Bis zum Wintersemester
1965/66 hatten sich die Proteste der Studenten auf
die Verteidigung formaler demokratischer Rechte
beschränkt; sie hatten sich an einzelnen
"Fällen"
entzündet, nach deren Beendigung sich die
protestierenden Studenten wieder ihrem Fachstudium
zuwandten. Erst durch das generelle Verbot aller
politischen Veranstaltungen, dessen einseitige
Stoßrichtung gegen die Vietnam-Veranstaltungen
einzelner Verbände den meisten Studenten klar war,
beschäftigten sich viele Studenten mit den Inhalten
dieser Veranstaltungen und gelangten so zu einer
Stellungnahme gegen die Bevormundung durch die
Universitätsadministration und zu einem Engagement in
den politischen Fragen selbst, vor allem in der
Vietnam-Frage. Dazu kam als zentrales universitäres
Ereignis die Zwangsexmatrikulation, die die Studenten
real in ihrer antizipierten beruflichen Existenz
bedrohte; sie wurden gezwungen, sich innerhalb der
Universität gegen die Maßnahmen der Universität zu
wehren. Auf dem sit-in vom 22. Juni lernten sie ihre
einzige Möglichkeit kennen, gegen diese Bedrohung -
wenn auch mit relativem Erfolg - vorzugehen: ihre
Interessen selber konsequent wahrzunehmen, nachdem es
sich im Laufe der Jahre als erfolglos erwiesen
hatte, ihre Vertretung, der ihre Probleme delegiert
waren, allein den Kampf gegen die universitäre
Bürokratie führen zu lassen.
Diese neue
Selbsttätigkeit der Studenten führte am 26. November
1966 zu einem neuen "Skandal".
Als sehr spätes Zugeständnis an eine der sit-in-Forderungen
diskutierte der Rektor mit Studenten über
Hochschulprobleme. Nachdem er über zwei Stunden lang
konkrete Fragen und Diskussionsbeiträge ausweichend
beantwortet hatte, sich nicht für kompetent erklärte
oder darauf hinwies, er diskutiere als Bürger und
nicht als Rektor der Universität, verteilten
Studenten ein Flugblatt, dessen Prognose «von diesem
Gespräch haben wir nichts zu erwarten» sich zu diesem
Zeitpunkt schon erfüllt hatte. Der Rektor verließ mit
dem AStA-Vorsitzenden den Saal, als die
Flugblattverteiler das Mikrofon benutzten, um dessen
Text zu verlesen:
"....Von diesem
Gespräch haben wir nichts zu erwarten.
An unserer Lage wird sich nichts ändern, solange
nicht diejenigen sich selbst organisieren, die es
wirklich betrifft die ausscheiden oder
ausgeschieden werden die diese Freie Universität
nicht mehr aushalten die sich mit ihr nicht mehr
arrangieren wollen die sich bewußt verweigern.
Provisorisches Komitee zur Vorbereitung einer
studentischen Selbstorganisation 26. November
1966." |
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....Da
Journalisten unter den Flugblattverteilern
SDS-Mitglieder erkannt hatten, die zudem noch das
Abzeichen der Roten Garden Mao Tse-tungs am
Rockaufschlag trugen, interpretierte die gesamte
Berliner Presse den Vorfall als: «Jünger Maos
sprengten FU-Diskussion» (Morgenpost), «Schwungrad
der Revolution» innerhalb «einer Kommune mit freier
Liebe und Parteischulung» (Der Abend). Der Rektor
verlangte daraufhin die Namen der Beteiligten vom
SDS, der sie verweigerte, um nicht zum Denunzianten
zugunsten eines Disziplinarrechts zu werden, welches
er grundsätzlich ablehnte.
Die
Theorie von der kommunistischen Unterwanderung durch
die DDR mußte einer anderen weichen, nach der «linke»
FU-Studenten von Angehörigen der Chinesischen
Botschaft in Ost-Berlin gesteuert würden."
Quelle: Uwe Bergmann u.a., Rebellion der Studenten,
Reinbek 1968, S. 22ff |