Die ‚Socialist Workers Party’ im Dienste von ‘Takfiris’

von
Anton Holberg

06-2013

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Die britische sogenannte ‘Socialist Workers Party’ hat eine zweijährige Geschichte der Verbreitung von Illusionen in die Opposition zum syrischen Regime einschließlich ihres bewaffneten Teils. Während das interne Regime der SWP eher an einen stalinistischen Verein als an die nicht-orthodoxe trotzkistische Organisation erinnert, die zu sein sie vorgibt, ist ihre politische Linie zunehmend eine  spontaneistischer Hoffnungen geworden, die sie in alle möglichen nicht-proletarische und schon gar nicht leninistische Bewegungen investiert. Das gilt insbesondere in Bezug auf ihre  Haltung zum sogenannten „Arabischen Frühling“. Sich auf die Tatsache stützend, dass das syrische Baath-Regime eine bürgerliche Diktatur ist, die sich insbesondere unter der Präsidentschaft von Bashar al-Assad immer stärker vom früheren Staatskapitalismus ab- und dem privaten Neoliberalismus zugewandt hat und auf diese Weise weite Teile der werktätigen Massen des Landes In Armut gestürzt hat, hat die SWP von Anfang an die oppositionellen Kräfte militant unterstützt. Zwar hat sie deren Taktik, sich an die imperialistischen Mächte um militärische Hilfe gegen die Regierung in Damaskus zu wenden, mehr oder weniger kritisiert. Sie hat es jedoch nicht gewagt, sich öffentlich Gedanken über die Frage zu machen, welches denn die politischen und sozio-ökonomischen Alternativen der Myriade von oppositionellen Gruppen im Land sind.

In der Wochenzeitung der SWP, dem ‘Socialist Worker’ war und ist der prominenteste Autor zu Syrien ein gewisser Simon Assaf. In der Vergangenheit hat er mehrfach Massaker an der Zivilbevölkerung unmittelbar nachdem sie geschehen waren Regierungskräften zugeschrieben auch wenn es noch unklar war, wer die Verantwortung trug. Während es keinen Zweifel daran gibt, dass Regierungskräfte scheußliche Verbrechen begangen haben und sicher auch in Zukunft begehen werden, hat in mehreren Fällen sogar die seriöse bürgerliche Presse später einräumen müssen, dass es sich dabei mit größter Wahrscheinlichkeit  bei diesen Massakern, die sie und Simon Assaf dem Regime zugeschrieben hatten, um das Werk oppositioneller Kräfte gehandelt habe (möglicherweise einiger, die unter dem Namen der ‘Freien Syrischen Armee’ kämpfen, die als zentral organisierte Guerillaarmee aber gar nicht existiert, sondern nur als ein Namen zur Einsammlung ausländischer Unterstützung, oder aber jihadistischer Gruppen wie der ‘Jabhat an-Nusra’ und ähnlicher). Simon Assaf jedoch hat niemals irgendeinen Fehler oder auch nur Zweifel öffentlich eingestanden. Insgesamt aber könnte  man ihm nachsehen, dass er seine revolutionären Träume für die Realität gehalten hat und deshalb den Einfluss mehr oder weniger moralisch sauberer, demokratischer und nicht-religiös sektiererischer Kräfte auf die Revolte als Ganze überschätzt hat.

Jetzt jedoch hat er die rote Linie überschritten. In einem seiner jüngsten Artikel mit dem Titel „Western arms threaten Syria’s troubled revolt“  schreibt er:

„Der Westen möchte die Revolution im Augenblick ihrer größten Krise hijacken. Das kommt einige Tage nachdem Hassan Nasrallah, der Führer von Libanons Hizbollah-Widerstandsbewegung, erklärt hat, dass seine Kräfte jetzt im Bürgerkrieg aktiv sind. Nasrallah erklärte, dass die weitgehend schiitische Gruppe Tausende von Elitesoldaten geschickt hat, um die Offensive des syrischen Regimes in Al-Qusayr anzuführen. Das ist eine überwiegend sunnitische Rebellen-Stadt nahe der Grenze zum Libanon. In einer bislang bei ihm nicht gehörten sektiererischen Sprache bezeichnete er die Verteidiger von Al-Qusayr als ‘Takfiris’ (Apostaten) im «Dienste Israels und der USA». Das bezeichnet einen fundamentalen Bruch für die Partei des ‘nationalen Widerstands’ gegen Israel, die sich stets der Einheit aller Muslime und Araber gerühmt hat. Indem er Assad militärische Unterstützung gibt, hat Nasrallah sein Versprechen gebrochen, die Waffen des Widerstands ausschließlich gegen Israel zu benutzen. Stattdessen hat er das Schicksal des Widerstands nunmehr an das syrische Regime gebunden.“

Was ist das Problem hier? Das Problem ist, dass Nasrallah und die libanesische Hizbullah, was auch immer sie sonst sein mögen, keine klerikalen Sektierer sind, bzw. dass der zitierte Abschnitt das nicht impliziert. In der Tat hat Nasrallah argumentiert, dass der religiös-sektiererische Charakter wichtiger Teile der syrischen Opposition die Stabilität der multi-religiösen Gesellschaft des Libanon bedrohe und damit dem Zionismus diene. Das ist so, weil „Takfiris“  nicht  ‘Apostaten’ sind, sondern solche Muslime, die andere Muslime zu ‘Apostaten’ erklären, und das genau ist in der Tat die Position von solchen mit Al-Qaida verbundenen Gruppen wie der Jabhat an-Nusra, die eine führende Kraft bei der Verteidigung von Al-Qusayr gegen die Regierungstruppen ist. Für diese sind Schiiten ’Apostaten’, d.h. Menschen, die einst Muslime gewesen sind und sich entschieden haben, sich vom Islam abzuwenden (im Fall der Schiiten im 7. Jh). Während es fraglich ist, ob der Prophet Mohammed sich dafür  ausgesprochen hat, dass solche ‘Abtrünnigen’ getötet werden sollen, hat die muslimische Tradition diese Position weitgehend eingenommen (siehe u.a.: “Sheikh Muhammad Al-Yaqoubi interviewed by ‘Syrian Comment’ “, http://www.joshualandis.com/blog/). Der Begriff des ‘Takfir’ ist nunmehr seit Jahren im Zusammenhang mit der Identifizierung von salafi-jihadi-Kräften in der islamischen Welt sehr bekannt. Man kann nicht glauben, dass diejenigen, die für den ‘Socialist Worker’ verantwortlich sind, nie von ihm gehört haben und deshalb einfach einen Fehler übersehen haben, den so ein “Fachmann“ für Nahostfragen wie ihr Simon Assaf unwillentlich gemacht hätte. Diese Darstellung  muss deshalb als eine bewusste Fälschung im Interesse der Verteidigung der immer weniger zu verteidigenden Linie der SWP in der Syrien-Frage gesehen werden. Diese politische Linie ist eine extremistische Interpretation der Position des verstorbenen Chris Harman, derzufolge Revolutionäre manchmal auf Seiten religiöser Fundamentalisten in vom Imperialismus unterdrückten Ländern stehen müssen, jedoch nie auf der Seite der dortigen Regime stehen dürfen. Wenn der SWP-Führer Harman sagte „manchmal“, so scheint es jetzt zu bedeuten „stets und mit allen Mitteln“. Natürlich kritisiert Simon Assaf die Jabhat an-Nusra und ihresgleichen, aber das ist bedeutungslos, wenn er sie weißwäscht, indem er behauptet, dass diejenigen – in diesem Fall die Hizbullah -, die Syrien und damit sich selbst gegen den Angriff von ‘Takfiris’ verteidigen, selbst die ‘Takfiris’ seien.

Editorische Hinweise
Wir erhielten den Artikel vom Autor für diese Ausgabe.