So viel
Hofberichterstattung in den deutschen Zeitungen
verwundert eigentlich nicht. Das juengste peinliche
Beispiel ist ein Kommentar von Werner Birkenmaier in
der Stuttgarter Zeitung vom Montag, in dem kaum ein
kritisches Wort gegen diesen "herausragendsten
Aussenpolitiker" des 20.jahrhunderts fiel. Und so viel
"Heimattreue" wird ihm assistiert! Nur, weil Heinz
Alfred so gerne "Fussball schaut", seiner Greuther
Fuerth die Daumen drueckend....
Aber auch der juengste SPIEGEL-Text (dieser Woche)
kennt keine kritische Gnade, wenn es um die
hausgemachten Jubelparaden (-parodien) um diesen
Altmeister des voelkerschlachtenden Grauens geht.
Gregor Peter Schmitz (aus Washington natuerlich!)
titelt: "Gefeierter Star, boeser Amerikaner" und
schreibt voellig ungeniert vom intimen Schnitzelessen
mit Henry samt Foto-Posirerei der Anwesenden, "kurzum:
sie feierten ihn wie den Politstar..." - bei
irgendeinem nichtigen K-Anlass.
Und GPS fortfahrend: "Diese Deutschen [?] schienen
fasziniert vom einstigen Landsmann, der mit 15 Jahren
aus Fuerth in Franken vor den Nazis floh...."
Folgt der (eher traurige)
moralische Absturz dieses vermeintlichen Journalisten
aus Washington D.C.:
"Da war der kuehle
Fernsehmoderator [wer da wohl gemeint ist], der im
Interview vor allem ueber Kissingers angebliche
Verachtung fuer Menschenrechte sprechen wollte. Da
waren die Konferenz-Gegner [ bei der
Adenauer-Stiftung?], die ihn fuer ein Monster mit
teutonischem Akzent hielten, schuldig fuer
Kriegsverbrechen, fuer Amerikas Bomben auf
Kambodscha, fuer unbeirrtes Durchhalten in Vietnam,
natuerlich fuer den Sturz Allendes in Chile."
Da stockt einem fast
der Atem! Das schreibt einer im schoenen Monat Mai
2013, nach allem was wir h e u t e ueber Kissinger,
die Amerikaner (ihr Empire-Unwesen) wissen. Der
SPIEGEL: ein Magazin fuer Deutschland? Interessante
Frage, wenn da nur nicht dieser unsaegliche Herr
Schmitz waere.
Muessen wir uns also anderswo umsehen, um den
Hunderttausenden Opfern dieses SPIEGLEIN-"Monsters"
Gerechtigkeit widerfahren zu lassen? Es scheint fast
so.
Stichwort: go online,
democracy pure.
Zunaechst: Schlag nach bei Mathias Broeckers !
[schreibt der eigentlich noch fuer die taz?]. In
seinem durchaus wichtigen 9/11-Buch liest man (auf
S.69/70, engl.Version), dass der grosse norwegische
Soziologe und Mathematiker Johan Galtung eben jenen
Kissinger als "Chile's Bin Laden" bezeichnet habe, mit
Quellenbezug auf einen SPIEGEL-Text aus dem Jahre
2001. Googelt man also entsprechend nach, findet man
tatsaechlich (Mathias hat nicht gemogelt) eine
entsprechende Passage vom 19.9.2001 (nur 8 Tage nach
dem "Ereignis"): "Kissinger ist der Bin Laden Chiles.
Die Vorwuerfe gegen Bin Laden sind im Vergleich zu den
Anklagen gegen Kissinger ganz klein." So die mahnende
Osloer Stimme im Interview.
Sieht man sich weiter
um (Christopher Hitchen's "bahnbrechendes"
anti-Kissinger-Oeuvre laengst, seit Jahren schon,
goutiert habend), landet man vielleicht bei Alexander
Cockburn (einer von 4 irischen Journalistensoehnen
eines Vaters, der noch im Spanischen Buergerkrieg
kaempfte). AC (letztes Jahr "viel zu jung" in den USA
gestorben) schreibt in seinen
"Corruptions of Empire" (1988), einer
500-Seiten-starken (Contra)Abrechnung mit der
Reagan-Aera:
"By his refusal to
permit US grain shipments to Bangladesh in 1974,
Henry Kissinger very definitely murdered, by forced
starvation, many thousands of people..." (312)
Und anderer Stelle
bringt Cockburn Kissinger in die Naehe des Rene
Schneider Attentats von 1970, jenes Generals, der so
konstitutionell-chilenisch-treu zu Praesident Salvador
Allende stand. Ein Vergehen, das die USA offenbar nur
mit Mord "suehnen" konnten. Dieser "master terrorist"
(AC) Henry Kissinger wird, wie wir schon gesehen
haben, im oben erwaehnten Stuttgarter Text, und nicht
nur dort, nahezu zaertlich in Schutz/Pflegehaft
genommen.
Ueber die schrecklichen Kriegsverbrechen dieses
deutsch-amerikanischen Urgesteins habe ich an anderer
Stelle etwas ausfuehrlicher berichtet (Suedostasien,
Argentinien, Indonesien/East Timor usw.): also ueber
den US-Terrorismus sans frontieres, was wir ja nach
9/11 pausenlos, 12 Jahre mittlerweile, erlebt haben
mit Guantanamo, kidnapping, rendition, geheimen
Stuetzpunkten/Gefaengnissen in ueber 50 Laendern auf
diesem Globus usw.
(uebrigens, wer glaubt
eigentlich noch an die Fabel der sogenannten 18 oder
so Todespiloten? Diese SchauerGeschichten scheinen ja
heute fast schon ueberholt, oder? Bitte mal wieder
Andreas von Buelow konsultieren.)
Verstehe ich trend richtig, geht es (auch) um die
Abschaffung des Kapitalismus. Das ist natuerlich ein
gewaltiges Stueck Arbeit, trotz oder auch ohne Karl
Marx et al. Generationenueberdauernd. Und wenn man
Hugo Chavez heisst, kann das leicht/schwer ins Auge
gehen, legt man sich mit dem maechtigen Norden an. Und
da will ich doch gleich auf ein Buch von Greg Palast
verweisen: "Armed Madhouse" von 2006, wo in einem
Kapitel Chavez' Ende prophezeit wurde: "The
Assassination of Hugo Chavez", also immerhin 7 Jahre
vor der "Tat". Und da wir schon bei Palast sind (der
nebenbei gesagt ueber den Wahlbetrug der beiden Bush
jun.-Praesidentenwahlen ausfuehrlichst berichtete),
hier noch ein Verweis auf das schwerkapitalistische
und wohl auch imperialistisch-ausbeuterische
Grossunternehmen "Kissinger Associates", hochgelobt
und bewundert von vielen zeitgenoessischen Potentaten
dieser Welt.
Der Mann, der den Urvater des US-Protektorats Irak
seit 2003, Jay Garner, abloeste, wie wir alle (nicht
mehr) wissen, heisst/hiess Paul Bremer III, "who
[unlike Garner] had no experience on the ground in
Iraq, no training to fight a guerilla insurgency, and
no background in nation-building. But he had one
unbeatable credential that Garner lacked: Bremer had
served as Managing Director of Kissinger and
Associates." (69)
Und Greg Palast, der unbequeme "whistleblower", bringt
die Sache "auf den Punkt":
"Thirty years ago, in
greenlighting the assassination of Chile's elected
president, Henry Kissinger said, "The issues are too
important to be left for the voters." It was a
lesson in Realpolitik Garner missed, but it was not
lost on Kissinger's protege Bremer." (69)
Doch es scheint auch
leichte Fortschritte in der (zumindest deutschen)
Anti-Kissinger-Berichterstattung zu geben. Ein paar
Schlagzeilen nur im Zusammenhang mit Stefanie Waskes
juengstem Historikermut:
"Die Verschwoerung
gegen Brandt. Nachdem 1969 erstmals ein
SPD-Politiker Bundeskanzler wurde, bauten CDU und
CSU-Anhaenger einen eigenen Nachrichtendienst auf.
Ein unglaublicher Spionagefall." ZEIT MAGAZIN
(29.11.), der Mammutartikel von SW. Und
die Sueddeutsche / Willi Winkler fleissig
ergaenzend: "Agenten, Verraeter und andere Berufene"
(29.11.)
Diese Texte belegen,
wie Altnazis im Verbund mit old Henry die neue noch
taufrische Bundesregierung mit Riesen-US-Etat
bespitzelten; Kissinger liess denn auch "folgerichtig"
Egon Bahr ueberwachen. Und die Ironie der Geschichte:
Willy Brandt als langjaehriger, schon fast
verbrauchter CIA asset, seit seiner Zeit als
Buergermeister von Westberlin! (so jedenfalls liest
sich das im Berich eines damals hochrangigen ex
CIA-Mann, der vermutlich noch lebt).
Dass Kissinger auch in (durchaus plausible) Verbindung
gebracht wurde mit der Ermordung Aldo Moros 1978
(angeblich von den Roten Brigaden bewerkstelligt,
welche Fraktion aber?) sowie zweier portugiesischer
Spitzenpolitiker im Dezember 1980 (Sabotage ihres
abgestuerzten Flugzeuges?), sei hier nur am Rand
erwaehnt. Christopher Hitchens, der voriges Jahr
krebsgestorbene britische Autor (in den USA sich
leider zu Tode getrunken habend) hat zum moerderischen
Chile-Thema nahezu "alles" gesagt. (Bestuerzend z.B.
die Orlando Letelier "Episode")
Der aufsehenerregendste Fall hier war vielleicht die
Ermordung von Chales Horman, jenem "linkslastigen"
US-Journalisten, der 1973 von Pinochet/Contreras/DINA
(offenbar mit Wissen der CIA) "aus dem Verkehr
gezogen" wurde; man erinnere sich bitte an den
aufsehenerregenden Film "Missing" (mit Sissy Spacek
und Jack Lemmon). Das Buch zum Film stammt von Thomas
Hauser: "The Execution of Charles Horman", das, irre
ich nicht, nie ins Deutsche uebersetzt wurde und das
heute wohl leicht ueber Amazon zu beziehen ist.
Auch als eine Art
Nachholbedarf fuer heutige schreibende junge und
aeltere Kissinger-Apologeten?
An allen diesen fuerchterlichen, gelegentlich
genozidaehnlichen Dingen war/scheint (bedarf es einer
"historischen Korrektur"?) seit ueber 50 Jahren der
"Grosse Alte Fussball-Weise aus Fuerth" beteiligt, der
nun schon seit geraumen 10 Jahren diversen
Untersuchungsrichtern aus Frankreich, Spanien, Chile
usw. davonlaeuft, die ihn wegen seiner "Beteiligung"
an all diesen Dingen befragen moechten.
Nur noch ein letztes Stichwort: VIETNAM UND (Erich
Fried).
Achso, der Friedensnobelpreis......Das waere dann aber
wohl der Beginn eines neuen Kapitels.
Dann Pro-Kiss-of-Death?
Editorische Hinweise
Den
Kommentar erhielten wir vom Autor für diese Ausgabe.
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