Repression & Widerstand unter Hartz IV
Erlebnistag des Jobcenters
Impressionen von der Veranstaltung des „Best!Ager-Teams“ des Jobcenters Darmstadt

von
Galida

06/11

trend
onlinezeitung

Es tut sich was an der Arbeitslosenfront in Darmstadt! Das Jobcenter startet eine neue Offensive, all den ungesund lebenden Hartz4-Empfänger ein besseres Leben zu bescheren – Nein!! Natürlich werden die Regelsätze nicht den Realitäten angepasst. Stattdessen werden die Über-50-Jährigen zu einem Erlebnistag eingeladen: mal wieder sollen all diese unselbstständigen Menschen, die sich in der sozialen Hängematte eingerichtet haben und bei schlechtem Essen und zu wenig Bewegung an ihr tristes Leben fristen, an der Hand genommen werden und ihnen mal bei Ballspielen, Walking, Gymnastik sowie Tipps durch Krankenkassen und Ernährungsberatern gezeigt werden, wie man auch im fortgeschrittenen Alter noch fit genug für den ausbeuterischen Arbeitsmarkt bleiben bzw. wieder werden kann. Selbst Einsätze bei den geliebten Zeitarbeitsfirmen werden dann wohl wieder möglich!

Wir von der GALIDA wurden natürlich wieder vergessen ! Selbstverständlich wollten wir uns an diesem Ereignis gestalterisch beteiligen – aber trotzdem wir ja auch alle im Hartz4-Bezug sind und die meisten auch schon die 50 Jahre überschritten haben, entwickeln wir auch noch Eigeninitiative: wir kommen auch gerne ohne Einladung – darauf kann man sich verlassen!

Pünktlich um 10:30 Uhr fährt unser Wagen-Konvoi auf den Parkplatz des Verbannungsortes - des Sportgeländes vom SKV Rot-Weiss Darmstadt in der Heimstättensiedlung: mehrere PKW und zur tatkräftigen Unterstützung und musikalischen Untermalung der „Aktions-Truck“ von ver.di .

Voller Elan und Tatendrang wollten wir das Gelände erkunden – doch da war die Teamleiterin des Best!Ager-Teams vom Jobcenter, Ursel Bechtel, und der 2. Vorsitzende des Sportvereins davor! Empört wurden wir abgewiesen! Unsere guten Absichten leichtfertig in Abrede gestellt! Ja, sogar der Klassiker durfte nicht fehlen – Zitat U. Bechtel: „Anstatt Ihre Energie in solchen Blödsinn zu stecken, sollten Sie ihn lieber in die Bewerbungen investieren!“ Genau! 24 Stunden am Tag bewerben – nur unterbrochen von Veranstaltungen und Terminen beim Jobcenter... Sogleich wurde uns auch noch ein Hausverbot für das Gelände ausgesprochen!

Das traf uns tief und schwer enttäuscht wollten wir schon den Rückzug antreten – doch da fiel unser Blick auf das Nachbargrundstück – ein weites Feld mit lockerem Busch- und Baumbestand – direkt an die Zufahrt grenzend. Genau das richtige für uns! Mit neuem Mut bauten wir auf – doch wieder sollte uns das untersagt werden – auch das sei noch Gelände des Sportvereins und ein Betreten sei uns untersagt. Bei Zuwiderhandlung wurde uns mit der Polizei gedroht! Diesmal ließen wir uns aber nicht ins „Bockshorn“ jagen – wir bleiben!

Kaum hatten wir unseren „Erlebnispunkt -1“, die Regelsatz-Ergänzungs-Station mit Bier aus der heimischer Produktion und Rauchwaren (Beides ist ja inzwischen aus dem Regelsatz gestrichen worden) aufgebaut, tauchten auch schon unsere Freunde und Helfer von der Polizei auf. Aber anscheinend sind Jobcenter und Vereinsvertreter uns gegenüber doch etwas kreativ mit der Wahrheit umgegangen – auf jeden Fall sprachen uns die Damen in Blau nicht einmal an, sondern fuhren nach kurzem Rundgang unverrichteter Dinge wieder davon....

Aber das wir so einfach „ihre Kunden“ ansprechen – das konnte das Jobcenter natürlich auch nicht zulassen! Also wurde ein Sachbearbeiter abgeordnet (beim Best!Ager-Team herrscht kein Personalmangel: die tun was für die Vollbeschäftigung!), der versuchte mit guten Worten und teilweise dominaten Körpereinsatz interessierte Menschen von unserem Stand fern zu halten – dies gelang ihm nur teilweise: im Jobcenter sind halt hauptsächlich Bürokräfte beschäftigt, ihm fehlten einfach die breiten Schultern und das beeindruckende Auftreten. Na ja, vielleicht konnte er die Gelegenheit nutzen und sich an einigen Sportstationen etwas weiterqualifizieren …

Es gelang uns also allen Widrigkeiten zum Trotz, einigen Besuchern bei einem Bier und/oder einer Zigarette ein paar entspannte Minuten zu bereiten.

Fazit: nach der Instrumentenreform und der Kürzung der Gelder für Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen keimt bei uns wieder die Hoffnung: wenn das Jobcenter über freie Mittel verfügt, um solche recht fragwürdigen Veranstaltungen, die einen an eine eigentlich zum Glück längst vergangene Zeit erinnern („KdF“) auf die Beine zu stellen – dann kann man sicher fest damit rechnen, das in Bälde wieder eine vernünftige Arbeitförderung mit wirksamen Maßnahmen finanziert wird – dass also die zum Teil einschneidenden Kürzungen bei den eh nicht zahlreichen sinnvollen Maßnahmen in den Bereichen Weiterbildung und Qualifizierung wieder Rückgängig gemacht werden!

Editorische Anmerkungen

Wir spiegelten den Bericht von der Website der AutorInnen