TREND - Sonderschwerpunkt: 17. Juni 1953

Kalter Krieg gegen die DDR
Die Ereignisse aus der Sicht der  SED-Führung und ihrer linken Kritiker

06-2013

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Der Aufstand des 17. Juni 1953
Leseauszug aus: Die DDR — „Sozialismus“ in einem halben Land

Die Empörung über die Erhöhung der Arbeitsnormen und die politische und wirtschaftliche Entmündigung durch die stalinistischen Bürokraten führte zum Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953. In mehr als 500 Orten kam es zu Streiks und Demonstrationen, vor allem in Städten die traditionell als rot galten: Berlin, Magdeburg, Halle, Merseburg, Leuna, Leipzig.

Viele der Streikenden standen in der kämpferischen Tradition der Arbeiterklasse und waren vor der Zwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED Mitglied der KPD gewesen. Die Arbeiter wählten Streikleitungen, setzten Streikkomitees ein und stimmten über ihre Forderungen ab. So lauteten die Forderungen der streikenden Arbeiter der Leuna -Werke: „Weg mit den Normen“, „Senkt die HO-Preise“. Auch wurden politische Losungen aufgestellt. „Wir wollen keine Sklaven sein“ und „Räumt euren Mist in Bonn aus, in Pankow säubern wir das Haus“.

Der Generalstreik wurde für Großberlin ausgerufen, doch die Solidarität der westdeutschen Arbeiterklasse blieb aus. Der Aufstand der Arbeiter hatte schnell zu einer vorrevolutionären Situation geführt. Ansätze für den Aufbau von Räten wurden in diesen Tagen geschaffen. Die Arbeiter stellten sich der stalinistischen Bürokratie entgegen, und sie stellten sich gegen Fraktionsverbot, Verbot anderer Arbeiterparteien neben der SED und dem Verbot von unabhängigen Gewerkschaften. Durch den Einsatz sowjetischer Panzer wurde der Aufstand jedoch niedergeschlagen. Die Arbeiter fühlten sich von der SED verraten, die vorgab, ihre Interessen zu vertreten. Sie hatten jedoch keine proletarische Alternative. Der spontane Kampf der Massen ist ohne die Führung einer revolutionären Partei unfähig, zu einer revolutionären Entscheidung zu kommen. Nur eine trotzkistische Partei hätte das revolutionäre Potential der deutschen Arbeiterklasse in West und Ost bündeln und die Perspektive einer sozialistischen Revolution in der Bundesrepublik — und einer antibürokratischen, politischen Revolution im Osten — aufzeigen können. Diese Avantgarde-Partei wäre für eine revolutionäre Wiedervereinigung Deutschlands auf Basis der Räte-Herrschaft und Internationalisierung eingetreten.

Heute verklärt die deutsche Bourgeoisie den Aufstand vom 17. Juni 1953 gerne als „nationale Erhebung“. Dabei verschweigen die bürgerlichen Geschichtsverdreher gern den pro-sozialistischen Charakter. Die DDR-Bürokratie dagegen präsentierte den 17. Juni als Provokation von Westagenten. Er bedeutete für sie den bis dato größten Angriff auf ihre bonapartistische Rolle.

Die SED-Bürokraten reagierten einerseits mit Terror und Verhaftungen auf den Aufstand, mussten aber aus Furcht vor dem revolutionären Proletariat auch einzelne Zugeständnisse machen. So wurde die Entwicklung der Schwerindustrie gedrosselt und die Preise in den HO-Läden zwischen 10 und 25% gesenkt.

Auch wenn sich die Lebensbedingungen leicht verbesserten, flohen zwischen 1953 und 1955 765.000 Menschen aus der DDR. Die Zahl der Flüchtlinge nahm erst ab dem Jahr 1958 ab, als sich die wirtschaftliche Lage konsolidiert hatte. Die Rationierung von Fleisch, Fett und Zucker wurde aufgehoben, die Löhne leicht angehoben und Brot- und Kartoffelpreise auf niedrigem Niveau garantiert.

Editorische Hinweise

Dieser Text ist Teil einer umfassenderen Beschäftigung mit der Geschichte der DDR. Nachzulesen unter:
http://www.bolshevik.org/deutsch/bolschewik/ibt_bol27_2010-07.html