NaO-„Sommerdebatte“ in Berlin vom 31.8. – 2.9.2012

Der Workshop vom "Arbeitskreis Kapitalismus aufheben"
Kämpfen - Untersuchen - Organisieren
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07-2012

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onlinezeitung

Leseauszug: Die vergessene Geschichte des Organizing
Industrial Workers of the World - dt. Sektion
(2012)
http://www.wobblies.de/?p=1949


"Die ersten großen Früchte trugen die Aufbaubemühungen von lokalen IWW-Aktivisten und herum reisenden Organizer_innen 1909 in der Stahl-Industrie bei Pittsburgh, als die IWW einem Streik in der Waggonfabrik des Trust US Steel in McKees Rocks zum Durchbruch verhalf. Es war der weltweit erste Streik in einer vollständig taylorisierten Fabrikation. 1913 gelang es den Wobblies bei Studebaker in Detroit den wahrscheinlich ersten Streik in der Automobil-Industrie zu organisieren. Etwa 6.000 Ungelernte legten damals die Arbeit nieder und marschierten aus der Fabrik.

Das IWW-Organizing funktionierte damals nach folgendem Muster. Einzelne Wobblies arbeiten in einem Betrieb. Vielleicht gibt es vor Ort eine kleine Ortsgruppe, über die sie sich unter einander und überregional austauscht. Wenn ein Betrieb sich für Wobblies als interessant heraus stellt, versuchen möglichst viele Mitglieder, dort unter zu kommen. Hauptindikator wären massive Unzufriedenheit der Arbeiterinnen, hohe Fluktuation, erste Formen von Selbstorganisation, unzumutbare Arbeitsbedingungen. Die US-Wobblies sprechen heutzutage davon, „einen Betrieb zu salzen“. Der Wobbly-Organizer ist ein Salzer („a salt“). Sobald die Phase der Gärung abgeschlossen ist und die gesalzene Unzufriedenheit sich in Konflikten entlädt, geht der Kampf an die Öffentlichkeit. Nun schickt die IWW bekannte Redner_innen wie Big Bill Haywood, William Trautmann, Elizabeth Gurley Flynn in die Stadt. Die IWW-Presse stellt überregionale Öffentlichkeit bis ins bürgerlich-liberale Spektrum her. Es finden Solidaritätsaktionen in anderen Städten statt. Als besonders effektiv erwies es sich außerdem, Organizer_innen zu entsenden, die die Sprache der unterschiedlichen Migranten-Gruppen an den Fließbändern, Webstühlen und Werkbänken sprachen.

1909 reiste der deutsche Gewerkschafter Trautmann aus der IWW-Zentrale in Chicago nach McKees Rock, der familiäre Kontakte nach Pittsburgh hatte und die Stadt kannte. Ein Onkel hatte in Homestead gearbeitet und war an dem großen Streik von 1892 beteiligt; es gab Arbeiter in der Fabrik, die dem Deutschen Metallarbeiter Verband angehört hatten (Vorläufer der IG Metall); aus New York reisten italienische Wobblies an. Wer die große Gruppe osteuropäischer Arbeiter, viele kamen aus Ungarn, betreute, ist unbekannt. Im Gefolge der Redner und fremdsprachigen Organizer kamen Bohemiens, Hobos, Abenteurer, Radikale aus anderen Landesteilen angereist, Personen wie Joe Hill, die Support auf Straßen, Plätzen und in Kneipen organisierten und sich den Angriffen von Schlägertrupps und Polizeitruppen entgegen stellten, Lieder komponierten, Flugblätter verteilten und auf Seifenkisten agitierten. Der bekannteste dieser Streiks, die ab 1909 regelmäßig und in Wellen durch das Land brausten, fand vor 100 Jahren in der Textilindustrie von Lawrence Massachussetts statt. Er ging als „Bread and Roses-Streik” in die Geschichte ein."