Kosova/Kosovo
Radioaktivität im Protektorat


von
Max Brym

07/04

trend
onlinezeitung

Am 11.7.2004 berichtete die albanischsprachige Nachrichtenagentur KOSOVAPRESS über gefährliche Radioaktivität in Kosova. Seit langem hegt die Bevölkerung Kosovas sowie Nichtregierungsorganisationen, aber auch die „Regierung Kosovas“ derartige Befürchtungen. Dennoch wurde bis heute die Radioaktivität in Kosova von örtlichen Kräften nicht gemessen. KFOR Sprecher Jim Moran hat offiziell keine Ahnung, wie hoch die Radioaktivität in Kosova ist. Ein Gericht in Rom entschied dagegen vor kurzem, dass ein in Kosova stationierter italienischer Soldat an den „Folgen seines Kontaktes mit Radioaktivität gestorben sei“. Nach dem Urteil des italienischen Gerichtes erhielt die Familie des Opfers 500.000 Euro an Entschädigung. Es scheint zu stimmen, was Besim Dobruna, ein ranghoher Vertreter im „Ministerium für Umwelt und Planung Kosovas“ gegenüber KOSOVAPRESS erklärte: „In Kosova gibt es aufgrund des Bombardements des Landes während des Krieges durch die NATO Radioaktivität“. Er fügte hinzu: „Während der Bombardierung Kosovas durch die NATO enthielten Raketen und andere Waffen angereichertes Uran, welches Krebs und andere Krankheiten verursachen kann“. Nach den Worten Dobrunas kann die Belastung mit Radioaktivität noch Jahrhunderte andauern und ist eine ernsthafte Gefahr für die hier lebenden Menschen. Am Ende versucht Herr Dobruna einige verbale Beruhigungspillen auszuteilen. Er sagte in dem Gespräch mit KOSOVAPRESS: „KFOR und UNMIK haben einige Messungen und Untersuchungen über das Ausmaß der Radioaktivität durchgeführt, aber die Ergebnisse sind nicht beunruhigend“. Konkrete Untersuchungsergebnisse konnte Herr Dobruna nicht nennen. In der Tat, diese Ergebnisse behält die UNMIK für sich, sie erklärt meist lapidar „keine Gefahr“ oder „Radioaktivität nicht besonders hoch“. Das Gerichtsurteil in Rom belegt hinlänglich, wie die UNMIK die Bevölkerung in Kosova zum Narren hält. Die europäische bürgerliche Presse hat selbstverständlich kaum über den an Krebs gestorbenen italienischen Soldaten berichtet. Dieses Verhalten hat Gründe, denn eine Debatte über Radioaktivität in Kosova paßt nicht zu vergangener und kommender „humanitärer Kriegsführung“. Die Menschen in Kosova werden frech belogen und den Menschen in Europa wird die Diskussion über Radioaktivität in Kosova schlicht vorenthalten. Der kosovarische Vorsitzende des „Verbandes gegen den Krebs“ Xhavid Bicaj erklärte, „nach der Zahl der Menschen zu urteilen, die jetzt, verglichen mit der Vorkriegszeit, an Krebs erkrankt seien, sei es möglich, dass die Radioaktivität zugenommen habe“. (KOSOVAPRESS 11.7.2004). Zu dem Problem sagte Dobruna trotz aller Verharmlosungsversuche: „Es sind hohe Summen notwendig, um zu versuchen, die Radioaktivität zu beseitigen, denn das erfordere die Säuberung des Landes, was einheimische Institutionen, auch das Ministerium nicht leisten können“. Damit belegt Dobruna ganz ausgezeichnet die koloniale Struktur der Herrschaft über Kosova. Offensichtlich haben die Kosovaren ein Protektorat ( unter Milosevic)gegen ein anderes Protektorat plus Radioaktivität eingetauscht.

Editorische Anmerkungen:

Max Brym stellte uns diesen Artikel am 20.07.2004 zur Veröffentlichung zur Verfügung. Er lebt als freier Journalist in München.