Drei rote Banner
Zur revolutionären Berufspraxis als Lehrer
Aus: Rote
Pressekorrespondenz Nr. 12 vom 9.5.1969 Westberlin
"....Diese Veröffentlichung soll ein
Diskussionsbeitrag zu dem in der kommenden Woche
unter dem Thema "Revolutionäre Berufspraxis als
Lehrer" stattfindenden Teach-in sein, das am 16.Mai
um 16. Uhr im Audi-Max der FU stattfindet...
....Die Organisation der Lehrer als Agenten der
Arbeiterklasse stellt uns vor eine Reihe von
Problemen, von deren richtiger Lösung der Sieg der
proletarischen Linie und die Vermeidung des
Abgleitens in den Revisionismus abhängt. Zunächst
belehren uns die Erfahrungen der Praktikanten, daß
kaum einer von uns bis jetzt seine Ausbildung sowie
die Revolutionierung seines klein-bürgerlichen
Bewußtseins soweit vorangetrieben hat, um in der Lage
sein zu können, als Agent des Proletariats zu
handeln. Ferner, daß wir der Aufgabe, den Unterricht
zu revolutionieren und einen revolutionären
Unterricht zu erteilen, nicht gewachsen sind. Deshalb
müssen die ad-hoc-Gruppen, die die Parole von der
revolutionären Berufspraxis ausgegeben haben, sich
als Kader der revolutionären Lehrerorganisation
schulen, sowie immer weitere Kreise der
Studentenschaft dafür gewinnen, sich dieser Parole
anzuschließen. Die Ausbildung und Schulung künftiger
revolutionärer Lehrer sowie die Beratung schon im
Schuldienst stehender revolutionärer Lehrer muß Teil
des von den ad-hoc-Gruppen initiierten Lehrprogramms
werden, dessen Gestaltung die politisierten Studenten
immer mehr in die eigenen Hände nehmen werden.
Die Frage nach dem
Ausbildungsprogramm der künftigen revolutionären
Lehrer ist nicht zu beantworten, bevor wir nicht
wissen, wie wir mit den Schülern arbeiten sollen,
bevor wir nicht wissen, wie die Schüler, und gerade
die rebellischen, auszubilden sind. Freilich werden
diese Probleme nur gemeinsam mit den Schülern zu
lösen sein. Dennoch sollte man, um nicht von der
proletarischen Linie abzuweichen, folgendes sich
vergegenwärtigen: auch die Schüler, und gerade die
rebellischen, sind nicht das Subjekt revolutionärer
Veränderung, sondern können bestenfalls zu Agenten
dieses Subjekts, das sie selber nicht sind,
ausgebildet werden. Aus der Erkenntnis nämlich, daß
die Schulen ebenso wie die Universitäten die
sozialisierenden Charakterfabriken des Kapitals sind,
deren Sabotage dem Kapitalismus schwere Schläge
versetzen wird, folgt noch nicht, daß die
Schülerrebellion, die den Schulapparat zu blockieren
sucht, naturwüchsig die proletarische Linie verfolgt.
Aus der Erkenntnis, daß die privilegierten Klassen
ihre Kinder einem Sozialisationsprozeß unterwerfen
müssen, der diese fungibel macht, im Interesse der
Herrschaftserhaltung dieser Klasse auch für ihre
Nachkommenschaft, folgt noch nicht, daß die Sabotage
dieses Anpassungsprozesses am Status der Kinder der
Bourgeoisie als Privilegierte irgend etwas ändert.
Schon gar nicht wird das bürgerliche
Klassenbewußtsein durch die bloße. Negation, des
bürgerlichen Sozialisationsprozesses angepaßt. Der
nicht sozialisierte Bürger wird zum extremen
Individualisten, da der Individualismus als das
Rückgrat des bürgerl.. Klassenbewußtseins anzusehen,
ist der nicht sozialisierte Bourgeois der aus den
Fugen der Bourgeoisie geratene extreme Bourgeois.
Wenn also die bürgerliche Sozialisation nicht durch
eine sozialistische ersetzt wird, wird die
antiautoritäre Schülerrebellion, die ihr
innewohnenden antikapitalistischen und damit
progressiven Momente nicht entfalten können; sie wird
zu einer Bewegung verkommen, der man allzu deutlich
ansieht, daß sie von den Kindern der privilegierten
Klassen getragen wird. Einer solchen Bewegung
gegenüber ist die Arbeiterklasse mit Recht
mißtrauisch.
Was sozialistische
Sozialisation bedeutet, scheint für einen
Grundschullehrer sowohl einfacher als auch
aussichtsreicher zu beantworten. Der Grundschullehrer
steht einem hohen Prozentsatz von Kindern gegenüber,
die mit 14 Jahren in die Produktionssphäre abwandern,
es ist eine sowohl einfachere als auch einsichtigere
Aufgabe, in einem Proletarierkind ein resistentes
antiautoritäres Bewußtsein zu wecken, um es optimal
auf den Klassenkampf vorzubereiten, der von seiner
Klasse und zum großen Teil in der Betriebssphäre wird
angefochten werden müssen. Doch der Grundschullehrer
steht auch Kindern der Bourgeoisie gegenüber, die
nicht einfach für die Revolution abzuschreiben sind,
zumal die Arbeiterklasse der Verbündeten in der
Intelligenz, vor allem in der technischen Intelligenz
bedarf, oder besser, ihrer eigenen Intelligenz
bedarf. Aufgabe des Grundschullehrers ist es, hier
schon die Angehörigen der künftigen Intelligenz zu
Verbündeten der Arbeiterklasse zu machen, die
gleichsam in ihrem Auftrage ihr Privilegium nutzen,
eine höhere Bildung zu erwerben. Auf dieser Stufe
wird es der Lehrer freilich noch leichter haben,
gemeinsam mit den Kindern des Proletariats die
Destruktion des bürgerlichen Klassenbewußseins
einzuleiten. Diese Überlegung lehrt uns zweierlei:
1. haben die
ad-hoc-Gruppen die Agitation an den PH's
voranzutreiben.
2. wird klar, daß
die Kinder der Bourgeoisie ihre eigenen
Klassenschranken nur dar überwinden und sich aus
dem faulen Sumpf ihrer Klasse nur dort emanzipieren
können, wo sie mit ihren Altersgenossen aus der
Arbeiterklasse koalieren und das über die Zeit
hinaus, wo sie die gleiche Schulbank drücken. Dies
werden sie nur in einer revolutionären
Jugendorganisation tun können, in der die
Jungarbeiter, Lehrlinge und Schüler sich gemeinsam
schulen, gemeinsame Praxisformen erproben und
gemeinsame solidarische Aktionen unternehmen.
Für den künftigen
revolutionären Lehrer bedeutet dies, daß er seine
Aufgabe nur wahrnehmen kann, wenn er selbst durch die
Schule dieser revolutionären Jugendorganisation
gegangen ist. Konkret bedeutet dies, daß die
ad-hoc-Gruppen initiierend und/oder kooperierend an
der Arbeit einer solchen revolutionären
Jugendorganisation sich beteiligen müssen. Dies wird
nur möglich sein durch die gleichzeitige Beteiligung
an der Schülerrebellion und an der Arbeit in der
Betriebssphäre.
Aus alledem folgt,
daß die ad-hoc-Gruppen drei rote Banner aufzupflanzen
bzw. drei Hauptquartiere als ihre Außenstellen
einzurichten haben:
1. Das Hauptquartier
der Organisation der revolutionären Lehrer, sowie
der Reorganisation der Ausbildung künftiger Lehrer,
2. Das Hauptquartier
der Schülerarbeit.
3. Das Hauptquartier
der revolutionären Jugendorganisation.
Der ersten
Außenstelle obliegt es, zu allen Genossen, die in den
Schuldienst abwandern, Kontakt zu halten, sie bei
ihrer Arbeit zu beraten, zu unterstützen und zu
überwachen. Aus der Notwendigkeit, die Lehrer zu
beraten, ergeben sich die Themenstellungen und
Arbeitsaufträge für das Ausbildungsprogramm der
künftigen revolutionären Lehrer. Es wird sich als
notwendig erweisen, zum Beispiel umfangreiche
Überlegungen darüber anzustellen, wie der Lektüreplan
für einen revolutionären Deutsch-Unterricht aussehen
kann. Es wird sich als hilfreich erweisen, die
Erfahrungen aufzuarbeiten, die die französischen und
italienischen Genossen gemacht haben bei dem Versuch,
die Schulen als Brückenkopf gegen den Kapitalismus
auszubauen.
Die zweite
Außenstelle versucht, die Zusammenarbeit der
Studenten mit den rebellischen Schülern zu
organisieren. Durch diese Außenstelle soll es
ermöglicht werden, für eine große Anzahl von
Studenten das Postulat, den Beruf gemeinsammit den
rebellischen Schülern zu erlernen, wahrzunehmen.
Der dritten
Außenstelle obliegt es, Möglichkeiten der
Zusammenarbeit mit Lehrlingen und Jungarbeitern zu
erkunden, die die Gründung einer revolutionären
Jugendorganisation zum Ziel hat. Diese Organisation
hätte zu gewährleisten, daß die Schüler sich aktiv an
dem Kampf der Jungarbeiter und Lehrlinge beteiligen -
die Berliner Demonstration der Lehrlinge z, B, hätte
den Streik der Schüler nach sich ziehen sollen -. Zu
denken wäre an eine Basisgruppe, die der
ad-hoc-Gruppe der Lehramtskandidaten direkt
angeschlossen ist, die es Studenten ermöglicht, auf
ein bis zwei Semester in einen Betrieb zu gehen, um
da selbst Erfahrungen der Organisation und
Kaderbildung unter den Jugendlichen der
Arbeiterklasse zu sammeln. Aus den kombinierten
Erfordernissen der dr[fehlt im Original] ergibt sich
das vollständige neue Ausbildungsprogramm der
künftigen Lehrer, Dieses Progamm wird nach und nach
das gesamte Lehrprogramm der Germanistik, Romanistik,
Anglistik, Geschichtswissenschaft ganz und gar
verdrängen, sowie das Programm der schulbezogenen
naturwissenschaftlichen Fächer stark modifizieren."
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