Lafontaines reaktionärer Unsinn und Gysis Banalitäten

von Max Brym
07/05

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Die kommende Linkspartei ist jetzt schon dabei deutlich zu belegen, was in diesem Land unter „Links“ alles durchgeht. In der „Mediokratie“ gelten Gysi und Lafontaine als „linke Hoffnungsträger“. In Wahrheit handelt es sich bei dem geplanten Projekt zwischen WASG und PDS um die Neuauflage autoritärer ausgrenzender klassischer Sozialdemokratie. Die beiden Vorzeigefiguren des Wahlbündnisses zeigen deutlich wie sehr ihnen die Interessen der Arbeiter, der Arbeitsemigranten und der sozial Benachteiligten
am Hintern vorbei gehen. Man gedenkt mit einer rücksichtslosen Kampagne auf Kosten der Emigranten und Emigrantinnen (die Hetze von Lafontaine gegen Fremdarbeiter) einige Prozentpunkte zu gewinnen. Angesprochen werden soll dabei der mittlere weiße deutsche Facharbeitertyp. Nach einer neuen Studie der Hans-Böckler-Stiftung vertritt jedes fünfte Gewerkschaftsmitglied rechtsextreme Ansichten. Lafontaine und Gysi haben nicht den Ansatz, diese Arbeiter populär mit fortschrittlichen Parolen und Zielen anzusprechen, sondern sie verfahren nach dem Motto: „Ich bin bei dir, bitte wähle mich.“ Soziale Grundforderungen der außerparlamentarischen Bewegung, speziell gegen die Hartz IV-Gesetzgebung ignorieren die beiden Herren und probieren mit schwächlichen sozialen Parolen einer wirklichen Auseinandersetzung mit der Agenda 2010-Politik den Weg zu verbauen. Der beste Beleg dafür ist das „Stern“-Interview das Lafontaine und Gysi gemeinsam am 30. Juni 2005 gaben. In dem Gespräch trat Lafontaine für eine Bedürftigkeitsprüfung für all diejenigen ein, die weniger als 10 Jahre Arbeitslosenversicherungsbeiträge entrichteten. An der Hartz IV- Gesetzgebung stört Lafontaine in Wahrheit nur, dass der „brave deutsche Arbeitsmann“, der 30 Jahre Beiträge entrichtete nun durch die Behörde mißhandelt wird. Lafontaine hat ganz im bürgerlichen Diskurs etwas gegen „Faulenzer und Schmarotzer“. Eine gewisse Wertigkeit hat für ihn nur der brave fleißige Arbeiter, wobei die Betonung „deutsch“ für ihn sehr wichtig ist. In dem Interview erklärte Lafontaine, dass er den Spitzensteuersatz wieder auf 53% befördern will, „wie zu Zeiten Kohls“, dem Bauchredner Gysi ging das zu weit. Gysi will nur einen Spitzensteuersatz von 50%. Auch ist mit Gysi die komplette Zurücknahme der Hartz IV- Gesetzgebung nicht machbar, Gysi sprach von „schweren Korrekturen“, die es an Hartz IV vorzunehmen gelte. Gysi argumentierte gegen eine komplette Aufhebung von Hartz IV, weil dann wieder Leute in der Sozialhilfe landen würden. Keinem der beiden Medienstars viel es ein, ein gesetzlich fixiertes Mindesteinkommen für alle zu fordern, dass ein menschenwürdiges Leben garantiert. Viel mehr kommt Gysi mit seiner Warnung vor der Wiederkehr der Sozialhilfe der Propaganda der Regierung entgegen. Diese tut nämlich so, als ob der jetzige Arbeitslosengeld II-Bezieher besser dran wäre, als früher der Sozialhilfeempfänger, dass ist glatt gelogen. Die Beherrschung der Gesetze der einfachen Mathematik, führen diese Behauptung der Hartz IV-Propagandisten, die Gysi glatt übernimmt, at. absurdum.

Lafontaines idealistische Kapitalistenschelte

Oskar Lafontaine hat ein Buch geschrieben mit dem Titel „Politik für alle“. Dieser Titel alleine bringt die bürgerlichen Banalitäten Lafontaines auf den Punkt. Denn wie soll es gehen eine Politik für „Krupp & Krause“ zu machen. Lafontaine verklärt den „rheinischen Kapitalismus“ in der alten Bundesrepublik und will zurück zu ihm. Mehrmals beruft er sich in seinem Buch auf die Politik von Ludwig Erhard, der angeblich „Wohlstand für alle“ anstrebte. Den jetzigen neoliberalen Denkern wirft er mehrmals in dem Buch vor, „Ludwig Erhard („Vater des Wirtschaftswunders“) verraten zu haben“. Diese nostalgische Verklärung des alten bundesdeutschen Kapitalismus ist blödsinnig haltloser Romantizismus. Er vergißt welche harten Klassenkämpfe beispielsweise um das Betriebsverfassungsgesetz, um die Lohnerhöhungen sowie um Arbeitszeitverkürzungen geführt werden mußten. Nebenbei pflegt Lafontaine der Illusion das Wort zu reden, dass eine Rückkehr zum „rheinischen Kapitalismus“ durch die richtige Politik möglich wäre. Der aufgeblasene Möchtegernökonom meint, dass die extrem sichtbaren Verwerfungen des Kapitalismus in den letzten 20-30 Jahren einfach Ausdruck eines veränderten Denkens wären. Für ihn ist der neoliberale Grundkonsens in der Gesellschaft Ausdruck eines bestimmten Denkprozesses und damit mutiert der angebliche Ökonom zu einem grotenschlechtem Hegel, der bekanntlich den wirklichen Napoleon „den Weltgeist zu Pferde“ nannte. Lafontaine ignoriert in seinem Buch völlig die Tatsache, dass sich auf Grund der neunen technologischen Entwicklungen, die organische Zusammensetzung des Kapitals in den letzten Jahrzehnten dramatisch veränderte. Das Kapital stand und steht vor der Notwendigkeit, Investitionen in dem Bereich Technologie und Investitionsgüter vorzunehmen. Durch die Reduzierung der lebendigen Arbeit zugunsten vergangener vergegänständlichterer Arbeit reduziert das Kapital seine Profitrate. Letztendlich interessiert das Kapital nur diese Ziffer, denn sie bennent den Profit, bezogen auf das eingesetzte Gesamtkapital. Bekanntlich schaft aber nur lebendige Arbeit in Gestalt der Arbeitskraft den Mehrwert. Hier ein Beispiel um das deutlich zu machen: Ein niederbayerischer Getränkeabfüller hat eine Maschine, die pro Stunde imstande ist 10.000 Flaschen abzufüllen. Die neue technologische Revolution bescherte der Firma die Möglichkeit, eine Maschine zu installieren, die statt 10.000 Flaschen in der Stunde 20.000 Flaschen in der Stunde abfüllt. Solange sich diese technologische Innovation nicht verallgemeinert, beschert das diesem Betrieb trotz hohem Investitionsaufwand satte Extraprofite. Sobald sich diese Technologie allerdings verallgemeinert, geht der Extraprofit flöten und der Betrieb ist mit dem Problem des tendenziellen Falls der Profitrate konfrontiert. Die veränderte organische Zusammensetzung des Kapitals, der Druck auf die Profitrate ( Profit bezogen auf das eingesetzte Gesamtkapital), zwingt den Kapitalisten die lebendige Arbeit verstärkt unter Druck zu setzen. Die Löhne sollen sinken (denn die Anschaffungskosten für neue Maschinen und Anlagen waren hoch), die Arbeitszeit soll verlängert werden, denn die erworbene Maschine hat rund um die Uhr bedient zu werden. Der gesamtgesellschaftlich zu Tage tretende Rückgang der Kaufkraft führt zudem zur mangelnden Auslastung der Produktionskapazitäten. Dadurch entsteht jede Menge „arbeitsloses Kapital“ das sich auf der Suche nach dem schnellen Geld in diverse Spielkasinos bewegt und andererseits das Phänomen der Massenarbeitslosigkeit. Der Hinweis auf die realisierte Profitmasse im Produktionsbereich wie es auch Lafontaine macht ist richtig, erklärt aber noch nichts. Die Finanzspekulationen sind Ausdruck dafür, dass dem Kapital die Profitraten in der Produktion nicht ausreichen. Deshalb führt das Bürgertum u.a. eine Kampagne gegen die „hohen Lohnnebenkosten“ und damit gegen die Renten, das Arbeitslosengeld und die Gesundheitsfürsorge. Lafontaine bedauert dies in seinem Buch, aber er führt die Ganze Malaise auf das angelsächsische Denken zurück und erklärt die Finanzspekulation zum Problem, außerhalb der Grundgesetze der kapitalistischen Produktion. Gegen die „Auswüchse des Kapitalismus“ setzt Lafontaine staatsmännische „Weitsicht“ in Parlamenten und Regierung. Radikale Forderungen die im scharfen Gegensatz zum Kapital betrieblich und außerparlamentarisch durchgekämpft werden müssen sind bei Lafontaine nicht vorhanden. Der Herr will ein Mandat, nicht um soziale Bewegungen und außerparlamentarische Bewegungen zu befruchten, sondern für seinen klassisch sozialdemokratischen Arzneikoffer. Lafontaine versucht den Eindruck zu erwecken, dass es durch seine parlamentarischen Rezepturen ein zurück zum „rheinischen Kapitalismus“ geben könnte. Don Quichotte war im Vergleich dazu ein Realist. Lafontaine will den nationalen Kompromiß mit dem Kapital. Er unterschlägt, die in der kapitalistischen Weltökonomie seit Ende der siebziger Jahre angelegte Tendenz zur Aufkündigung des Klassenkompromisses durch die Bourgeoisie. Warum dem so ist, darüber gibt es einige schlaue Bücher. Die Basisliteratur dazu liefert Karl Marx und nicht Oskar Lafontaine und schon gar nicht Ludwig Erhard. Die Rezepte eines Herrn Lafontaine und eines Herrn Gysi, die immer an „alle“ denken und nur die Einseitigkeit der gegenwärtigen Realität bejammern, führt nur dazu, dass man letztendlich im Illusionären verbleibt, um am Schluß beim normalen bürgerlichen Nationalismus und Rassismus zu landen (oberflächliche nationale Kapitalistenschelte führt zwangsläufig zu diesen Dingen). Das Buch von Oskar Lafontaine ist in seinem hinteren Drittel nichts anderes als das gängige bürgerlich nationalistische Programm .

Lafontaines rassistische Fremdarbeiterhetze war kein Aussetzer

Lafontaine hat eine Gesellschaftskritik, die er in seinem Buch grundsätzlich nationalistisch begründet. Er bezichtigt in seinem Buch die Amerikaner eher „individualistisch“ zu sein. Wohingegen die „Europäer eher Menschen sind, die die Gemeinschaft suchen würden“. Bedauerlich findet Lafontaine hingegen, dass man dies in Europa heute jedoch hinterfragen müsse. Deshalb tritt Lafontaine nicht nur gegen den „Kapitalismus im englischen Sprachraum“ an, sondern er fordert auch, „die Zeichen der geistigen Verarmung“ durch „englische Wortfetzen“, die die „europäischen Sprachen verhunzen“, zu beenden. Lafontaine fordert einen deutsch-französischen Staatenbund und beruft sich dabei ausdrücklich auf Konrad Adenauer als geistigen Vater dieser grandiosen Idee. Er meint ein solcher Zusammenschluß hätte nicht „nur militärische und ökonomische Bedeutung, es wäre auch ein kultureller Akt, da die Philosophie, die Kunst und die Literatur beider Länder ein reiches Erbe begründen, dass nicht preisgegeben werden darf“. In diesem Zusammenhang lehnt Lafontaine das jüngste Projekt der bayrischen Staatsregierung, die beiden Münchner Hochschulen zur „University of Munich“ zusammenzuschließen ab. Ihn stören die englischen „Wortfetzen“ und er beklagt „die deutsche Unsicherheit in Sachen Behauptung von Sprache und Kultur“. Dieser „treudeutsche“ kulturelle Nationalismus, verfolgt das Ziel, einen nationalistischen Kerneuropakapitalismus als Machtzentrum gegen die verdammeleiten Amis in Stellung zu bringen. Um dieses Ziel zu erreichen, schreckt Lafontaine nicht davor zurück antisemitische Stereotype zu verwenden. Er problematisiert den amerikanischen Freiheitsbegriff, in dem er ein uraltes Zitat ausgräbt: „Und wir Amerikaner sind das auserwählte Volk, das Israel unserer Zeit. Wir tragen die Bundeslade mit den Freiheiten der Welt.“ Mit diesem Zitat bedient Lafontiane bewußt deutsche antisemitische Urteile und Vorurteile. Der antisemitische deutsche Stammtisch erhält durch Lafontaine höhere Weihen.

Lafontaine und die „Ausländer“

Ein Kapitel in dem Buch von Lafontaine trägt die Überschrift „Ausländer und wir“. Lafontaine betont schon mit dieser Überschrift den Unterschied zwischen „uns Deutschen und den Anderen“. Gleiche Rechte für alle die hier Leben kommen natürlich bei Lafontaine nicht vor, der Herr fährt ja auf den Unterschied ab. Er tritt für eine „Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung“ ein. Er warnt wie Schröder und Beckstein „vor der Entwicklung von Parallelgesellschaften“. Besonders stört Herrn Lafontaine in dem Kapitel, dass „rund 18% der türkischen Haushalte in Deutschland Arbeitslosen- und Sozialhilfe beziehen“. Es ist also klar wie Lafontaine um NPD-Wähler werben will, nämlich durch die Übernahme ihrer Parolen. Furchtbar findet es Lafontaine, dass im amerikanischen Präsidentenwahlkampf „Bush und Kerry Teile ihrer Wählerschaft in Spanisch ansprachen“. Solche Dinge sind für Lafontaine unakzeptabel. Er hat Angst davor, dass europäische Spitzenpolitiker künftig, bei Wahlkämpfen die Zuwanderer in ihrer Heimatsprache umwerben. In einem anderen Kapitel warnt Lafontaine davor, dass Europa gegen Ende des „21. Jahrhunderts „eine moslemisch arabische Mehrheit“ hätte, dass will der Nationalist natürlich verhindern. Deshalb ist Lafontaine gegen eine Aufnahme der Türkei in die EU und prinzipiell meint er, „in einem Land hoher Arbeitslosigkeit ist es deshalb fahrlässig und töricht eine weitere Zuwanderung zu fordern“. Anschließend greift Lafontaine sogar die CDU/CSU an, weil sie in der Begrenzung der Einwanderung nicht konsequent genug sei. Bis heute feiert sich Lafontaine als einen der geistigen Väter des sogenannten Asylkompromisses (faktische Aufhebung des Asylrechts), dies geschieht auch in dem neunen Buch.

Fazit und Konsequenzen

Die bürgerlichen Medien sowie eine kleine Clique von Karrieristen haben der Mitgliedschaft der WASG und der PDS einerseits den nationalistischen Sozialdemokraten Lafontaine und andererseits den talentierten Plauderer Gysi als Spitzenduo aufgedrängt. Die Mitgliedschaft soll in beiden Organisationen vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Die Sozialabbaupartei PDS ( zumindest in Meck-Pomm und Berlin) will fusionieren mit dem großen Guru Lafontaine im Westen, der aus der WASG ein nationalistisches antisoziales Auffangbecken für gescheiterte Sozialdemokraten machen will. Prinzipiell haben die schon lange in Kontakt stehenden Herren Gysi und Lafontaine vor eine SPD ohne Schröder zu tolerieren. Langfristig planen sie „Die Linkspartei“ mit dem alten Schlachtschiff SPD wiederzuvereinigen. Mitglieder der WASG sowie der PDS brauchen die Unterstützung aller wirklich linken Kräfte um das Spiel der Herren Gysi und Lafontaine auskontern zu können. Normalerweise hat Lafontaine mit seinen rassistischen Positionen in einer linken Formation nichts verloren. Es gilt an der Basis den Widerstand gegen die Usurpation der Macht durch Gysi und Lafontaine zu entwickeln. Dieses Land hat keinen Bedarf nach Rassismus und altbackener Sozialdemokratie. In der Tat , gibt es allerdings bei einer größer werdenden Zahl von Menschen den Wunsch nach einer ehrlichen und offenen linken Kraft.

Editorische Anmerkungen

Max Brym stellte uns diesen Artikel am 3.7.2005 zur Veröffentlichung zur Verfügung. Er lebt als freier Journalist in München.