Betrieb & Gewerkschaft
Berlin
Verdi und BVG im Bündnis gegen Verkehrsarbeiter
Von Franz Schobert und Carola Kleinert

06-2013

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Die Gewerkschaft Verdi und der Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) haben sich vergangene Woche auf einen Tarifvertrag für die rund 13.000 Beschäftigten der Berliner Verkehrbetriebe (BVG) geeinigt, der die Einkommen bis 2025 niedrig hält, Streiks langfristig ausschließt, die Kosten weiter senkt und die schleichende Privatisierung vorantreibt.

Der neue Entgelt-Tarifvertrag sieht vor, die Löhne der Mitarbeiter der BVG und ihres Tochterunternehmens, des Fahrerpools Berlin Transport GmbH (BT), bei einer Laufzeit von zwei Jahren um 4,77 Prozent gestaffelt anzuheben. Ab 1. Juli werden 1 Prozent, ab 2014 2,2 Prozent und ab 2015 weitere 1,5 Prozent mehr Gehalt gezahlt.

Verdi hatte ursprünglich 6,5 Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von 12 Monaten gefordert. Die BVG hatte eine Einmalzahlung von 900 Euro Brutto für 2013 und jeweils anderthalb Prozent mehr Lohn ab Mitte 2014 und ab Mitte 2015 bei 30 Monaten Laufzeit angeboten.

Der jetzt erzielt Abschluss deckt kaum die offizielle Inflationsrate und bedeutet in Berlin, wo die Mieten und zahlreiche andere Lebenshaltungskosten derzeit massiv in die Höhe schnellen, eine Reallohnsenkung. Schon der letzte Tarifabschluss bei der BVG – 2,6 Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von 18 Monaten – hatte unter der Inflationsrate gelegen.

Verdi und KAV beschränkten sich aber nicht darauf, die Einkommen für die kommenden zwei Jahre zu deckeln. Sie einigten sich auch auf Eckwerte für die Zeit danach. Ab 2016 sollen die Löhne um 2,5 Prozent jährlich steigen – allerdings nur, „wenn die BVG ein positives Betriebsergebnis einfährt“, wie Verdi-Verhandlungsführer Frank Bäsler und KAV-Geschäftsführerin Claudia Pfeiffer auf einer Pressekonferenz betonten.

Bäsler sprach von „tarifpolitischem Neuland“ und behauptete, es gehe darum, die Beschäftigten angemessen am „Erfolg des Unternehmens“ zu beteiligen. Tatsächlich wurde vereinbart, dass sich zukünftige Lohnerhöhungen nicht mehr nach der Inflationsrate und den Bedürfnissen der Beschäftigten bemessen, sondern nach dem Betriebsergebnis der BVG, wobei die jährliche Lohnerhöhung eine Obergrenze von 2,5 Prozent nicht übersteigen soll.

Dadurch, hieß es auf der Pressekonferenz, bekäme das Unternehmen mehr Planungssicherheit. Man habe sich darauf geeinigt, dass in der Zukunft Tarifverhandlungen durch „abgespeckte Rituale“ einfacher werden sollen, sagte Pfeiffer. Die BVG muss dann nicht mehr mit hohen Lohnforderungen und möglichen Streiks rechnen.

Das konservative Springerblatt Berliner Morgenpost lobte die „positive“ Veränderung, denn „sie verzichteten auf die üblichen Rituale, die vor allem der Macht-Demonstration und der Mitgliedergewinnung dienten. Zu groß war in der Vergangenheit die Diskrepanz zwischen dem Aufwand und dem am Ende ausgehandelten Ergebnis gewesen.“

Auch das Neue Deutschland der Linkspartei begrüßte den Abschluss und den „künftigen Tariffrieden“ in Berlin.

Ebenfalls aus Gründen des „Tariffriedens“ haben sich Verdi und die KAV auf den Entgelt-Tarifvertrag geeinigt, ohne die gleichzeitig laufenden Verhandlungen über den Manteltarifvertrag abzuschließen. Hier geht es unter anderem um die Länge des Urlaubs (das Bundesarbeitsgericht hat die derzeitige Regelung gekippt), um Ruhezeiten, Fahrdiensttauglichkeit und um andere Fragen, von denen abhängt, welchem Stress die Beschäftigten ausgesetzt sind.

Der Manteltarifvertrag soll nun bis Mitte Juni einvernehmlich vereinbart werden. Die Verhandlungen darüber würden das Gesamtpaket nicht in Frage stellen, versicherte Verdi-Verhandlungsführer Bäsler. Streiks seien nicht zu erwarten. „Es herrscht Tariffrieden“. Mit anderen Worten, Verdi verzichtet auf jeglichen Druck und wird sich den Forderungen der BVG fügen.

Um den Beschäftigten den miserablen Tarifabschluss zu verkaufen, behauptete Verdi, man habe eine Beschäftigungsgarantie bis 2025 vertraglich festgeschrieben. Dafür ist es allerdings notwendig, dass das Land Berlin als Eigentümer der BVG den Verkehrsvertrag mit dem Senat über 2020 hinaus verlängert. Dem hat der Finanzsenator und Aufsichtsratschef der BVG Ulrich Nussbaum laut Presseberichten zugestimmt.

Das würde bedeuten, dass das Land Berlin keine Ausschreibung laut Europäischen Wettbewerbsrecht tätigen muss. Dadurch habe man, wie Verdi-Verhandlungsführer Bäsler stolz verkündete, „eine weitestgehende Beschäftigungssicherheit erreicht“.

Verdi hat allerdings zugestimmt, die Fremdvergabequote für private Anbieter weiter zu erhöhen. Sie soll den sogenannten „aktuellen wirtschaftlichen Bedürfnissen des Unternehmens angepasst“ werden. Bisher deckte die BVG im Bus-Bereich 60 Prozent des Fahrbetriebs ab, die BT 32 Prozent. Die restlichen 8 Prozent der Fahrleistungen übernahmen Subunternehmer. Nun können weitere 4 Prozent flexibel an weitere Subunternehmer vergeben werden.

Dank Verdi kann sich die BVG auf Kosten der Beschäftigten und der Fahrgäste sanieren. Der Tarifabschluss ermöglicht es dem Unternehmen, die Kosten in den kommenden Jahren massiv zu senken. Bis 2020 so der Plan der BVG, sollen die Schulden von 810 Millionen Euro auf 654 Millionen Euro sinken.

Während der dreiköpfige Vorstand eine Million Euro im Jahr kassiert und sich über hundert weitere außertariflich bezahlten Manager an der Spitze der BVG bereichern, werden massive Kürzungen im Fahrdienst, Niedriglöhne und Fahrpreiserhöhungen durchgesetzt. 2012 wurde ein Defizit von knapp 60 Millionen Euro auf dies Weise um 14 Millionen verringert. Die BVG-Benutzer zahlten 22 Millionen Euro mehr für Fahrscheine als im Jahr zuvor.

Für die 320.000 Harz IV Empfänger in Berlin hatte der Senat die frühere Subventionierung um 2,50 Euro gekürzt. Die „Monats-Karte S“ kostet nun 36 Euro. Nach der Erhöhung gab es einen Rückgang des Verkaufs um 14.000. Zynischerweise protestierte ein Verdi-Erwerbslosenausschuss dagegen. Die Fahrpreise sollen zukünftig jährlich um drei Prozent steigen. Für den 1.August ist eine Erhöhung um 2,8 Prozent geplant.

Editorische Hinweise

Wir spiegelten den Artikel von www.wsws.org, wo er am 28.5.2013 erschien.

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