sie die subjektiven Voraussetzungen schaffen, indem sich im Kampf für Reformen das Bewusstsein, die Kampferfahrung, die Organisiertheit der ArbeiterInnen erhöht. Eine breite Partei mit einem Aktionsprogramm für Reformen, in der zugleich eine demokratische Diskussion über die Bedeutung dieser Reformen stattfindet, wäre keine reformistische Partei.

Illusionen in Reformen sind ein Durchgangsstadium im Bewusstsein der Massen, an deren Überwindung MarxistInnen arbeiten müssen, auch wenn sie keine materielle Grundlage mehr haben (da der Kapitalismus keine Spielräume für dauerhafte Reformen hat) und eine schwächere organisatorische Grundlage (in Gestalt reformistischer Parteien). Das macht die Überwindung des Reformismus vielleicht leichter, aber nicht überflüssig. Denn normalerweise versuchen Menschen erst den scheinbar leichteren Weg, versuchen ihre unmittelbaren Probleme zu lösen, durch Reformen grundsätzliche Verbesserungen zu erreichen, bevor sie zu revolutionären Schlussfolgerungen kommen. Revolutionäre müssen mithelfen, damit sich diese Hoffnungen in Reformen möglichst wenig zu einer reformistische Ideologie verfestigen und entsprechenden organisatorischen Niederschlag finden. Je mehr das passiert, desto mehr verfestigt sich ein Durchgangsstadium zu revolutionären Schlussfolgerungen zu einer Barriere.

Allerdings hat die Arbeiterbewegung zur Zeit eher das umgekehrte Problem: Formationen wie die PRC in Italien, Syriza in Griechenland, die Sozialistische Partei in den Niederlanden oder die NPA in Frankreich sind sehr instabil. Die ArbeiterInnen sind ihnen gegenüber viel unnachsichtiger als gegenüber den ehemaligen traditionellen Arbeiterparteien und kehren ihnen bei (im Vergleich zu dem gigantischen Sündenregister dieser traditionellen Parteien) kleinen Fehlern den Rücken. Der oben beschriebene Kollaps der schottischen SSP war zwar besonders dramatisch, aber auch andere linke Parteien haben sich nach Rechts entwickelt oder sind in Krisen geraten (zum Beispiel die Sozialistische Partei in den Niederlanden oder Syriza in Griechenland). Die Euphorie, die das VSVI oder die IST gegenüber solchen Organisationen zeigten, hat sich als voreilig erwiesen. Das zeigt die Dringlichkeit, innerhalb solcher breiter Parteien revolutionäre Organisationen aufzubauen, die dafür kämpfen, dass diese Parteien opportunistische Fehler möglichst vermeiden.

Was für eine Internationale?

Das VSVI gab ausdrücklich den Anspruch auf, eine „Weltpartei der sozialistischen Revolution“ aufzubauen. Das CWI hält an der Idee fest, eine international handlungsfähige und auf Übereinstimmung in grundsätzlichen programmatischen und methodischen Fragen agierende internationale Organisation aufzubauen. Wichtige Diskussionen, Schlüsselfragen in einzelnen Sektionen gehen die ganze Internationale an. Von diesem Erfahrungsaustausch profitieren alle Seiten. Meinungsverschiedenheiten werden international und demokratisch diskutiert. Dabei werden keine bürokratischen Maßnahmen gegen Mitglieder angewendet, die Minderheitsmeinungen vertreten, aber die Position der Internationale wird beschlossen und deutlich gemacht. So ist das CWI zum Beispiel in der angesprochenen Auseinandersetzung in Schottland verfahren, wo die Mehrheit der schottischen CWI-Mitglieder nach der Gründung der SSP sich der Fortsetzung der Debatte durch ihren Austritt aus dem CWI entzogen haben.

Das Vorgehen des CWI in Schottland unterscheidet sich deutlich von den Verhältnissen im VSVI: Als 2002 in Braslien Lula zum Präsidenten gewählt wurde, nahmen führende Vertreter der brasilianischen VSVI-Sektion an seiner Regierung teil und setzten sich zusammen mit bürgerlichen Politikern an den Kabinettstisch. Auf dem 15. VSVI-Weltkongress 2003 soll es leidenschaftliche Debatten über die Lage in Brasilien gegeben haben, die veröffentlichten Resolutionen des Kongresses waren aber in dieser Frage nichtssagend. Nachdem die brasilianischen Delegierten versprochen hatten, dass das Eingreifen der Massenbewegung im Zentrum ihres Kurses stehe und sie gemeinsam mit der übrigen PT-Linken die Anpassung an den Imperialismus bekämpfen wollten, spalteten sie sich: ein Teil wurde aus der PT ausgeschlossen und gründete (gemeinsam mit der CWI-Sektion und anderen Linken die P-SOL), ein Teil blieb in der PT und der Regierung. Das VSVI erkannte beide Gruppen als Sektionen an. Nachdem die internationale Führung es jahrelang abgelehnt hatte zu führen und politisch Position zu beziehen, distanzierten sie sich schließlich von der in der Lula-Regierung verbliebenen Gruppe und schloss sie inzwischen aus. Nach eigenen Angaben haben sie auf diese Weise rund 3.000 Mitglieder in Brasilien verloren.

Zusammenfassend kann man sagen, dass das CWI die neue Weltlage nach 1989 besser und mit weniger politischen Fehlern verarbeitet hat, als andere trotzkistische Strömungen und das Erbe der Ideen Trotzkis und der Vierten Internationale verteidigt. Der Aufbau einer revolutionären, marxistischen Masseninternationale wird zweifelsfrei auch Umgruppierungen und Zusammenschlüsse verschiedener trotzkistischer und anderer sozialistischer Strömungen beinhalten. Das CWI hat in den 1990er Jahren mit allen relevanten trotzkistischen Strömungen Debatten geführt und geprüft, ob ein Zusammengehen möglich war. Dies scheiterte in den meisten Fällen an gewichtigen politischen und methodischen Differenzen, wovon einige in diesem Artikel dargestellt sind. Vor allem aber werden ArbeiterInnen und Jugendliche den Weg zum revolutionären Marxismus finden, die neu in den Kampf eintreten. Das CWI ist gut positioniert, um diese für den Marxismus zu gewinnen und in den kommenden Jahren quantitativ und qualitativ zu wachsen.
 

Editorische Anmerkungen

Uns wurde die Spiegelung des Textes, der in 2 Teilen auf der SAV-Website erschien, durch die HerausgeberInnen empfohlen.

Wolfram Klein ist Mitglied im Bundesvorstand der SAV. Er promoviert zur Geschichte des Trotzkismus nach dem Zweiten Weltkrieg und lebt in Plochingen bei Stuttgart.


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